Bundesverfassungsgericht:
Beschluss vom 8. Dezember 2004
Aktenzeichen: 2 BvL 1/04

(BVerfG: Beschluss v. 08.12.2004, Az.: 2 BvL 1/04)

Tenor

Die Vorlage ist unzulässig.

Gründe

I.

Das gemäß Art. 100 Abs. 1 GG vorlegende Verwaltungsgericht hält die Regelung über die Entgeltabschöpfung in § 69 Abs. 3 des Staatsvertrages über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks (GVBl Berlin 1992, S. 150; GVBl Brandenburg 1992 I, S. 142), zuletzt geändert durch den Zweiten Staatsvertrag zur Änderung des Staatsvertrages über die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Brandenburg im Bereich des Rundfunks (GVBl Berlin 2001, S. 185; GVBl Brandenburg 2001 I, S. 82) - im Folgenden: Medienstaatsvertrag (MStV) - für unvereinbar mit Art. 72 Abs. 1 und Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, weil es sich um eine Norm des Strafrechts handele, für die den Ländern die Gesetzgebungskompetenz fehle.

1. Klägerin des Ausgangsverfahrens ist die P. GmbH, die den Fernsehsender P. betreibt. Sie wird von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, der Beklagten des Ausgangsverfahrens, in Anspruch genommen, weil einzelne Beiträge in vier ausgestrahlten Sendungen das Recht gezeigter Personen am eigenen Bild und das allgemeine Persönlichkeitsrecht verletzten und bei den Aufnahmen der Beiträge die körperliche Unversehrtheit der Betroffenen ohne deren Einverständnis beeinträchtigt worden sei. Dass die Beiträge in dieser Weise rechtswidrig sind, ist zwischen den Beteiligten des Ausgangsverfahrens nicht mehr umstritten.

2. Mit den im Ausgangsverfahren angefochtenen Bescheiden gab die Medienanstalt der P. GmbH zunächst auf, über die Höhe der im Zusammenhang mit zwei der beanstandeten Sendungen erzielten Entgelte für die Ausstrahlung von Werbeeinspielungen Auskunft zu erteilen. Als diese Auskunft nicht gegeben wurde, schätzte sie die Höhe der Entgelte auf insgesamt 75.000 Euro und forderte diesen Betrag. Die Bescheide wurden auf § 69 Abs. 3 MStV gestützt. Diese Vorschrift lautet:

"Dem Veranstalter kann aufgegeben werden, die durch Werbung im Zusammenhang mit der beanstandeten Sendung erzielten Entgelte an die Medienanstalt abzuführen. Der Veranstalter hat der Medienanstalt die hierfür erforderlichen Angaben zu machen."

3. Das Verwaltungsgericht meint, die gegen beide Bescheide gerichteten Klagen abweisen zu müssen, wenn § 69 Abs. 3 MStV gültig sei. Sowohl das Auskunftsverlangen als auch die Abschöpfungsforderung fänden in jener Norm eine ausreichende Grundlage. Eingeräumtes Ermessen habe die Medienanstalt fehlerfrei ausgeübt. An dieser Entscheidung sieht sich das Verwaltungsgericht durch die Überzeugung gehindert, § 69 Abs. 3 MStV sei mit Art. 72 Abs. 1 und Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG unvereinbar. Gelte die Ermächtigungsgrundlage nicht, seien die angefochtenen Bescheide rechtswidrig, so dass die Klagen Erfolg haben müssten.

a) Die Entgeltabschöpfung nach § 69 Abs. 3 MStV sei dem Strafrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) zuzuordnen. Die Regelung falle nicht in die Kompetenz der Länder, weil der Bund von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompentenz mit den §§ 73 StGB und 29a OWiG abschließend Gebrauch gemacht habe. Bei § 69 Abs. 3 MStV und den §§ 73 StGB und 29a OWiG handele es sich um übereinstimmende Regelungen zur Abschöpfung des mit einer rechtswidrigen Handlung Erlangten. Anknüpfungspunkt, Rechtsfolge und Regelungsgrund seien gleich. Dass § 69 Abs. 3 MStV nicht nur an strafbewehrtes Verhalten anknüpfe, nehme ihm den strafrechtlichen Charakter nicht. Auch die Verfallsvorschriften setzten Schuld nicht voraus, sondern ließen rechtswidriges Handeln genügen. Der Bundesgesetzgeber habe einerseits die Rechtsfolgen strafrechtlich relevanter Handlungen abschließend regeln wollen, und er habe die Abschöpfung des aus rechtswidrigen Taten Erlangten eindeutig auf kriminelles Unrecht beschränken, mithin eine Ausdehnung auf sonstige Rechtsverstöße ausschließen wollen. Die Gesetzgebungsgeschichte zeige, dass die Regelungen über den Verfall eingeführt worden seien, um dem Täter einen aus der Tat gezogenen Gewinn auch dann entziehen zu können, wenn dieser die schuldangemessene Geldstrafe übersteige, und zwar unabhängig davon, ob der Vermögensvorteil schuldhaft oder schuldlos erlangt worden sei. Mit der Einführung des erweiterten Verfalls sei nochmals deutlich geworden, dass nur auf durch kriminelles Unrecht erlangtes Vermögen zugegriffen werden dürfe. Der Verfall sei zwar kondiktionsähnlich, aber eben doch eine strafrechtliche Maßnahme. Niemand vertrete die Ansicht, der Verfall sei Ausprägung eines allgemeinen Rechtsgedankens. Vielmehr habe der Übergang zum Bruttoprinzip die Strafähnlichkeit der Maßnahme betont.

b) § 34 GWB stelle diese Ansicht von einem abgeschlossenen Regelungssystem des Verfalls nicht in Frage. Jene Norm sei eine verwaltungsrechtliche, keine strafrechtliche Sanktion. Nicht jeder Verstoß, der für eine Mehrerlösabschöpfung ausreiche, sei zugleich eine Ordnungswidrigkeit. Bei § 34 GWB handele es sich um eine auf die Besonderheiten des Wettbewerbsrechts zugeschnittene Spezialregelung, mit der der Gesetzgeber eine Sanktionslücke habe schließen wollen.

c) Die Landesgesetzgeber hätten mit § 69 Abs. 3 MStV schließlich auch keine Annexkompetenz wahrgenommen, sondern sich eines spezifisch strafrechtlichen Mittels zur Aufrechterhaltung der Ordnung im Bereich des privaten Rundfunks bedient.

d) Das Bundesverfassungsgericht hat das vorlegende Verwaltungsgericht auf das Urteil des Zweiten Senats vom 10. Februar 2004 – 2 BvR 834/02, 2 BvR 1588/02 – (BVerfGE 109, 190) zur landesrechtlichen Straftäterunterbringung und auf die dort vorgenommene Bestimmung des Begriffs des Strafrechts im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG hingewiesen. Darauf hat das Verwaltungsgericht entgegnet, ihm sei bewusst, dass es sich bei § 69 Abs. 3 MStV nicht um eine Norm des Strafrechts handele. Der Bundesgesetzgeber habe mit dem Verfall (§ 73 StGB, § 29a OWiG) eine zweifellos dem Strafrecht zuzurechnende Sanktion geschaffen. Der Landesgesetzgeber dürfe dieselbe Sanktion nicht an Anlasstaten knüpfen, die zwar rechtswidrig, aber nicht strafrechtswidrig seien.

II.

Die Vorlage ist unzulässig.

1. Ein Gericht, das die Verfassungsmäßigkeit einer Rechtsnorm gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht stellt, muss zuvor nicht nur die Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift, sondern auch deren Verfassungsgemäßheit sorgfältig prüfen und das Ergebnis dieser Prüfung ausführlich darlegen. Dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG genügt ein Vorlagebeschluss nur, wenn die für die Überzeugung des Gerichts von der Verfassungswidrigkeit der fraglichen Norm maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar dargelegt werden. Dazu muss das vorlegende Gericht alle nahe liegenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte erschöpfend darlegen (vgl. BVerfGE 86, 71 <78>; 88, 70 <74>; 88, 198 <201>; 93, 121 <132>). Es muss sich eingehend mit der Rechtslage auseinandersetzen, dabei die in Literatur und Rechtsprechung entwickelten Rechtsauffassungen und unterschiedlichen Auslegungsmöglichkeiten erörtern (vgl. BVerfGE 92, 277 <312>; 97, 49 <60>; 99, 300 <312 f.>; 105, 48 <56>) und auch die Gründe berücksichtigen, die im Gesetzgebungsverfahren als für die Entscheidung des Gesetzgebers maßgebend genannt worden sind (vgl. BVerfGE 77, 259 <262>; 78, 201 <204>; 81, 275 <277>; 86, 71 <78>; 88, 70 <74>; 92, 277 <312>).

2. Diesen Anforderungen genügt der Vorlagebeschluss nicht.

Das vorlegende Verwaltungsgericht hat Rechtsprechung und Literatur in seine Erwägungen einbezogen und sich insbesondere auf die Gesetzgebungsmaterialien zu den Verfallsvorschriften (§§ 73 ff. StGB, § 29a OWiG) bezogen. Sein Auslegungsergebnis, § 69 Abs. 3 MStV sei verfassungswidrig, beruht jedoch auf Erwägungen, die sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der Vorschriften oder aus den Motiven des Gesetzgebers rechtfertigen lassen. Nahe liegende, gegen sein Auslegungsergebnis sprechende Gründe hat das Verwaltungsgericht nicht eingehend erörtert, sondern nur am Rande erwähnt und seine Begründung dadurch auf eine Vorlagebedürftigkeit nach Art. 100 Abs. 1 GG fixiert, statt die Verfassungsgemäßheit der verwaltungsrechtlichen Entgeltabschöpfung umfassend zu beurteilen.

a) Aus den Ausführungen des Vorlagebeschlusses ergibt sich nicht, dass § 69 Abs. 3 MStV zum Strafrecht im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG gehören könnte. Nur wenn die Abschöpfung der Werbeeinnahmen aus rechtswidrig ausgestrahlten Fernsehsendungen zum Strafrecht im Sinne der Kompetenzordnung des Grundgesetzes gehörte, könnte eine konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes für eine solche Regelung gegeben sein. Eine an Wortlaut, Gesetzgebungsgeschichte, Systematik und Normzweck orientierte Auslegung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG ergibt, dass zum Strafrecht die Regelung aller repressiven oder präventiven staatlichen Reaktionen auf Straftaten gehört, die nicht ausnahmslos die Schuld des Täters voraussetzen müssen, aber an eine Straftat anknüpfen, also ausschließlich für Straftäter gelten und ihre sachliche Rechtfertigung auch aus der Anlasstat beziehen (vgl. BVerfGE 109, 190 <212 ff.>).

Dass § 69 Abs. 3 MStV eine Straftat nicht voraussetzt und mithin nicht ausschließlich für Straftäter gilt, führt der Vorlagebeschluss zutreffend aus. § 69 Abs. 3 MStV lässt als Voraussetzung der Einnahmeabschöpfung die Beanstandung schon wegen Rechtswidrigkeit der ausgestrahlten Sendung genügen. Die Rechtswidrigkeit kann sich aus dem Erfüllen eines Straftatbestandes ergeben. Aber es genügt auch der Verstoß gegen andere Rechtsnormen. So hat das vorlegende Gericht im Ausgangsverfahren sowohl ein Inkaufnehmen der Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit der gefilmten Personen (§ 223 Abs. 1 StGB) angenommen als auch eine - nicht strafbewehrte, aber gleichwohl rechtswidrige - Verletzung des Rechts am eigenen Bild (§ 22 Satz 1 KUG) und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG).

Dennoch hat das Verwaltungsgericht keine Erwägungen dazu angestellt, ob eine verfassungskonforme Auslegung des § 69 Abs. 3 MStV erforderlich sein könnte, so dass eine Entgeltabschöpfung nach dieser Norm nur dann in Betracht käme, wenn diese Reaktion nicht an eine Straftat, sondern an eine nach anderen Vorschriften rechtswidrige Handlung anknüpft.

b) Das Verwaltungsgericht meint, darlegen zu können, die Regelungen, die eine Einnahmeabschöpfung an begangene Straftaten (§§ 73 ff. StGB) oder Ordnungswidrigkeiten (§ 29a OWiG) anknüpfen und daher nach der dargelegten Begriffsbestimmung (vgl. BVerfGE 109, 190 <212 ff.>) zweifellos dem Strafrecht im Sinne der Kompetenzordnung zuzuordnen sind, stellten ein vom Bund abschließend geregeltes System der Entgeltabschöpfung dar, das nicht erweitert werden dürfe. Der Bundesgesetzgeber habe seine Kompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG dahin ausgeübt, dass das Abschöpfen des mit einer rechtswidrigen Handlung Erlangten nur nach einer Straftat zulässig sein solle.

aa) Damit verkennt das Verwaltungsgericht zunächst, dass die so genannte Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG einer landesrechtlichen Regelung nur dann entgegensteht, wenn diese einem Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 oder des Art. 74a Abs. 1 GG zuzuordnen wäre und der Bund seine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit wahrgenommen hat. Nur dann stellt sich die Frage, ob neben der bundesrechtlichen Regelung eine weitere, ergänzende landesrechtliche Regelung zulässig ist oder ob die bundesgesetzliche Regelung abschließenden Charakter hat (vgl. BVerfGE 109, 190 <229 ff.>). Da dem Verwaltungsgericht schon eine erschöpfende Darlegung nicht gelungen ist, bei § 69 Abs. 3 MStV handele es sich um eine Norm des Strafrechts im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, dies sogar nach einem Hinweis des Bundesverfassungsgerichts ausdrücklich verneint hat, kommt es auf die Frage des abschließenden Charakters der strafrechtlichen Verfallsvorschriften (§§ 73 ff. StGB, § 29a OWiG) nicht mehr an.

bb) Auch auf dem vom Verwaltungsgericht eingenommenen, mit dem Regelungssystem des Art. 72 Abs. 1 GG nicht zu vereinbarenden Rechtsstandpunkt, eine abschließende Regelung strafrechtlichen Verfalls sperre landesrechtliche Verfallsvorschriften, die nicht dem Strafrecht zuzuordnen seien, wird der Vorlagebeschluss den Anforderungen einer umfassenden Erörterung nicht gerecht. Obwohl das Verwaltungsgericht lange wörtliche Wiedergaben aus den Gesetzgebungsmaterialien zu den §§ 73 ff. StGB und zu § 29a OWiG in seinen Beschluss aufgenommen hat, gelingt es ihm nicht, auch nur eine einzige Stelle zu zitieren, in der erwogen würde, die Entgeltabschöpfung solle auf Straftaten beschränkt sein, als Reaktion auf andere rechtswidrige Handlungen aber ausgeschlossen werden.

Den Verfallsregelungen eine solche auf das Strafrecht beschränkte Ausschließlichkeitsfunktion zuzumessen, findet nicht nur keinen Anhaltspunkt in den Motiven des Gesetzgebers, es würde auch dem Sinn und Zweck der strafrechtlichen Verfallsvorschriften nicht gerecht. Diese Regelungen sehen eine Gewinnabschöpfung ohne Strafcharakter vor. Nicht eine Übelszufügung, sondern das Beseitigen eines Vorteils wird geregelt, um eine korrekturbedürftige Störung der Rechtsordnung durch einen ordnenden Zugriff von hoher Hand im Wege der Einnahmeabschöpfung zu beseitigen. Hier kommt nicht vergeltende, sondern ordnende Gerechtigkeit zum Ausdruck (BVerfG, Beschluss vom 14. Januar 2004 – 2 BvR 564/95 –, S. 21 ff. des Umdrucks).

c) Diesem Gesetzeszweck lässt sich entnehmen, dass jedenfalls nach dem - wenn auch schuldlosen - Begehen einer Straftat die daraus gezogenen Vermögensvorteile weder dem Täter noch einem begünstigten Dritten verbleiben sollen. Für die Reaktion auf Straftaten ist eine abschließende bundesgesetzliche Regelung getroffen worden. Die Vermögensabschöpfung als Reaktion auf nicht strafbewehrtes unrechtes Handeln ist der Rechtsordnung hingegen ebenfalls nicht fremd.

aa) Der Vorlagebeschluss erwähnt § 34 GWB, der eine Mehrerlösabschöpfung nach einem von der Kartellbehörde untersagten Verhalten vorsieht. Das vorlegende Gericht wird seiner Pflicht zur umfassenden Erörterung der Rechtslage nicht gerecht, wenn es diese Vorschrift als eine auf die Besonderheiten des Wettbewerbsrechts zugeschnittene Spezialregelung bezeichnet, die nur dem Lückenschluss dienen solle und daher den Ausschließlichkeitsanspruch der strafrechtlichen Verfallsregelungen nicht verletze. Dies ist eine zu enge, auf das Ergebnis einer Vorlagebedürftigkeit fixierte Betrachtung, die die Möglichkeit unbeachtet lässt, dass es der Wertung des jeweils zuständigen Gesetzgebers unterliegen könnte, auch an nicht strafbare Handlungen, die nicht von den §§ 73 ff. StGB oder von § 29a OWiG erfasst werden können, eine Erlösabschöpfung anzuknüpfen, um der Rechtsordnung dadurch Geltung zu verschaffen, dass unrechtmäßig erlangte Vorteile nicht beim Begünstigten verbleiben.

bb) Für eine solche Betrachtung könnten weitere Erlösabschöpfungsregelungen sprechen, die das vorlegende Verwaltungsgericht unerörtert gelassen hat. Hätte das Verwaltungsgericht eine erschöpfende Betrachtung der Vorschriften über Entgeltabschöpfungen von hoher Hand angestellt, dann hätte es Anlass finden müssen, Zweifel an der vertretenen Ansicht zu erörtern, § 34 GWB und sein Vorgänger § 37b GWB seien vereinzelte Spezialregelungen auf dem Gebiet des Wettbewerbsrechts.

(1) Der inzwischen nicht mehr geltende § 6 PTRegG sah die Abschöpfung von Mehrerlösen aus nicht genehmigten Leistungsentgelten vor und sollte an die aus der Anwendung des § 37b GWB bekannte Rechtspraxis anknüpfen (vgl. BTDrucks 12/6718, S. 108). In das Telekommunikationsgesetz brauchte die Vorschrift nicht übernommen zu werden, weil Verstöße gegen die Entgeltregulierung nun als Ordnungswidrigkeiten behandelt werden (§ 96 Abs. 1 Nr. 6, 7 TKG), so dass der Gesetzgeber neben § 17 Abs. 4 OWiG eine besondere Vorschrift zur Erlösabschöpfung nicht mehr für erforderlich hielt (vgl. BTDrucks 13/3609, S. 58). Der Entwurf eines neuen Telekommunikationsgesetzes sieht wieder eine gesonderte Vorschrift zur Mehrerlösabschöpfung vor, die eine ausdrückliche Abgrenzung zur Mehrerlösabschöpfung durch eine Geldbuße enthält (§ 41 Abs. 1 TKG-E, BTDrucks 15/2316, S. 20). Der Gesetzgeber will sich damit an § 34 GWB orientieren (a.a.O., S. 72). Dass er sich damit auf das Gebiet des Strafrechts begeben würde, hat er bei der Erörterung der Gesetzgebungskompetenz nicht in Erwägung gezogen (a.a.O., S. 55).

(2) Eine Gewinnabschöpfung sieht auch der Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb in § 10 vor. Die Bundesregierung verfolgt mit diesem Regelungsvorhaben das Ziel einer weiteren Verbesserung der Durchsetzung des Lauterkeitsrechts (vgl. BTDrucks 15/1487, S. 23). Dass sich der Bund dazu auf den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Satz 1 GG stützen müsste, wird weder mit dem Gesetzentwurf (a.a.O., S. 15) noch vom Bundesrat in Betracht gezogen, der sich gegen § 10 UWG-E gewandt hat (a.a.O., S. 34).

cc) Dieser Befund der geltenden Rechtslage und der derzeit in Gesetzgebungsverfahren behandelten Entwürfe drängt zu der Erwägung, dass mit den §§ 73 ff. StGB und den §§ 17 Abs. 4 und 29a OWiG eine Erlösabschöpfung an solche Handlungen angeknüpft wird, die einen Straftat- bzw. Ordnungswidrigkeitentatbestand erfüllen, dass es im Übrigen, soweit wirtschaftliche Vorteile aus anderen rechtswidrigen Handlungen folgen, aber dem jeweils für das Sachgebiet zuständigen Gesetzgeber überlassen bleibt zu beurteilen, ob es zur Durchsetzung der Rechtsordnung einer Erlösabschöpfung bedarf. Das vorlegende Gericht ist einer solchen Erörterung ausgewichen und hat seine Pflicht zur erschöpfenden Begründung seiner Vorlage dadurch nicht erfüllt.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.






BVerfG:
Beschluss v. 08.12.2004
Az: 2 BvL 1/04


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