Oberlandesgericht Hamburg:
Beschluss vom 16. Juni 2016
Aktenzeichen: 5 W 36/16

(OLG Hamburg: Beschluss v. 16.06.2016, Az.: 5 W 36/16)

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 27 vom 19.4.2016 (327 O 160/16), abgeändert.

Im Wege der einstweiligen Verfügung - der Dringlichkeit wegen ohne mündliche Verhandlung - wird der Antragsgegnerin bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren, verboten,

bloße Produktschlüssel für Microsoft-Computerprogramme zu vertreiben und/oder anzubieten, ohne den Verbraucher darüber zu informieren, wie seine Rechte zur bestimmungsgemäßen Nutzung des Programms ausgestaltet sind und wenn dies geschieht wie im streitgegenständlichen Angebot in der Anlage zum vorliegenden Beschluss wiedergegeben.

2. Der weitergehende Antrag der Antragstellern aus dem Schriftsatz vom 30.5.2016 (dort Ziffer 1.) sowie der Hilfsantrag werden zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Verfahrens haben die Antragstellern und die Antragsgegnerin jeweils die Hälfte zu tragen.

4. Der Streitwert wird auf 150.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin wegen eines ihrer Auffassung nach wettbewerbswidrigen Angebots von Produktschlüsseln für Microsoft-Computerprogramme in Anspruch. Beide Parteien vertreiben gebrauchte Software im Internet. Die Antragstellerin bot ausweislich des in der Anlage ASt3 wiedergegebenen Angebots auf der Plattform rakuten.de zu einem Preis von 9,99 € folgendes Produkt an:

€Windows 7 Home Premium 32/64 Bit inkl. kostenloses Upgrade -> Windows 10 Home (ESD-Lizenz)€.

Auf der Grundlage dieses Angebots erwarb ein Testkäufer am 2.2.2016 bei der Antragsgegnerin das angebotene Produkt. Dem Testkäufer wurde am 27.2.2016 per elektronischer E-Mail ein sog. Produktschlüssel übermittelt.

Die Antragstellerin mahnte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 3.3.2016 (Anlage ASt4) ab. Die Antragsgegnerin gab keine Unterlassungserklärung ab (vgl. E-Mail vom 5.3.2016 in der Anlage ASt5).

Die Antragstellerin hat daraufhin am 31.3.2016 den Erlass einer einstweiligen Verfügung dahingehend beantragt,

der Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, bloße Lizenzkeys als Lizenzen für Microsoft-Computerprogramme zu vertreiben und/oder anzubieten, wenn dies geschieht wie in Anlage ASt3 wiedergegeben,

a) ohne den Verbraucher darüber zu informieren, wie die Rechte zur bestimmungsgemäßen Benutzung des Programms entsprechend der Entscheidung des BGH (GRUR 2015, 272, 278 Rn. 64 - UsedSoft III) ausgestaltet sind;

b) ohne dem Verbraucher gegenüber anzugeben, dass zu keinem Zeitpunkt mehr Programmkopien existierten und existieren als nach dem Lizenzvertrag dem Lizenzinhaber erlaubt sind;

c) ohne den Verbraucher darauf hinzuweisen, dass dem Verbraucher nach Erwerb die Vorerwerber der Programmkopien mitgeteilt und entsprechende Nachweise zur Verfügung gestellt werden.

Zur Begründung hat die Antragstellerin vorgetragen, das Verkaufsangebot der Antragsgegnerin sei irreführend gemäß §§ 3, 5a UWG, da es keinerlei Information dahingehend enthalte, ob es sich bei dem Key um einen gebrauchten oder einen neuen handele. Der Verbraucher könne ohne weiteres den Eindruck gewinnen, eine gültige Lizenz zu erwerben, zumal die Antragsgegnerin das Produkt als €ESD-Lizenz" anbiete, wobei ESD für Electronic Software Distribution stehe. Dabei sei dem Verbraucher die Rechtekette mitzuteilen, was hier nicht geschehen sei. Der Verkauf eines solchen Lizenzkeys ohne die entsprechenden Informationen stelle eine grobe Irreführung durch Unterlassen der Mitteilung von wichtigen Verkaufsinformationen dar.

Das Landgericht hat mit Verfügung vom 5.4.2016 (Bl. 23 d.A.) darauf hingewiesen, dass der Verfügungsantrag nicht hinreichend bestimmt und damit unzulässig sein dürfte.

Die Antragstellerin hat ihren Antrag mit Schriftsatz vom 11.4.2016 (Bl. 26 ff.) neu gefasst und beantragt,

der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen, bloße Lizenzkeys als Lizenzen für Microsoft-Computerprogramme zu vertreiben und/oder anzubieten, wenn dies geschieht wie nachstehend wiedergegeben:

[es folgt eine Bezugnahme auf das streitgegenständliche Verkaufsangebot]

a) ohne den angesprochenen Käuferkreis (sowohl Endverbraucher wie auch Wiederverkäufer) deutlich und unmissverständlich darüber aufzuklären, ob es sich bei dem verkauften Produkt um einen neuen oder einen gebrauchten Produktkey handelt;

b) für den Fall, dass ein neuer Produktkey angeboten und/oder verkauft wird, dem Käufer spätestens bei Übersendung der Kaufunterlagen und des Keys den Nachweis zu erbringen, dass dieser €neue" Produktkey vom Veräußerer direkt vom Rechteinhaber Microsoft und/oder mit dessen Zustimmung erworben wurde,

c) den Käufer deutlich und unmissverständlich darauf hinzuweisen, dass der Erwerb eines Produktkeys durch Übermittlung einer Zahlen-/Buchstabenkombination in digitaler Form noch keine Lizenz zur rechtmäßigen Benutzung des Computerprogramms darstellt,

d) für den Fall, dass ein gebrauchter Produktkey angeboten und/oder verkauft wird, dem Käufer spätestens beim Erwerb des Produktes/Übersendung der Kaufunterlagen den Nachweis zu erbringen, dass

aa) die Software ursprünglich mit Zustimmung des Rechteinhabers im Gebiet der EU oder einem anderen Vertragsstaat der EWR im Wege der Veräußerung in den Verkehr gebracht wurde (entweder auf einem körperlichen Datenträger oder per Download);

bb) die ursprüngliche Lizenz für die Software als Gegenleistung für die Zahlung eines Entgeltes erteilt worden ist, welches es dem Rechteinhaber ermöglichen soll, eine Vergütung zu erzielen, die dem wirtschaftlichen Wert der Kopie der Software entspricht, wobei ausreichend ist, dass der Rechteinhaber die Möglichkeit hatte, eine solche angemessene Lizenzgebühr zu erzielen;

cc) der Rechteinhaber dem Ersterwerber das Recht eingeräumt hat, die Software dauerhaft (unbefristet) zu nutzen und nicht lediglich eine Vermietung oder zeitliche Befristung des Nutzungsrechts erfolgte;

dd) Verbesserungen und Aktualisierungen, die das vom Nacherwerber heruntergeladene Computerprogramm gegenüber dem vom Ersterwerber heruntergeladenen Computerprogramm aufweist, von einem zwischen dem Urheber/Rechteinhaber und dem Ersterwerber abgeschlossenen Wartungsvertrag gedeckt sind;

ee) der ursprüngliche Lizenznehmer seine Kopien unbrauchbar gemacht hat.

Das Landgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 19.4.2016 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es fehle an einem hinreichend bestimmten, vollstreckungsfähigen Antrag. Soweit die Antragstellerin die Tenorierung von Hinweispflichten der Antragsgegnerin verlange, fehle es ferner an der Darlegung entsprechender Verletzungsfälle durch die Antragstellerin. Diese habe weder dargelegt noch glaubhaft gemacht, welcher Art - gebrauchter oder nicht gebrauchter Produktkey - das Angebot der Antragsgegnerin sei. Zudem sei von der Antragstellerin nicht dargelegt, ob es sich um unechte - gefälschte - Lizenzen handele und ob die Kaufinteressenten kein legales Nutzungsrecht erlangen könnten.

Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde vom 4.5.2016. Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 9.5.2016 nicht abgeholfen und sie dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Der Antragstellerin ist mit Verfügung vom 18.5.2016 eine Frist zur Begründung der sofortigen Beschwerde bis zum 31.5.2016 gesetzt worden. Mit Schriftsatz vom 30.5.2016 begründet die Antragstellerin die sofortige Beschwerde und beantragt,

unter Abänderung des Beschlusses des Landgerichts Hamburg vom 19.4.2016 die begehrte einstweilige Verfügung zu erlassen und zwar mit der Maßgabe, dass der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verboten wird,

1. bloße Produktschlüssel für Microsoft Computerprogramme zu vertreiben und/oder anzubieten, wenn der Verbraucher tatsächlich kein gesetzliches Recht zur bestimmungsgemäßen Nutzung und zum Download des Computerprogramms erhält und wenn dies geschieht, wie in dem streitgegenständlichen Angebot wiedergegeben;

2. bloße Produktschlüssel für Microsoft Computerprogramme zu vertreiben und/oder anzubieten, ohne den Verbraucher darüber zu informieren, wie seine Rechte zur bestimmungsgemäßen Nutzung des Programms ausgestaltet sind und wenn dies geschieht wie im Antrag zu 1 wiedergegeben,

und stellt hilfsweise

den Antrag aus dem Schriftsatz vom 11.4.2016.

Zu den Produktkeys trägt die Antragstellerin im Schriftsatz vom 30.5.2016 unter Vorlage der Anlage ASt1 vor, dass die Firma ... mit Schreiben vom 8.4.2016 erklärt habe, dass es sich bei dem Produkt-Key um einen Key handele, der im Februar 2014 an einen Partner in Hongkong ausgeliefert und der bereits 5 Mal für die Aktivierung verwendet worden sei. Die Antragstellerin vertritt die Ansicht, dass das nahe lege, dass der Key im Wege des Missbrauchs in den Verkehr gebracht worden und so auch an die Antragsgegnerin gelangt sei. Die Antragstellerin vertritt weiter die Ansicht, daraus folge, dass damit keine Erschöpfung eingetreten sei, mit der Folge, dass der Erwerber eine gesetzliche Lizenz nicht habe erhalten können. Das Landgericht habe auch verkannt, dass die Antragsgegnerin nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen der Erschöpfung trage. Die Antragsgegnerin habe jedoch nicht erläutert, woher sie den Produktkey habe. Der Verbraucher gehe davon aus, dass er eine gültige Lizenz erwerbe und werde durch die Antragsgegnerin in dieser Erwartungshaltung massiv getäuscht. Für den Verkäufer eines solchen Produktkeys ergäben sich - wie das Landgericht Frankfurt in Parallelfällen richtig bejaht habe - lauterkeitsrechtliche Informationspflichten gegenüber Kaufinteressenten.

Zudem sei das Angebot der Antragsgegnerin auch deshalb irreführend, weil es direkt oben links blickfangartig herausgestellt die Abbildung einer Microsoft-Box enthalte, so wie sie von Microsoft original verkauft werde, so dass jeder Verbraucher auch die Erwartung haben dürfte, eine solche Box zu bekommen, während er lediglich eine E-Mail mit einem Buchstaben/Zahlencode erhalte, mit der er dann das Programm aktivieren (nicht jedoch nutzen) könne. Auch hierauf hätte das Landgericht eingehen und die beantragte einstweilige Verfügung erlassen müssen.

II.

Die gemäß 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.

1. Der Antrag zu Ziffer 2. aus dem Schriftsatz vom 30.5.2016 ist zulässig und begründet.

a) Hinsichtlich der Bestimmtheit des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs hat der Senat keine Bedenken. Die Antragsfassung, die auf die Untersagung des Angebots und Vertriebs bloßer Produktschlüssel für Microsoft-Computerprogramme abstellt, wenn der Verbraucher nicht darüber informiert wird, wie seine Rechte zur bestimmungsgemäßen Nutzung des Programms ausgestaltet sind, ist hinreichend bestimmt und beschreibt in Verbindung mit dem in Bezug genommenen konkreten Verkaufsangebot den Kern der geltend gemachten Verletzungshandlung hinreichend.

b) Die Antragstellerin kann von der Antragsgegnerin gemäß §§ 3, 5, 5a Abs. 2 S. 1,8 UWG n.F. Unterlassung verlangen.

aa) Der Antragstellerin steht ein entsprechender Verfügungsanspruch gegen die Antragsgegnerin zu. Das Angebot der Antragsgegnerin zur Übersendung eines bloßen Produktschlüssels, ohne dass der Verbraucher darüber informiert wird, wie seine Rechte zur bestimmungsgemäßen Nutzung ausgestaltet sind, ist unlauter. Die Antragsgegnerin enthält dem Verbraucher im streitgegenständlichen Angebot eine wesentliche Information vor, die dieser benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und handelt dadurch wettbewerbswidrig.

Die Information, wie seine Rechte zur bestimmungsgemäßen Benutzung des Programms ausgestaltet sind, ist eine wesentliche Information i.S.d. § 5 a Abs. 3 Nr. 1, Abs. 2 UWG.

Der Verbraucher benötigt eine Information im Sinne von § 5 a Abs. 2 S. 1 Nr. 1 UWG, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, wenn die Information einerseits für die geschäftliche Entscheidung des Verbrauchers erhebliches Gewicht hat, ihre Mitteilung andererseits unter Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen vom Unternehmer erwartet werden kann. Eine Information, die ein wesentliches Merkmal der Ware beinhaltet, gilt im Sinne von § 5a Abs. 3 UWG als wesentlich. Wesentliche Produktmerkmale sind dabei insbesondere solche, die einen Bezug zur Qualität und Brauchbarkeit des angebotenen Produkts haben. Der angesprochene Verbraucher benötigt insbesondere eine Information darüber, wie sein Recht zur bestimmungsgemäßen Nutzung ausgestaltet ist und wie das Rechtsverhältnis zwischen dem Rechtsinhaber und dem Ersterwerber aussieht. Insoweit benötigt der Verbraucher insbesondere Informationen darüber, in welcher Art die Lizenz ursprünglich eingeräumt wurde und ob bereits dem Ersterwerber eine verkörperte Kopie bereit gestellt wurde. Das durch das Angebot der Antragsgegnerin versprochene Recht zum Download und zur bestimmungsgemäßen Nutzung des angebotenen Computerprogramms besteht nur an einem erschöpften Vervielfältigungsstück im Sinne des § 69c Nr. 3 S. 2 UrhG.

Gemäß § 69c Nr. 3 S. 1 UrhG hat der Rechtsinhaber das ausschließliche Recht zur Verbreitung, einschließlich der Vermietung, des Originals oder von Vervielfältigungsstücken eines Computerprogramms. Wird ein Vervielfältigungsstück eines Computerprogramms mit Zustimmung des Rechtsinhabers im Gebiet der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum im Wege der Veräußerung in Verkehr gebracht, so erschöpft sich gemäß § 69c Nr. 3 S. 2 UrhG das Verbreitungsrechts in Bezug auf dieses mit Ausnahme des Vermietrechts (BGH Urteil vom 11.12.2014, I ZR 8/13, GRUR 2015, 772 (775) Rn. 23 f. - UsedSoft III).

Die Vorschrift des § 69c Nr. 3 S. 2 UrhG dient der Umsetzung von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2009/24/EG über den Rechtsschutz von Computerprogrammen und ist daher richtlinienkonform auszulegen. Nach Art. 4 Abs. 2 der genannten Richtlinie erschöpft sich mit dem Erstverkauf einer Programmkopie in der Union durch den Rechteinhaber oder mit seiner Zustimmung das Recht auf die Verbreitung dieser Kopie.

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist die genannte Vorschrift dahin auszulegen, dass das Recht auf die Verbreitung der Kopie eines Computerprogramms erschöpft ist, wenn der Inhaber des Urheberrechts, der dem möglicherweise auch gebührenfreien Herunterladen dieser Kopie aus dem Internet auf einen Datenträger zugestimmt hat, gegen Zahlung eines Entgelts, das es ihm ermöglichen soll, eine dem wirtschaftlichen Wert der Kopie des ihm gehörenden Werkes entsprechende Vergütung zu erzielen, auch ein Recht, diese Kopie ohne zeitliche Beschränkung zu nutzen, eingeräumt hat (EuGH, Urteil vom 3.7.2012 - C-128/11, GRUR 2012, 904 Rn. 72 - UsedSoft/Oracle; BGH 11.12.2014 - I ZR 8/13, GRUR2015, 772 (775) Rn. 27 - UsedSoft III). Der Nacherwerber einer Kopie des Computerprogramms kann sich allerdings nur dann mit Erfolg auf die Erschöpfung des Verbreitungsrechts an dieser Kopie berufen, wenn der Ersterwerber seine eigene Kopie unbrauchbar gemacht hat (EuGH a.a.O. Rn. 69 bis 71 - UsedSoft/Oracle). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union kommt es im Lichte des Gleichbehandlungsgrundsatzes für die Erschöpfung des Verbreitungsrechts nicht darauf an, ob ein Computerprogramm durch Aushändigen eines materiellen Datenträgers oder durch Herunterladen aus dem Internet veräußert wird. Beide Arten der Veräußerung eines Computerprogramms sind wirtschaftlich gesehen vergleichbar; das Herunterladen aus dem Internet entspricht funktionell der Aushändigung eines Datenträgers, so dass die Erschöpfung des Verbreitungsrechts unabhängig davon eintritt, ob der Verkauf eine körperliche oder eine nichtkörperliche Kopie des Programms betrifft (EuGH a.a.O Rn. 61 - UsedSoft/Oracle). Für die Erschöpfung des Verbreitungsrechts ist es ferner unerheblich, ob dem Ersterwerber die Kopie des Programms auf einem Datenträger ausgehändigt wurde oder ob er die Kopie des Programms selbst anfertigt. Bei der nach der Rechtsprechung des EuGH gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise kommt es ferner nicht darauf an, ob der Ersterwerber die Kopie durch Herunterladen aus dem Internet oder auf andere Weise anfertigt (BGH a.a.O. Rn. 33 - UsedSoft III; BGH Urteil vom 19.3.2015 - I ZR 4/14, GRUR 2015, 1108 (1111) Rn. 39 - Green-IT). Dabei erstreckt sich die Erschöpfung auf das Recht zum Weiterverbreiten einer Kopie des Computerprogramms durch Bekanntgabe des dem Programm zugeordneten Produktschlüssels (BGH a.a.O. Rn. 39 - Green-IT). Eine Programmkopie, bezüglich der sich das Verbreitungsrecht erschöpft hat, kann dementsprechend auch in der Weise weiterveräußert werden, dass der Nacherwerber die ihm vom Weiterveräußerer verkaufte Kopie des Computerprogramms auf seinen Computer herunterlädt (vgl. BGH a.a.O. - Green-IT).

Eine Erschöpfung des Verbreitungsrechts ist allerdings nur dann anzunehmen, wenn der Weiterverkäufer keine Kopie des Computerprogramms zurückbehält, d.h. er dem Erwerber des Vervielfältigungsstücks vorhandene Kopien aushändigt oder diese unbrauchbar macht (BGH a.a.O. Rn. 43 f. - UsedSoft III). Auch wenn der Ersterwerber eine Lizenz erworben hat, die die Nutzung der auf einem Server installierten Kopie des Computerprogramms durch mehrere Nutzer gestattet, kann sich der Nacherwerber der Kopie dieses Programms nur dann mit Erfolg auf die Erschöpfung des Verbreitungsrechts an dieser Kopie berufen, wenn der Ersterwerber diese Kopie unbrauchbar gemacht hat. Hat der Ersterwerber demgegenüber eine Lizenz erworben, die die Nutzung mehrerer eigenständiger Kopien des Computerprogramms erlaubt (sog. Volumen-Lizenz), ist er dazu berechtigt, das Recht zur Nutzung des betreffenden Programms für eine vom ihm bestimmte Zahl von Nutzern weiterzuverkaufen und für die verbleibende Zahl von Nutzern weiter zu nutzen, da es sich bei den einzelnen Lizenzen um jeweils selbständige Nutzungsrechte handelt, die eigenständig übertragen werden können. In einem solchen Fall kann sich der Nacherwerber von Kopien dieses Computerprogramms daher bereits dann auf die Erschöpfung des Verbreitungsrechts an diesen Kopien berufen, wenn der Erwerber eine entsprechende Anzahl von Kopien unbrauchbar gemacht hat. Wenn die Veräußerung an den Ersterwerber oder Zwischenerwerber dadurch erfolgt, dass sich der Erwerber die Kopie durch Herunterladen selbst verschaffen soll, kommt es für die Erschöpfung durch Weiterverkauf darauf an, ob der Erst- oder Zwischenerwerber die Software selbst installiert oder diese ohne vorherige eigene Installation (z.B. durch Übersenden von Seriennummern) an den weiteren Erwerber direkt weitergeleitet hat. Lediglich im erstgenannten Fall setzt die Erschöpfung eine Weitergabe oder Unbrauchbarmachung der installierten Kopie an den weiteren Erwerber voraus (vgl. BGH a.a.O. - UsedSoft III).

Der Bundesgerichtshof führt in der Entscheidung UsedSoft III weiter aus, dass die ernstliche Gefahr einer Verletzung des Vervielfältigungsrechts des Rechtsinhabers an einem Computerprogramm bestehe, wenn der Nacherwerber nicht hinreichend darüber informiert werde, wie die Rechte zur bestimmungsgemäßen Benutzung des Programms ausgestaltet seien (vgl. BGH a.a.O. Rn. 64 - UsedSoft III ; BGH, GRUR 2014, 264 Rn. 68 - UsedSoft II).

Gerade bei Werbebehauptungen fehlt dem außerhalb des Geschehensablaufs stehenden Verbraucher oft eine genaue Kenntnis der entscheidenden Tatumstände, so dass es ihm nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten möglich ist, den Sachverhalt von sich aus aufzuklären, während der Anbietende über diese Kenntnisse verfügt und die notwendige Aufklärung ohne Weiteres leisten kann (BGH, Urteil vom 19.2.2014 - I ZR 230/12, GRUR 2014, 578 (579) Rn. 14 - Umweltengel für Tragetasche).

Dass diese Voraussetzungen im streitgegenständlichen Angebot der Antragsgegnerin erfüllt sind, ist aus der Anlage Ast3 nicht ersichtlich. Der Verbraucher, der sich für das Angebot interessiert, kann nicht nachvollziehen, wie sich die Lieferkette und die Berechtigung hinsichtlich der angebotenen Software darstellen. Er kann auch nicht darlegen, ob und an wen der Produktschlüssel, der entsprechend dem Angebot übermittelt werden soll, von Microsoft ausgegeben wurde und ob insoweit eine Erschöpfung des Verbreitungsrechts i.S.d. § 69c Nr. 3 UrhG nach der oben dargestellten Rechtsprechung eingetreten ist. Des Weiteren kann der Verbraucher nicht beurteilen, in welcher Weise dem Erst- oder möglichen Zwischenerwerber eine oder mehrere Programmkopie(n) zur Verfügung gestellt worden sein könnten und ob, falls vorhanden, solche Programmkopie(n) vom Erst- oder Zwischenerwerber vernichtet bzw. dem jeweiligen Folgeerwerber ausgehändigt worden sein könnten. Es handelt sich bei den genannten Voraussetzungen der Erschöpfung des Verbreitungsrechts um Umstände, die dem Betrieb oder dem Verantwortungsbereich des Anbietenden zuzuordnen sind. Dieser hat Kenntnis davon, von wem er selbst das Vervielfältigungsstück erworben hat und er wird bereits im eigenen Interesse, nämlich für den Fall einer eigenen Inanspruchnahme durch Microsoft, die weiteren Daten über den Erst- bzw. Zwischenerwerber des angebotenen Vervielfältigungsstücks besitzen und sich entsprechende Nachweise verschafft haben (vgl. LG Frankfurt, Zivilkammer 6, Urteil vom 20.4.2016, S. 24 (Anlage ASt3)). Der Anbietende weiß auch, dass ihn im Falle der Inanspruchnahme durch den Rechtsinhaber Microsoft dann, wenn er sich auf die Erschöpfung des Verbreitungsrechts und auf das Recht zur bestimmungsgemäßen Nutzung nach § 69d UrhG beruft, die Darlegungs- und Beweislast für deren Voraussetzungen trifft (vgl. BGH a.a.O. Rn. 46 - UsedSoft III sowie BGH a.a.O. Rn. 49 - Green-IT). Dies bedeutet, dass der Anbietende in der Lage ist, die entsprechenden Informationen zur Rechtekette und zu den Voraussetzungen der Erschöpfung des Verbreitungsrechts zu erteilen. Demgegenüber benötigt der Verbraucher insbesondere Informationen darüber, in welcher Art die Lizenz ursprünglich eingeräumt wurde und ob bereits dem Ersterwerber eine verkörperte Kopie bereit gestellt wurde oder nicht, um einschätzen zu können, ob er ein wirksames Nutzungsrecht an der Software erhalten kann.

Das angegriffene Angebot der Antragsgegnerin verspricht, dass dem Verbraucher ein Recht an der Software eingeräumt werden kann, so dass es sich bei den genannten Informationen auch um wesentliche Merkmale der Ware i.S.d. § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG handelt und damit um solche Informationen, die der Verbraucher benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung treffen zu können.

Diese Informationen enthält das streitgegenständliche Angebot aber nicht, da es dem Verbraucher lediglich mitteilt, er erhalte eine sog. ESD-Lizenz, ohne zu erklären, worum es sich dabei handelt. Im Kleingedruckten finden sich nur noch allgemeine Informationen zu OEM-Versionen und zu Lizenzbestimmungen erfolgt lediglich ein allgemeiner Verweis auf Rechtsprechung. Demgegenüber befindet sich im streitgegenständlichen Angebot keinerlei Information darüber, ob der Produktkey, der überlassen werden soll, dem Ersterwerber ursprünglich vom Rechtsinhaber im Rahmen einer Volumenlizenz verschafft worden ist, oder ob der Ersterwerber keine körperliche Kopie, sondern den Produktschlüssel erhalten hat. Auch weitere Angaben, wie z.B. über die Anzahl der Kopien, deren Erstellung dem Ersterwerber gestattet wurde, fehlen vorliegend.

Weitere notwendige Informationen betreffen das Recht zur bestimmungsgemäßen Nutzung darüber, in welchem Umfang der Verbraucher zur Nutzung von Aktualisierungen und Updates des Computerprogramms berechtigt ist (vgl. LG Frankfurt, Zivilkammer 6, Urteil vom 20.4.2016, S. 30). Der neue Erwerber ist als rechtmäßiger Erwerber dann berechtigt, die Kopien des verbesserten und aktualisierten Computerprogramms von der Internetseite des Rechteinhabers herunterzuladen, wenn die Voraussetzung erfüllt ist, dass diese Verbesserungen und Aktualisierungen des Programms von einem zwischen dem Rechtsinhaber und dem Ersterwerber abgeschlossenen Wartungsvertrag gedeckt sind (vgl. BGH Urteil vom 17.7.2013 - I ZR 129/08 Rn. 62 - UsedSoft II unter Hinweis auf EuGH, Urteil vom 3.7.2012, C - 128/11 Rn. 64 bis 68 - UsedSoft/Oracle sowie BGH a.a.O. Rn. 40 - Green-IT). Nur dann kann der Erwerber nämlich feststellen, ob er auch berechtigt ist, dass Computerprogramm in seiner aktualisierten Fassung herunterzuladen oder entsprechende Updates in Anspruch zu nehmen.

Auch diese Informationen, die die Möglichkeit des Verbrauchers betreffen, ein gegenüber dem Rechtsinhaber Microsoft bestehendes gesetzliches Recht zur bestimmungsgemäßen Nutzung von Aktualisierungen und Updates zu erhalten, stellen wesentliche Merkmale der Ware i.S.d. § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG dar. Im Angebot in der Anlage ASt 3 befinden sich keine Informationen zu den genannten Voraussetzungen hinsichtlich Aktualisierung und Updates, insbesondere fehlen Angaben dazu, welche Updates und Aktualisierungen nach dem ursprünglichen Vertrag zwischen dem Rechtsinhaber und dem Ersterwerber gestattet waren.

Angebot und Vertrieb des Programmschlüssels erfolgten damit wettbewerbswidrig. Diese Verletzungshandlung begründet eine Wiederholungsgefahr, die vorliegend nicht ausgeräumt wurde.

bb) Hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs besteht auch ein Verfügungsgrund. Die gemäß § 12 Abs. 2 UWG zu vermutende Dringlichkeit ist vorliegend nicht widerlegt. Das Angebot wurde Anfang Februar 2016 von der Antragstellerin wahrgenommen, die Übersendung des Produktschlüssels erfolgte am 27.2.2016. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wurde am 31.3.2016 gestellt.

Kein Verfügungsgrund ist demgegenüber gegeben, soweit sich die Antragstellerin erstmals in der Beschwerdeschrift vom 30.5.2016 darauf beruft, das streitgegenständliche Angebot sei auch deshalb irreführend, weil der Verbraucher aufgrund der blickfangartig dargestellten Abbildung einer Microsoft-Box auch erwarte, dass er eine solche Box erhalten würde, während er in Wirklichkeit nur eine E-Mail mit dem Produktschlüssel erhalte. Insoweit hat die Antragstellerin durch die über mehrere Monate unterbliebene Beanstandung die Dringlichkeitsvermutung selbst widerlegt.

2. Demgegenüber ist der mit Schriftsatz vom 30.5.2016 gestellte Antrag zu Ziffer 1. unbegründet, denn insoweit fehlt es an einem glaubhaft gemachten Verfügungsanspruch.

Die Antragstellerin hat vorliegend nicht glaubhaft gemacht, dass der Testkäufer kein gesetzliches Recht zur bestimmungsgemäßen Nutzung erhalten hat.

Weder folgt dies aus dem Schreiben der ... vom 8.4.2016, das die Antragstellerin nunmehr vorlegt. Zwar teilt darin ein Manager des €Microsoft PID Service" mit, dass für den übermittelten Produktkey für das Programm €Microsoft Windows 7 Home Premium" eine Auslieferung aufgedruckt auf einem Echtheitszertifikat (COA) am 7.2.2014 an eine Firma in Hongkong erfolgt sei, die erste Aktivierung am 9.4.2014 erfolgt sei und der Produktkey insgesamt 5 Mal für die Aktivierung verwendet worden sei. Unabhängig davon, was aus dieser Mitteilung im Einzelnen folgt, fehlt es vorliegend jedenfalls an einer Glaubhaftmachung, denn die Antragstellerin hat keine eidesstattliche Versicherung des Auskunfterteilenden vorgelegt. Hinzukommt, dass auch danach nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststeht, dass der Testkäufer tatsächlich einen Produktkey erhalten hat, welcher ihm kein gesetzliches Recht zur bestimmungsgemäßen Nutzung und zum Download des Programms ermöglicht hätte. Aus der eidesstattlichen Versicherung des Testkäufers ergibt sich dazu nichts, d.h. es fehlt also auch insoweit an einer entsprechenden Glaubhaftmachung.

3. Der von der Antragstellerin mit Schriftsatz vom 30.5.2016 gestellte Hilfsantrag (Antrag aus dem Schriftsatz vom 11.4.2016) hat in der Sache ebenfalls keinen Erfolg. Die Antragstellerin teilt schon nicht mit, für welchen Fall genau sie den Hilfsantrag stellt. Jedenfalls ist wegen des Erfolges des Antrags zu Ziffer 2. inhaltlich kein Raum mehr für diesen Hilfsantrag, d.h. der Antragstellerin fehlt insoweit das Rechtsschutzinteresse.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des Streitwertes folgt aus § 3 ZPO. Der unzulässige Hilfsantrag hat nach Ansicht des Senats gegenüber dem Antrag zu Ziffer 2. Kein eigenes Gewicht und wirkt sich deshalb streitwertmäßig nicht aus.






OLG Hamburg:
Beschluss v. 16.06.2016
Az: 5 W 36/16


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