Landgericht Köln:
Urteil vom 6. Januar 2012
Aktenzeichen: 82 O 69/11

(LG Köln: Urteil v. 06.01.2012, Az.: 82 O 69/11)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich mit der Klage gegen die Beschlüsse der Hauptversammlung der Beklagten vom 12. Mai 2011 (nachfolgend Hauptversammlung) über die Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrats für das Geschäftsjahr 2010, Tagesordnungspunkte 3 und 5. Ferner beansprucht die Klägerin die Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses der Beklagten für das Geschäftsjahr 2010.

Die Klägerin ist Aktionärin der Beklagten. Die Klägerin hält ihre Aktien an der Beklagten bis heute seit einem Zeitpunkt vor der Veröffentlichung der Einladung zur ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten. Die Klägerin hat durch ihren Prozessbevollmächtigten an der Hauptversammlung teilgenommen.

Die Hauptversammlung erteilte dem Vorstand und dem Aufsichtsrat der Beklagten Entlastung. Die Klägerin hat während der Hauptversammlung zu allen Tagesordnungspunkten Widerspruch gegen die Beschlussfassungen zu Protokoll erklärt. Gegen 18:20 Uhr fragte der Versammlungsleiter der Hauptversammlung nach, ob alle Fragen beantwortet seien. Gegebenenfalls wurde um Meldungen am Wortmeldeschalter gebeten, damit der Vorstand nicht beantwortete Fragen ergänzend beantworten kann. Es wurden keine Fragen als unbeantwortet zu Protokoll gemeldet. Der Versammlungsleiter stellte um 18:48 Uhr unwidersprochen fest, dass alle Fragen beantwortet seien.

Der R GmbH (nachfolgend R), eine operativ tätige 100 %ige Tochter der Beklagten, wurde am 31. Juli 2009 von der Bundesnetzagentur eine Lizenzverlängerung im 900- und 1.800-MHz-Bereich (nachfolgend auch GSM-Frequenzen) zum Betrieb des Mobilfunknetzes bis zum 31. Dezember 2016 gegen eine Gebühr in Höhe von EUR 60.900.000,00 gewährt (nachfolgend auch Lizenzverlängerung 2009). Die Verlängerung basierte auf öffentlichrechtlichen Verträgen der Bundesnetzagentur und der R (vormals S GmbH) aus dem Jahr 2007. In § 4 dieses Vertrages ist ein Haftungsausschluss der Bundesnetzagentur für den Fall vereinbart, dass der Vertrag oder die zugrunde liegenden Rechtsnormen aufgehoben werden. Der Abschluss des Vertrags wurde im Amtsblatt der Bundesnetzagentur vom 28. November 2007 (Anlage KE 4) bekannt gemacht. Die Bundesnetzagentur hatte ihre Absicht, die GSM-Frequenzen für die Beklagte und ihre Wettbewerber W und F bis 2016 zu verlängern, bereits im Jahr 2005 im Rahmen eines GSM-Konzepts ausführlich begründet und veröffentlicht (Anlage KE 3). Das GSM-Konzept 2005 war bereits seinerzeit von einigen Wettbewerbern der Beklagten kritisiert worden. Hintergrund des Konzepts war, dass den Wettbewerbern F GmbH und G GmbH und Co. KG (heute G GmbH & Co. OHG) bis 2012 bzw. 2016 (G) Lizenzen erteilt worden waren. Die unterschiedlichen Laufzeiten sollten auf den Zeitpunkt der längsten bis 2016 laufenden GSM-Lizenz vereinheitlicht werden. Aus diesem Grund wurde die der R gewährte Lizenzverlängerung 2009 € ebenfalls auf der Basis vertraglich vereinbarter Optionen € auch Mitkonkurrenten der Beklagten, u. a. W und F, gewährt. Einige Wettbewerber der Beklagten haben Widerspruch gegen die der R erteilten Lizenzverlängerung 2009 eingelegt. Widersprüche wurden zurückgenommen oder zurückgewiesen. In einem Fall wurde Klage beim Verwaltungsgericht Köln erhoben, über die noch nicht entschieden ist. In einem Parallelverfahren vor dem Verwaltungsgericht Köln wurde die Klage von F gegen die GSM-Lizenzverlängerung 2009 für W abgewiesen.

Ferner erwarb die R im April/Mai 2010 im Rahmen einer von der Bundesnetzagentur im Oktober 2009 angeordneten Versteigerung weitere Funklizenzen in den Frequenzbereichen 800 MHz, 1,8 GHz, 2,0 GHz und 2,6 GHz (nachfolgend auch LTE-Frequenzen) gegen Zahlung von EUR 1,3 Milliarden (nachfolgend auch Frequenzversteigerung 2010). Die Vergabe dieser zusätzlichen Frequenzen war bereits im GSM-Konzept der Bundesnetzagentur aus dem Jahr 2005 vorgezeichnet (Anlage KE 3). Durch Allgemeinverfügung vom 12. Oktober 2009 ordnete die Präsidentenkammer der Bundesnetzagentur die Durchführung des Vergabeverfahrens für die vorgenannten Frequenzen in Form einer Versteigerung an. Zum Teil wurden Frequenzen mit versteigert, die früher anderweitig zugeteilt waren. In Bezug auf das Frequenzspektrum 2,6 GHz enthalten die Zuteilungsurkunden eine auflösende Bedingung für den Fall, dass B einen anhängigen Rechtsstreit gewinnt. B hatte im Juni 2007 eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung erstritten, dass ihr ein Anspruch auf Verlängerung erteilter Frequenzen zustand. Gegen die Entscheidung der Präsidentenkammer vom 12. Oktober 2009 waren/sind zahlreiche Anfechtungsverfahren von F, B, C, D, E, H, J und K beim Verwaltungsgericht Köln anhängig. Das Verwaltungsgericht Köln hat inzwischen zwei Klagen durch Urteile vom 9. Februar 2011 und 17. März 2010 abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht hat am 23. März 2011 und 22. Juni 2011 die Entscheidungen mangels hinreichender Sachaufklärung aufgehoben und die Verfahren an das Verwaltungsgericht Köln zurückverwiesen. Die Beklagte hat vorsorglich die Bundesnetzagentur auf Rückzahlung des gezahlten Versteigerungsentgelts von EUR 1,3 Milliarden verklagt, das Verfahren ruht zurzeit. Unmittelbar nach der Zuteilung der neuen Frequenzen hat die Beklagte mit dem Aufbau eines LTE-Netzes begonnen und inzwischen mehrstellige Millionenbeträge investiert.

Die Klägerin ist der Meinung, dass die angegriffenen Entlastungsbeschlüsse der Hauptversammlung gegen zwingende gesetzliche Regelungen verstoßen und damit gemäß § 241 AktG nichtig sind, jedenfalls aber anfechtbar im Sinne von § 243 AktG. Die Klägerin rügt sowohl die Verletzung materiellen Rechts als auch die Fehlinformation der Aktionäre vor und auf der Hauptversammlung. Die Entlastungen von Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten durch die Hauptversammlung seien wegen schwerwiegender Pflichtverletzungen der vorgenannten Organe ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig. Die gravierenden Pflichtverletzungen seien darin zu sehen, dass mit der Lizenzverlängerung 2009 und der Frequenzversteigerung 2010 zwei extrem risikoreiche Geschäfte getätigt worden seien, die zu einer ernsthaften wirtschaftlichen Existenzbedrohung der Beklagten führen können.

Die vorgenannten Geschäfte seien evident rechtswidrig. Die Lizenzverlängerung 2009 sei wegen der Verstöße gegen § 55 Abs. 9 S. 1 Telekommunikationsgesetz (TKG) rechtswidrig. Ein offenes Vergabeverfahren gemäß §§ 55 Abs. 9 S. 1, 61 TKG sei nicht durchgeführt worden. Ferner habe keine Beschlusskammerentscheidung gemäß §§ 55 Abs. 9 S. 1, 132 Abs. 1 TKG vorgelegen. Eine vertragliche Lizenzverlängerung sehe das Telekommunikationsgesetz nicht vor. Die Beklagte habe mit der Bundesnetzagentur in Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Lizenzverlängerung 2009 kollusiv zusammengearbeitet. Es sei nicht um die Angleichung der Restlaufzeiten gegangen, sondern um eine verabredete einseitige und kartellrechtlich bedenkliche Bevorteilung der Beklagten. Eine Heilung des Verwaltungsverfahrens sei nicht möglich, vielmehr sei ein diskriminierungsfreies Vergabeverfahren nachzuholen. Auf die erhobenen Konkurrentenklagen sei der Bescheid aufzuheben und das Vergabeverfahren nachzuholen. Es sei zu erwarten, dass die Frequenzen entweder anderen Bietern zugeteilt werden oder die R erheblich höhere Nutzungsentgelte zahlen muss. Die Beklagte laufe Gefahr, einen wesentlichen Teil ihrer über 35.000.000 Mobilfunkkunden nicht vertragsgerecht bedienen zu können. Alternativen zur Versorgung der 35.000.000 Mobilfunkkunden über andere Frequenzbänder bestünden nicht, insbesondere seien die 2010 ersteigerten Frequenzen dafür nicht nutzbar. Wegen der drohenden Unterversorgung werde es zu Kündigungen der Mobilfunkverträge durch die Kunden kommen. Verluste und Schadensersatzansprüche in Höhe von mehreren Milliarden Euro seien zu befürchten.

Auch das Vergabeverfahren im April/Mai 2010 sei wegen der Nichteinhaltung vergaberechtlicher Vorschriften nach § 55 TKG offensichtlich rechtswidrig. Die Frequenzen müssten aus Rechtsgründen zurückgegeben werden. Das Vergabeverfahren sei zu wiederholen. Auch hier sei zu befürchten, dass die Verträge von Mobilfunkkunden nicht erfüllt werden können und Schadensersatz geleistet werden muss. Bereits getätigte Investitionen in das Netz wären verloren.

Eine weitere Pflichtverletzung der Organe der Beklagten sei darin begründet, dass sie vor und auf der Hauptversammlung weder über die rechtswidrige Lizenzverlängerung 2009 noch über die fehlerhafte Frequenzversteigerung 2010 informiert hätten. Auf direkte Nachfragen der Aktionäre habe der Vorstand nur pauschal und unzureichend informiert, obwohl dem Vorstand und dem Aufsichtsrat sowohl die Rechtswidrigkeit der Lizenzverlängerung 2009 und der Frequenzsteigerung 2010 als auch alle daraus folgenden Schadensrisiken bekannt gewesen seien.

Der Jahresabschluss der Beklagten zum 31. Dezember 2010 sei nichtig, weil er fehlerhafte Buchungspositionen und Erklärungen enthalte. Im Hinblick auf den drohenden Entzug von Mobilfunklizenzen in den Frequenzbereichen 900 MHz, 800 MHz, 1,8 GHz, 2,0 GHz und 2,6 GHz und den daraus drohenden Verlusten im Mobilfunkgeschäft hätten Rückstellungen gebildet werden müssen, die der Jahresabschluss nicht vorsehe. Die für die Lizenzverlängerung 2009 gezahlten EUR 60,9 Millionen seien nicht im Abschluss der Beklagten aktiviert und abgeschrieben worden. Investitionen in rechtswidrig zugeteilte Frequenzen seien nicht als Risikoinvestitionen erfasst. Schadensersatzforderungen von Kunden für den Fall des Entzugs der Frequenzen seien ebenfalls nicht berücksichtigt worden. Falls sich die Risiken verwirklichten, seien sie existenzbedrohend für die Beklagte. Der Jahresabschluss der Beklagten 2010 spreche zudem die Rechtswidrigkeit der Lizenzverlängerung 2009 und des Versteigerungsverfahren 2010 nicht an. Das gesamte existenzbedrohende Risiko für die Beklagte sei im Geschäftsbericht zum Jahresabschluss 2010 nicht erwähnt worden.

Die Klägerin beantragt,

1. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 12. Mai 2011, durch welchen die Zustimmung zur Entlastung der Mitglieder des Vorstandes für das Geschäftsjahr 2010 (Tagesordnungspunkt 3) erklärt wird, für nichtig zu erklären.

Hilfsweise,

festzustellen, dass der Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 12. Mai 2011, durch welchen die Zustimmung zur Entlastung der Mitglieder des Vorstandes für das Geschäftsjahr 2010 beschlossen wurde (Tagesordnungspunkt 3), nichtig ist.

2. den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 12. Mai 2011, durch welchen die Zustimmung zur Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr 2010 (Tagesordnungspunkt 5) erklärt wird, für nichtig zu erklären.

Hilfsweise,

festzustellen, dass der Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 12. Mai 2011, durch welchen die Zustimmung zur Entlastung der Mitglieder des Aufsichtsrates für das Geschäftsjahr 2010 beschlossen wurde (Tagesordnungspunkt 5), nichtig ist.

3. festzustellen, dass der Jahresabschluss der Beklagten für das Geschäftsjahr 2010 nichtig ist.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass die Anfechtungs- und Nichtigkeitsfeststellungsklagen unbegründet sind.

Die Entlastungen von Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten seien nicht zu beanstanden, da ihnen eindeutige und schwerwiegende Versäumnisse im Geschäftsjahr 2010 nicht vorzuwerfen seien. Die Mobilfunkfrequenzen seien in den Jahren 2009 und 2010 rechtmäßig erworben worden. Jedenfalls habe der Vorstand keine erkennbar rechtswidrigen Geschäfte getätigt noch unvertretbar große Risiken übernommen, sondern jeweils im Rahmen des unternehmerischen Ermessens nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktG vertretbare Entscheidungen getroffen. Es sei sogar die Pflicht der Beklagten gewesen, zur Wahrung der Geschäftsinteressen die Lizenzverlängerung 2009 und die Frequenzversteigerung 2010 herbeizuführen. Die Beklagte habe auf den Bestand der Verwaltungsentscheidungen der Bundesnetzagentur vertrauen dürfen. Es habe für die Beklagte keinen Grund gegeben, den Verlust der GSM-Frequenzen vor dem 31. Dezember 2016 für wahrscheinlich zu halten. Die angegriffenen Bescheide der Bundesnetzagentur seien bislang nicht aufgehoben worden. Gleiches gelte für die Frequenzversteigerung 2010. Selbst wenn die Bescheide aufgehoben würden, würde die Beklagte die Lizenzen - gegebenenfalls nach einer vorläufigen Anordnung nach § 130 TKG - in einem neuen Zuteilungsverfahren erhalten. Bei einer neuen Entscheidung müssten auch die Nutzer- und Verbraucherinteressen berücksichtigt werden. Das Risiko, Mobilfunkkunden zu verlieren, bestehe bei vernünftiger Beurteilung nicht. Zudem bestünde für die Beklagte die Möglichkeit, wegfallende Frequenzen durch das UMTS-Netz und zwischenzeitlich erworbene oder noch zu erwerbende Frequenzen zu substituieren. Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte drohten nicht, da es insofern schon an einer Anspruchsgrundlage fehle. Zur Höhe der Schadensersatzansprüche sei der Vortrag der Klägerin unsubstantiiert.

Die Sachlage sei den Aktionären in der Hauptversammlung 2011 auf Nachfrage nochmals zutreffend und umfassend erläutert worden. Eine darüber hinaus gehende Erläuterungspflicht nach § 176 Abs. 1 S. 2 AktG habe nicht bestanden. Die in diesem Verfahren gerügte Verletzung des Informationsrechts gemäß § 131 AktG erfolge treuwidrig, da auf gesonderte Nachfrage des Versammlungsleiters weder von der Klägerin noch von anderen Aktionären eine unzureichende Beantwortung der Fragen in der Hauptversammlung beanstandet worden sei.

Der Jahresabschluss der Beklagten sei nicht gemäß § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 AktG nichtig. Die einzig in Betracht kommende Überbewertung von Aktivposten oder Passivposten liege nicht vor. Zudem werde die Wesentlichkeitsschwelle im Falle der Überbewertung nicht berührt, da die angeblich erforderliche Rückstellung weniger als 0,5 % der gesamten Bilanzsumme der Beklagten betrage. Zudem beträfen fehlerhafte Bilanzierungsentscheidungen nicht den Jahresabschluss der Beklagten, sondern den Jahresabschluss der R, die Inhaberin der Frequenznutzungsrechte, Eigentümerin der Netzanlagen und Vertragspartnerin der Mobilfunk-Kunden sei. Eine angebliche Überbewertung der Beteiligung der Beklagten an der R sei nicht streitgegenständlich. Sie sei auch auszuschließen, da über dem Buchwert der Beteiligung liegende stille Reserven in zweistelliger Milliardenhöhe vorhanden seien. Im Übrigen enthalte der Jahresabschluss der R auch keine Fehler. Rückstellungen für den Fall des Lizenzverlustes aus der Versteigerung 2010 seien nicht geboten gewesen, da einem Lizenzverlust ein Rückforderungsanspruch gegen die Bundesnetzagentur gegenübergestanden hätte ("Aktivtausch"). Das Nutzungsrecht aus der Lizenzverlängerung 2009 sei erstmalig im Jahresabschluss 2009 als immaterieller Vermögenswert aktiviert worden. Das Entgelt in Höhe von EUR 60,9 Millionen werde seit 2009 über die Nutzungsdauer abgeschrieben. Die Investitionen in die Netzinfrastruktur seien ebenso wie die erworbenen Frequenzen aktiviert worden. Ein Verlust drohe nicht. Außerplanmäßige Abschreibungen des aktivierten Sachanlagevermögens seien nicht zulässig gewesen, zumal nur ein Betrag von circa EUR 5 Mio. auf die angeschaffte Netztechnik für die Nutzung der in 2010 erworbenen Frequenzen entfalle. Schließlich seien auch Rückstellungen für Schadensersatzansprüche nicht gefordert gewesen. Mobilfunkverträge auf der Grundlage der in 2010 erworbenen Frequenzen seien noch nicht abgeschlossen worden - insoweit unstreitig. Schadensersatzansprüche der GSM-Kunden seien nicht wahrscheinlich im Sinne von § 249 Abs. 1 S. 1 HGB und damit auch nicht rückstellungsrelevant.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze der Parteien und auf die dazu überreichten Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1 Entlastungsbeschlüsse Vorstand und Aufsichtsrat

Die angegriffenen Beschlüsse der Hauptversammlung über die Entlastung des Vorstandes und des Aufsichtsrats der Beklagten (TOP 3 und 5) verstoßen weder gegen das Gesetz noch gegen die Satzung der Beklagten. Die von der Klägerin gerügten Gesetzesverletzungen nach §§ 93, 116, 131, 176 AktG, § 15 WpHG liegen im Ergebnis nicht vor.

Beschlüsse über die Entlastung von Vorständen und Aufsichtsräten einer Aktiengesellschaft sind nur anfechtbar, wenn Gegenstand der Entlastung ein schwerwiegender und eindeutiger Satzungs- oder Gesetzesverstoß der vorgenannten Organe in Entlastungszeitraum ist. Nur in diesem Fall überschreitet die Hauptversammlungsmehrheit ihr Ermessen bei der Entlastungsentscheidung (BGH, Urteil vom 25.11.2002 - II ZR 133/01, NZG 2003, 280 ff.; BGH, Urteil vom 18.10.2004 - II ZR 250/02, NJW 2005, 828 ff.; Hüffer, Komm. AktG, 9. Aufl. 2010, § 120 Rn. 12 mwN.). Ein Hauptversammlungsbeschluss, der den Verwaltungsmitgliedern trotz eines schwerwiegenden und eindeutigen Gesetzes- oder Satzungsverstoßes Entlastung erteilt, ist selbst inhaltlich gesetzwidrig und deshalb nach § 243 Abs. 1 AktG anfechtbar (BGH, Urteil vom 18.10.2004 - II ZR 250/02, NJW 2005, 828, 828). Nach neuer Auffassung muss der Hauptversammlung der schwerwiegende Verstoß der Organe bei der Beschlussfassung aufgrund zugänglicher Informationen bekannt oder zumindest erkennbar sein (OLG Köln, Urteil vom 9. 7. 2009 - 18 U 167/08 (nicht rechtskräftig), NZG 2009, 1110 ff.; OLG Stuttgart, Urteil vom 17. 11. 2010 - 20 U 2/10 (nicht rechtskräftig), NZG 2011, 146 ff.). Nur dann könne ein Entlastungsbeschluss der Hauptversammlung treuwidrig sein. Es gehe nicht um die Kontrolle der Organe, sondern um die Treuwidrigkeit des Beschlusses der Aktionäre angesichts der der Hauptversammlung bekannten Umstände (zustimmend Litzenberger, Zur Anfechtbarkeit von Entlastungsbeschlüssen; NZG 2010, 854, 856; Lorenz, Die richterliche Überprüfung unternehmerischer Entscheidungen des Vorstands bei Anfechtungsklagen gegen Entlastungsbeschlüsse, NZG 2009, 1138).

Nach herrschender Lehre und ständiger Rechtsprechung wohnt der Entlastung die Aussage über ein im Großen und Ganzen gesetz- und satzungsmäßiges Verhalten der Verwaltung inne. Es besteht aber ein weites Ermessen der Hauptversammlung. Entlastungsbeschlüssen kommt keine schadensersatzausschließende Wirkung zu. Entlastungsbeschlüsse dürfen auch nicht dazu dienen, unter Umgehung der §§ 142, 147 AktG die Haftung der Organe dem Grunde nach festzustellen, um zu erreichen, dass nach der Feststellung von Pflichtverletzungen Schadenersatzansprüche gegen den Vorstand oder den Aufsichtsrat von der Gesellschaft verfolgt werden müssen. Nach der Einführung der Business Judgement Rule (BJR) gemäß § 93 Abs. 2 S. 1 AktG sind unternehmerische Entscheidungen, auch erheblich risikobehaftete und schadensträchtige Entscheidungen, nicht zwingend als Pflichtverletzungen zu sehen. Die Begrenzung dieses Ermessens der Hauptversammlung erfolgt durch das Korrektiv der Treuepflicht. Auch einen Mehrheitsaktionär trifft gegenüber seinen Mitaktionären und gegenüber der Gesellschaft eine gesellschaftsrechtliche Treuepflicht, die verhindert, dass schwerwiegende und eindeutige Verstöße der Organe der Gesellschaft der Minderheit von der Mehrheit diktiert werden können (vgl. Litzenberger, NZG 2009, 1138, 1139). In der Rechtsprechung sind bislang überwiegend Verstöße des Vorstands und des Aufsichtsrats gegen Berichts-, Prüf- und Überwachungspflichten als schwerwiegende und eindeutige Pflichtverstöße anerkannt worden. Fälle, in denen unternehmerische Fehlentscheidungen behauptetet wurden, sind mangels eindeutigen Verstoßes meist gescheitert (Lorenz, NZG 2009, 1138, 1139 mwN. zur Rspr.).

1.1 Schwerwiegende und eindeutige Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit den Vergabeverfahren 2009 und 2010

Die Entlastungsbeschlüsse sind nicht im Hinblick auf die Lizenzverlängerung 2009 und die Frequenzversteigerung 2010 angreifbar.

Es kann offen bleiben, ob die Lizenzverlängerung 2009 für das Geschäftsjahr 2010 noch entlastungsrelevant war. Jedenfalls fehlt es insoweit als auch im Hinblick auf die Frequenzversteigerung 2010 an schwerwiegenden Pflichtverletzungen der Organe der Beklagten. Vielmehr handelten der Vorstand und der Aufsichtsrat der Beklagten im Rahmen des ihnen gesetzlich eingeräumten Ermessens nach §§ 93 Abs. 1 S. 2, 116 AktG. Die Risiko- und Schadensfolgenabschätzungen des Vorstandes der Beklagten zu den Vergabeentscheidungen der Bundesnetzagentur in 2009 und 2010 sind vertretbar. Folglich kann auch dem Aufsichtsrat der Beklagten diesbezüglich kein Vorwurf gemacht werden.

Der Vorstand der Beklagten erläuterte auf der Hauptversammlung seine Risiko- und Schadensfolgenabschätzung zu der Lizenzverlängerung 2009. Danach sah er, ebenso wie die Bundesnetzagentur und maßgebliche Wettbewerber wie W, in der Lizenzverlängerung 2009 keine rechtswidrige Wettbewerbsverzerrung. Das wurde unstreitig durch eine Studie der Bundesnetzagentur aus März 2011 bestätigt. Nach der Auffassung der Verwaltung der Beklagten war eine Änderung der Frequenzverteilung im 900 MHz-Bereich unter Berücksichtigung des Bestands- und Investitionsschutzes nicht zu erwarten. Auch zur Frequenzversteigerung 2010 äußerte sich die Verwaltung der Beklagten in etwa gleicher Weise.

Die Einschätzung der Verwaltung der Beklagten zu dem Risiko der Aufhebung der Vergabeentscheidungen 2009 und 2010 und zu der Art und dem Umfang möglicher Folgen ist aus der Sicht der Kammer realistisch. Sie lässt sich mit den im Verfahren bekannt gewordenen tatsächlichen Gegebenheiten in Einklang bringen. Die Einschätzung der Klägerin ist hingegen maßlos überzogen und unrealistisch und widerspricht dem bisherigen Vergabeprozess.

Alle von der Klägerin behaupteten Pflichtverletzungen sind entweder unerheblich oder völlig aus der Luft gegriffen. Das gilt zunächst für die Behauptung, der Vorstand und der Aufsichtsrat der Beklagten seien hinsichtlich der Verlängerung und der Versteigerung von Frequenzen in 2009 und 2010 in Kenntnis der Rechtswidrigkeit der Maßnahmen und in Absprache mit der Bundesnetzagentur zum Nachteil anderer Wettbewerber rechtswidrige, extrem risikoreiche und existenzbedrohende Geschäfte eingegangen. Den Organen der Beklagten sei bewusst gewesen, dass sämtliche erworbenen Nutzungsrechte, insbesondere die für den Mobilfunk ihrer 35.000.000 Kunden genutzten GSM-Frequenzen, ersatzlos entzogen werden. Das führe zu Verlusten und Schadensersatzansprüchen in zweistelliger Milliardenhöhe und letztlich zum Zusammenbruch des Geschäftsmodells der Beklagten bzw. der R mit der Folge der absehbaren Insolvenz (drohende Zahlungsunfähigkeit). Die Beklagte habe sich auf ein evident rechtswidriges Behördenhandeln eingelassen.

Wie bereits erläutert worden ist, geht es bei der Anfechtung von Entlastungsbeschlüssen nicht um eine Rechts- und Zweckmäßigkeitskontrolle der Organe der Gesellschaft, sondern um eine Treuwidrigkeit der Entlastung der Organe durch die Hauptversammlung in Kenntnis von bekannten schwerwiegenden und eindeutigen Pflichtverletzungen der Organe. Soweit nicht Gesetzesverstöße der Organe der Gesellschaft infrage stehen, sondern unternehmerische Entscheidungen im weitesten Sinne, muss folglich die unvertretbare Handlungsweise von Vorstand und Aufsichtsrat für die Hauptversammlung auf der Hand liegen und erhebliche Auswirkungen für die Gesellschaft haben. Von Belang könnte in diesem Rechtsstreit folglich nur sein, dass sich die Verwaltung der Beklagten trotz eines enormen Schadenspotentials auf ein evident rechtswidriges Verhalten der Bundesnetzagentur eingelassen hatte, obwohl risikolose Alternativen zur Verfügung standen.

1.1.1 Rechtmäßigkeit der Vergabeverfahren

Es kommt daher im Grundsatz nicht darauf an, ob das von der Klägerin beanstandete Verwaltungshandeln der Bundesnetzagentur im Zusammenhang mit der Lizenzverlängerung 2009 und der Versteigerung 2010 objektiv rechtswidrig war. Denn eine eventuell rechtswidrige Vergabepraxis der Bundesnetzagentur haben die Beklagte und ihre Wettbewerber nicht zu vertreten. Die Beklagte hatte keinen Einfluss auf die Vergabepraxis. Die Bundesnetzagentur hat die Vergabeentscheidungen 2009 und 2010 auf der Grundlage des von ihr entwickelten GSM-Konzepts 2005 nach Anhörung aller Beteiligten getroffen.

Abgesehen davon hat die Klägerin schon nicht hinreichend dargelegt, dass die Vergabe der Frequenzen in 2009 und 2010 rechtswidrig erfolgte. Sie hat insofern lediglich Behauptungen aufgestellt, nämlich dass die Lizenzverlängerung 2009 und die Versteigerung 2010 wegen Verstoßes gegen § 55 Abs. 9 S. 1 TKG rechtswidrig seien, ein offenes Vergabeverfahren gemäß §§ 55 Abs. 9 S. 1, 61 TKG nicht durchgeführt worden sei und keine Beschlusskammerentscheidung gemäß §§ 55 Abs. 9 S. 1, 132 Abs. 1 TKG vorgelegen habe. Öffentlichrechtliche Verträge zwischen der Bundesnetzagentur und der Beklagten bzw. anderen Mobilfunkunternehmen seien offensichtlich rechtswidrig. Tatsache ist, dass die Bundesnetzagentur trotz anhängiger Klagen bislang nach wie vor an ihren getroffenen Vergabeentscheidungen festhält und rechtskräftige Entscheidungen der Verwaltungsgerichte, wonach die Vergabeentscheidungen rechtswidrig und aufzuheben sind, nicht vorliegen. Im Gegenteil wurden die Vergabeentscheidungen der Bundesnetzagentur von den Verwaltungsgerichten bislang bestätigt, auch wenn in einem Fall die Entscheidung von dem Bundesverwaltungsgericht mangels ausreichender Sachaufklärung aufgehoben und zurückverwiesen worden ist. Das präjudiziert jedoch nicht die abschließende Entscheidung.

Die Behauptung der Klägerin, die Rechtswidrigkeit der Vergabeentscheidungen 2009 und 2010 ergebe sich daraus, dass die Beklagte zur Erzielung eigener Sondervorteile und zum Nachteil von Wettbewerbern bewusst rechtswidrig mit der Bundesnetzagentur auf der Grundlage unzulässiger öffentlichrechtlichter Verträge zusammengearbeitet habe, ist abwegig. Die Klägerin konnte diesen erheblichen und ehrenrührigen Vorwurf trotz wiederholter Nachfrage der Kammer im Termin nicht ansatzweise belegen. Es handelt sich ersichtlich um einen Vortrag ins Blaue hinein. Die behauptete einseitige Bevorzugung der Beklagten liegt schon deshalb fern, weil auch wichtigen Konkurrenten der Beklagten eine Lizenzverlängerung bis 2016 erteilt bzw. ihnen eine Teilnahme an der Versteigerung 2010 ermöglicht wurde. Diese Frequenzzuteilungen basieren alle auf dem gut begründeten und plausiblen GSM-Konzept der Bundesnetzagentur, das von dieser in einem offenen und transparenten Verfahren nach Anhörung interessierter Kreise verabschiedet worden war. Ohne Bedeutung ist, ob das Konzept angreifbar ist oder es von Wettbewerbern der Beklagten kritisiert worden war.

1.1.2 Mangelnde Alternativen

Die Klägerin ignoriert auch den Einwand der Beklagten, dass es für sie zu den Vergabeverfahren 2009 und 2010 überhaupt keine vertretbaren Alternativen gab, um die von der Beklagten benötigten Frequenznutzungsrechte zu sichern.

Es stand nicht im Belieben der Beklagten, GSM-Frequenzen und LTE-Frequenzen nach Belieben zu erwerben, insbesondere in einer für die Beklagten völlig risikolosen Weise. Dass derartige Möglichkeiten vorhanden waren, behauptet die Klägerin nicht. Die Bundesnetzagentur hatte ihr GSM-Konzept entwickelt und dieses umgesetzt. Die Verfahrens- und Gestaltungshoheit lag bei der Bundesnetzagentur und nicht bei der Beklagten. Insofern mussten Vorstand und Aufsichtsrat der Beklagten abwägen, ob die Nutzungsrechte durch die Lizenzverlängerung 2009 trotz geringer Anfechtungsrisiken erworben werden oder ob die Beklagte auf die Lizenzverlängerung 2009 verzichtet. Letztes war aber offenbar auch aus der Sicht der Klägerin keine Alternative, da die 900-MHz Frequenzen benötigt wurden. Auch im Geschäftsjahr 2010 gab es keine Alternativen. Der Beklagten blieb nichts anderes übrig, als das Anfechtungsrisiko durch Wettbewerber in Kauf zu nehmen und den Ausgang der verwaltungsgerichtlichen Verfahren und die weitere Vorgehensweise der Bundesnetzagentur abzuwarten. Die Risiken der gewählten Vergabearten, insbesondere zu erwartende Klagen von Mobilfunk-, Rundfunkund Kabelnetzbetreibern, waren allen Mobilfunkanbietern bekannt. Die Risiken haben aber keinen Wettbewerber davon abgehalten, 2009 eine Lizenzverlängerung zu beantragen bzw. an der Versteigerung 2010 teilzunehmen. Die Beklagte führt zu Recht aus, dass unter diesen Umständen nicht ihre Teilnahmen an den Vergabeentscheidungen der Bundesnetzagentur pflichtwidrig waren, sondern von ihr als einziger Wettbewerber erklärte Verzichte auf Frequenzzuteilungen pflichtwidrig und mit enormen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden gewesen wären.

Die Klägerin hat im Termin die Frage der Kammer nach einem möglichen Alternativverhalten der Beklagten auch nicht beantworten können. Sie hat nicht in Abrede gestellt, dass die einzig in Betracht kommende Nichtbeteiligung der Beklagten an den Frequenzzuteilungen 2009 und 2010 die schlechtere Lösung gewesen wäre, die dem Vorstand und dem Aufsichtsrat der Beklagten erst recht als eindeutiger und schwerwiegender Satzungs- oder Gesetzesverstoß vorgehalten worden wäre. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang ausgeführt hat, die Beklagte habe jedenfalls nach der Beteiligung an den Vergabeverfahren nichts zur Beilegung des Streites unter den beteiligten Mobilfunkunternehmen und der Bundesnetzagentur unternommen, zeigt dies die Fragwürdigkeit der klägerischen Vorwürfe gegenüber dem Vorstand und dem Aufsichtsrat der Beklagten. Was die Beklagte hätte anders machen können, um den Streit beizulegen, wird von der Klägerin nicht erläutert.

1.1.3 Kenntnisse der Organe der Beklagten

Selbst wenn die Vorabentscheidungen 2009 und 2010 im Ergebnis rechtswidrig gewesen sein sollten, sind dem Vorstand und dem Aufsichtsrat der Beklagten keine Versäumnisse vorzuwerfen.

Die Rechtsauffassung der Klägerin, die Beklagte habe aufgrund der Kenntnis von Widersprüchen der Unternehmen F, B und G gegen die Lizenzverlängerung 2009 mit erfolgreichen Klagen rechnen müssen, überzeugt nicht. Denn ein Widerspruch im Verwaltungsverfahren oder eine Klage vor dem Verwaltungsgericht ist ein alltäglicher Vorgang und lässt keine Rückschlüsse auf die Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungshandelns und auf die gerichtliche Aufhebung der entsprechenden Bescheide zu. Die Vergabeentscheidungen 2009 und 2010 zugunsten der Beklagten bzw. ihrer Wettbewerber wurden bislang nicht rechtskräftig aufgehoben. Dass die Beklagte sich nicht laufend über den Fortgang der Verfahren vor den Verwaltungsgerichten informiert habe, ist wiederum eine Behauptung der Klägerin ins Blaue hinein und wird durch den Vortrag der Beklagten widerlegt, die aus eigener Kenntnis zu den Sach- und Streitständen der verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsverfahren vorgetragen und im Übrigen darauf hingewiesen hat, dass sie nicht in allen laufenden Verfahren beigezogen worden sei. Bei dieser Sachlage fehlen jedenfalls Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte davon ausging bzw. ausgehen musste, dass ihr die 2009 und 2010 zugeteilten Frequenznutzungsrechte entzogen werden könnten.

Die Klägerin will diese Kenntnis der Beklagten daraus herleiten, dass diese gewusst habe, dass die Optionsverträge 2007 und der Bescheid der Bundesnetzagentur aus dem Jahre 2009 ohne offenes Vergabeverfahren rechtswidrig seien. Das werde bestätigt durch die Tatsache, dass die Optionsverträge 2007 nicht veröffentlicht worden seien. Dieser Vortrag der Klägerin ist falsch bzw. spekulativ. Denn die Verträge wurden veröffentlicht. Zudem spricht gegen eine Kenntnis der Beklagten, dass die Bundesnetzagentur nach wie vor an ihren Vergabeentscheidungen festhält. Die Verwaltungsgerichte haben bislang keine dieser Entscheidungen rechtskräftig aufgehoben. Die Beklagte durfte, wie sie zu Recht ausführt, davon ausgehen, dass die Bundesnetzagentur rechtmäßig handelt und die Zuteilungsbescheide 2009 und 2010 rechtmäßig sind.

Dass die Beklagte inzwischen unstreitig Klage auf Rückerstattung der bezahlten Versteigerungsentgelte in Höhe von EUR 1,3 Mrd. erhoben hat, bedeutet nicht, dass die Versteigerung 2010 rechtswidrig war und die Beklagte davon in 2010 wusste. Die Details der Klage sind nicht bekannt. Die Beklagte hat dazu erläutert, sich habe sich mit dieser Klage gegen den Verlust des Versteigerungsentgeltes absichern wollen. Das ist angesichts des von der Klägerin angelegten strengen Maßstabs organschaftlicher Pflichten nachvollziehbar und entspricht vorausschauender und risikominimierender Unternehmensführung.

Dass die Zuteilung der 2600-MHz-Frequenzen offensichtlich unter einer auflösenden Bedingung stand, führt zu keiner abweichenden Bewertung.

1.1.4 Mögliche Folgen der Aufhebung der Vergabeentscheidungen 2009 und 2010

Wenn demnach der Vorstand und der Aufsichtsrat der Beklagten mangels vernünftiger Alternativen überschaubare Risiken bei dem Erwerb der Frequenznutzungsrechte übernommen haben, sind auch die von ihnen vorgenommenen Schadensfolgenabschätzungen berechtigt und vertretbar. Ersatzlose Verluste der erworbenen Frequenznutzungsrechte sind jedenfalls nicht zu erwarten.

Die Klägerin beschränkt sich darauf, apokalyptische Szenarien für die Beklagte zu behaupten, ohne sich hinreichend mit den unternehmerischen Handlungsmöglichkeiten der Beklagten zu befassen, falls es tatsächlich zu der derzeit nicht wahrscheinlichen Aufhebung der Vergabeentscheidungen 2009 und 2010 kommen sollte. Zahlreiche Entwicklungen sind vorstellbar und auch realistisch.

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird es für die R nicht zu einem ersatzlosen Entzug der GSM- und LTE-Frequenzen kommen. Zunächst kommt nach der Einschätzung der Beklagten realistischerweise in Betracht, dass die R die von ihr benötigten GSM- und LTE-Frequenzen erneut im benötigten Umfang erwerben würde. Ggf. sind vorläufige Regelungen nach § 130 TKG zu erwarten. Die Neuvergabe der Frequenzen an die R liegt schon deshalb nahe, da die Bundesnetzagentur unstreitig an dem GSM-Konzept 2005 festhalten will. Sie hat inzwischen Maßnahmen für die Neuvergabe von GSM-Lizenzen ab dem 1. Januar 2017 eingeleitet. Ferner müsste berücksichtigt werden, dass die Beklagte aufgrund etwaiger rechtswidriger Bescheide der Bundesnetzagentur entsprechende Verpflichtungen zu Kunden eingegangen ist, die erfüllt werden müssen. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass die Bundesnetzagentur bei der Frequenzverwaltung gemäß § 52 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 2 Nr. 1 TKG auch die Nutzer- und Verbraucherinteressen zu berücksichtigen hat. Zudem kann die Beklagte insoweit auch Bestands- und Investitionsschutz verlangen. Selbst wenn in dem für die Beklagte ungünstigsten Fall die Frequenzrechte entzogen werden und diskriminierungsfreie Vergabeverfahren nachgeholt werden, hat die R die Möglichkeit, sich daran zu beteiligen und die benötigten Frequenzen direkt erwerben. Offen ist lediglich, welches Entgelt dafür zu zahlen ist. Selbst wenn der Preis für neu vergebene GSM- und LTE-Frequenzen den bislang gezahlten Betrag von EUR 60,9 Mio. bzw. EUR 1,3 Mrd. übersteigen sollte, fällt diese zusätzliche Belastung bei einer Bilanzsumme der Beklagten von EUR 100 Mrd. nicht ins Gewicht, abgesehen davon, dass ein solcher Schaden für die Beklagte gar nicht vermeidbar gewesen wäre. Selbst wenn die R bei einem neuen Vergabeverfahren Frequenzen nicht im bisher vorhandenen Umfang erwerben könnte, bestünde die Möglichkeit, weiteren Frequenzbedarf durch den Zukauf von Lizenzen über Dritte decken. Dass die vorstehenden Möglichkeiten bestehen, hat die Klägerin nicht bestritten.

Abgesehen davon hat die Beklagte dargelegt, dass die Erfüllung der Verträge mit den Mobilfunkkunden nicht ausschließlich von den 900-Megahertz-Frequenzen abhängt, sondern die Beklagte auf die UMTS-Technologie ausweichen kann. Die UMTS-Abdeckung beträgt in Deutschland mittlerweile 80 % und steht nicht nur in Großstädten zur Verfügung. Ergänzend kommt eine Nutzung von Frequenzen im 1800-MHz-Bereich in Betracht. Das bestreitet auch die Klägerin nicht, sie trägt lediglich unter Beweisantritt vor, dass das UMTS-Netz um ein Vielfaches überlastet und außerhalb von Großstädten nicht erreichbar sei. Dieser Vortrag wird nicht erläutert und ist substanzlos.

Bezüglich der ersteigerten LTE-Frequenzen hat die Beklagte unstreitig noch keine Mobilfunkverträge abgeschlossen. Sie hat inzwischen mit dem Aufbau eines LTE-Netzes begonnen, wobei der genaue Umfang der Investitionen unklar ist. Bisher wurden mehrere Millionen Euro eingesetzt. Dass diese Investitionen trotz einer geringen Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Bestandes des Zuteilungsbescheides getätigt wurden, entspricht kaufmännischer Sorgfalt, zumal auch die Wettbewerber der Beklagten ihr Netz ausbauen. Den rechtskräftigen Ausgang der verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten abzuwarten und dadurch möglicherweise mehrere Jahre beim Aufbau der erforderlichen Mobilfunknetze zu verlieren, wäre nicht vertretbar und wiederum als eine eindeutige und schwerwiegende Pflichtverletzung zu werten. Der Verlust des Versteigerungsentgeltes in Höhe von EUR 1,3 Milliarden ist nicht zu befürchten, da insofern eine Rückzahlungspflicht bestünde und die Beklagte bereits Klage auf Rückzahlung für den Fall der Rücknahme der zugeteilten Frequenzen erhoben hat.

Verluste der Beklagten bzw. der R und Schadenersatzansprüche ihrer Kunden in Milliardenhöhe sind bei dieser Sachlage schon nicht wahrscheinlich, unabhängig davon, dass die Beklagte eine Nichterfüllung von Mobilfunkverträgen bei der geschilderten Sachlage wohl auch nicht zu vertreten hätte.

1.1.5 Zusammenfassung

Schwerwiegend und eindeutige Pflichtverletzungen seitens des Vorstands und des Aufsichtsrats der Beklagten sind nicht erkennbar. Vielmehr hat sich der Vorstand der Beklagten mit Billigung ihres Aufsichtsrats - im Einklang mit Entscheidungen ihrer maßgebenden Wettbewerber € an den Vergabeverfahren der Bundesnetzagentur in 2009 und 2010 beteiligt. Das war aus Unternehmenssicht sogar geboten. Die Beklagte durfte auf die Rechtmäßigkeit der Vergabeentscheidungen der Bundesnetzagentur vertrauen. Klage- und Anfechtungsrisiken gegen diese Vergabeentscheidungen mussten von der Beklagten hingenommen werden. Alternativen zu den Vergabeentscheidungen der Bundesnetzagentur in 2009 und 2010 bestanden für die Beklagte nicht. Jedes andere Verhalten der Beklagten, insbesondere ein unterlassener Erwerb von GSM- und LTE-Frequenzen, wäre ihren Organen als eindeutige und schwerwiegende Verfehlung vorgehalten worden. Auch nach Einreichung der ersten Klagen gegen die streitigen Vergabeverfahren ist ein eindeutiges und schwerwiegendes Fehlverhalten der Organe der Beklagten nicht ansatzweise erkennbar. Sie konnten auch nach der Klageeinreichung auf ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln der Bundesnetzagentur, die nach wie vor an diesen Entscheidungen festhält, vertrauen und zunächst den Ausgang der verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten abwarten. Andere Möglichkeiten der Streitbeilegung bestanden ohnehin nicht.

1.2 Ad hoc-Mitteilungen nach § 15 WpHG

Die von der Klägerin beanstandete Nicht- bzw. Fehlunterrichtung der Aktionäre außerhalb der Hauptversammlung, insbesondere auf der Grundlage von ad hoc-Mitteilungen gemäß § 15 WpHG, hat ebenfalls keine Berechtigung.

Nach 15 Abs. 1 WpHG muss ein börsennotiertes Unternehmen kursrelevante Informationen unverzüglich veröffentlichen. Der ad hoc-Publizitätspflicht unterliegen Insiderinformationen, die den Emittenten unmittelbar betreffen. Es handelt sich typischerweise um Sachverhalte, die kurserheblich sein können.

Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte habe ihre Aktionäre nicht ad hoc über die existenzbedrohenden Risiken im Zusammenhang mit den Vergabeentscheidungen der Bundesnetzagentur 2009 und 2010 aufgeklärt.

Es ist davon auszugehen, dass der Anfechtungsgrund nach § 15 WpHG schon nicht rechtzeitig innerhalb der einmonatigen Anfechtungsfrist geltend gemacht worden ist. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Anfechtungsgründe in ihrem wesentlichen tatsächlichen Kern innerhalb der Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG in den Rechtsstreit eingeführt werden (vgl. BGH, Urteil vom 16.02.2009 - II ZR 185/07 "Kirch/Deutsche Bank", NZG 2009, 342, 347 mwN. zur älteren Rspr.). Die Klägerin hat den Anfechtungsgrund nach § 15 WpHG ausdrücklich erst nach Ablauf der einmonatigen Anfechtungsfrist durch Schriftsatz vom 12. Oktober 2011 in den Rechtsstreit eingeführt. Zwar hat die Klägerin schon in der Klageschrift allgemein die "fehlerhafte Information" und die unzureichende Auskunft auf der Hauptversammlung gerügt. Diese Rügen sind aber genereller Natur, gerichtet auf die unzureichende Unterrichtung vor und auf der Hauptversammlung. Dieser Tatsachenkern deckt sich nicht mit der Rüge unterlassener Mitteilungen nach § 15 WpHG.

Abgesehen davon waren die von der Klägerin geforderten ad hoc-Mitteilungen nach § 15 WpHG auch nicht gefordert. Wie bereits erläutert worden ist, unterliegt die Klägerin einer grundlegenden Fehleinschätzung hinsichtlich der Risiken im Zusammenhang mit den Vergabeentscheidungen 2009 und 2010. Eine ad hoc-Veröffentlichung dieser Fehleinschätzung wäre sogar ein klarer Pflichtverstoß der Verwaltung der Beklagten und erheblich kursbeeinflussend gewesen. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die vorstehenden Ausführungen zu Ziffer 1.1 Bezug genommen werden.

1.3 Verletzung der Vorlage- und Erläuterungspflicht gemäß § 176 Abs. 1 AktG

Die von der Klägerin behaupteten Verstöße gegen § 176 Abs. 1 S. 1 und 2 AktG lassen sich nicht feststellen.

Nach § 176 Abs. 1 S. 1 AktG hat der Vorstand der Hauptversammlung die in § 175 Abs. 2 AktG genannten Vorlagen sowie bei börsennotierten Gesellschaftenden erläuternden Bericht zu den Angaben nach § 289 Abs. 4, § 315 Abs. 4 HGB zugänglich zu machen. Zu Beginn der Verhandlung soll der Vorstand seine Vorlagen, der Vorsitzende des Aufsichtsrats den Bericht des Aufsichtsrats erläutern.

Auch hier ist bereits davon auszugehen, dass der Anfechtungsgrund nach § 176 AktG nicht rechtzeitig innerhalb der einmonatigen Anfechtungsfrist geltend gemacht worden ist. Die Klägerin hat den Anfechtungsgrund nach § 176 AktG ausdrücklich erst nach Ablauf der einmonatigen Anfechtungsfrist durch Schriftsatz vom 16. November 2011 in den Rechtsstreit eingeführt. Der mit der Klageschrift eingeführte Tatsachenkern der "unzureichenden Information" schließt Verstöße nach § 176 AktG nicht ein.

Hinzu kommt, dass Verstöße gegen die Erläuterungspflicht nach § 176 Abs. 1 S. 2 AktG schon nicht der Beschlussanfechtungsklage unterliegen. Es handelt sich um eine Sollvorschrift. Die Erläuterungspflicht kann daher von der Hauptversammlung nicht erzwungen werden. Sie muss entscheiden, ob sie auf der Basis als defizitär empfundener Erläuterungen entlasten will, § 120 AktG, oder den Jahresabschluss feststellen will, soweit sie dafür zuständig ist, § 173 AktG. Einzelne Aktionäre können überdies vom Auskunftsrecht nach § 131 AktG Gebrauch machen (Hüffer, Komm. AktG, 9. Aufl. 2010, § 176 Rn. 6 mwN; Schulz in: Bürger/Körber, Komm. AktG, 2. Aufl. 2011, § 176 Rn. 7).

Unabhängig davon sind Verstöße gegen § 176 Abs. 1 AktG von der Klägerin nicht konkret benannt worden. Der Vorlagepflicht nach § 176 Abs. 1 S. 1 AktG wurde entsprochen, da der Hauptversammlung der Jahresabschluss, der Lagebericht und der Bericht des Aufsichtsrats vorgelegt wurden.

Die Klägerin sieht eine Verletzung der Erläuterungspflicht gemäß § 176 Abs. 1 S. 2 AktG offenbar darin, dass die Verwaltung der Beklagten nicht von sich aus über die "existenzbedrohenden Risiken" im Zusammenhang mit den Vergabeentscheidungen der Bundesnetzagentur 2009 und 2010 aufgeklärt hat. Insofern handelt es sich aber nicht um bereits eingetretene wichtige Entwicklungen oder Risiken, über die selbstständig zu berichten war. Die Gefahr eines ersatzlosen Verlustes der erworbenen Frequenznutzungsrechte mit daraus folgenden erheblichen Schäden für die Beklagte hat sich auch im Jahr 2010 nicht konkretisiert. Insofern kann auf die vorstehenden Ausführungen zu Ziffer 1.1 verwiesen werden.

1.4 Verletzung des Informationsrechts nach § 131 AktG

Entgegen der Auffassung der Klägerin hatte die Beklagte anlässlich der Hauptversammlung weder ein "Scheitern des Geschäftsmodells der R GmbH zu offenbaren", noch hatte sie "über das außerordentlich große konkret drohende Risiko der Rückgabe der Frequenzen bei gleichzeitiger Verpflichtung zur Abführung der Gewinne" zu informieren. Schließlich kann auch von einer "bewussten Fehlinformation " oder einer "absichtlichen Irreführung der Aktionäre" keine Rede sein. Konkrete Fragen der Aktionäre auf der Hauptversammlung hat die Beklagte hinreichend beantwortet.

Auch ein innerhalb der Ermessensgrenzen liegender Entlastungsbeschluss ist gemäß § 243 Abs. 4 AktG anfechtbar, wenn einem Aktionär die zur Ermessensausübung erforderlichen Auskünfte unberechtigt verweigert werden, was voraussetzt, dass das Auskunftsbegehren auf Vorgänge von einigem Gewicht gerichtet ist, die für die Beurteilung der Vertrauenswürdigkeit der Verwaltung von Bedeutung sind (vgl. BGH, Urteil vom 18.10.2004 - II ZR 250/02, NJW 2005, 828, 829). Entsprechend der Funktion des Auskunftsrechts, das auch zur Meinungs- und Urteilsbildung anderer Aktionäre, insbesondere der Minderheitsaktionäre, in der Hauptversammlung beitragen soll, ist Maßstab für die "Erforderlichkeit€ bzw. "Beurteilungserheblichkeit€ eines Auskunftsverlangens der Standpunkt eines objektiv urteilenden Aktionärs, der die Gesellschaftsverhältnisse nur auf Grund allgemein bekannter Tatsachen kennt und daher die begehrte Auskunft als nicht nur unwesentliches Beurteilungselement benötigt (BGH, Urteil vom 18.10.2004 - II ZR 250/02, NJW 2005, 828, 829). Eine weitergehende Kausalität der Informationsmängel zum Beschlussinhalt ist nicht gefordert. Informationsmängel sind relevant für das Mitgliedschafts- bzw. Mitwirkungsrecht des Aktionärs im Sinne eines dem Beschluss anhaftenden Legitimationsdefizits, wenn sie bei einer wertenden, am Schutzzweck der verletzten Norm orientierten Betrachtung die Rechtsfolge der Anfechtbarkeit gemäß § 243 AktG begründen (BGH, Urteil vom 18.10.2004 - II ZR 250/02, NJW 2005, 828, 830).

Für die Beurteilung der Entlastung der Verwaltung benötigt der Durchschnittsaktionär zwar gegebenenfalls Informationen über die Auswirkungen künftig ungewisser Ereignisse, um beurteilen zu können, ob sich die Verwaltung kaufmännisch vernünftig verhalten hat oder ob sie unvertretbare Risiken eingegangen ist. Dazu bedarf er aber nicht der Information über die Auswirkungen von Ereignissen, deren Eintritt zwar theoretisch denkbar, aber höchst unwahrscheinlich ist (OLG Stuttgart, Urteil vom 17.11.2010 - 20 U 2/10 (nicht rechtskräftig), NZG 2011, 146).

Vor diesem rechtlichen Hintergrund sind die auf der Hauptsammlung gestellten Fragen ausreichend beantwortet worden.

Der Aktionärsvertreter von Gehlen hatte folgende Fragen gestellt:

Sehr geehrte Damen und Herren im Aufsichtsrat und Vorstand! Sehr geehrte Aktionäre! Der Vorstand hat hohe Investitionen in neue Netze angekündigt. Das betrifft unter anderem den Ausbau des Mobilfunknetzes, um die stark wachsenden Bedarfe im Bereich des mobilen Internets befriedigen zu können. Dies ist einerseits zu begrüßen, birgt andererseits aber auch ein sehr hohes Risiko, da es fraglich ist, ob die hierfür notwendigen Funkfrequenzen auch tatsächlich genutzt werden können. Die Telekom nutzt heute überwiegend die 900-MHz-Frequenzen für die Versorgung ihrer rund 35.000.000 Mobilfunkkunden. Diese wichtigen Frequenzzuteilungen sind aber bereits am 31. Dezember 2009 ausgelaufen. Ob die von der Bundesnetzagentur erteilte Verlängerung rechtlich haltbar wird, ist nach den jüngsten Gerichtsentscheidungen fraglich. Da ein Verlust dieser Frequenzen weitreichende Konsequenzen für das Unternehmen hätte, möchte ich folgende zwei Fragen stellen:

1. Wurden die Wirtschaftsprüfer über den drohenden Verlust der 900-MHz-Frequenzen informiert, und wie wurde dieses Risiko bewertet€

2. Wurden Pläne entwickelt, um die Kunden auch nach einem möglichen Verlust der 900-Megahertz-Frequenzen weiter versorgen zu können€

Der Vorstandsvorsitzende der Beklagten antwortete darauf wie folgt:

Herr von Gehlen, Sie fragen: Wurden Pläne entwickelt, um die Kunden auch nach einen möglichen Verlust der 900-MHz-Frequenzen weiter versorgen zu können€ Ich vermute, Sie beziehen sich mit ihrer Frage auf die stetigen Bemühungen des Wettbewerbers F hinsichtlich einer Neuverteilung der 900-MHz-Frequenzen. Die R wie übrigens auch W, G und die Bundesnetzagentur sind der Auffassung, dass durch die gegebene Verteilung der 900-MHz-Frequenzen keine Wettbewerbsverzerrung in Deutschland vorliegt. Dies hat übrigens auch eine im März 2011 veröffentlichte, von der Bundesnetzagentur beauftragte Studie bestätigt. Eine Änderung der Frequenzzuteilung bei 900 MHz wäre eine unzumutbare Belastung und würde dem mit der Verlängerung der Lizenzen bis Ende 2016 erreichten Bestands- und Investitionsschutz widersprechen. Für uns ist wichtig, dass Bestandsschutz sowie Investitions- und Planungssicherheit bis 2016 erzielt wurden. Wir gehen davon aus, unseren Kunden den Dienst GSM 900 auch weiterhin ohne Einschränkungen anbieten zu können.

Mit dieser Antwort hat der Vorstandsvorsitzende der Beklagten mit nachvollziehbarer und den Tatsachen entsprechender Begründung zum Ausdruck gebracht, dass die Beklagte kein beachtliches Risiko eines Verlustes der GSM-Lizenzen sieht und dementsprechend nichts weiter veranlasst hat. Die Gründe für diese Einschätzung wurden mitgeteilt. Der Vorstand der Beklagten hat damit gleichzeitig - für alle Aktionäre erkennbar € deutlich gemacht, dass weder die Wirtschaftsprüfer über einen drohenden Verlust der GSM-Lizenzen informiert noch Pläne für eine Ersatzversorgung der Kunden entwickelt wurden. Eine ausdrückliche Negierung der gestellten Fragen war entbehrlich. Sie wäre angesichts der gegebenen Antwort reine Förmelei gewesen.

Der Aktionärsvertreter L hat folgende Fragen gestellt:

Sehr geehrter Aufsichtsrat! Sehr geehrter Vorstand! Das Thema rechtsunsichere Frequenzzuteilungen wurde von einem meiner Vorredner soeben schon angesprochen. Ich bin gespannt auf die Antworten. Aber neben den vom Vorredner angesprochenen GSM-Frequenzzuteilungen bzw. Verlängerungen sind zusätzlich auch die im vergangenen Jahr aus der Versteigerung erworbenen neuen Frequenznutzungsrechte umstritten. Bereits vor der Versteigerung waren über 10 Klagen gegen die Neuvergabe vor Gericht anhängig. Insofern bleibt also abzuwarten, ob die durchgeführte Versteigerung überhaupt bestehen bleibt oder eventuell sogar rückabgewickelt werden muss. Daraus ergeben sich folgende Fragen:

1. Wie viel Kapital hat die Telekom bereits auf Basis der in 2010 versteigerten Frequenznutzungsrechte investiert€ Laut Geschäftsberichten läuft der Netzausbau seit Juni 2010. Welches Investitionsrisiko wird weiter eingegangen€ Ab welchem Betrag werden die Investitionen gestoppt und der Ausgang der anhängigen Verfahren abgewartet€

2. Waren der Vorstand und der Aufsichtsrat bei der Freigabe der Investitionsmittel über die bestehenden Risiken und Rechtsunsicherheiten aus der Lizenzverlängerung und den Frequenzerwerb informiert€

Der Vorstandsvorsitzende der Beklagten antwortete darauf wie folgt:

Herr L, Sie stellten eine Frage zur Rechtsunsicherheit bzw. Investitionssicherheit im Hinblick auf die GSM-Frequenzzuteilungen. Da es sich hierbei um Frequenzen für das bestehende GSM-Netz handelt, sind bis auf unsere laufenden Ersatz- und Instandhaltungsinvestitionen keine weiteren Investitionen betroffen. Die Rechtsunsicherheiten bezüglich der im vergangenen Jahr versteigerten Frequenzen waren bekannt und wurden bei der Preisfindung während der Versteigerung berücksichtigt. Wir gehen davon aus, dass die Zuteilungsbescheide der Bundesnetzagentur Bestand haben werden. Insofern haben wir wie auch unsere Wettbewerber zügig mit dem Aufbau des LTE-Netzes begonnen.

Der Vorstandsvorsitzende der Beklagten hat damit die Hauptversammlung informiert, dass keine Investitionen für den GSM-Netzausbau getätigt werden müssen und dass Risiken und Rechtsunsicherheiten bei der Versteigerung 2010 bekannt waren und kalkulatorisch berücksichtigt wurden. Ferner wurde mitgeteilt, dass zügig mit dem Aufbau des LTE-Netzes begonnen worden ist. Nicht ausdrücklich beantwortet wurde lediglich die Teilfrage, ab welchem Betrag die Investitionen gestoppt und der Ausgang der abhängigen Verfahren abgewartet werden. Allerdings ist aus dem Gesamtzusammenhang der Antwort erkennbar, dass die Beklagte kein Investitionsrisiko sah, sondern sie von dem Bestand der Zuteilungsbescheide ausging, so dass sich für sie auch nicht die Frage stellte, die Investitionen zu stoppen bzw. einen Betrag festzulegen, ab dem Investitionen zu stoppen sind. Auch ohne ausdrücklichen Hinweis war klar, dass die Beklagte nicht beabsichtigte, die Investitionen ab einem bestimmten Betrag zu stoppen.

Mit diesen Antworten hat die Beklagte die Informationen erteilt, die ein Durchschnittsaktionär zur Einschätzung künftig ungewisser Ereignisse benötigt, um beurteilen zu können, ob sich die Verwaltung der Gesellschaft kaufmännisch vernünftig verhalten hat oder ob sie unvertretbare Risiken eingegangen ist. Die Aktionäre wurden in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob sie die Risikoeinschätzung der Verwaltung der Beklagten und die von ihr erläuterte Unterlassung der nachgefragten Vorsorgemaßnahmen für vernünftig halten. Informationen über die Folgen der Rücknahme bzw. der Aufhebung der Zuteilungsbescheide an die Beklagte, die zwar theoretisch denkbar, aber höchst unwahrscheinlich sind, bedurfte es nicht.

Die Fragesteller haben sich mit den Antworten zufrieden gegeben. Die Antworten waren auch nicht offensichtlich verweigert, unvollständig oder falsch, dass niemand ernsthaft von einer ausreichenden Beantwortung der gestellten Fragen ausgehen konnte. Auch nach der ausdrücklichen späteren Feststellung des Versammlungsleiters, dass alle Fragen beantwortet worden sind, hat kein Aktionär auf der Hauptversammlung dagegen Widerspruch erhoben. Es wurden keine Fragen als unbeantwortet zu Protokoll gegeben, insbesondere auch nicht von der Klägerin. Der Verlauf der Hauptversammlung in diesem Punkt ist ein wesentliches Indiz dafür, dass das artikulierte Informationsbedürfnis der Aktionäre objektiv befriedigt worden ist. Daher kommt es nicht darauf an, ob das jetzige Verhalten der Klägerin als treuwidrig bezeichnet werden muss, da sie es unterließ, der Beklagten in der Hauptversammlung Gelegenheit zu geben, gegebenenfalls aus ihrer Sicht unzureichende Fragen ergänzend zu beantworten (zuletzt ablehnend OLG Köln, Urt. v. 28. 7. 2011 € 18 U 213/10, NZG 2011, 1050 ff.).

2 Nichtigkeitsfeststellungsklage gegen den Jahresabschluss 2010

Die Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses der Beklagten für 2010 ist ebenfalls nicht begründet.

Die Nichtigkeit des Jahresabschlusses richtet sich nach § 256 AktG. Für den Begriff des Jahresabschlusses sind die §§ 242, 264 HGB maßgeblich. Danach besteht der Jahresabschluss der AG wenigstens aus der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung, § 242 Abs. 3 HGB, und im Regelfall aus dem Anhang, §§ 284 ff. HGB, der mit ihnen eine Einheit bildet, §§ 264 Abs. 1, 289 HGB. Der vorgeschriebene Lagebericht gemäß §§ 264 Abs. 1, 289 HGB ist dagegen kein Bestandteil des Jahresabschlusses. Mängel der Berichterstattung, zum Beispiel ein nicht vorhandener, unvollständiger oder inhaltlich falscher Lagebericht scheiden daher als Nichtigkeitsgründe aus. § 256 AktG gilt nur für den Jahresabschluss der Einzelgesellschaft, nicht auch für den Konzernabschluss gemäß §§ 290 ff. HGB (Hüffer in: Münchener Kommentar zum AktG, 3. Auflage 2011, § 256 Rn. 8 ff. mit weiteren Nachweisen).

In Betracht kommt vorliegend nur der Nichtigkeitsgrund der Überbewertung, § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 1 AktG. Überbewertet sind Aktivposten, wenn sie mit einem höheren Wert, Passivposten, wenn sie mit einem niedrigeren Betrag angesetzt sind, als nach §§ 253 bis 256 HGB zulässig. Unterbewertet sind Aktivposten, wenn sie mit einem niedrigeren Wert, Passivposten, wenn sie mit einem höheren Betrag angesetzt sind, als nach §§ 253 bis 256 HGB zulässig. Der Überbewertung gleichzustellen sind nach allgemeiner Meinung unzulässige Aktivierungen sowie unterbliebene, aber gebotene Passivierungen einschließlich der nach § 249 HGB gebotenen Rückstellungen. Für Unterbewertungen verlangt § 256 Abs. 5 S. 1 Nr. 2 AktG zusätzlich, dass dadurch die Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vorsätzlich unrichtig wiedergegeben oder verschleiert wird. Schließlich genügt nicht jede (geringfügige) Überbewertung. Sie muss die Darstellung der Vermögens- und Ertragslage der Gesellschaft vielmehr wesentlich beeinträchtigen. Wesentlichkeit ist verneinen, wenn die Überbewertung des betroffenen Bilanzpostens weniger als 1% der Bilanzsumme ausmacht (vgl. Hüffer in: Münchener Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2011, § 256 Rn. 56 ff. mwN. zur Rspr. und Lit.).

Eine Über- und Unterbewertung von Positionen des Jahresabschlusses der Beklagten kann schon ausgeschlossen werden, soweit der Jahresabschluss der Beklagten durch die Rügen der Klägerin nicht betroffen ist, sondern allenfalls der Jahresabschluss der R. Zudem leiden sämtliche von der Klägerin gerügten Bewertungsfehler an einer grundlegenden Fehleinschätzung hinsichtlich der Risiken und drohenden Schäden im Zusammenhang mit der Lizenzverlängerung 2009 und der Frequenzversteigerung 2010. Die von der Klägerin geforderten Bilanzkorrekturen waren weder gefordert noch rechtlich zulässig.

2.1 Jahresabschluss der Beklagten

Die meisten von der Klägerin angeführten Bilanzierungsfehler betreffen nicht den Jahresabschluss der Beklagten, sondern den Abschluss der R. Die Beklagte ist weder Inhaberin der Frequenznutzungsrechte noch Vertragspartnerin der Mobilfunk-Kunden noch Eigentümerin der betreffenden Netzanlagen. Insoweit ist ausschließlich die operativ tätige Tochtergesellschaft R der Beklagten betroffen.

Betroffen wäre der Jahresabschluss der Beklagten nur hinsichtlich der Behauptung der Klägerin im letzten Schriftsatz, dass die Beklagte in ihrem Jahresabschluss im Hinblick auf eine Wertlosigkeit der operativen Tochtergesellschaft R und der Verlustausgleichspflicht aus dem Ergebnisabführungsvertrag mit Liquidationswerten zu bewerten gewesen wäre bzw. sie insofern Rückstellungen hätte bilden müssen.

Die von der Klägerin dargelegten Szenarien, die zum Wegfall der GSM- und LTE-Frequenzen und infolgedessen zu Verlusten und Schadensersatzforderungen und schließlich zur Einstellung des Geschäftsbetriebs der R führen, sind nach Einschätzung der Kammer maßlos übertrieben und äußerst unrealistisch. Dieser Eindruck hat sich nach der Durchführung der mündlichen Verhandlung erhärtet. Das betrifft zunächst den angeblichen drohenden Verlust der Frequenznutzungsrechte. Das betrifft ferner die Belastung der R mit Schadenersatzforderungen der Kunden in Milliardenhöhe. Das betrifft zudem die im letzten Schriftsatz der Klägerin angeführten verminderten Umsatzerlöse der R in Höhe von EUR 16,7 Milliarden sowie eine drohende Vorteilsabschöpfung von EUR 3,27 Milliarden weger der bisherigen "kartellrechtswidrigen" Nutzung der GSM-Frequenzen durch die R.

Der Beklagten ist zuzustimmen, dass diese Verlustund Untergangsszenarien aus der Luft gegriffen und unwahrscheinlich sind. Ein ersatzloser Wegfall der Frequenznutzungsrechte kann angesichts des nach wie vor von der Bundesnetzagentur verfolgten GSM-Konzepts 2005, der durchgeführten Verwaltungsverfahren, der Betroffenheit auch maßgeblicher Wettbewerber der Beklagten, des verwaltungsgerichtlichen Streitstandes (bislang keine rechtskräftige Entscheidung gegen die Bundesnetzagentur) sowie schließlich der möglichen Handlungsalternativen der Beklagten für den Fall der Rücknahme von Zuteilungsbescheiden nahezu ausgeschlossen werden. Insofern kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorstehenden Ausführungen Bezug genommen werden.

Folglich waren bei der Aufstellung und der Feststellung des Jahresabschlusses keine tatsächlichen oder rechtlichen Anhaltspunkte vorhanden, die der Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit der Beklagten und der R im Sinne von § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB entgegenstanden. Aus dem gleichen Grund war auch keine Rückstellung gemäß § 249 Abs. 1 HGB hinsichtlich einer möglichen Verlustausgleichspflicht gemäß § 302 AktG zu bilden.

2.2 Keine Überbewertung der R

Zudem kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass Bilanzierungsfehler beim Jahresabschluss der R vorliegen, die zu einer Überbewertung dieser gesellschaftlichen Beteiligung in dem Jahresabschluss der Beklagten geführt haben könnten. Die Beanstandungen der Klägerin zu den Mängeln des Jahresabschlusses der R sind pauschal und diffus. Oftmals ist schon nicht erkennbar, welche Position und gegebenenfalls in welcher Höhe über- oder unterbewertet sein sollen.

Dabei kann offen bleiben, ob die von der Klägerin behaupteten Bewertungsfehler unwesentlich sind, weil die Schwelle von EUR 500.000.000,00, das entspricht 0,5 % der Bilanzsumme der Beklagten von EUR 100 Mrd., nicht überschritten wird. Ferner muss nicht entschieden werden, ob durch die Beanstandungen der Klägerin der bilanzielle Ansatz der R im Jahresabschluss der Beklagten im Hinblick auf behauptete stille Reserven in Höhe eines zweistelligen Milliardenbetrages überhaupt infrage gestellt wird.

2.2.1 Aktivierung des Lizenzentgeltes für die Lizenzverlängerung 2009

Die Behauptung der Klägerin, das für die Verlängerung der GSM-Lizenzen gezahlte Entgelt von EUR 60,9 Mio. sei nicht aktiviert und über die Vertragslaufzeit abgeschrieben worden, ist unzutreffend. Die Aktivierung ist schon in 2009 durchgeführt worden. Im Jahr 2010 wurde ein Teilbetrag von EUR 8,7 Mio. abgeschrieben. Die Klägerin hat den Vortrag der Beklagten nicht mehr bestritten und damit zugestanden.

2.2.2 Rückstellungen für den Fall der Rückgabe der Rechte aus den Vergabeentscheidungen 2009 und 2010

Die von der Klägerin geforderten Rückstellungen für den Fall der Rückgabe der in 2009 und 2010 erworbenen Frequenznutzungsrechte waren bei der R nicht zu bilden.

Nach § 249 Abs. 1 S. 1 HGB sind u. a. für ungewisse Verbindlichkeiten und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften Rückstellungen zu bilden. Gemäß § 249 Abs. 2 HGB dürfen für andere als die in § 249 Abs. 1 HGB bezeichneten Zwecke keine Rückstellungen gebildet werden. Voraussetzung für die Bildung von Aufwands- oder Verbindlichkeitsrückstellungen ist u. a., dass der Aufwand oder die Verbindlichkeit wahrscheinlich ist, das heißt damit ernsthaft zu rechnen ist.

Die von der Klägerin geforderten Rückstellungen für mehrere Positionen, nämlich hinsichtlich der Entgelte für die ersteigerten Frequenznutzungsrechte, drohender Gewinnabschöpfung sowie zu erwartender Umsatzverluste und Schadensersatzforderungen von Mobilfunkkunden waren nicht vorzunehmen. Mit dem ersatzlosen Verlust der Frequenznutzungsrechte und den von der Klägerin beschriebenen Folgen war und ist nicht zu rechnen, abgesehen davon, dass derartige Rückstellungen auch betragsmäßig nicht konkretisiert werden könnten. Auch die Klägerin ist dazu nicht in der Lage. Die von ihr genannten Zahlen sind erkennbar konstruiert. Existenzbedrohende Risiken mit der Folge des Verlustes der gezahlten Lizenzentgelte bestanden für die R nicht. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen werden. In Betracht kommen für den derzeit unwahrscheinlichen Fall der Rücknahme der Zuteilungsbescheide und der Neuzuteilung der GSM- und LTE-Frequenzen allenfalls zusätzliche Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Neuerwerb von Frequenzen. Aber selbst solche Aufwendungen sind derzeit nicht ansatzweise greifbar und können daher nicht Gegenstand von Rückstellungen sein.

2.2.3 Außerplanmäßige Abschreibungen des aktivierten Sachanlagevermögens

Auch die Rüge der Klägerin, dass die Investitionen in zugeteilte Frequenzen nicht als Risikoinvestitionen erfasst seien, erweist sich als unbegründet.

Außerplanmäßige Abschreibungen des aktivierten Sachanlagevermögens wegen der drohenden Verluste der getätigten Netzinfrastrukturinvestitionen gemäß § 253 Abs. 3 S. 3 HGB sind weder zulässig noch geboten. Weder 2010 war noch jetzt ist wahrscheinlich, dass die der R zugeteilten Frequenzen dauerhaft und ersatzlos entzogen werden. Folglich ist auch nicht wahrscheinlich, dass die Investitionen in die Netzinfrastruktur entwertet sind. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die vorstehenden Ausführungen zur Risikoeinschätzung der Beklagten verwiesen werden.

2.2.4 Fehler im Anhang

Unbegründet ist auch der weitere Einwand der Klägerin, dass der Bilanzausweis der LTE-Frequenznutzungsrechte im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2010 geändert worden sei, ohne dies im Anhang zu erläutern.

Die Klägerin ist der Meinung, dass die Veränderung der im Halbjahresbericht 2010 ausgewiesenen Bilanzierung der Frequenzrechte als "übrige finanzielle Vermögenswerte" in "immaterielle Vermögenswerte" im Jahresabschluss 2010 zum Ausdruck bringe, dass die Risiken bezüglich der ersteigerten Frequenzen weggefallen seien. Dieser Bruch der Bilanzierung sei zu erläutern gewesen.

Die Beklagte hat dem zu Recht entgegengehalten, dass sich die Klägerin damit auf Erläuterungen im nicht streitgegenständlichen Konzernjahresabschluss bezieht. Im Übrigen liegt kein erklärungsbedürftiger Bruch in der Bilanzierung vor, da die Frequenznutzungsrechte zum Halbjahresbericht am 30. Juni 2010 - insofern unstreitig € noch nicht erworben waren. Daher musste die am 31. Mai 2010 geleistete Zahlung des Versteigerungsentgelts in Höhe von EUR 1,3 Milliarden als finanzieller Vermögenswert aktiviert werden. Erst ab Erhalt der Zuteilungsbescheide ab Juli 2010 durften die LTE-Frequenzen in der Konzernbilanz zum 31. Dezember 2010 als immaterielle Vermögenswerte im Anlagevermögen aktiviert werden.

2.2.5 Fehler des Lageberichts zum Jahresabschluss

Die Rüge der Klägerin, die existenzgefährdenden Risiken in Zusammenhang mit der Versteigerung von Frequenzen im Mai 2010 seien im Lagebericht der Beklagten nicht bzw. unzureichend dargestellt, ist ebenfalls nicht begründet.

Fehler des Lageberichts können die Nichtigkeit des Jahresabschlusses gemäß § 256 AktG nicht begründen, wie bereits erläutert worden ist. Abgesehen davon erweist sich die Berichterstattung im Lagebericht auch nicht als falsch oder unvollständig.

Die Beklagte hat über wesentliche Chancen und Risiken ordnungsgemäß berichtet. Die Risiken im Zusammenhang mit den Vergabeentscheidungen 2009 und 2010 sind nicht wesentlich im Sinne von § 289 Abs. 1 S. 4 HGB, da der ersatzlose Wegfall der zugeteilten Frequenznutzungsrechte unwahrscheinlich war und ist.

Die Unvollständigkeit der Berichterstattung im Lagebericht zum 31. Dezember 2010 kann auch nicht aus der Tatsache hergeleitet werden, dass die Beklagte im Halbjahresbericht 2011 erstmalig über die Vergabeentscheidungen 2009 und 2010 berichtet hat, insbesondere erläutert hat, dass einige Mobilfunkunternehmen Klage erhoben haben, in den meisten Verfahren das Verwaltungsgericht Köln die Klagen erstinstanzlich abgewiesen hat, und das Bundesverwaltungsgericht Ende April 2011 eines dieser Urteile aufgehoben und zur weiteren Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen hat. Insofern liegt zwar eine Diskrepanz zum Lagebericht des Jahresabschlusses 2010 vor, da dort die vorgenannten Hinweise fehlen. Allerdings gibt die Klägerin selbst die Antwort für diese abweichende Darstellung der Beklagten. Denn durch die Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Urteils durch das Bundesverwaltungsgericht in 2011 hat sich eine neue Sachlage hinsichtlich der erworbenen Frequenzen ergeben, die nach der Auffassung der Beklagten berichtenswert war. Abgesehen davon unterliegen der Jahresabschluss und der Halbjahresfinanzbericht unterschiedlichen Bilanzierungsregeln. Der Halbjahresfinanzbericht wurde auf der Basis der kapitalmarktorientierten International Financial Reporting Standards (IFRS) erstellt. Die Bilanzierung nach IFRS unterscheidet sich erheblich von der Bilanzierung nach HGB.

3 Nebenentscheidungen

Die Kosten des Rechtsstreits sind der Klägerin aufzuerlegen, da sie unterlegen ist.

Der Streitwert wird auf EUR 600.000,00 festgesetzt. Gemäß § 247 Abs. 1 AktG bestimmt das Prozessgericht den Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Bedeutung der Sache für die Parteien, nach billigem Ermessen. Er darf jedoch 1/10 des Grundkapitals oder, wenn dieses Zehntel mehr als EUR 500.000,00 beträgt, EUR 500.000,00 nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für den Kläger höher zu bewerten ist. Die vorgenannte Streitwertbegrenzung gilt für den einzelnen Antrag, nicht für den Rechtsstreit als solchen. Bei mehreren Anträgen kann der Gesamtstreitwert daher über dieser Grenze liegen (Hüffer in: Münchener Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2011, § 247 Rn. 18 mwN. zur Rspr. und Lit.). Die Anfechtung der Entlastungsbeschlüsse bewertet die Kammer mit jeweils EUR 50.000,00. Das entspricht der Kasuistik (Hüffer in: Münchener Kommentar zum AktG, 3. Aufl. 2011, § 256 Rn. 18 mwN. zur Rspr. und Lit.). Für den Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Jahresabschlusses der Beklagten ist ein Streitwert von EUR 500.000,00 angemessen (vergleiche OLG München, Beschluss vom 7. Januar 2008, 7 U 3773/07, Juris online Rn. 11).

Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangene Schriftsatz der Klägerin gibt der Kammer keine Veranlassung zu einer abweichenden Entscheidung oder Wiederaufnahme der mündlichen Verhandlung.






LG Köln:
Urteil v. 06.01.2012
Az: 82 O 69/11


Link zum Urteil:
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BPatG, Beschluss vom 20. Juni 2001, Az.: 29 W (pat) 22/00BPatG, Beschluss vom 28. Mai 2002, Az.: 27 W (pat) 62/01LG Köln, Urteil vom 23. Juli 2009, Az.: 31 O 592/08AG Kassel, Urteil vom 15. August 2013, Az.: 435 C 4513/12BPatG, Beschluss vom 22. Juli 2008, Az.: 27 W (pat) 115/07OLG Düsseldorf, Urteil vom 18. November 2009, Az.: VI-U (Kart) 12/09VG Arnsberg, Beschluss vom 11. Dezember 2006, Az.: 12 L 1146/06OLG München, Beschluss vom 30. April 2008, Az.: 31 Wx 41/08OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 27. Juni 2013, Az.: 20 W 213/12OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10. März 2004, Az.: 12 W 26/04