Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Februar 2004
Aktenzeichen: 27 W (pat) 111/03

(BPatG: Beschluss v. 10.02.2004, Az.: 27 W (pat) 111/03)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Gegen die am 12. August 1999 für die Waren und Dienstleistungen

"Dachbeläge, Pflastersteine, Plattenbeläge, Randleisten, Schotter, Straßenbelagmaterialien; sämtliche zuvor genannten Waren nicht aus Metall; Bodenbeläge, insbesondere für Gartenanlagen, Spielanlagen und Sportanlagen; wasserdurchlässige Bodenbeläge, insbesondere für Fußwege, Radwege, Höfe, Hauszufahrten und Baumscheiben; Fallschutzbeläge für Spielanlagen und Sportanlagen; Kunstrasen; Dienstleistungen eines Gartenbauarchitekten und eines Landschaftsbauarchitekten; Gartenarbeiten, Gartenbauarbeiten und Landschaftsbauarbeiten, insbesondere für Freizeitanlagen, Parkanlagen, Wasseranlagen, Fahrflächen und Parkflächen; Wegebauarbeiten; Spielanlagenbauarbeiten und Sportanlagenbauarbeiten, insbesondere Gestaltung und Erstellen von Spielanlagen, Kinderspielplätzen und Sportanlagen; Verlegen von Bodenbelägen, insbesondere Kunststoffbelägen"

veröffentlichte Eintragung der Wortmarke 399 11 449 Porutanhat die Inhaberin der am 29. Juni 1976 für die Waren

"Aus oder unter Verwendung von Kunststoff oder Gummi hergestellte elastische Bindemittel, Beschichtungs- und Versiegelungsmaterialien für synthetische Sportflächenbeläge"

eingetragenen Wortmarke 946 046 POLYTAN Widerspruch erhoben. Zur Begründung hat die Widersprechende geltend gemacht: Mit den Waren der älteren Marke seien insbesondere die Boden- und Fallschutzbeläge für Spiel- und Sportanlagen der jüngeren Marke identisch; zu den übrigen Waren und auch den Dienstleistungen, die üblicherweise von deren Herstellern erbracht würden, bestehe enge Ähnlichkeit. Den danach erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke halte die jüngere Marke nicht ein, denn der klangliche Gesamteindruck der Marken sei so ähnlich, dass Verwechslungen zu befürchten seien.

Die zunächst erhobene Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke hat die Markeninhaberin auf die von der Widersprechenden eingereichten Glaubhaftmachungsunterlagen zurückgenommen und im Beschwerdeverfahren nicht erneut erhoben.

Mit Beschluss vom 29. Januar 2003 hat die Markenstelle für Klasse 27 durch einen Beamten des höheren Dienstes den Widerspruch gemäß § 43 Abs. 2. Satz 2 i.V.m. 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG zurückgewiesen, weil selbst bei Anlegung strengster Maßstäbe eine Verwechslungsgefahr der Marken nicht bestehe. Die einander gegenüberstehenden Markenwörter wiesen zwar in klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht formale Gemeinsamkeiten auf; im Gesamteindruck stünden diesen jedoch hinreichend deutliche Unterschiede gegenüber. Weil es auf dem betreffenden Warensektor eine Vielzahl den verfahrensgegenständlichen Marken vergleichbarer Bezeichnungen und Fachbegriffe gebe, in denen das Wortelement "POR" als Hinweis auf poröse Materialien verwendet werde und auch die Wortendungen "TAN" und "TON" für diese Begriffe geradezu typisch und den angesprochenen Verbrauchern geläufig sei, würden diese auf dem betreffenden Warengebiet in besonderem Maß auf vorhandene Unterschiede achten. Die unterschiedlichen Vokalfolgen unterschieden die Marken klanglich hinreichend deutlich; auch schriftbildlich reichten die Unterschiede aus, so dass keine Gefahr von Verwechslungen zwischen den Zeichen zu befürchten sei.

Mit der gegen die Zurückweisung ihres Widerspruchs gerichteten Beschwerde macht die Widersprechende geltend, dass die jüngere Marke im Hinblick auf die zumindest durchschnittliche Kennzeichnungskraft der umfachreich mit Umsätzen in zweistelliger Millionenhöhe benutzten Widerspruchsmarke und die Identität bis große Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen einen deutlichen Abstand einhalten müsse, um die Gefahr von Verwechslungen auszuschließen. Beide Markenwörter hätten ein nahezu identisches Klangbild. Dies sei besonders zu berücksichtigen, weil die jeweiligen Produkte nicht nur bei Bestellvorgängen, sondern auch bei der Verarbeitung - etwa bei der Aufforderung an Hilfskräfte, die betreffenden Produkte aus dem Lager zu holen - mündlich benannt würden.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluss vom 29. Januar 2003 aufzuheben und die Löschung der Marke 399 11 449 für alle identischen und ähnlichen Waren und Dienstleistungen zu verfügen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den Beschluss der Markenstelle für zutreffend und trägt ferner vor: Die Widerspruchsmarke sei als Kombination zweier kennzeichnungsschwacher Wortbestandteile selbst kennzeichnungsschwach. Eine aufgrund intensiver Benutzung erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke werde bestritten. Die Marken seien nicht ähnlich, und auch zwischen den Waren und Dienstleistungen bestehe keine Ähnlichkeit. Es bestehe keine Verkehrsübung, dass die Hersteller von Bodenbelägen diese auch verlegten. Die Ähnlichkeit der Waren sei zu verneinen, weil die meisten der mit der jüngeren Marke beanspruchten Waren nicht - wie die der Widerspruchsmarke - aus oder unter Verwendung von Kunststoff oder Gummi hergestellt seien. Allenfalls im Bereich der Boden- und Fallschutzbeläge für Sportanlagen würden seitens der Markeninhaberin solche Materialien verwendet.

In der mündlichen Verhandlung haben beide Beteiligte ihr Vorbringen aufrecht erhalten und vertieft. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung hat die Markeninhaberin das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis beschränkt auf "Dachbeläge, Pflastersteine, Plattenbeläge, Randleisten, Schotter, Straßenbelagmaterialien; sämtliche zuvor genannten Waren nicht aus Metall; mineralische Bodenbeläge, insbesondere für Gartenanlagen, Spielanlagen; wasserdurchlässige mineralische Bodenbeläge, insbesondere für Fußwege, Radwege, Höfe, Hauszufahrten und Baumscheiben; Fallschutzbeläge für Spielanlagen; Kunstrasen; Dienstleistungen eines Gartenbauarchitekten und eines Landschaftsbauarchitekten; Gartenarbeiten, Gartenbauarbeiten und Landschaftsbauarbeiten, insbesondere für Freizeitanlagen, Parkanlagen, Wasseranlagen, Fahrflächen und Parkflächen; Wegebauarbeiten; Spielanlagenbauarbeiten und Sportanlagenbauarbeiten, insbesondere Gestaltung und Erstellen von Spielanlagen, Kinderspielplätzen und Sportanlagen; Verlegen von mineralischen Bodenbelägen."

In weiteren Schriftsätzen haben die Beteiligten ihre Rechtsansichten, insbesondere zu einer Ähnlichkeit der beanspruchten Waren, weiter ausgeführt.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Die Markenstelle hat den Widerspruch zu Recht wegen mangelnder Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 43 Abs. 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen.

Die Verwechslungsgefahr der Marken ist anhand der in Wechselbeziehung zueinander stehenden Faktoren des Grades der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der von ihnen erfassten Waren und Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zu beurteilen (EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd). Aufgrund der Wechselbeziehung kann bei einem hohen Grad der Ähnlichkeit der Marken und gesteigerter Kennzeichnungskraft der älteren Marke schon ein geringfügiger Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen für die Annahme einer Verwechslungsgefahr ausreichen und umgekehrt. Dabei ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen, dessen Aufmerksamkeit je nach der Art der betreffenden Waren unterschiedlich hoch sein kann (vgl. BGH GRUR 2000, 506 -ATTACHÉ/TISSERAND).

Der Senat geht zugunsten der Widersprechenden von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke "POLYTAN" aus. Auch wenn ihre Wortelemente beschreibende Anklänge aufweisen mögen (Polymere/Beläge aus Tartan) und in ihrer Kombination zudem die Assoziation an den zur Herstellung von Sportplatzbelägen geeigneten Kunststoff "Polyurethan" hervorrufen können, folgt daraus nicht ohne weiteres eine Kennzeichnungsschwäche der ein Phantasiewort bildenden Gesamtbezeichnung, auf die allein abzustellen ist. Allerdings liegen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine Erhöhung der Kennzeichnungskraft vor. Insbesondere ist der von der Widersprechenden zur Glaubhaftmachung der Benutzung der Marke "POLYTAN" eingereichten eidesstattlichen Versicherung ihres Geschäftsführers nicht zu entnehmen, dass sich die für 1994 bis 1999 angegebenen Umsätze in ... nur auf die eingetra- genen Waren beziehen und außerdem nur im Inland getätigt worden sind.

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der durch die Marken erfassten Waren und Dienstleistungen kann die nach Schluß der mündlichen Verhandlung vorgenommene Beschränkung des im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der angegriffenen Marke enthaltenen Warenbegriffs "Bodenbeläge" jeweils durch den Zusatz "mineralische" und Streichung der Angabe "für Sportanlagen" bei den Boden- und Fallschutzbelägen nicht berücksichtigt werden (vgl BPatGE 46, 9 - Waldschlösschen). Auszugehen ist vielmehr von den ursprünglich eingetragenen Waren "Bodenbeläge für Sportanlagen; Fallschutzbeläge für Sportanlagen", die im engsten Ähnlichkeitsbereich der Waren "Beschichtungs- und Versiegelungsmaterialien für Sportflächenbeläge" der Widerspruchsmarke liegen, wenn nicht sogar Warenidentität gegeben ist, denn Bodenbeläge für Sportanlagen bestehen nicht notwendigerweise aus fertigen Bahnen oder Platten, sondern können ebenso wie die Kunststoff-Beschichtungs- und Versiegelungsmaterialien der Widerspruchsmarke Granulate sein, die unter Zusatz von Bindemitteln unmittelbar vor Ort zu Belägen verarbeitet werden, so dass der von der Markeninhaberin hervorgehobene Gesichtspunkt der unterschiedlichen Fertigungsstufe der Waren (Vorprodukt/Fertigprodukt) kaum zutreffen dürfte.

Letztlich kann diese Frage aber dahingestellt bleiben, denn auch bei Annahme einer teilweisen Warenidentität und Anlegung eines in Wechselwirkung dazu gebotenen strengen Maßstabs an den erforderlichen Abstand der Marken hält der Senat die Unterschiede zwischen "Porutan" und "POLYTAN" noch für ausreichend, um die Gefahr von Verwechslungen auszuschließen. Das gilt erst recht für die übrigen Waren und die Dienstleistungen der angegriffenen Marke, soweit sie den Waren der Widerspruchsmarke überhaupt als ähnlich zu erachten sind.

Bei der Beurteilung des erforderlichen Abstands der Marken ist maßgeblich zu berücksichtigen, dass der Kreis der Abnehmer von Beschichtungsmaterialien für Sportplatzbeläge von Haus aus beschränkt ist. Neben Bauunternehmen, die sich auch mit dem Bau von Sportanlagen befassen und den Markt der Anbieter von Bodenbelägen für Sportplätze daher gut kennen, gehören zu den Abnehmern insbesondere Kommunen und Sportvereine, private Schulen und Universitäten udgl. Diese Verkehrskreise gehen bei der technischen und finanziellen Planung eines Sportplatzes sorgfältig vor, holen Vergleichsangebote ein, führen Beratungsgespräche und informieren sich anhand von Produktbeschreibungen über Beschaffenheit und Eigenschaften der Bodenbeläge. Angesichts der wirtschaftlichen Tragweite der Entscheidung, einen Sportplatzbelag anzuschaffen oder zu erneuern, begegnen die angesprochenen Verkehrskreise den Kennzeichnungen der Waren sowohl im Vorfeld der Auftragserteilung als auch bei der Bestellung selbst in der Regel mit erhöhter Aufmerksamkeit. Die Gefahr, dass sie Markenverwechslungen unterliegen, ist daher schon von Haus aus als eher gering anzusehen. Hinzu kommt, dass Bestellvorgänge in der Regel schriftlich abgewickelt werden und sich die mündliche Wiedergabe der Marken im wesentlichen auf Auskünfte, Anfragen, Empfehlungen oder Vorträge beschränkt, wobei auch insoweit hauptsächlich nur interessierte Abnehmerkreise und Fachleute beteiligt sind, die sich bei der Auswahl eines Sportplatzbelages im allgemeinen nicht auf ein flüchtiges akustisches Erinnerungsbild verlassen, das ihnen von einer früheren Begegnung mit den Marken verblieben ist.

Unter diesen Umständen ist nicht zu erwarten, dass es in einem noch relevanten Umfang zu Verwechslungen der Marken "Porutan" und "POLYTAN" in ihrer für die Beurteilung maßgeblichen Gesamtheit kommt. Bei der optischen Wahrnehmung treten die erheblichen Unterschiede der Buchstaben "ru/ly" bzw "RU/LY" sowohl bei Groß- als auch Kleinschreibung deutlich hervor. Sie verleihen den Markenwörtern aber auch einen jedenfalls bei normal sorgfältiger Sprechweise ausreichend verschiedenen Klangeindruck. Hinzu kommt, dass die Widerspruchsmarke mit dem in der Bedeutung "viel-" breitesten Verkehrskreisen geläufigen "POLY" beginnt, die jüngere Marke hingegen mit dem erkennbar an "porös" erinnernden "Poru". Dieser Bedeutungsunterschied wird den angesprochenen aufmerksamen und verständigen Abnehmerkreisen beim Lesen und vielfach auch beim Hören der Marken nicht entgehen und wirkt der Gefahr von Verwechslungen der Marken daher zusätzlich entgegen.

Der Ansicht der Widersprechenden, dass es bei der Verarbeitung der jeweiligen Belagmaterialien - etwa mündlichen Anweisungen an Bauarbeiter auf lärmerfüllten Baustellen - zu Verwechslungen kommen kann, vermag der Senat nicht zu folgen, weil Hilfskräfte auf der Baustelle in der Regel nicht zu den für die Bestellung der Waren verantwortlichen Entscheidungsträgern gehören und mithin nicht als das nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG angesprochene "Publikum" anzusehen sind, den die Marke im geschäftlichen Verkehr als Unterscheidungsmerkmal zwischen den Waren und Dienstleistungen verschiedener Unternehmer dient (§ 1 Abs. 1 MarkenG).

Die Beschwerde war nach alledem in vollem Umfang zurückzuweisen.

Wegen der Kosten des Beschwerdeverfahrens wird auf § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG verwiesen.

Dr. Schermer Schwarzvan Raden Na






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