Landgericht Köln:
Urteil vom 8. Februar 2007
Aktenzeichen: 31 O 7227/06

(LG Köln: Urteil v. 08.02.2007, Az.: 31 O 7227/06)

Tenor

I. Die Beklagte wird verurteilt, es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzen-den Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten die Ordnungshaft jeweils zu vollziehen am Geschäftsführer der Beklagten zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr ein Nahrungsergänzungsmittel mit den Inhaltsstoffen 250 mg D-Glucosaminsulfat und 200 mg Chondroitinsulfat pro Tablette und einer Verzehrsemp-fehlung von 2 Tabletten täglich unter der Bezeichnung "donaprevent®" in der nachstehend wiedergegebenen Verpackungsaufmachung in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben:

II. Von den Kosten des Rechtsstreits haben der Kläger 10 % und die Beklagte

90 % zu tragen.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreck-bar, wegen zu vollsteckender Kosten in Höhe von 1.200,00 EUR ohne Sicherheitsleistung und im Übrigen gegen Si-cherheitsleistung. Die Sicherheitsleistung beträgt

- hinsichtlich der Unterlassung 30.000,00 EUR,

- hinsichtlich der Kosten im Übrigen 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Tatbestand

Der Kläger ist ein gerichtsbekannt branchenübergreifend und überregional tätiger Verein zur Förderung gewerblicher Interessen, der sich die Wahrung der Regeln des lauteren Wettbewerbs zur Aufgabe gemacht hat.

Die Beklagte ist ein Pharmaunternehmen, das seit vielen Jahren das als Arzneimittel zugelassene Präparat "e® 200-S" mit dem Wirkstoff D-Glucosaminsulfat zur Funktionsverbesserung und Schmerzlinderung bei leichter bis mittelschwerer Gonarthrose vertreibt. Als Dosierung ist die dreimal tägliche Einnahme von ein bis zwei Tabletten vorgesehen, wobei jede Tablette 250 mg D-Glucosaminsulfat enthält. Auf der Vorder- und Rückseite der Verpackung ist der Begriff "e" in dunkelblauen Buchstaben abgedruckt, während der Zusatz "200-S" in weißer Schrift vor einem grünen rechteckigen Hintergrund gehalten ist. Des Weiteren findet sich auf der ansonsten weißen Verpackung die schemenhafte Ablichtung zweier menschlicher Knie in einem Grauton. Auf den beiden in grün und blau eingefärbten Längsseiten der Schachtel ist die Firma der Beklagten in weißer Schrift angegeben. Wegen der genauen Gestaltung der Verpackung des Arzneimittels "e® 200-S" wird auf das zu den Akten gereichte Originalexemplar (Anlage K 4) Bezug genommen.

Darüber hinaus bot die Beklagte vor einiger Zeit, jedenfalls bis Ende April 2006, exklusiv in Apotheken das Produkt "e1®" an, das pro Tablette 250 mg D-Glucosaminsulfat und 200 mg Chondroitinsulfat enthält und von dem zweimal täglich eine Tablette zum Verzehr empfohlen wird. Das Erzeugnis ist in einem Karton abgepackt, auf dessen Vorderseite der Begriff "e" in blauer und der Zusatz "prevent" in weißen Fettbuchstaben, letztere vor grünem rechteckigem Hintergrund, abgedruckt sind. Zusätzlich sind in kleinerer blauer Fettschrift eingangs der Hinweis "Nahrungsergänzungsmittel für Gelenke und Knorpel" und rechts neben der Produktbezeichnung der Verweis "... zur Nahrungsergänzung" angebracht. Unterhalb der in grüner Schrift angegebenen Wirkstoffe findet sich des Weiteren in kleinerer Schrift die Anmerkung "Die wichtigen Nährstoffe für Gelenke und Knorpel." Auf der ansonsten weißen Fläche finden sich graue stilisierte Abbildungen unter anderem von Hüft-, Knöchel-, Finger- und Kniegelenksknochen. An den in weiß und grün gehaltenen Längsseiten des Kartons ist die Firma der Beklagten aufgedruckt, auf einer der beiden Laschen der Hinweis "Tabletten zur Nahrungsergänzung" aufgebracht. Wegen der Verpackungsaufmachung des Produkts "e1®" im Einzelnen wird auf die vorgelegte Originalschachtel (Anlage K 6) verwiesen. In dem eingelegten Beipackzettel bewarb die Beklagte das Erzeugnis mit dem Hinweis "e1® ist ein Nahrungsergänzungsmittel und stellt einen wichtigen Beitrag zur Ernährung Ihrer Gelenke und Knorpel dar."

Auf die Beanstandung der O GmbH gab die Beklagte am 12.07. 2006 eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung dahingehend ab, ein Nahrungsergänzungsmittel für Gelenke und Knorpel unter einer Produktbezeichnung mit dem Kennzeichnungsbestandteil oder -zusatz "prevent", wie in der angegriffenen Verpackungsaufmachung einschließlich der Packungsbeilage geschehen, in den Verkehr zu bringen und/oder zu bewerben.

Der Kläger meint, durch die Verwendung der Bezeichnung "e1®" in der konkreten Verpackungsgestaltung erwecke die Beklagte - auch ohne Berücksichtigung des Beipackzettels - den irreführenden Anschein, bei dem tatsächlich als Nahrungsergänzungsmittel einzustufenden Produkt handele sich um ein Arzneimittel.

Mit dem Begriff "e1®" knüpfe die Beklagte durch die Einbindung der Dachbezeichnung "e" an ihr seit geraumer Zeit auf dem Markt erhältliches, dem Verkehr als Arzneimittel bekanntes Präparat "e® 200-S" an und verweise durch den Zusatz "prevent" auf eine arzneimitteltypische Präventivwirkung zur Verhinderung von Gelenkschäden. Darüber hinaus habe die Beklagte auch die Verpackungsgestaltung des Arzneimittels "e® 200-S" übernommen und darauf gut sichtbar ihre volle Firma "P Arzneimittel" ausgewiesen. Der Verbraucher werde das Produkt "e1®" deshalb irrig als weiteres Präparat der Arzneimittelreihe "e®" zur Vorbeugung und Behandlung von Gelenkerkrankungen und -verschleiß auffassen. Dabei liege die fehlsame Einstufung als - gegenüber dem Präparat "e® 200-S" fortentwickeltes oder verbessertes - Arzneimittel für den Verbraucher um so näher, als das Produkt "e1®" neben dem im Arzneimittel "e® 200-S" enthaltenen D-Glucosaminsulfat einen weiteren Wirkstoff aufweise.

Erwecke die Beklagte aber demgemäß schon durch die gewählte Produktbezeichnung in Ergänzung mit der markanten Verpackungsgestaltung den fehlsamen Anschein eines Arzneimittels, so seien die dazu in Widerspruch stehenden weiteren Hinweise auf die Nahrungsergänzungsfunktion nicht geeignet, die Gefahr einer Irreführung über die Arzneimitteleigenschaft des Produkts "e1®" zu beseitigen.

Der Kläger hat die Verwendung der Bezeichnung "e1®" zunächst auch isoliert zur Unterlassung begehrt. In der mündlichen Verhandlung hat er seinen Antrag sodann auf den Gebrauch der Produktbezeichnung in der konkreten Verpackungsgestaltung beschränkt.

Darüber hinaus hat er sein anfängliches weiteres Unterlassungsbegehren betreffend die - als Irreführung über positive Auswirkungen von D-Glucosaminsulfat auf die Erhaltung des Gelenkknorpels monierte - Angabe "... ist ein wichtiger Beitrag zur Erhaltung Ihrer Gelenke" in der mündlichen Verhandlung auf die konkrete Auslobung in der Packungsbeilage reduziert. Insoweit haben die Parteien, nachdem die Beklagte eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben hat, alsdann den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.

Der Kläger beantragt nunmehr,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Ansicht, die auf der Verpackung befindlichen mehrfachen Hinweise auf die Nahrungsergänzungsfunktion des Produkts "e1®" führten dem Verbraucher hinreichend deutlich vor Augen, dass es sich nicht um ein Arzneimittel handele. Angesichts jener ausdrücklichen und klaren Zweckbestimmung riefen die Produktbezeichnung und die mit dem Präparat "e® 200-S" vergleichbare Verpackungsaufmachung keine diesbezüglichen Fehlvorstellungen hervor. Da dem Verkehr der Gebrauch einheitlicher Dachmarken für Arznei- und Nahrungsergänzungsmittel geläufig sei, schließe er weder aus der Bezeichnung "e" noch aus der Angabe ihrer, der Beklagten, Firma mit dem Bestandteil "Arzneimittel" irrig auf die Arzneimitteleigenschaft des Erzeugnisses. Gleiches gelte für den phantasievollen Bezeichnungsbestandteil "prevent", der vom Verbraucher gar nicht erst mit einer präventiven Wirkung in Verbindung gebracht werde, jedenfalls aber keinen Krankheitsbezug herstelle. Auch die enthaltenen Wirkstoffe gäben dem Produkt, da diesem in der empfohlenen Verzehrmenge keine pharmakologische Wirkung zukomme, nicht den Anschein eines Arzneimittels.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist in dem noch rechtshängigen Umfang begründet. Der nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG aktivlegitimierte Kläger kann von der Beklagten aus den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 LFGB die Unterlassung des Vertriebs und der Bewerbung des Produkts "e1®" in der konkret beanstandeten Packungsaufmachung verlangen. Die Verwendung jener Bezeichnung ist in Kombination mit der Gestaltung des Kartons zur Täuschung des durchschnittlichen aufmerksamen Verbrauchers über die Arzneimitteleigenschaft des Erzeugnisses geeignet, § 11 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 LFGB. Bei der vorgenannten Vorschrift handelt es sich um eine gesetzliche Markverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG (vgl. OLG München GRUR-RR 2006, 139; Köhler in: Hefermehl/Köhler/ Bornkamm, 25. Auflage, § 4 UWG Rn. 11.136).

Für die Einstufung des Erzeugnisses "e1®" spricht aus Sicht des potentiellen Kunden schon der vorangestellte Bezeichnungsbestandteil "e", der einer nicht unbeträchtlichem Anzahl von Verbrauchern - nicht zuletzt wegen der weiten Verbreitung von Kniegelenksbeschwerden und der jahrzehntelangen Marktpräsenz des Präparats "e® 200-S" der Beklagten - als Arzneimittel zur Behandlung von Kniegelenkverschleiß bekannt ist.

Eine solche Anlehnung und Eingruppierung in eine "e"-Arzneimittelserie drängt sich für den Betrachter um so mehr auf, als die beiden Produkte "e® 200-S" und "e1®" eine übereinstimmende Grundgestaltung der Verpackung aufweisen. So ist der Schriftzug "e" jeweils in dunkelblauen, fett gedruckten Kleinbuchstaben gehalten, während die Zusätze "200-S" und "prevent" in weißer Schrift vor grüner rechteckiger Hinterlegung angebracht sind. Auf der ansonsten in weiß gehalten Verpackung finden sich bei beiden Produkten oberhalb der Produktbezeichnung graue Abbildungen mit Bezug auf das menschliche Gelenk, so beim Arzneimittel "e 200-S" in Form der schemenhaften Abbildung eines menschlichen Knies und beim Präparat "e1" mit diversen Abbildungen von Gelenkknochen.

Angesichts dieser Parallelaufmachung wird der Verbraucher aus dem plakativen Zusatz "prevent" in der angegriffenen Produktbezeichnung zwanglos darauf schließen, das Erzeugnis "e1®" wirke präventiv dergestalt, dass seine Einnahme die Entstehung krankhafter Gelenkschäden verhüte oder diesen jedenfalls entgegenwirke, während das Präparat "e 200-S®" der Therapierung bereits aufgetretener Gelenkschäden diene. Dafür spricht aus Sicht des Verbrauchers um so mehr, als beide Präparate den Wirkstoff "D-Glucosaminsulfat" enthalten (der bei bloßen Verhütungsmaßnahmen naturgemäß geringer als bei erfolgtem Ausbruch der Krankheit dosiert ist). In der Einstufung auch des Produkts "e1®" als Arzneimittel wird der Verbraucher auch dadurch bestärkt, dass sich auf der Verpackung der deutliche Hinweis auf die Firma "P Arzneimittel" der Beklagten findet. Sofern die Beklagte darauf verweist, eine Vielzahl von Unternehmen vertreibe unter ihrer Firma oder einer einheitlichen Dachmarke sowohl Arzneimittel als auch Nahrungsergänzungsmittel, ist schon nicht ersichtlich, dass dies dem durchschnittlichen aufmerksamen Verbraucher bekannt ist. Jedenfalls handelt es sich bei den entsprechenden Bezeichnungen ("Sandoz", "Cetebe", "Ameu", "ratiopharm") um Phantasiebezeichnungen, die allenfalls einen pharmazeutischen Hinweis, nicht aber - wie die Firma der Beklagten - einen unmittelbaren Verweis auf Arzneimittel beinhalten.

Unter diesen Umständen erscheinen die Hinweise auf die Eigenschaft des Produkts "e1®" als Nahrungsergänzungsmittel nicht derartig auffällig, dass sie der Bildung einer Fehlvorstellung des potentiellen Kunden entgegen wirken könnten. Zwar wird auf der Verpackung an mehreren Stellen in Fettdruck angeführt, dass das Produkt der Nahrungsergänzung dient. Die entsprechenden Angaben sind aber deutlich kleiner als die auf ein Arzneimittel hindeutende Bezeichnung des Erzeugnisses und erheblich unscheinbarer als die dem Verbraucher unmittelbar ins Auge fallende, mit dem Arzneimittel "e® 200-S" übereinstimmende farbliche Verpackungsgestaltung gehalten.

In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass das Produkt "e1®" ausschließlich in Apotheken abgegeben wird und darum die Gefahr besteht, dass es in räumlicher Nähe zum Arzneimittel "e® 200-S" präsentiert wird. Zumindest aber wird der potentielle Kunde das Produkt "e1®", da Nahrungsergänzungsmittel nach den eigenen Erfahrungen der Kammer regelmäßig in Regalen hinter der Verkaufstheke präsentiert werden, zunächst aus einer gewissen Entfernung wahrnehmen, aus der ihm die Aufdrucke "Nahrungsergänzungsmittel" nicht ohne Weiteres auffallen werden. Vielmehr wird er sich auf Grund der auffälligen Produktbezeichnung und Verpackungsgestaltung, bevor er sich mit dem Erzeugnis und den auf der Umverpackung angebrachten weiteren Hinweisen näher befasst, bereits eine Fehlvorstellung über die Arzneimitteleigenschaft des Erzeugnisses "e1®" gebildet haben. Diese mag zwar bei näherer Betrachtung der Verpackung gegebenenfalls noch vor dem Erwerb des Erzeugnisses wieder aufgehoben werden. Eine wettbewerbsrechtlich relevante Irreführung liegt jedoch schon in dem Umstand begründet, dass sich der Interessent überhaupt näher mit dem Produkt der Beklagten befasst (vgl. dazu Bornkamm in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, 25. Auflage, § 5 UWG Rn. 2.192).

Der dem Kläger demnach zustehende Unterlassungsanspruch ist dadurch, dass die Beklagte gegenüber einer Mitbewerberin eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben hat, nicht erloschen. Da sich das dortige Vertragsstrafeversprechen auf die Verpackung einschließlich der Packungsbeilage bezieht, ist die Wiederholungsgefahr für den - vom Kläger weitergehend zur Unterlassung begehrten - künftigen Vertrieb und die weitere Bewerbung des Produkts "e1®" unter Beibehaltung (allein) der beanstandeten Verpackungsgestaltung nicht entfallen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 269 Abs. 3 S. 2, 91 Abs. 1, 91 a Abs. 1 ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat sich die Beklagte bereit erklärt, die diesbezüglichen Kosten des Rechtsstreits zu übernehmen.

Streitwert: 50.000,00 EUR






LG Köln:
Urteil v. 08.02.2007
Az: 31 O 7227/06


Link zum Urteil:
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