Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Juli 2010
Aktenzeichen: 21 W (pat) 314/06

(BPatG: Beschluss v. 07.07.2010, Az.: 21 W (pat) 314/06)

Tenor

Das Einspruchsverfahren ist in der Hauptsache erledigt.

Gründe

I.

Gegen das Patent DE 102 32 740, dessen Erteilung am 24. November 2005 veröffentlicht worden ist und das eine "Feuerlöschanlage" betrifft, hat die Einsprechende, gestützt auf den Widerrufsgrund der widerrechtlichen Entnahme, am 24. Februar 2006 Einspruch erhoben.

Die Patentinhaberin hat gegenüber dem Deutschen Patentund Markenamt am 10.

November 2009 auf das Patent verzichtet. Mit Verfügung vom 11.

Februar 2010 ist die Einsprechende daraufhin aufgefordert worden, zu erklären, ob sie ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis für die Fortführung des Einspruchsverfahrens geltend macht. Mit Schreiben ebenfalls vom 11. Februar 2010 hat die Einsprechende mitgeteilt, dass sie auf die Möglichkeit der Weiterverfolgung des Einspruchsverfahrens verzichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

1.

Da die Einspruchsfrist im vorliegenden Verfahren nach dem 1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 erhoben worden ist, ist das Bundespatentgericht für die Entscheidung gemäß § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG in der bis einschließlich 30. Juni 2006 gültigen Fassung weiterhin zuständig (vgl. BGH GRUR 2007, 862 ff. -Informationsübermittlungsverfahren II; BPatG GRUR 2007, 449 f. -Rundsteckverbinder).

2.

Das verfahrensgegenständliche Patent ist nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 PatG am 10. November 2009 mit Wirkung für die Zukunft erloschen. Die Patentinhaberin hat mit Schreiben vom 9. November 2009, das am 10. November 2009 beim zuständigen Deutschen Patentund Markenamt eingegangen ist, erklärt, dass sie "rückwirkend das deutsche Patent 102 32 740" zurücknehme. Da eine Zurücknahme des Patents gesetzlich nicht vorgesehen und ein Verfahren nach § 64 Abs. 1, 1. Alt. PatG ersichtlich nicht eingeleitet worden ist, ist das Schreiben als Verzicht auszulegen.

3. Grundsätzlich besteht im Falle des Wegfalls eines Patents für die Zukunft kein Interesse der Allgemeinheit mehr an einem Widerruf des Patents für die Restlaufzeit (h. M., vgl. Schulte, 8. Aufl. 2008, § 59 Rn. 250; Benkard, 10. Aufl. 2006, § 59 Rn. 46c; Busse 6. Aufl. 2003, § 59 Rn. 28, jeweils m. w. N.). Nach Erlöschen des Patents ist demzufolge für eine Fortführung des Einspruchsverfahrens das Vorliegen eines besonderen Rechtsschutzinteresses des Einsprechenden nötig (vgl. BGH GRUR 1997, 615 ff. -Vornapf; BPatGE 51, 128 ff.).

Ein solches besonderes Rechtsschutzbedürfnis hat die Einsprechende nicht geltend gemacht, sie hat vielmehr mit Schreiben vom 11. Februar 2010 erklärt, dass auf die Möglichkeit der Weiterverfolgung des Einspruchsverfahrens verzichtet werde. Damit ist das Einspruchsverfahren erledigt.

3.1. Vorliegend besteht allerdings die Besonderheit, dass der Einspruch ausschließlich auf den Einspruchsgrund der widerrechtlichen Entnahme gestützt ist. Der Einspruchsgrund des § 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG hat die Frage der Zuordnung der Erfindung sowie die Anmeldung durch einen Nichtberechtigten zum Gegenstand und dient anders als die Einspruchsgründe des § 21 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 PatG ausschließlich dem Interesse des Verletzten, der allein einspruchsberechtigt ist, und nicht -wie die übrigen Einspruchsgründe -der im Allgemeininteresse liegenden Klärung der Frage, ob die Erfindung schutzwürdig ist (vgl. BPatG, Beschluss vom 28. April 2009, 6 W (pat) 330/05 - Kugelgelenk, vollständig veröffentlicht in juris Das Rechtsportal m. w. N.).

Diesem Interesse des Verletzten wird zum Einen durch den Widerruf des dem Nichtberechtigten zu Unrecht erteilten Patents und zum Anderen durch die in § 7 Abs. 2 PatG geregelte Möglichkeit der Nachanmeldung Rechnung getragen.

3.2. Der Widerruf hat wie bei den anderen Widerrufsgründen die Beseitigung des Patents ex tunc zur Folge, so dass aus ihm für die Vergangenheit weder gegen Dritte noch gegen den Verletzten Rechte hergeleitet werden können. Insofern unterscheidet sich der Widerruf nach § 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG nicht von dem nach § 21 Abs. 1 Nr. 1, 2 oder 4 PatG. Im Falle des Erlöschens des Patents mit der Wirkung ex tunc besteht demzufolge auch dann ein Rechtsschutzbedürfnis für die Fortführung des Einspruchsverfahrens, wenn der Verletzte darlegt, dass gegen ihn für die Vergangenheit Rechte aus dem Patent geltend gemacht werden. Dies ist vorliegend nicht geschehen.

3.3. Beim Einspruchsgrund der widerrechtlichen Entnahme ist weiterhin für die Frage des Rechtsschutzbedürfnisses die Regelung des § 7 Abs. 2 PatG maßgebend. Danach steht dem Verletzten ein Nachanmelderecht zu, wenn der Einspruch zu einem Widerruf des streitbefangenen Patents gemäß § 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG oder - wie im vorliegenden Fall - zu einem Verzicht auf das Patent geführt hat. Bei einem Verzicht auf das Patent ist demzufolge für das Nachanmelderecht und damit auch für die Frage eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses wesentlich, dass der Verzicht gerade auf den Vorwurf der widerrechtlichen Entnahme zurückzuführen ist. Da diese Kausalität bei einem Verzicht nach Erhebung jedenfalls des nur auf widerrechtliche Entnahme gestützten Einspruchs regelmäßig zu vermuten ist (vgl. Busse, PatG 6. Aufl. 2003, § 7 Rn. 9 m. w. N.), bedürfte es für die Begründung eines besonderen Rechtsschutzbedürfnisses eines substantiierten Vortrags, aus welchen Gründen der Einsprechende ohne Fortsetzung des Einspruchsverfahrens sein Nachanmelderecht gefährdet sieht. Im vorliegende Fall hat die Einsprechende diesbezüglich nichts vorgetragen. Sie hat vielmehr im Gegenteil erklärt, dass sie auf die Möglichkeit der Weiterverfolgung des Einspruchsverfahrens verzichte. Diese Erklärung ist zwar aufgrund der Formulierung "Weiterverfolgung" keine Rücknahme des Einspruchs, die zur Beendigung des Einspruchsverfahrens führen würde (vgl. BPatG a. a. O. - Kugelgelenk). Sie enthält aber in jedem Fall die Aussage, dass die Einsprechende eine Fortsetzung des Einspruchsverfahrens zur Sicherung ihres Nachanmelderechts nicht für erforderlich hält und insoweit ein Rechtsschutzbedürfnis nicht geltend macht.

Dr. Winterfeldt Baumgärtner Bernhart Veit Pü






BPatG:
Beschluss v. 07.07.2010
Az: 21 W (pat) 314/06


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