Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Oktober 2003
Aktenzeichen: 33 W (pat) 179/03

(BPatG: Beschluss v. 21.10.2003, Az.: 33 W (pat) 179/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 vom 3. Juni 2003 aufgehoben.

Gründe

I Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 18. Dezember 2002 die Wortmarkedebitfür verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 5, 35, 36, 37, 49, 43 und 44 zur Eintragung in das Register angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 44 hat die Anmeldung durch Zwischenbescheid vom 26. Februar 2003 teilweise, nämlich bezüglich der Dienstleistungen "Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten und Finanzwesen" beanstandet. Daraufhin hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 12. März 2003 bezüglich der beanstandeten Dienstleistungen die Teilung der Anmeldung erklärt und mit Schriftsatz vom 27. März 2003 sachlich zu der Beanstandung Stellung genommen.

Die Markenstelle für Klasse 35 hat die Anmeldung bezüglich der beanstandeten Dienstleistungen durch Beschluss vom 3. Juni 2003 unter Bezugnahme auf den Beanstandungsbescheid gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG zurückgewiesen und ausgeführt, dass die Anmelderin den Gründen des Beanstandungsbescheides nicht widersprochen habe. Im Beanstandungsbescheid war ausgeführt worden, dass die angesprochenen Verkehrskreise der Wortmarke "debit" mit dem fachterminologischen Aussagegehalt "Schuldposten" eine Bestimmungsangabe hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Dienstleistungen dahingehend entnehmen würden, dass diese der Erfassung, Bearbeitung und finanziellen Abwicklung von Forderungen an Dritte dienen könnten. Da es sich bei dem englischen Wort "debit" um einen Fachbegriff auf dem Gebiet des Finanz- und Rechnungswesens handle, werde er von den Verkehrskreisen ohne weiteres in diesem Sinne verstanden.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.

Sie trägt vor, dass die Bedeutung von "debit" nicht eindeutig sei. Neben dem Verständnis als englisches Wort, welches mit "Schuldposten" übersetzt werden könne, könne "debit" auch als deutsches Wort verstanden werden und habe dann, wenn auch veraltet die Bedeutung "Warenverkauf, Ausschank". Selbst wenn "debit" als englischer Begriff aufgefasst werde, könne der Verkehr nicht erkennen, welcher Art die Waren oder Dienstleistungen seien, die sich dahinter verbergen würden, es bestünde allenfalls ein assoziativer Bezug zu "Schuldposten". Erst recht sei hinsichtlich der Dienstleistungen "Geschäftsführung", "Unternehmensverwaltung" und "Büroarbeiten" ein beschreibender Bezug nicht ersichtlich.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II Die Beschwerde ist begründet.

Der Senat hält die angemeldete Wortmarke - entgegen der Beurteilung der Markenstelle - für unterscheidungskräftig und nicht freihaltungsbedürftig. Ihrer Eintragung gemäß §§ 33 Abs 2, 41 MarkenG stehen daher keine absoluten Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG entgegen.

1. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft als der einer Marke innewohnenden konkreten Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden, ist grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen, dh jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um dieses Schutzhindernis zu überwinden (stRspr vgl BGH WRP 2001, 1082 - marktfrisch; GRUR 2002, 540 - OMEPRAZOK). Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in aller Regel so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt und er es keiner analysierenden Betrachtungsweise unterzieht. Kann demnach einer Wortmarke kein für die beanspruchten Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (stRspr BGH aaO - markfrisch; BGH GRUR 1999, 1089 - YES).

Es kann dahinstehen, ob diese Grundsätze der jüngeren Rechtsprechung des Bundesgerichtshof nach dem Erlass der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs "Farbe Orange" (MarkenR 2002, zu 27 ff.) in Zukunft in vollem Umfang weiter aufrechterhalten werden können. Die angemeldete Marke ist jedoch auch unter Berücksichtigung der möglicherweise etwas strengeren Maßstäbe des Europäischen Gerichtshofs in der genannten Entscheidung schutzfähig.

Die angemeldete Marke wird von dem lateinischen Begriff "debitum" (Partizip perfekt von "debere") abgeleitet (Wolff, Latein und Griechisch im deutschen Wortschatz, 2001, S 41; Pons Wörterbuch Latein-Deutsch, 2003, S 227).

Auch im Englischen findet der Begriff Verwendung und wird mit "Schuldposten, Saldo, Soll, Kontobelastung" übersetzt (Der kleine Eichborn, Wirtschaft und Wirtschaftsrecht Englisch-Deutsch, S 179, Hamblock, Großwörterbuch Wirtschaftsenglisch, 1998, S 392). Im Deutschen wurde der Ausdruck - mittlerweile allerdings veraltet - als Synonym für "Warenverkauf" und "Ausschank" gebraucht (Duden, Das Große Fremdwörterbuch, 2000, S 294).

Den hier angesprochenen Verkehrskreisen, neben Fachkreisen auch der allgemeine Verkehr, ist der Begriff aus Ausdrücken wie "Debitor", "debit-Karte" uä (Gabler, Wirtschaftslexikon, 2000, S 684 ff) in seiner finanzrechtlichen Bedeutung ohne weiteres bekannt; dennoch geht der Senat davon aus, dass die beanspruchten streitgegenständlichen Dienstleistungen der Klassen 35 und 36 nicht ohne weiteres inhaltlich mit dem Begriff in Verbindung gebracht werden können. "debit" im Sinne von "Soll" bzw "Schuld" in Alleinstellung steht allenfalls in entferntem und vagem Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen, da es Begriffe sind, die allenfalls einen Teilaspekt dieser Dienstleistungen betreffen. Es bedarf mehrerer analysierender Zwischenschritte, um beispielsweise die Tätigkeit einer Schuldnerberatung oder ähnliches mit dem betreffenden Ausdruck in einem konkreten Zusammenhang zu bringen.

Im übrigen erscheint es ungewöhnlich, im Zusammenhang mit Finanzdienstleistungen bzw der Verwaltung von Unternehmen den negativ besetzten Ausdruck "Schulden" werbemäßig herauszustellen und damit die beanspruchten Dienstleistungen schlagwortartig zu benennen.

Insgesamt fehlt es jedenfalls an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, dass die angesprochenen Verkehrskreise die angemeldete Marke im Sinne einer Aussage über eine bestimmte Eigenschaft oder ein sonstiges entscheidendes Merkmal der damit gekennzeichneten Dienstleistungen werten, nicht aber als Kennzeichnungsmittel verstehen werden.

2. Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind von der Eintragung weiter solche Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr ua zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder der Bezeichnung sonstiger Merkmale der in Frage stehenden Dienstleistungen dienen können. Dabei ist davon auszugehen, dass ein Eintragungshindernis auch dann besteht, wenn eine Benutzung als Sachangabe bisher noch nicht erfolgt ist, eine solche jedoch uU erfolgen wird (BGH Mitt 2001, 366 - Test it; 1202 - Gute Zeiten - schlechte Zeiten).

Solche Umstände werden durch die angemeldete Marke "debit" nicht ausreichend klar und verständlich genannt. Eine Verwendung der Bezeichnung als beschreibende Angabe im Zusammenhang mit den angemeldeten Dienstleistungen konnte der Senat nicht nachweisen. Von einem auf gegenwärtiger Benutzung als Sachangabe beruhenden Freihaltungsbedürfnis kann daher insoweit nicht ausgegangen werden. Ebenso wenig liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen in Zukunft eine Verwendung der angemeldeten Bezeichnung als Sachangabe erfolgen wird.

Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr war nicht veranlasst, da nicht hinreichend deutlich ersichtlich ist, dass bei Berücksichtigung des Schriftsatzes vom 27. März 2003 eine andere Entscheidung der Markenstelle ergangen wäre (Ströbele/Hacker MarkenG 7. Aufl Rdn 61 zu § 71).

Winkler Baumgärtner Dr. Hock Cl






BPatG:
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Az: 33 W (pat) 179/03


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