Bundespatentgericht:
Beschluss vom 15. Juni 2005
Aktenzeichen: 32 W (pat) 255/03

(BPatG: Beschluss v. 15.06.2005, Az.: 32 W (pat) 255/03)

Tenor

I. Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. Juni 2002 sowie vom 27. Januar 2003 aufgehoben.

II. Die Marke 300 50 838 ist auf den Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 876 383 zu löschen.

Gründe

I Gegen die am 7. Juli 2000 angemeldete und seit 14. Dezember 2000 für

"sportliche Aktivitäten (Rennstall)"

eingetragene Wortmarke 300 50 838 Nitrolympicsist Widerspruch eingelegt aus der am 13. Juli 1998 angemeldeten und u.a. für

"Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten"

eingetragenen Gemeinschaftsmarke 876 838 siehe Abb. 1 am Ende Die Markenstelle für Klasse 41 hat den Widerspruch mit Beschluss vom 6. Juni 2002 und die dagegen eingelegte Erinnerung mit Beschluss vom 27. Januar 2003 zurückgewiesen. Dazu ist ausgeführt, zwar seien die Dienstleistungen der jüngeren Marke mit einem Teil der für die Widerspruchmarke registrierten identisch, die sich gegenüberstehenden Zeichen wichen aber bereits auf den ersten Blick deutlich voneinander ab. Auch wenn man nur die Wortbestandteile betrachte, weiche der Phantasiebegriff "Nitrolympics" von "OLYMPIC GAMES" deutlich ab. Der Verbraucher habe keine Veranlassung, sich bei der angegriffenen Marke nur an dem Markenteil "olympics" zu orientieren.

Eine durch umfangreiche Benutzung erworbene erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchmarke sei nicht belegt. Die Kennzeichnungskraft nur eines Markenteils könne von Amts wegen nicht berücksichtigt werden. Damit sei von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchmarke auszugehen.

Die Vergleichsmarken wiesen zwar einen ähnlichen Bestandteil auf, dieser trete aber in der angegriffenen Marke nicht eigenständig hervor, was von der Vorstellung wegführe, es handle sich um eine Serienmarke im Zusammenhang mit der Widerspruchmarke.

Das widersprechende Comite hat am 23. Juli 2003 Beschwerde eingelegt. Es ist der Auffassung, die Widerspruchsmarke habe einen hohen Bekanntheitsgrad. Ein Zeichen könne Verkehrsgeltung auch durch die Stärke eines seiner Bestandteile erhalten (vgl. OLG Hamburg GRUR 1997, 375 - CRUNCHIPS / RAN CHIPS). Dass der Bestandteil "OLYMPIC" bekannt sei und eine weit überdurchschnittliche Kennzeichnungskraft aufweise, habe das Harmonisierungsamt am 25. Januar 2000 (Nr. 81/2000, Anlage WF 2) bereits entschieden.

Die zu vergleichenden Marken stimmten in dem Wortbestandteil "olympic" überein, der beide Zeichen präge. In der Widerspruchsmarke sei der Wortbestandteil "GAMES" glatt beschreibend. Der Anfang der angegriffenen Marke "Nitro" weise auf eine bestimmte Art von Automobil-Rennen hin, bei denen als Kraftstoffzusatz Nitromethan zum Einsatz komme. Dieser Bestandteil könne daher bei Dienstleistungsidentität eine Zeichenähnlichkeit nicht ausschließen. Der eingebettete Bestandteil "olympics" nehme dagegen am Gesamteindruck der angegriffenen Marke wesentlich Teil.

Es bestehe auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr, da sich das angegriffene Zeichen an die Widerspruchmarke anlehne; es werde offenkundig ein Bezug zu den olympischen Spielen hergestellt.

Das Comite beantragt, die Beschlüsse des Deutschen Patent und Markenamts - Markenstelle für Klasse 41 - vom 6. Juni 2002 und 27. Januar 2003 unter Anordnung der Löschung der deutschen Marke 300 50 838.7 aufzuheben.

Demgegenüber hat sich der Inhaber der angegriffenen Marke nicht geäußert.

Er hat vor der Markenstelle vorgebracht, im Gesamteindruck bestehe keine Verwechslungsgefahr. Die berühmten olympischen Ringe prägten die Widerspruchmarke. Selbst wenn man auf das Wort "OLYMPIC" in der Widerspruchmarke abstellen wollte, bestehe keine Verwechslungsgefahr zu "Nitrolympics". Diese Bezeichnung stehe für etwas zeitgeistiges, hochmodernes, amerikanisches; dies komme auch durch das Weglassen des eigentlich notwendigen zweiten o zum Ausdruck.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten Bezug genommen.

II 1) Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg; es besteht nach Auffassung des Senats Verwechslungsgefahr.

Nach § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke älteren Zeitrangs und der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren bzw. Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht. Für deren Beurteilung sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, wobei eine Wechselwirkung zwischen den Faktoren Ähnlichkeit der Marken und der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, Kennzeichnungskraft der älteren Marke sowie Aufmerksamkeit des Publikums besteht. So kann ein höherer Grad an Ähnlichkeit der Waren oder eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke einen geringeren Grad an Ähnlichkeit der Marken ausgleichen und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2002, 626 - IMS; EuGH GRUR Int. 2000, 899, 901 (Nr. 40) - MARCA / ADIDAS).

a) Die Widerspruchsmarke ist überdurchschnittlich kennzeichnungskräftig. Eine gesteigerte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke für sportliche Veranstaltungen ist gerichtsbekannt. Dies bezieht sich sowohl auf den Wort- als auch auf den Bildbestandteil. In ihrer Kombination genießt die Widerspruchmarke daher ebenfalls einen überdurchschnittlichen Schutzumfang. Dies zeigt auch die Begründung des Gesetzgebers zum Erlass des OlympSchG, der von einer größtmöglichen Bekanntheit des olympischen Symbols und der olympischen Bezeichnungen ausgeht. Dies reicht vorliegend als Nachweis in Bezug auf die Dienstleistung sportliche Aktivitäten aus - auch im Hinblick auf das Comite International Olympique, weil vorliegend - anders als in der Entscheidung des Bundespatentgerichts vom 9. August 2004, Az: 30 W (pat) 160/02 - OLYMPIC VIEW / OLYMPIC GAMES zur Warenproduktion und zu Dienstleistungen auf einem anderen Sektor - ein Zusammenhang mit sportlichen Ereignissen gegeben ist.

b) Ausgehend von der Registerlage stehen den für die angegriffene Marke beanspruchten Dienstleistungen auf Seiten der Widerspruchmarke identische Dienstleistungen gegenüber.

c) Unter Berücksichtigung der dargelegten Umstände sind sehr strenge Anforderungen an den erforderlichen Markenabstand zu stellen. Damit reichen die Abweichungen nicht aus, um die Gefahr von Verwechslungen im Sinn von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG hinreichend sicher auszuschließen.

aa) Bildlich unterscheiden sich die Marken aufgrund der graphischen Gestaltung der angegriffenen Marke ausreichend.

Schriftbildlich unterscheiden sich auch die Wortbestandteile der Marken durch die unterschiedliche Länge und die Zusätze einmal am Anfang und einmal ein Ende, denen in der jeweils anderen Marke nichts vergleichbares gegenübersteht.

Auch klanglich unterscheiden sich die Marken dadurch ausreichend.

bb) Die Marken enthalten aber die vergleichbaren Bestandteile "olympics" und "OLYMPIC" und die Widerspruchsmarke enthält die ebenfalls auf die Olympischen Spiele hinweisende Graphik der olympischen Ringe. Alle diese Bestandteile deuten auf einen bekannten sportlichen Wettkampf hin und schaffen so eine gedankliche Verbindung.

Zwar stellt das Adjektiv "olympic" nicht in jedem Fall einen Bezug zu den Olympischen Spielen her, sondern kann auch als höchste Qualität bezeichnend oder den Olymp = Sitz der Götter betreffend zu verstehen sein (vgl. BPatG aaO. - OLYMPIC VIEW / OLYMPIC GAMES).

Die Zusammensetzung "Nitrolympics" weist aber mit dem Bestandteil "Nitro" auf sportliche Aktivitäten hin, so dass hier der sportliche Wettkampf im Vordergrund steht.

Damit ist eine Verwechslungsgefahr gegeben, weil das Publikum zwar nicht der Gefahr unmittelbarer Verwechslungen erliegt, aber durch gedankliche Verbindung die angegriffene Marke auf Grund der Übereinstimmung in einem wesensgleichen Bestandteil dem Inhaber der Widerspruchsmarke zuordnet und selbst bei Erkennen der gegebenen Unterschiede der Zeichen deswegen wirtschaftliche oder organisatorische Zusammenhänge zwischen den Markeninhabern annimmt (vgl. BGH GRUR 1991, 317, 319 - MEDICE, m.w.N.; GRUR 1997, 311, 313 - YELLOW PHONE; GRUR 2000, 608 - ARD1; EuGH GRUR 1994, 286, 287 - QUATTRO/QUADRA).

2) Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeit besteht kein Anlass (§ 71 Abs. 1 MarkenG).

Dr. Albrecht Kruppa Merzbach Hu Abb. 1 Vergrößern






BPatG:
Beschluss v. 15.06.2005
Az: 32 W (pat) 255/03


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