Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. Juli 2005
Aktenzeichen: 30 W (pat) 317/03

(BPatG: Beschluss v. 25.07.2005, Az.: 30 W (pat) 317/03)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Eingetragen am 7. Januar 2001 unter 301 06 021 ua für die Warenpharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisseist die Marke Eicovit.

Widerspruch erhoben wurde aus der seit 1937 unter 498 440 für die Waren Arzneimitteleingetragenen Marke Eusovit.

Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat in zwei Beschlüssen, einer davon ist im Erinnerungsverfahren ergangen, den Widerspruch wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sowie identischen und sehr ähnlichen Waren seien die strengen Anforderungen an den Markenabstand eingehalten.

Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, es bestehe zumindest schriftbildliche Verwechslungsgefahr, da die einzige klare Abweichung in der Anfangssilbe nur minimal sei.

Sie beantragt sinngemäß, die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 5. November 2002 und vom 9. September 2003 aufzuheben und die Löschung der Marke 301 06 021 anzuordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt (sinngemäß), die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke 498 440 besteht nicht die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Absatz 1 Nr 2 MarkenG, so dass die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen war.

Die Frage der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH in st Rspr, vgl WRP 2004, 1281 - Mustang; WRP 2004, 907 - Kleiner Feigling; WRP 2004, 1043 - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).

Nach diesen Grundsätzen ist hier die Gefahr von Verwechslungen zu verneinen und zwar selbst dann, wenn zugunsten der Widersprechenden von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke insgesamt ausgegangen wird, auch wenn sie die beiden bekannten und häufig im Pharmabereich verwendeten Wortbildungselemente "vit" und "Eu" enthält, da sie insgesamt eine noch phantasievolle Kombination bildet.

Ausgehend von der Registerlage können die Marken zur Kennzeichnung identischer und sehr ähnlicher Waren verwendet werden. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass bei den vorliegenden pharmazeutischen Erzeugnissen bzw Arzneimitteln eine Rezeptpflicht in den Warenverzeichnissen nicht festgeschrieben ist , so dass allgemeine Verkehrskreise uneingeschränkt zu berücksichtigen sind. Dabei ist aber davon auszugehen, dass grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH GRUR 2000, 506 ATTACHÉ/TISSERAND) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50 - Indorektal/Indohexal).

Der unter diesen Umständen gebotene deutliche Abstand wird von der angegriffenen Marke eingehalten.

Die Ähnlichkeit von Wortzeichen ist anhand ihres klanglichen und schriftbildlichen Eindrucks sowie ihres Sinngehalts zu ermitteln. Für die Annahme einer Verwechslungsgefahr reicht in aller Regel bereits die hinreichende Übereinstimmung in einer Hinsicht aus. Dabei kommt es auf den jeweiligen Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen an. Dies entspricht dem Erfahrungssatz, dass der Verkehr Marken regelmäßig in der Form aufnimmt, in der sie ihm entgegentreten und sie nicht einer analysierenden, zergliedernden, möglichen Bestandteilen und deren Bedeutung nachgehenden Betrachtung unterzieht. Dabei bleibt auch ein beschreibender Bestandteil bei der Feststellung des Gesamteindrucks nicht außer Betracht, sondern ist mit zu berücksichtigen. Zudem ist bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr grundsätzlich mehr auf die gegebenen Übereinstimmungen der zu vergleichenden Zeichen als auf die Unterschiede abzustellen (vgl BGH aaO NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).

Bei Anwendung dieser Grundsätze ergibt sich, dass die sich gegenüberstehenden Marken in ihrem klanglichen Gesamteindruck ausreichende Unterschiede aufweisen.

So stimmen die Marken zwar bei gleicher Silbenzahl sowie gleichem Sprech- und Betonungsrhythmus in der Schlusssilbe "vit" überein. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Übereinstimmung in dem Endbestandteil "vit" bei der Beurteilung des jeweiligen Gesamteindrucks und der Markenähnlichkeit weniger ins Gewicht fällt, als dies bei einem reinen Phantasiebestandteil der Fall wäre. Bei dem Wortelement "vit" handelt es sich um einen beschreibenden und damit kaum individualisierend und kennzeichnend wirkenden Hinweis auf "vital" (von lateinisch vitalis) für "lebenserhaltend, vitalisierend, kräftigend", der in Marken auf dem hier einschlägigen Warengebiet häufig verwendet wird.

Auch wenn derartige beschreibende und kennzeichnungsschwache Zeichenelemente bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nach dem Gesamteindruck angemessen mit zu berücksichtigen sind, so bewirken sie doch eine Verlagerung der Aufmerksamkeit auf die vorderen Markenteile "Eico" und "Euso".

Dies entspricht dem geltenden Erfahrungssatz, dass Wortanfänge ohnehin mehr als nachfolgende Wortteile beachtet werden (vgl BGH aaO - Indorektal/Indohexal), so dass die hier vorhandenen Unterschiede um so eher wahrgenommen werden.

Die Unterschiede in den vorderen Markenteilen sind trotz des gemeinsamen unbetonten Vokals "o", der in der Wortmitte der Gesamtmarken aber nicht so deutlich hervortritt, hinreichend deutlich. So werden insbesondere die beiden unterschiedlichen Diphthonge "Eu" und "Ei" sowie sich die daran anschließenden Konsonanten wegen ihrer deutlich unterschiedlichen Klangeigenschaften - einmal ein heller Vokal "i" gegenüber einem dunklen Vokal "u", zum anderen ein harter Gaumenlaut "k" bzw "c" gegenüber einem weichen Zungenlaut "s" hinreichend sicher wahrgenommen und führen zu einem nicht verwechselbaren klanglichen Gesamteindruck der Marken.

In schriftbildlicher Hinsicht halten die Vergleichsmarken in allen üblichen Wiedergabeformen ebenfalls einen noch ausreichenden Abstand ein. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Marken im Schriftbild erfahrungsgemäß mit etwas größerer Sorgfalt wahrgenommen werden als im eher flüchtigen Klangbild, das häufig bei mündlicher Benennung entsteht. Zudem steht beim schriftlichen Markenvergleich der Fachverkehr, der aufgrund seiner beruflichen Praxis und Erfahrung im Umgang mit Arzneimittelmarken über ein erhöhtes Unterscheidungsvermögen verfügt, im Vordergrund. Unter diesen Voraussetzungen reichen auch bei einer schriftlichen Wiedergabe die Abweichungen zwischen den Buchstaben "ic-" und "us-" aus, um eine Unterscheidbarkeit der Marken zu gewährleisten.

Zur Unterscheidbarkeit der Marken trägt schließlich auch der Begriffsgehalt in den Anfangsbestandteilen der Marken bei. Insoweit kann davon ausgegangen werden, dass der Anfangsbestandteil "Eu" der Widerspruchsmarke - wenn nicht in der Ableitung vom Griechischen für "wohl" und "gut" - so jedenfalls als in medizinischen Fachbegriffen und in zahlreichen Arzneimittelmarken verwendete Anfangssilbe auch beachtlichen Teilen der Endverbraucher bekannt ist (vgl 30 W (pat) 069/93 - Kurzfassung PAVIS-PROMA).

Zumindest Fachleute werden zudem in dem Bestandteil "Eico" der angegriffenen Marke den Hinweis auf sogenannte Eicosanoide sehen, die - gebildet aus mehrfach ungesättigten Fettsäuren der n-6 und n-3-Familie - als Gewebshormone an einer Reihe von physiologischen und pathologischen Prozessen beteiligt sind wie Blutgerinnung und Entzündungsregulation (vgl http://flexicon.doccheck.com/Spezial:Randompage ). Zudem gibt es bereits vergleichbar gebildete Marken mit dem Bestandteil "Eico" für als Lipidsenker verwendete Arzneimittel (zB Eicosan, Eicosapen vgl Rote Liste 2004).

Anhaltspunkte dafür, dass aus sonstigen Gründen die Gefahr von Verwechslungen bestehen könnte, sind nicht dargelegt und auch nicht ersichtlich.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bietet der Streitfall keinen Anlass (§ 71 Abs 1 MarkenG).

Dr. Buchetmann Richterin Winter ist wegen Urlaubs verhindert zu unterschreiben.

Dr. Buchetmann Hartlieb Hu






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Beschluss v. 25.07.2005
Az: 30 W (pat) 317/03


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