Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 3. Dezember 2008
Aktenzeichen: 12 O 393/07

(LG Düsseldorf: Urteil v. 03.12.2008, Az.: 12 O 393/07)

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass die Kläger nicht verpflichtet sind, der Beklagten die durch die Abmahnungen vom 3. Juli 2007 entstandenen Anwaltskosten zu erstatten, wie in den genannten Abmahnungen, (Anlagenkonvolut K 8), dort unter Ziffer 4 der Unterlassungs- und Verpflichtungserklärungen, gefordert:

II. Die Kosten des Rechtsstreits werden der Beklagten auferlegt.

III. Das Urteil ist für die Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus diesem Urteil beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger zu 1) betreibt auf der mit der Domain "X" adressierten Internetseite ein Angebot zum Thema Strukturmarketing im Gesundheitswesen. Die Klägerin zu 2) ist die Ehefrau des Klägers zu 1) und Alleingesellschafterin der Klägerin zu 3).

Die Beklagte bietet auf ihrer Internetseite Flash-Präsentationen an, von denen sie behauptet, dass diese urheberrechtlich geschützt seien.

Auf der Internetpräsenz unter der Domain "X" wurden in der Vergangenheit 3 Dateien zum Abruf durch Nutzer der Internetseite vorgehalten. Es handelte sich um Bildschirmpräsentationen, die allgemeine Informationen zu dem im Dateinamen genannten Thema enthielten.

Mit anwaltlichen E-Mails vom 03.07.2007 mahnte die Beklagte die Kläger ab und legte in ihren Abmahnungen dar, dass die Präsentationen der Beklagten urheberrechtlich geschützte Werke darstellten und die Kläger durch die Angebote auf deren Internetseiten vorsätzlich die Rechte der Beklagten verletzten. Die Beklagte forderte die Kläger unter Fristsetzung bis zum 09.07.2007 auf, die jeweils beigefügte strafbewehrte Verpflichtungs- und Unterlassungserklärung abzugeben. Ein Entwurf dieser Erklärung lag der Abmahnung bei; unter Punkt 4. dieser Erklärung sollte sich ein jeder der abgemahnten Kläger verpflichten,

"die durch diese Abmahnung entstandenen Anwaltskosten zu erstatten."

Mit Schreiben vom 04.07.2007 an den Prozessbevollmächtigten der Beklagten wiesen die Kläger die Abmahnungen "nach § 174 BGB zurück, weil ihnen keine Vollmachtsurkunde beigefügt war.".

Die Kläger sind der Auffassung, dass der Beklagten aus zahlreichen Gründen ein Ersatz von Rechtsverfolgungskosten aufgrund einer Verletzung von Urheberrechten nicht zustehe. Da sich die Beklagte eines Anspruchs auf Ersatz von Rechtsverfolgungskosten nach einer angeblichen Urheberrechtsverletzung berühme, seien die Kläger berechtigt feststellen zu lassen, dass der Beklagten ein solcher Anspruch nicht zustehe.

Die Kläger haben zunächst angekündigt zu beantragen,

festzustellen, dass die Kläger der Beklagten keinen Ersatz von Rechtverfolgungskosten aufgrund der Verletzung von Urheberrechten an drei digitalen Präsentationen im Flash-Format mit den Dateinamen »X», »X und »X», insbesondere aufgrund der Abmahnungen der Beklagten vom 3. Juli 2007 durch Herrn Rechtsanwalt X, X, X, schulden;

hilfsweise,

festzustellen, dass die Kläger der Beklagten keinen Ersatz von Rechtsverfolgungskosten aufgrund der Verletzung von Urheberrechten an drei digitalen Präsentationen im Flash-Format mit den Dateinamen »X«, »X und »X«, insbesondere aufgrund der Abmahnungen der Beklagten vom 3. Juli 2007 durch Herrn Rechtsanwalt X, X, X, über einen Betrag von jeweils 911,80 € hinaus schulden.

Sie beantragen nunmehr,

zu erkennen wie geschehen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, der Klage fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Der Antrag der Kläger betreffe nicht das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses, sondern alleine eine rechtliche Vorfrage zu einem Rechtsverhältnis, die jedoch selbst nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein könne. Der Anspruch der Beklagten auf Schadenersatz ergebe sich nicht aus der Abmahnung als solcher, sondern aus der Urheberrechtsverletzung der Kläger. Die Abmahnung der Kläger sei lediglich ein Teilakt gewesen, nachdem vorher bereits mehrere Maßnahmen zur Vertretung der Interessen der Beklagten erfolgt seien. Der Anspruch auf Ersatz der Rechtsverfolgungskosten sei bereits mit dem Strafantrag der Beklagten und den Telefonaten mit der Staatsanwaltschaft und der Polizei in vollem Umfang entstanden. Der Gegenstandswert und die Gebühr für die anwaltliche Tätigkeit seien die gleichen für die Abmahnung. Die Aufspaltung einer Anspruchsgrundlage nach einzelnen anwaltlichen Tätigkeiten, das heißt Realakten, um bezogen auf einzelne oder jeden Realakt eine Feststellungsklage einzureichen, sei unzulässig, da in diesem Falle keine Rechtsverhältnisse Gegenstand der Feststellungsklage seien, sondern der jeweilige einzelne Realakt.

Die Feststellungsklage sei schließlich unbegründet, da die Beklagte Anspruch auf Ersatz von Rechtsanwaltskosten habe. Die Nutzung der Präsentationen der Beklagten seitens der Kläger stelle eine Urheberrechtsverletzung dar.

Wegen des Vorbringens der Parteien im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Feststellungsklage der Kläger ist zulässig und auch sachlich gerechtfertigt.

Die Beklagte kann die durch die Abmahnungen vom 03.07.2007 entstandenen Anwaltskosten nicht erstattet verlangen.

Die Kläger haben ein schutzwürdiges rechtliches Interesse an der Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sind, der Beklagten die durch die Abmahnungen vom 03.07.2007 entstandenen Anwaltskosten zu erstatten (§ 256 ZPO).

Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage ist, dass diese ein Rechtsverhältnis selbst zum Gegenstand hat; seine Vorfragen oder einzelne Elemente sind nicht ausreichend, jedoch aber einzelne Rechte, Pflichten oder Folgen. Bloße Tatfragen oder abstrakte Rechtsfragen können nicht Gegenstand einer Feststellungsklage sein. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte mit ihren Abmahnungen vom 03.07.2007 in eindeutiger Weise zum Ausdruck gebracht, dass sie das Angebot der Präsentationen der Kläger für eine vorsätzliche Verletzung ihrer Rechte an den eigenen Präsentationen hält. Sie hat ihren Abmahnungen eine Verpflichtungs- und Unterlassungserklärung beigelegt und die Kläger aufgefordert, diese Erklärung innerhalb einer von ihr gesetzten Frist abzugeben. Der Inhalt der beigefügten Verpflichtungs- und Unterlassungs- erklärung zeigt in eindeutiger Weise, dass die Beklagte davon ausgeht, gegen die Kläger einen Anspruch auf Erstattung von Kosten geltend machen zu können, die ihr durch die konkrete Abmahnung entstanden sind. Die Verpflichtungs- und Unterlassungserklärung enthält in Punkt 4 den Passus, dass sich die Kläger verpflichten sollen, "die durch diese Abmahnung entstandenen Anwaltskosten zu erstatten.". Indem die Beklagte von den Klägern die Abgabe auch dieser Erklärung verlangt, macht sie deutlich, dass sie sich eines entsprechenden Anspruchs gegen die Kläger berühmt; das Feststellungsinteresse wird damit durch die in der Abmahnung liegende Rechtsberühmung begründet (vgl. hierzu Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 9. Aufl., Kpt. 41, Rdnr. 68 ff.; Zöller, ZPO, 26. Aufl., § 256 ZPO, Rdnr. 3b, 7, 14 a). Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich nicht um die Feststellung von abstrakten Rechtsfragen. Um eine solche Feststellung ginge es allerdings, wenn die Kläger - wie die Beklagte auf Seite 2 ihres Schriftsatzes vom 28.10.2008 anführt - die Feststellung begehrten, ob etwa die Beklagte aufgrund der Strafanzeige Ersatz von Rechtsanwaltsgebühren verlangen könne, ob sie aufgrund von Telefonaten mit der Staatsanwaltschaft Ansprüche gemäß § 97 Abs. 2 UrhG habe oder durch die Telefonate der Prozessbevollmächtigten der Beklagten mit der Polizei Ansprüche aus § 97 Abs. 2 UrhG entstanden seien. Im vorliegenden Fall geht es hingegen um die Berühmung der Beklagten, einen bestimmten Anspruch auf Kostenerstattung durch eine bestimmte Handlung (Abmahnung vom 03.07.2007) gegen die Kläger zu haben.

Das besondere Feststellungsinteresse der Kläger besteht schließlich deswegen, weil den Klägern eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit dadurch droht, dass sich die Beklagte eines bestimmten Rechts gegen die Kläger berühmt, und weil das von den Klägern erstrebte Urteil geeignet ist, diese Gefahr zu beseitigen.

Der Antrag auf Feststellung ist auch begründet. Der Beklagten steht aus den Abmahnungen vom 03.07.2007 kein Anspruch auf Erstattung der "durch diese Abmahnung entstandenen Anwaltskosten" zu.

Der Anspruch, dessen sich die Beklagte berühmt, steht dieser nicht aus § 12 Abs. 1 S. 2 UWG, § 97 Abs. 1 UrhG oder nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§ 683 Satz 1, § 5 677, 670 BGB) zu.

Grundsätzlich sind die Kosten einer begründeten anwaltlichen Abmahnung nach dem vorgenannten Vorschriften zu ersetzen, soweit sie - im Rahmen des Schadenersatzanspruchs aus § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG - als Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung anzusehen sind, oder es sich gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG bzw. nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag um erforderliche Aufwendungen handelt. Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch ist indes stets, dass die Abmahnung nach Form und Inhalt berechtigt war. Ob in Vertretungsfällen die Beifügung der Vollmachtsurkunde im Original erforderlich ist, weil die Abmahnung wirkungslos ist, wenn der Schuldner - wie im Streitfall - die Erklärung des Vertreters wegen der Nichtvorlage der Vollmachtsurkunde unverzüglich zurückweist (§ 174 BGB analog), ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten. Teilweise wird angenommen, dass auch eine vom Schuldner mangels Vollmachtsvorlage zurückgewiesene Abmahnung wirksam ist (vgl. OLG Köln BRP 1985, 360, 361). Das OLG Düsseldorf hat nach nochmaliger Überprüfung an der in den Beschlüssen vom 13.07.2000 (GRUR-RR 2001, 286) und vom 19.04.1989 (NJWE-WettbR 1999, 263) vertretenen Auffassung festgehalten (Urteil vom 21.11.2006 - Az.: I-20 U 22/06), dass die wettbewerbsrechtliche Abmahnung ebenso wie die Mahnung eine einseitige rechtsgeschäftsähnliche Handlung ist, auf die § 174 ZPO entsprechend Anwendung findet. (vgl. zu den dargelegten Überlegungen des OLG Düsseldorf die Begründung im letztgenannten Urteil). Die Kammer schließt sich der Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf an.

Die im Streitfall von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten ausgesprochene Abmahnung ist daher nach ihrer Zurückweisung durch das Schreiben der Kläger vom 04.07.2007 entsprechend § 174 Satz 1 BGB unwirksam geworden. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die unwirksame Abmahnung besteht nach allem nicht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 ZPO.

Streitwert: 63.224,40 EUR, wobei auf jeden der Kläger 21.074,80 EUR entfallen.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 03.12.2008
Az: 12 O 393/07


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