Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. November 2010
Aktenzeichen: 7 W (pat) 333/09

(BPatG: Beschluss v. 10.11.2010, Az.: 7 W (pat) 333/09)

Tenor

Das Patent 199 41 973 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:

-Patentansprüche 1 bis 6 laut der in der mündlichen Verhandlung überreichten geänderten Fassung des Hilfsantrags 1 vom 10. November 2010

-Beschreibung und Zeichnungen (Fig. 1 bis 5) laut erteiltem Patent.

Gründe

I.

Gegen die am 24. Februar 2005 veröffentlichte Erteilung des Patents 199 41 973 mit der Bezeichnung "Verfahren und Vorrichtung zur aktiven Hilfestellung eines Kraftfahrzeugführers in einem Kraftfahrzeug" ist am 24. Mai 2005 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, dass der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei. Die Einsprechende, die mit Fax vom 9. November 2010 ihr Nichterscheinen zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat angekündigt hat, hat sich in der Einspruchsbegründung auf die Schriften DE 197 07 188 A1 (D7) Bedienungsanleitung Autoradio "Berlin" (D8) WO 99/282 145 A1 sowie die übrigen im Prüfungsverfahren ermittelten Druckschriften gestützt, die jedoch mit Ausnahme der Schrift D3 im Einspruch nicht im Einzelnen expressis verbis aufgegriffen wurden:

DE 198 07 410 A1 (D1) DE 197 15 325 A1 (D2) DE 197 00 353 A1 (D3) DE 196 38 324 A1 (D4) EP 0 701 926 A1 (D5) WO 97/13 657 A1 (D6).

Sie hat dazu ausgeführt, insbesonders gegenüber den Schriften D3 und D7 fehle dem Gegenstand nach Patentanspruch 1 des Streitpatents die Neuheit, zumindest sei entweder gegenüber einer der Schriften D3 und D7 oder einer Kombination der Schriften WO 99/282 145 A1 und D7 eine erfinderische Tätigkeit nicht gegeben.

Da der nebengeordnete Anspruch 2 des Streitpatents, der sich vom Anspruch 1 im Wesentlichen dadurch unterscheide, dass das Verfahren manuell durch den Fahrzeugführer aktiviert werde, von den Merkmalen inhaltlich aber dem Anspruch 1 entspreche, gelte bezüglich fehlender Neuheit und erfinderischer Tätigkeit das zu Anspruch 1 Gesagte.

Der nebengeordnete Vorrichtungsanspruch 4 unterscheide sich außer von der Gattung her von den Ansprüchen 1 und 2 lediglich durch das Vorhandensein eines CAN-Busses zur Anbindung des Steuergeräts an die Sensoren und weiteren Steuergeräte. Dies sei jedoch eine für den Fachmann übliche Maßnahme, so dass analog zu den Ansprüchen 1 und 2 dieser Anspruch wegen fehlender Neuheit bzw. fehlender erfinderischer Tätigkeit ebenfalls nicht patentfähig sei.

Sie hat daher in der Einspruchsfrist den Antrag gestellt, das Patent 199 41 973 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent 199 41 973 mit den folgenden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:

-Patentansprüche 1 bis 6 laut der in der mündlichen Verhandlung überreichten geänderten Fassung des Hilfsantrags 1 vom 10. November 2010

-Beschreibung und Zeichnungen (Fig. 1 bis 5) laut erteiltem Patent.

Die Patentinhaberin widerspricht den Ausführungen der Einsprechenden und vertritt die Ansicht, dass der Patentgegenstand in dieser beschränkten Fassung gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik patentfähig sei.

Die nebengeordneten Patentansprüche 1, 2 und 4 gemäß dem in der mündlichen Verhandlung als einziger Antrag überreichten und als Hauptantrag bezeichneten geänderten Fassung des Hilfsantrags 1 vom 10. November 2010 lauten:

1. Verfahren zur aktiven Hilfestellung eines Kraftfahrzeugführers in einem Kraftfahrzeug mittels mindestens eines Steuergerätes und einer Eingabeund Anzeigeeinheit, wobei das Steuergerät auf die Daten von fahrzeugzustandsrelevanten Sensoren und Steuergeräten zugreift, dass das Steuergerät einen kritischen Fahrzeugzustand durch Auswertung der Daten der fahrzeugzustandsrelevanten Sensoren und Steuergeräte erfasst, dadurch gekennzeichnet, dassa) das Steuergerät kontextund/oder präferenzbezogen eine Liste von möglichen Handlungen des Kraftfahrzeugführers erstellt, b) der erfasste kritische Fahrzeugzustand sowie die Liste der möglichen Handlungen auf der Anzeigeeinheit dargestellt werden und dass einc) selbsttätiges Ausführen der durch den Kraftfahrzeugführer ausgewählten möglichen Handlung durch das Steuergerät durchgeführt wird, indem dieses den Steuergeräten oder den Einrichtungen zur externen Kommunikation die zugeordneten Steuerbefehle überträgt.

2. Verfahren zur aktiven Hilfestellung eines Kraftfahrzeugführers in einem Kraftfahrzeug, mittels mindestens eines Steuergerätes und einer Eingabeund Anzeigeeinheit, wobei das Steuergerät auf eine interne und/oder externe Datenbasis zugreifen kann, umfassend folgende Verfahrensschritte: a) Manuelles Aktivieren des Verfahrens durch den Kraftfahrzeugführer, b) Darstellen einer Liste der Gebiete von möglichen Empfehlungen auf der Anzeigeeinheit, c) Durchführen eines kontextund/oder präferenzsensitiven Abfragedialogs zur Ermittlung des Fahrerwunsches zu dem gewählten Gebiet, wobei ausgehend von der aktuellen Position des Kraftfahrzeuges die interne und/oder externe Datenbasis durchsucht wird und in Abhängigkeit eines Umkreises um die aktuelle Position eine Vorschlagsliste von Empfehlungen erzeugt wird, d) Selektieren einer Empfehlung aus der Vorschlagsliste, wobei Detailinformationen zu der selektierten Empfehlung dargestellt werden, e) Darstellen eines Eingabefeldes für eine Telefonverbindung und eines Eingabefeldes für die Navigation, wobei durch das Steuergerät bei Betätigung des Eingabefeldes automatisch eine Telefonverbindung hergestellt wird und bei Betätigung des Eingabefeldes für die Navigation eine digitale Straßenkarte mit Routenführung dargestellt wird.

4. Vorrichtung zur Durchführung eines Verfahrens nach einem der vorangegangenen Ansprüche, umfassend ein Steuergerät und eine Eingabeund Anzeigeeinheit, wobei das Steuergerät über einen CAN-Bus mit fahrzeugzustandsrelevanten Sensoren und Steuergeräten und/oder Komfortsteuergeräten und/oder einer internen und/oder externen Datenbasis verbunden ist, dadurch gekennzeichnet, dass dem Kraftfahrzeugführer kontextund/oder präferenzbezogene Eingabeoptionen durch das Steuergerät auf der Anzeigeeinheit anbietbar sind, die nach Auswahl durch den Kraftfahrzeugführer selbsttätig durchführbar sind.

Zum Wortlaut der den selbstständigen Ansprüchen 1, 2 und 4 nachgeordneten Unteransprüche 3 und 5 bis 6 wird auf die Akte verwiesen.

Gemäß Streitpatentschrift 199 41 973 B4, Absatz [0009], liegt dem Gegenstand des Patents die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren und eine Vorrichtung zur aktiven Hilfestellung eines Kraftfahrzeugführers in einem Kraftfahrzeug zu schaffen, mittels derer der Kraftfahrzeugführer bei der Auswahl und Durchführung von Handlungen bei kritischen Fahrzeugzuständen oder bei Komforthandlungen unterstützt wird.

II. A. Der Senat ist für die Entscheidung im vorliegenden Einspruchsverfahren auch nach der mit Wirkung vom 1. Juli 2006 erfolgten Aufhebung der Übergangsvorschriften des § 147 Abs. 3 PatG noch auf Grund des Grundsatzes der "perpetuatio fori" gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO analog i. V. m. § 99 Abs. 1 PatG zuständig (vgl. BGH GRUR 2009,184, 185 -Ventilsteuerung; GRUR 2007, 862 f. -Informationsübermittlungsverfahren II).

III. B. Der fristund formgerecht erhobene Einspruch ist zulässig. Er ist jedoch nur teilweise begründet.

Der Gegenstand der mit dem geltenden Hauptantrag beschränkt verteidigten Patentansprüche 1, 2 und 4 stellt eine patentfähige Erfindung i. S. d. §§ 1 bis 5 PatG dar.

Die geltenden Patentansprüche sind zulässig. Ihre Merkmale sind hinreichend klar und auch in den ursprünglichen Unterlagen offenbart.

1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu und beruht auf erfinderischer Tätigkeit.

a) Die Neuheit des Gegenstands ist gegeben, weil aus keiner der zum Stand der Technik genannten Druckschriften alle Merkmale des Patentanspruchs 1 hervorgehen.

Aus den vorveröffentlichten Schriften DE 197 00 353 A1 (D3) und DE 197 07 188 A1 (D7) sind die im geltenden Patentanspruch 1, Abs. b und c beschriebenen Merkmale des selbsttätigen Ausführens der auf der Anzeigeeinheit dargestellten und durch den Kraftfahrzeugführer ausgewählten möglichen Handlung durch das Steuergerät, in dem dieses den Steuergeräten oder den Einrichtungen zur externen Kommunikation die zugeordneten Steuerbefehle überträgt, nicht bekannt.

Beim Verfahren der D3 werden in einer ersten Ausführungsform die sicherheitsrelevanten Daten analysiert sowie entsprechend bearbeitet und (alphanumerisch und grafisch) dargestellt. Diese Daten werden dann mit entsprechenden Empfehlungen für Steueroperationen versehen (Sp. 3, Z. 7 bis 14) oder dienen bei einer zweiten Ausführungsform zur unmittelbaren Auslösung von Steuerbefehlen in Grenzsituationen, wie der automatischen (also gerade ohne Mitwirkung des Fahrers) vorgenommenen Ansteuerung von technischen Elementen wie Bremsen und Kraftstoffzufuhr (Sp. 4, Z. 1 bis 4).

Auch die D7 beschreibt zwar das selbsttätige Bereitstellen der Telefonnummer des zuständigen Pannendienstes (Sp. 2, Z. 46 bis 51) oder die Anzeige eines Defektes mittels sichtund hörbarer Signale und, nach Stillsetzen des Fahrzeugs, mit nachrangiger Ausgabe die Anzeige näherer Informationen zur Schadensbehebung (Sp. 3, Z. 1 bis 7) sowie das (im Pannenfall) selbsttätige Heraussuchen der Telefonnummern der eigenen oder nächsten Werkstatt und Anbieten einer Verbindung (Sp. 4, Z. 48 bis 52). Dies ist jedoch dem erfindungsgemäßen selbsttätigen Ausführen der auf der Anzeigeeinheit dargestellten und durch den Kraftfahrzeugführer aus einer Liste ausgewählten möglichen Handlung durch das Steuergerät, durch Übertragung der zugeordneten Steuerbefehle an Steuergeräte oder den Einrichtungen zur externen Kommunikation weder gleichzusetzen, noch liegt diese Ausgestaltung nach dem Streitpatent für den Fachmann auf der Hand (vgl. BGH -"Olanzapin", X ZR 89/07 v. 16.12.2008, GRUR 2009, 382 ff.).

Auch die diesbezüglich weiter abliegenden Schriften D1, D2 und D4 bis D6 beschreiben kein derartiges selbsttätiges Ausführen der auf der Anzeigeeinheit dargestellten und durch den Kraftfahrzeugführer aus einer Liste ausgewählten möglichen Handlung durch das Steuergerät und nachgeordnete Einrichtungen entsprechend Merkmal 1c, sondern eine Multifunktionsbedieneinrichtung mit teilweise programmierbaren Funktionstasten und Display (D1, Anspruch 1) während die D2 die optische Hervorhebung von angewählten Menüpunkten (Anspruch 1) in einem Menü behandelt (Abs. [0006] und [0005] der Streitpatentschrift).

Auch in den Schriften DE 196 38 324 A1 (D4), EP 070 1926 A1 (D5) und WO 97/13657 A1 (D6) wird lediglich ein Prüfsystem zur bedienergeführten Prüfung von elektrischen Einrichtungen eines Fahrzeugs (D4), eine Multifunktions-Bedieneinrichtung mit mehreren anwählbaren Bedienoberflächen (D5) sowie eine Steuerungsschnittstelle zur Anzeige und Betätigung von benutzerspezifisch eingestellten Daten bzw. Befehlen beschrieben, vgl. Abs. [0007], [0008] und [0004] der Streitpatentschrift.

In der Schrift "Bedienungsanleitung Autoradio Berlin" (D8) wird kein Verfahren zur aktiven Hilfestellung eines Kraftfahrzeugführers mit mindestens einem Steuergerät, das auf die Daten von fahrzeugzustandsrelevanten Sensoren und Steuergeräten zugreift und einen kritischen Fahrzeugzustand durch Auswertung der Daten der fahrzeugzustandsrelevanten Sensoren und Steuergeräte erfasst, offenbart, sondern die Bedienung eines Autoradios beschrieben.

Das von der Einsprechenden in ihrem Einspruchsschriftsatz vom 24. Mai 2005 genannte Dokument WO 99/282 145 A1 ist im Datenbestand des Deutschen Patentund Markenamts nicht auffindbar. Die Patentinhaberin weist in ihrem Schriftsatz vom 19. Dezember 2005, S. 13 Abs. 3 daraufhin auf die selbst ermittelte Schrift WO 99/28 145 A1 (nachfolgend als D9 bezeichnet) hin. Diese Druckschrift offenbart ein Fahrzeuginformationssystem mit Sensoren, das lediglich Handlungsempfehlungen ausgibt, und liegt, da es nicht das entsprechend Merkmal 1c geforderte selbsttätige Ausführen der durch den Kraftfahrzeugführer ausgewählten möglichen Handlung durch das Steuergerät beschreibt, weiter ab.

b) Der offensichtlich gewerblich anwendbare Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, da die Entgegenhaltungen D1 bis D9 weder allein noch in Zusammenschau dem Durchschnittsfachmann eine Anregung zum Auffinden des Gegenstands des Patentanspruchs 1 geben können.

Als zuständiger Fachmann ist daher für das vorliegende Patent ein Dipl.-Ing. der Fahrzeugtechnik mit mehrjähriger Berufserfahrung auf dem Gebiet Ergonomie anzusehen.

Der Schrift D3, bei der Daten des Fahrzeugs und der Umgebung entweder einer sicherheitsrelevanten Analyse unterzogen und mit entsprechenden Empfehlungen für Steueroperationen versehen auf der Anzeigeeinheit angezeigt werden (Sp. 3, Z. 3 bis 10) oder durch die automatische Ausführung von Steuerbefehlen in Grenzsituationen automatisch, also ohne Mitwirkung des Fahrers eine Ansteuerung von technischen Elementen wie Bremsen und Kraftstoffzufuhr erfolgen soll, fehlt das erfindungswesentliche Merkmal c) des Anspruchs 1 des Streitpatents, nämlich ein selbsttätiges Ausführen der durch den Kraftfahrzeugführer aus einer Liste ausgewählten möglichen Handlung durch das Steuergerät, in dem dieses den Steuergeräten oder den Einrichtungen zur externen Kommunikation die zugeordneten Steuerbefehle überträgt.

Es werden in der D3 also zwei je nach Situation völlig unterschiedliche Vorgehensweisen der Steuereinheit (hier Datenverarbeitungseinheit) offenbart, die von der Lösung des Streitpatents, die Merkmale a), b), und c) unter unbedingter Mitwirkung des Fahrers zu verbinden, eher wegführen.

Auch eine Kombination jeder dieser Vorgehensweisen mit dem Verfahren der Schrift D7 führt nicht weiter: Dort kann der Bordcomputer zwar ebenfalls aufgrund von Sensorsignalen Defekte am Fahrzeug erkennen und den Fahrzeugführer darauf hinweisen, sowie dem Fahrzeugführer aufgrund der gespeicherten Betriebsanleitung nähere Hinweise zur Schadensbehebung geben (Sp. 3, Z. 1 bis 11). Auch kann der Bordcomputer, wenn der Schaden nur in einer Werkstatt behoben werden kann, selbsttätig die entsprechende Telefonnummer heraussuchen und eine Verbindung anbieten (Sp. 4, Z. 44 bis 52). Diese Verfahrensschritte entsprechen jedoch nicht der patentgemäßen Lösung nach Merkmal c) des Anspruchs 1 des Streitpatents, nachdem in diesem Fall das Steuergerät oder eine nachgeordnete Einheit auch selbsttätig wählen müsste, wenn der Fahrzeugführer diese Vorgehensweise präferiert. Somit führt auch eine Kombination der Schriften D3 und D7 den Fachmann nicht zum Gegenstand des Streitpatents nach Anspruch 1, da er aus diesen Schriften weder Hinweise noch Anregungen auf die Merkmale der Gruppe 1c) erhält, nämlich einem selbsttätigen Ausführen der durch den Kraftfahrzeugführer aus einer Liste ausgewählten möglichen Handlung durch das Steuergerät, indem dieses den Steuergeräten oder den Einrichtungen zur externen Kommunikation die zugeordneten Steuerbefehle überträgt.

Auch eine Kombination der Schrift D3 mit einer oder mehreren der weiteren im Verfahren befindlichen jedoch weiter abliegenden Schriften, für die aufgrund der zwei aus der D3 offenbarten, völlig verschiedenen Vorgehensweisen kein Grund erkennbar ist, führt nicht zur erfindungsgemäßen Kombination der Merkmale a) bis c) des Streitpatents, durch das Steuergerät kontextund/oder präferenzbezogen eine Liste von möglichen Handlungen des Kraftfahrzeugführers zu erstellen und diese sowie den erfassten kritischen Fahrzeugzustand auf der Anzeigeeinheit darzustellen und ein selbsttätiges Ausführen der durch den Kraftfahrzeugführer ausgewählten möglichen Handlung durch das Steuergerät durchzuführen, indem dieses den Steuergeräten oder den Einrichtungen zur externen Kommunikation die zugeordneten Steuerbefehle überträgt.

2. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 2 ist ebenfalls neu und beruht auf erfinderischer Tätigkeit.

a) Die Neuheit ist zu bejahen, weil aus keiner der zum Stand der Technik genannten Druckschriften alle Merkmale des Patentanspruchs 2 hervorgehen.

Aus der für diesen Anspruch nächstkommenden Schrift "Bedienungsanleitung Autoradio Berlin" (D8), die ein Verfahren zur aktiven Hilfestellung eines Kraftfahrzeugführers (hier Bedienung eines Autoradios) in einem Kraftfahrzeug mittels mindestens eines Steuergerätes, das manuell durch den Kraftfahrzeugführer aktiviert werden muss, beschreibt, sind die im geltenden Patentanspruch 2, Abs. e beschriebenen Merkmale des Darstellens eines Eingabefeldes für eine Telefonverbindung und eines Eingabefeldes für die Navigation, wobei durch das Steuergerät bei Betätigung des Eingabefeldes automatisch eine Telefonverbindung hergestellt wird und bei Betätigung des Eingabefeldes für die Navigation eine digitale Straßenkarte mit Routenführung dargestellt wird, nicht bekannt, da dort, wie oben ausgeführt, die Bedienung eines Autoradios beschrieben wird, zu dessen Aufgaben die o. g. Merkmale zur Erstellung einer Telefonverbindung und der Routenführung nicht gehören.

Die übrigen Schriften D1 bis D7 und D9 weisen die Merkmalea) Manuelles Aktivieren des Verfahrens durch den Kraftfahrzeugführer und c) Durchführen eines kontextund/oder präferenzsensitiven Abfragedialogs zur Ermittlung des Fahrerwunsches zu dem gewählten Gebiet, wobei ausgehend von der aktuellen Position des Kraftfahrzeuges die interne und/oder externe Datenbasis durchsucht wird und in Abhängigkeit eines Umkreises um die aktuelle Position eine Vorschlagsliste von Empfehlungen erzeugt wird, nicht auf.

Bei der D3 und der D7 werden nach Auffassung des Senats vielmehr ständig und ohne manuelle Aktivierung des Steuergeräts Daten von Geräten und Fahrzeugsensoren einer Analyse unterzogen und entweder mit entsprechenden Handlungsempfehlungen angezeigt (D3 und D7) oder aber, als Alternative in der D3 beschrieben, sofort und ohne Einflussnahme des Fahrers darauf reagiert (Sp. 4, Z. 1 bis 4).

Die bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigten und von der Einsprechenden nur pauschal genannten Schriften DE 198 07 410 A1 (D1) und DE 197 15 325 A1 (D2) beschreiben eine Multifunktionsbedieneinrichtung mit teilweise programmierbaren Funktionstasten und Display (D1, Anspruch 1) während die D2 die optische Hervorhebung von angewählten Menüpunkten (Anspruch 1) in einem Menü behandelt (Abs. [0006] und [0005] der Streitpatentschrift).

In den Schriften DE 196 38 324 A1 (D4), EP 070 1926 A1 (D5) und WO 97/13657 A1 (D6) sind lediglich ein Prüfsystem zur bedienergeführten Prüfung von elektrischen Einrichtungen eines Fahrzeugs (D4), eine Multifunktions-Bedieneinrichtung mit mehreren anwählbaren Bedienoberflächen (D5) sowie eine Steuerungsschnittstelle zur Anzeige und Betätigung von benutzerspezifisch eingestellten Daten bzw. Befehlen beschrieben, vgl. Abs. 0007, 0008 und 0004 der Streitpatentschrift.

b) Auch der offensichtlich gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruchs 2 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit, da die Entgegenhaltungen D1 bis D9 weder allein noch in Zusammenschau dem Durchschnittsfachmann eine Anregung zum Auffinden des Gegenstands nach Patentanspruch 2 geben können.

Aus der inhaltlich nächstkommenden Schrift "Bedienungsanleitung Autoradio Berlin" (D8), die im Gegensatz zu den anderen im Verfahren befindlichen Schriften das manuelle Aktivieren des Verfahrens durch den Fahrzeugführer offenbart (Merkmal a) sind die im geltenden Patentanspruch 2, Abs. e beschriebenen Merkmale des Darstellens eines Eingabefeldes für eine Telefonverbindung und eines Eingabefeldes für die Navigation, wobei durch das Steuergerät bei Betätigung des Eingabefeldes automatisch eine Telefonverbindung hergestellt wird und bei Betätigung des Eingabefeldes für die Navigation eine digitale Straßenkarte mit Routenführung dargestellt wird, nicht bekannt. Auch liegt eine Kombination der Schrift D8 mit dem Inhalt der Schriften D3 oder D7 weder nahe noch führt sie zum Gegenstand des geltenden Anspruchs 2, denn es ist kein Grund erkennbar, warum ein Fachmann die für die Sendereinstellungen eines Autoradios relevanten Merkmale aus der Bedienungsanleitung D8 mit der Analyse und Verarbeitung von sicherheitsrelevanten Fahrzeugund Umgebungsdaten nach der D3 kombinieren sollte, die wiederum zu zwei Handlungsalternativen führt: ein prozessadäquates Abbild der aktuellen Situation mit entsprechenden Empfehlungen für Steueroperationen werden auf der Anzeigeeinheit angezeigt (D3, Sp. 3, Z. 3 bis 14) oder es wird eine automatische Ausführung von Steuerbefehlen in Grenzsituationen vorgenommen, die automatisch, also ohne Mitwirkung des Fahrers eine Ansteuerung von technischen Elementen wie Bremsen und Kraftstoffzufuhr bewirkt. Selbst eine derartige Kombination würde aber nicht zum Merkmal 2e führen, nämlich das Darstellen eines Eingabefeldes für eine Telefonverbindung und eines Eingabefeldes für die Navigation, wobei durch das Steuergerät bei Betätigung des einen Eingabefeldes automatisch eine Telefonverbindung hergestellt wird und bei Betätigung des anderen Eingabefeldes eine digitale Straßenkarte mit Routenführung dargestellt wird.

Auch eine Kombination der Schrift D8 mit der Schrift D7 führt nicht weiter: Bei der D7 kann der Bordcomputer zwar ebenfalls aufgrund von Sensorsignalen Defekte am Fahrzeug erkennen und den Fahrzeugführer darauf hinweisen, auch können sowohl aufgrund der gespeicherten Betriebsanleitung nähere Hinweise zur Schadensbehebung gegeben werden (Sp. 3, Z. 1 bis 11) oder, wenn der Schaden nur in einer Werkstatt behoben werden kann, selbsttätig die entsprechende Telefonnummer herausgesucht und eine Verbindung angeboten werden (Sp. 4, Z. 44 bis 52). Somit kann jedoch auch mit dieser Kombination das in Merkmal 2e geforderte Herstellen einer Telefonverbindung oder Routenführung nach Auswahl durch den Fahrer nicht geleistet werden.

Auch eine Kombination der "Bedienungsanleitung Autoradio Berlin" D8 mit einer der weiteren im Verfahren befindlichen, jedoch technisch weiter abliegenden Schriften, für die aufgrund sowohl der Aufgabenstellung des Streitpatents (Abs. [0009] als auch der unterschiedlichen Zielsetzung einer Bedienungsanleitung für ein Autoradio und der eines Fahrerassistenzsystems sowie den in den Schriften D1, D2, D4, D5, D6 und D9 offenbarten, verschiedenen Vorgehensweisen kein Grund erkennbar ist, führt nicht zur erfindungsgemäßen Kombination der Merkmale d) und e) nach dem geltenden Anspruch 2 mit den o. g. Merkmalen.

3. Schließlich ist auch der Gegenstand des Patentanspruchs 4 neu und erfinderisch.

a) Aus keiner der zum Stand der Technik genannten Druckschriften gehen alle Merkmale des Patentanspruchs 4 hervor. Aufgrund des vorher Gesagten zur Neuheit der Verfahrensansprüche 1 und 2, auf die der Vorrichtungsanspruch 4 ausdrücklich zurückbezogen ist und dem dort beschriebenen CAN-Bus zur Kommunikation des (Haupt-)Steuergerätes, der expressis verbis in keiner der weiteren Druckschriften direkt erwähnt wird, ist die Neuheit des Gegenstands gemäß Anspruch 4 gegeben.

In den Schriften D3 und D7 wird zwar ein Datenbus als Verbindung zwischen Bordcomputer und Peripheriegeräten erwähnt (D3, Sp. 3, Z. 44 und D7, Sp. 3, Z. 22), diese Verbindung muss jedoch nicht zwangsläufig über den im Streitpatent offenbarten CAN-Bus erfolgen, da im Bereich der Datenverarbeitung in Kraftfahrzeugen auch noch weitere Busarten zur Signalweiterleitung Verwendung finden. Aber auch hier fehlen, wie schon zu den Ansprüche 1 und 2 näher ausgeführt, im Stand der Technik nach den Schriften D1, D2, D4 bis D6 und D8 bis D9 Hinweise auf die kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 4, dass nämlich dem Kraftfahrzeugführer nicht nur kontextund/oder präferenzbezogene Eingabeoptionen durch das Steuergerät auf der Anzeigeeinheit anbietbar sind sondern dass diese nach Auswahl durch den Kraftfahrzeugführer durch die Steuereinheit und nachgeordnete Einheiten auch selbsttätig durchführbar sind.

b) Der Gegenstand des Patentanspruchs 4 weist auch eine erfinderische Tätigkeit auf, da auch aus keiner Kombination der im Stand der Technik genannten Druckschriften alle wesentlichen Merkmale des Patentanspruchs 4 für den Fachmann nahegelegt sind.

Aufgrund des vorher Gesagten zur erfinderischen Tätigkeit der Verfahrensansprüche 1 und 2, die insbesonders aufgrund des Merkmals 1c) des Anspruchs 1 und den Merkmalen 2d) und 2e) des Anspruchs 2 erfinderisch sind und auf die der Vorrichtungsanspruch 4 ausdrücklich zurückbezogen ist, ist auch die erfinderische Tätigkeit beim Gegenstand des Anspruches 4 gegeben, der eine Vorrichtung beschreibt, die alle in den Verfahrensansprüchen 1 und 2 beschriebenen Verfahrensschritte leistet.

Darüber hinaus weist die Vorrichtung nach Anspruch 4 des Streitpatents auch einen CAN-Bus zur Kommunikation des (Haupt-) Steuergerätes auf, der expressis verbis in keiner der weiteren Druckschriften erwähnt wird und wie bei der Neuheit ausgeführt, für den Fachmann zum Anmeldetag des Streitpatents auch nicht selbstverständlich war.

Auch die weiter ab bliegenden Schriften D1, D2, D4, D5, D6, D8 und D9 können dem Fachmann weder bezüglich der kennzeichnenden Merkmale des Anspruchs 4, dass nämlich dem Kraftfahrzeugführer nämlich nicht nur kontextund/oder präferenzbezogene Eingabeoptionen durch das Steuergerät auf der Anzeigeeinheit anbietbar sind und diese nach Auswahl durch den Kraftfahrzeugführer durch die Steuereinheit und nachgeordnete Einheiten auch selbsttätig durchführbar sind noch bezüglich des CAN-Busses präzise Anleitungen zum technischen Handeln geben und legen deshalb weder in Kombination untereinander noch mit den Schriften D3 oder D7 die Merkmale des geltenden Patentanspruchs 4 des Streitpatents nahe.

4.

Ohne Hinweise oder Anregungen aus dem bekannten Stand der Technik bedurfte es für den Fachmann vielmehr erfinderischer Überlegungen, um zu dem Merkmal 1c) des Anspruchs 1 und den Merkmalen 2d) und 2e) des Anspruchs 2 zu gelangen. Auch war eine erfinderische Tätigkeit notwendig, um zu den Merkmalen des Anspruchs 4 zu kommen, betreffend den CAN-BUS in Verbindung mit einer Hardware, die es dem Kraftfahrzeugführer ermöglicht, aufgrund einer ihm angezeigten Auswahl von kontextund/oder präferenzbezogene Eingabeoptionen, die entsprechende Option nach Auswahl durch den Kraftfahrzeugführer durch das Steuergerät und die zugehörige Peripherie selbsttätig durchzuführen.

5.

Der Patentanspruch 3 ist auf den Anspruch 2 zurückbezogen, die Patentansprüche 5 und 6 sind jeweils auf die vorangehenden Patentansprüche 1 bis 4 direkt oder indirekt rückbezogen. Mit der Patentfähigkeit der Bezugsansprüche haben daher auch diese Ansprüche Bestand.

6.

Nach alledem war das angefochtene Patent beschränkt aufrechtzuerhalten.

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BPatG:
Beschluss v. 10.11.2010
Az: 7 W (pat) 333/09


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