Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 7. Mai 2009
Aktenzeichen: 4a O 152/08 U.

(LG Düsseldorf: Urteil v. 07.05.2009, Az.: 4a O 152/08 U.)

Tenor

I. Die Beklagten werden verurteilt,

1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu insgesamt 2 Jahren, wobei die Ordnungshaft im Hinblick auf die jeweiligen Beklagten an ihrem jeweiligen Geschäftsführer zu vollstrecken ist, im Bereich der Bundesrepublik Deutschland zu unterlassen,

elastomere Schichtfolien

anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen der Schichtstoff mindestens eine mikrotexturierte elastomere Schicht und mindestens eine mikrotexturierte Außenhaut in durchgehendem Kontakt mit der mikrotexturierten elastomeren Schicht über im Wesentlichen den gesamten Schichtstoff aufweist, wobei die Mikrotextur gebildet wird durch Verstrecken des nichttexturierten Schichtstoffes über die Elastizitätsgrenze der Außenhaut hinaus und Rückbildenlassen des so verstreckten Schichtstoffes;

2. der Klägerin darüber Rechnung zu legen, in welchem Umfang die Beklagten die zu I. 1. bezeichneten Handlungen seit dem 12.08.1995 begangen haben, und zwar unter Angabe  jeweils aufgeschlüsselt nach Typenbezeichnungen 

a) der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, Lieferzeiten und Lieferpreisen sowie der Namen und Anschriften der Abnehmer,

b) der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, Angebotszeiten und Angebotspreisen sowie der Namen und Anschriften der Angebotsempfänger,

c) der betriebenen Werbung, aufgeschlüsselt nach Werbeträgern, deren Auflagenhöhe, Verbreitungszeitraum und Verbreitungsgebiet,

d) der nach den einzelnen Kostenfaktoren aufgeschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei den Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der nicht gewerblichen Abnehmer und der Angebotsempfänger statt der Klägerin einem von dieser zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten vereidigten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, sofern die Beklagten dessen Kosten tragen und ihn ermächtigen und verpflichten, der Klägerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Abnehmer oder Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist;

3. die in ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Besitz oder in ihrem Eigentum im Bereich der Bundesrepublik Deutschland befindlichen unter vorstehend zu I. 1. beschriebenen Erzeugnisse zu vernichten.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten gesamtverbindlich verpflichtet sind, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der A, durch die zu I. 1. bezeichneten und seit dem 12.08.1995 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III. Die Kosten des Rechtsstreits werden den Beklagten als Gesamtschuldnern auferlegt.

IV. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 750.000,- EUR vorläufig vollstreckbar.

Die Sicherheitsleistung kann auch durch eine unwiderrufliche, unbedingte, unbefristete und selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Europäischen Union als Zoll- oder Steuerbürgin anerkannten Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die US-amerikanische Muttergesellschaft der Klägerin, die B, ist eingetragene Inhaberin des europäischen Patents C(im Folgenden: Klagepatent), das - unter Inanspruchnahme der Priorität der D vom 17.11.1989 sowie der E vom 30.03.1990 - am 10.10.1990 in englischer Verfahrenssprache angemeldet wurde. Die Veröffentlichung der Anmeldung erfolgte am 02.09.1992. Die Erteilung des Klagepatents wurde am 12.07.1995 veröffentlicht.

Das Klagepatent trägt die Bezeichnung "Elastomeric Laminates with microtextured skin layers" ("Elastomere Verbundstoffe mit mikrotexturierten Oberflächenschichten"). Sein Patentanspruch 1 lautet:

An elastomeric laminate characterized in that the laminate comprises at least one microtextured elastomeric layer and at least one microtextured skin layer in continuous contact with the microtextured elastomeric layer over substantially the entire laminate wherein the microtexture is formed by stretching the untextured laminate past the skin’s elastic limit and allowing the sostreched laminate to recover.

und in der eingetragenen deutschen Übersetzung:

Elastomerer Schichtstoff, dadurch gekennzeichnet, dass der Schichtstoff mindestens eine mikrotexturierte elastomere Schicht und mindestens eine mikrotexturierte Außenhaut in durchgehendem Kontakt mit der mikrotexturierten elastomeren Schicht über im Wesentlichen den gesamten Schichtstoff aufweist, wobei die Mikrotextur gebildet wird durch Verstrecken des nichttexturierten Schichtstoffes über die Elastizitätsgrenze der Außenhaut hinaus und Rückbildenlassen des so verstreckten Schichtstoffes.

Die nachfolgenden Abbildungen zeigen ein bevorzugtes Ausführungsbeispiel der Erfindung. Figur 1 bildet ein Querschnittssegment eines extrudierten Schichtstoffes vor der Mikrostrukturierung ab:

In Figur 2 ist ein Querschnittssegment von Figur 1 des Schichtstoffes, bei dem die Mikrotexturierung durch unaxiales Verstrecken einer erfindungsgemäßen Folie bewirkt wurde, abgebildet.

Der deutsche Teil des Klagepatents steht in Kraft. Jedoch hat die Beklagte zu 1) gegen den deutschen Teil des Klagepatents mit Schriftsatz vom 10.10.2008 Nichtigkeitsklage erhoben, über welche das Bundespatentgericht bisher nicht entschieden hat.

Die Beklagte zu 2) stellt in X her und vertreibt - über die Beklagte zu 1) - unter der Bezeichnung "F" eine mehrlagige Laminatfolie, welche die Beklagte zu 1) an die Abnehmeranschrift "G", , am 25.10.2006 abgesandt hat (im Folgenden: angegriffene Ausführungsform). Die Vermittlung dieses Auftrages erfolgte durch Herrn H von der Beklagten zu 1). Bei der angegriffenen Ausführungsform handelt es sich um eine Verbundfolie mit einem mehrlagigen Aufbau. Die äußeren Schichten sind sogenannte Non-Woven-Schichten (Schichten aus Vliesstoff), welche auf eine 3-lagige Laminatfolie aufgeklebt sind. Diese 3-lagige Laminatfolie besteht aus zwei (äußeren), aus Polyethylen bestehenden Skinlagen und einer Kernlage, die aus SIS-Block-Copolymer gebildet ist. Hinsichtlich der weiteren Ausgestaltung der angegriffenen Ausführungsform wird auf die Fotografien in den Anlagen K 4 bis K 6 Bezug genommen.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass die angegriffene Ausführungsform von Patentanspruch 1 des Klagepatents wortsinngemäß Gebrauch macht. Nachdem die A der Klägerin die sich aus den hier streitgegenständlichen Patentverletzungshandlungen der Beklagten ergebenden Ansprüche auf Schadenersatz, Rechnungslegung und Vernichtung unstreitig abgetreten und die Klägerin zur Prozessführung in eigenem Namen ermächtigt hat, nimmt sie die Beklagten deshalb auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Vernichtung sowie Schadenersatz in Anspruch.

Die Klägerin beantragt daher,

zu erkennen wie geschehen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise: den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die beim Bundespatentgericht gegen das Klagepatent eingereichten Nichtigkeitsklage auszusetzen.

Die Beklagten bestreiten den gegen sie erhobenen Vorwurf der Patentverletzung. Im Übrigen sind sie der Auffassung, dass sich der deutsche Teil des Klagepatents jedenfalls als nicht rechtsbeständig erweisen werde, was den hilfsweise gestellten Aussetzungsantrag rechtfertige.

Die Klägerin tritt diesem Vorbringen, insbesondere auch dem Aussetzungsantrag der Beklagten, entgegen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg. Der Klägerin stehen gegen die Beklagten Ansprüche auf Unterlassung, Auskunftserteilung und Rechnungslegung, Schadenersatz und Vernichtung aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. §§ 139 Abs.1 und 2, 140 a Abs. 1, 140 b Abs. 1 PatG i.V.m. §§ 242, 259 BGB zu.

I.

Die Erfindung nach dem Klagepatent betrifft elastomere Folien, insbesondere Schichtstoffe, welche besonders für den Einsatz bei Bekleidungsstücken geeignet sind.

Als Stand der Technik nennt die Klagepatentschrift zunächst die I, welche ein dreilagiges Verbundstoffmaterial beschreibt, bei welchem die mittlere Kernschicht elastisch und die Hautschichten nicht elastisch sind. Die dort offenbarte Folie wird durch Coextrusion, Verstrecken der resultierenden Folie und Entspannen der verstreckten Folie hergestellt. Die Kontraktion des elastomeren Kerns bewirkt ein Separieren der Außenhäute von dem Kern unter Erzeugung einer geriffelten Oberfläche auf den Außenhäuten.

Die Beschreibung des Klagepatents führt weiter aus, dass elastomere Folien in der Literatur im Zusammenhang mit ihrer Anwendung bei Wegwerfprodukten, wie beispielsweise bei Babywindeln und Inkontinenzmitteln, diskutiert werden. Als Beispiele für die Verwendung von elastomeren Bändern in den Bundabschnitten von Windeln nennt die Klagepatentschrift beispielhaft die J sowie die K, in denen die Verwendung elastomerer Materialien beschrieben wird, die über eine wärmestabile und wärmeunstabile Form verfügen. Die wärmestabile Form wird durch Strecken des Materials beim Erhitzen im Bereich seiner kristallinen oder Phasenumwandlungstemperatur zweiter Ordnung erzeugt, gefolgt von einem raschen Abkühlen bis zum Einfrieren in der wärmeunstabilen, gedehnten Form. Die wärmeunstabile, elastomere Folie kann danach zum Beispiel auf die Windel aufgebracht und zu ihrer wärmestabilen, elastomeren Form erhitzt werden. Dies hat sodann ein angestrebtes Kräuseln oder Zusammenziehen des Bundes zur Folge. Hierbei bezeichnet es die Klagepatentschrift jedoch neben den Kosten als nachteilig, dass die Temperatur, auf die das Material zur Freigabe der wärmeunstabilen Form erhitzt werden muss, eine dem zu verwendenden Material innewohnende und im Wesentlichen nichtveränderbare Eigenschaft ist. Nach der Beschreibung des Klagepatents kann diese extreme Inflexibilität zu schwerwiegenden Problemen führen. Zunächst ist es schwieriger, die übrigen Materialien, mit denen das Bundmaterial zusammenkommt, so anzusetzen, dass sie mit der Temperatur kompatibel sind, auf die der elastomere Teil erhitzt werden muss, um die wärmeunstabile Form zu ersetzen. Häufig ist diese Temperatur ziemlich hoch und kann so zu möglichen schwerwiegenden Problemen mit dem verwendeten Klebstoff führen, um beispielsweise den elastomeren Bund oder die rückwärtige Schutzschicht oder Decklage der Windel zu befestigen. Ist das Elastomer erst einmal gewählt worden, kann darüber hinaus die Wahl den Fertigungsprozess beschränken und ihn in bezug auf eine Vielzahl von Variationen, der Verfügbarkeit auf dem Markt und der Kosten der Ausgangsstoffe (speziell des/der Elastomers/Elastomere) sowie des Kundenbedarfs unflexibel machen (vgl. Anlage K 2, S. 1 - S. 2 oben).

Als weiteren Stand der Technik nennt die Klagepatentschrift die L in welcher ein Verfahren zum Anbringen eines gestreckt gespannten Gummibandes an ein Bekleidungsstück durch Strecken konventioneller Gummibänder und unmittelbares Einfrieren des elastomeren Materials bei relativ zur Außentemperatur extrem niedrigen Temperaturen beschrieben wird. An diesem Prozess bezeichnet es die Klagepatentschrift jedoch als nachteilig, dass dieser offensichtlich die beim Befestigen der elastomeren Faserbündel zur Anwendung kommenden Verarbeitungsbedingungen und Materialien deutlich einschränkt (vgl. Anlage K 2, S. 2 unterer Absatz).

Die Klagepatentschrift erwähnt darüber hinaus die M. Diese schlägt nach der Darstellung in der Patentbeschreibung vor, ein konventionelles Elastomer in einem gestreckten Zustand zu halten, während es mit dem zu kräuselnden Teil (z. B. eine Windel) mittels eines versteifenden Teils befestigt wird, wobei das zu versteifende Teil danach entfernt oder nach der Befestigungsprozedur zerstört wird. Entsprechend der Beschreibung werden die Elastomere zunächst gestreckt und dann auf das versteifende Teil in ihrer gestreckten Form aufgebracht (vgl. Anlage K 2, S. 3 oben).

Schließlich führt die Klagepatentschrift die N an, welche nach der Patentbeschreibung ein Elastomer vorschlägt, das bei einer erhöhten Temperatur schrumpft. Das angeblich neuartige Merkmal dieses Materials im Vergleich zu den vorstehend diskutierten Wärmeschrumpfmaterialien besteht darin, dass es während dem Verstrecken keine Vorerwärmung benötigt, sondern vielmehr bei Umgebungstemperaturen mittels eines Beschleunigungswalzenprozesses oder durch Kaltwalzen gestreckt werden kann (vgl. Anlage K 2, S. 3 erste Hälfte).

Bei den im Stand der Technik bekannten Laminatfolien besteht jedoch der Nachteil, dass die bekannten Elastomere relativ unveränderliche Spannungs/Dehnungseigenschaften zeigen, die nicht unabhängig von der Aktivierungstemperatur gewählt werden können. Materialien mit einem hohen Elastizitätsmodul sind jedoch für den Träger unbequem, wobei die durch das relativ steife Material verursachten Probleme durch den Reibungskoeffizienten und durch eine Einschnürung des Elastomers stark vergrößert werden können, was dazu führt, dass das Material den Träger stört oder kratzt (vgl. Anlage K 2, S. 4. 2. Absatz).

Dem Klagepatent liegt daher die Aufgabe (das technische Problem) zugrunde, eine mehrlagige Laminatfolie für Anwendungen bei Wegwerfprodukten wie beispielsweise Babywindeln und Inkontinenzmitteln bereit zu stellen, welche die im Stand der Technik vorhandenen, in der Klagepatentschrift auf den Seiten 1 bis 4 beschriebenen Nachteile überwindet.

Dies geschieht nach Patentanspruch 1 durch eine Kombination der folgenden Merkmale:

1. Elastomerer Schichtstoff

2. Der Schichtstoff weist auf

2.1. mindestens eine mikrotexturierte elastomere Schicht

2.2. und mindestens eine mikrotexturierte Außenhaut,

2.3. die Außenhaut ist in durchgehendem Kontakt mit der mikrotexturierten elastomeren Schicht über im Wesentlichen den gesamten Schichtstoff,

3. wobei die Mikrotextur gebildet wird durch Verstrecken des nichttexturierten Schichtstoffes über die Elastizitätsgrenze der Außenhaut hinaus und Rückbildenlassen des so verstreckten Schichtstoffes.

II.

Den Kern der Erfindung bildet somit ein aus mindestens zwei Schichten bestehender elastomerer Schichtstoff, welcher aus mindestens einer mikrotexturierten elastomeren Schicht und mindestens einer mikrotexturierten Außenhaut besteht. Dabei muss die Außenhaut über im Wesentlichen den gesamten Schichtstoff in durchgehendem Kontakt mit der mikrotexturierten elastomeren Schicht stehen.

1.

Was das Klagepatent unter dem Begriff der Mikrotextur versteht, definiert Patentanspruch 1 nicht. Der Fachmann entnimmt Merkmal 3 lediglich, dass die Mikrotextur durch Verstrecken des nichttexturierten Schichtstoffes über die Elastizitätsgrenze der Außenhaut hinaus und durch Rückbildenlassen des so verstreckten Schichtstoffes gebildet wird.

Nähere Angaben zum Begriff der Mikrotextur werden dem Fachmann jedoch in der Patentbeschreibung offenbart. Aus der Zusammenfassung der Erfindung erfährt der Fachmann zunächst, dass die Mikrotexturierung das Komfortmaß des elastomeren Materials erhöht, was durch die spürbare Herabsetzung des Reibungskoeffizienten und Elastizitätsmoduls des Schichtstoffes ergänzt wird. In bevorzugten Ausführungsformen der Erfindung kann die Haut(schicht) nach der Patentbeschreibung ferner dazu dienen, eine kontrollierte Ablösung oder Erholung des verstreckten Elastomers zu ermöglichen und das Elastizitätsmodul des elastomeren Schichtstoffes zu modifizieren und/oder die Form des elastomeren Schichtstoffes zu stabilisieren (vgl. Anlage K 2, S. 4, unten).

Diese allgemeine Beschreibung der Mikrotextur wird in der detaillierten Beschreibung der bevorzugten Ausführungsformen der Erfindung konkretisiert. Danach bedeutet der Begriff Mikrostruktur, welchen das Klagepatent synonym für Mikrotextur verwendet, dass die Oberfläche, deren Einzelheiten lediglich bei einer Vergrößerung ersichtlich sind, Unregelmäßigkeiten oder Faltungen mit Spitzen und Tälern enthält, die ausreichend groß sind, um eine für das bloße menschliche Auge sichtbare Erhöhung der Opazität (der Lichtundurchlässigkeit) gegenüber dem Zustand vor dem Mikrostrukturieren zu bewirken. Andererseits sollen die Unregelmäßigkeiten jedoch auch ausreichend klein sein, um von der menschlichen Haut als glatt oder weich wahrgenommen zu werden ("...and which irregularities are small enough to be perceived as smooth or soft to human skin.", vgl. Anlage K 1, S. 4, Z. 15 - 17). Aus der Beschreibung der bevorzugten Ausführungsbeispiele erfährt der Fachmann weiter, dass sich durch die Strukturierung der Opazitätswert einer klaren Folie um mindestens 20 Prozent, bevorzugt um 30 Prozent erhöht, wobei der Grad der Erhöhung maßgeblich von der Texturierung des Schichtstoffes abhängt. Die Opazitätszunahme ist darüber hinaus auch umkehrbar in dem Maße, dass die Folie bei einem erneuten Verstrecken wiederum klar wird (vgl. Anlage K 2, S. 18, 3. Absatz; "The opacity increase is also reversible to the extent that when restretched, the film will clear again.", Anlage K 1, S. 7, Z. 34 - 35). Schließlich bewirkt die Art und Weise, in welcher die Folie verstreckt wird, einen ausgeprägten Unterschied in der Textur der mikrotexturierten Oberfläche (vgl. Anlage K2, S. 17, Mitte).

Ein Querschnittssegment eines Schichtstoffes, bei dem die Mikrotexturierung durch uniaxiales Verstrecken der erfindungsgemäßen Folie bewirkt wurde, zeigen die Figur 2 und die Elektronenrastermikroskopie gemäß Figur 3. Der zugehörigen Beschreibung entnimmt der Fachmann, dass die mikrostrukturierte Oberfläche aus relativ systematischen Unregelmäßigkeiten besteht, wobei diese entweder uniaxial oder biaxial verstreckt wurde. Die Unregelmäßigkeiten erhöhen die Opazität und verringern den Glanz der Oberflächenschichten des Schichtstoffes, führen jedoch im Allgemeinen bei der Untersuchung der Schicht unter einem Rasterelektronenmikroskop nicht zu Rissen oder Öffnungen in der Oberflächenschicht. Des Weiteren erzeugt ein biaxiales Verstrecken nach der Patentbeschreibung einen Schichtstoff, der in einer Vielzahl von Richtungen gestreckt wird und so seinen weichen "Griff" bewahrt, wodurch sich der so verstreckte Schichtstoff insbesondere für den Bereich der Bekleidung eignet (vgl. Anlage K 2, S. 16 unten - S. 17 oben, S. 20, 2. Absatz). Der Schichtstoff kann weiterhin "nichteinschnürend" sein, was ihn insbesondere auch für eine Verwendung bei Wegwerfwindeln, bei Badekappen und bei Inkontinenzbekleidungen für Erwachsene geeignet erscheinen lässt (vgl. Anlage K 2, S. 20 f.). Da sich durch das Mikrotexturieren (teilweise) eingeschlossene Räume bilden können und Flächengebilde stark variierender Längen und Breiten entstehen, ist der mikrotexturierte Schichtstoff, insbesondere unter Berücksichtigung der Möglichkeit der elektrostatischen Aufladung durch Reibung, auch in einer flächigen Form als Wischtuch verwendbar (vgl. Anlage K 2, S. 22 Mitte). Darüber hinaus lassen sich mit Hilfe des mikrotexturierten Schichtstoffes Schichtstofffolien oder Bänder mit besonders ästhetischem Aussehen erzeugen (vgl. Anlage K 2, S. 22 unten).

Aus der Patentbeschreibung erfährt der Fachmann weiter, dass sich der Grad der Mikrotexturierung elastomerer Stoffe, die gemäß der Erfindung hergestellt werden, auch in Bezug auf die Zunahme des Oberflächeninhalts der Haut beschreiben lässt. Wo der Schichtstoff starke Texturen zeigt, nimmt der Oberflächeninhalt deutlich zu. Normalerweise erhöht das Mikrotexturieren den Oberflächeninhalt mindestens um 50 Prozent, vorzugsweise jedoch um 100 bis 250 Prozent, wobei die Zunahme des Oberflächeninhalts unmittelbar zu der gesamten Textur und dem "Griff" der Schichtstoff-Oberfläche beiträgt (vgl. Anlage K 2, S. 18, 2. Absatz).

Schließlich zeigt die Patentbeschreibung eine Vielzahl von Eigenschaften auf, welche durch die Mikrotexturierung bzw. Mikrostrukturierung der Hautschicht erzielt werden. So hemmt die Hautschicht die elastische Kraft der Kernschicht mit einer entgegenwirkenden Widerstandskraft. Die Haut streckt sich nach der Aktivierung des Schichtstoffes nicht mit dem Elastomer, sondern faltet sich zu einem starren Flächengebilde auseinander (vgl. Anlage K 2, S. 13 oben). Ferner kann durch die Mikrostrukturierung der Reibungskoeffizient (COF) herabgesetzt werden (vgl. Anlage K 2, S. 13 unten). Darüber hinaus wird durch die mikrotexturierte Oberfläche der Folie deren Beschriftungsfähigkeit verbessert (vgl. Anlage K 2, S. 14, 2. Absatz).

III.

Ausgehend von diesem Verständnis macht die angegriffene Ausführungsform wortsinngemäß von der technischen Lehre von Patentanspruch 1 Gebrauch.

1.

Unstreitig handelt es sich bei der angegriffenen Ausführungsform um einen elastomeren Schichtstoff, der aus einer elastomeren (Kern-) schicht und zwei Außenhäuten besteht (Merkmalsgruppe 1).

2.

Des Weiteren weist der Schichtstoff mit der Kernschicht eine mikrotexturierte elastomere Schicht (Merkmal 2.1.) und zwei mikrotexturierte Außenhäute auf (Merkmal 2.2.).

a)

Soweit die Beklagten im Hinblick auf Merkmal 2.2. zunächst geltend machen, es ergebe sich aus der Patentschrift nicht deutlich, wie die elastomere Kernschicht mikrotexturiert sein soll, da sich die Beschreibung der Mikrotextur nur auf die Hautschichten beziehe, trifft dies nicht zu. Bereits aus Figur 2 ist ersichtlich, dass dort - anders als bei der in der Klagepatentschrift als Stand der Technik zitierten O- nicht nur die Außenschichten, sondern auch die elastomere Kernschicht Spitzen und Täler aufweist. Dies steht im Einklang mit der Beschreibung des Kontakts zwischen der elastomeren Schicht und der Hautschicht, wonach das Kernmaterial die Hautschicht möglichst vollständig ausfüllen soll (vgl. Anlage K 2, S. 19, 2. Absatz). Das setzt jedoch voraus, dass die Kernschicht ebenfalls mikrotexturiert ist.

b)

Wie aus den Anlagen K 4 - K 6, insbesondere aus der Anlage K 4a, ersichtlich ist, weist die angegriffene Ausführungsform Faltungen mit Spitzen und Tälern auf. Des Weiteren wird diese unstreitig, was auch eine Inaugenscheinnahme der als Anlage B 3 vorgelegten Muster zeigt, durch die menschliche Haut als glatt empfunden. Darüber hinaus hat die Klägerin mit dem als Anlagen K 10 und K 10a vorgelegten Privatgutachten gezeigt, dass die gestreckten Bereiche ("High Stretch-Zonen) wie im Klagepatent beschrieben (vgl. Anlage K 2, S. 16 unten) einen geringeren Glanz aufweisen als die nicht gestreckten Bereiche ("Low Stretch"-Zonen). Das Privatgutachten kommt unter Anwendung verschiedener, im Einzelnen beschriebener Untersuchungsmethoden zu dem Ergebnis, dass der Glanz in den aktivierten Bereichen (HS-Zonen) erheblich geringer als in den unaktivierten Bereichen (LS-Zonen) ist. Dies wird auch durch eine Inaugenscheinnahme der als Anlage B 3 vorgelegten Muster bestätigt. Dort ist der Glanz der helleren, verstreckten Bereiche geringer als der Glanz der dunkleren, unverstreckten Bereiche.

c)

Des Weiteren ist bei der angegriffenen Ausführungsform für das bloßemenschliche Auge wahrnehmbar die Opazität der mikrotexturierten Bereiche gegenüber der Opazität der ungestreckten Bereiche erhöht. Unstreitig handelt es sich bei den hellen Streifen der angegriffenen Ausführungsform um die aktivierten (gestreckten) Bereiche, während die nicht aktivierten (ungestreckten) Bereiche dunkler erscheinen. Entgegen der Auffassung der Beklagten sind hellere Bereiche jedoch nicht allgemein lichtdurchlässiger. Bereits eine Inaugenscheinnahme der durch die Beklagten vorgelegten Muster (Anlage B 3) zeigt, dass die heller erscheinenden Streifen lichtundurchlässiger als die dunkler erscheinenden Streifen sind. Dies wird durch das durch die Klägerin als Anlagen K 7 und K 7a vorgelegte Privatgutachten bestätigt. Bild 8 des Privatgutachtens zeigt deutlich, dass die äußeren, gestretchten Bereiche lichtundurchlässiger als der mittlere, ungestretchte Bereich sind.

d)

Ohne Erfolg berufen sich die Beklagten schließlich darauf, bei der angegriffenen Ausführungsform sei die Opazitätszunahme nicht wie im Klagepatent beschrieben in dem Maße umkehrbar, dass die Folie beim erneuten Verstrecken wiederum klar sei (vgl. Anlage K 2, S. 18, 3. Absatz). Es mag sein, dass auch bei einem erneuten Verstrecken die hellen und dunklen Streifen nach wie vor sichtbar sind. Bereits aus der Formulierung in der Patentbeschreibung erkennt der Fachmann jedoch, dass die Opazitätszunahme in dem Maß umkehrbar sein soll, wie sie beim erstmaligen Verstrecken eingetreten ist. Nur wenn die Folie vor dem erstmaligen Verstrecken klar war, soll sie auch wieder klar werden. Die Folie soll damit unter dem Gesichtspunkt der Opazität letztlich in den Ausgangszustand zurückversetzt werden. Wie aus dem als Anlagen K 7 und K 7a vorgelegten Privatgutachten ersichtlich ist, findet eine derartige Umkehr der Opazitätszunahme bei der angegriffenen Ausführungsform jedoch statt. Foto 8 des Privatgutachtens zeigt die gestreckten und ungestreckten Bereiche in 100-fachter Vergrößerung, ohne dass ein erneutes Verstrecken stattgefunden hat. Demgegenüber zeigt Foto 20 die entsprechenden Bereiche in gleicher Vergrößerung, jedoch erneut verstreckt. Hier ist deutlich sichtbar, dass die Lichtdurchlässigkeit des linken und rechten Streifens (HS-Zone) deutlich zugenommen und damit die Opazität wieder abgenommen hat. Mithin ist die Zunahme der Opazität bei der angegriffenen Ausführungsform auch umkehrbar.

3.

Die Außenhäute sind darüber hinaus im Wesentlichen über den gesamten Schichtstoff in durchgehendem Kontakt mit der mikrotexturierten elastomeren Schicht (Merkmal 2.3.).

a)

Das Klagepatent definiert nicht, was unter dem Merkmals des "im Wesentlichen durchgehenden Kontakts der elastomeren Schicht mit der Außenhaut" zu verstehen ist. Der Patentbeschreibung entnimmt der Fachmann lediglich, dass der Kontakt von Hautschicht und Kernschicht in Abhängigkeit von Haut und Kern variiert. Nach einer durch das Klagepatent als bevorzugt bezeichneten Gestaltung bleiben der Kern und die Haut - wie in Figur 2 dargestellt - in vollständigem Kontakt und füllen die von den Hautschichten gebildeten Falten, was zu einer außerordentlich dauerhaften und für eine Delaminierung nicht anfälligen Konstruktion führt. Eine Variation dieser Konstruktion mit durchgehendem Kontakt ist dort möglich, wo das Elastomer die Hautfaltungen füllt, wobei unter den Faltungen ein kohäsives Abreißen beobachtet wurde. Darüber hinaus ist es - wie in Beispiel 32 dargestellt - auch möglich, dass sich der Kern in einigen Fällen von der Haut unter den Faltungen vollständig zurückzieht, jedoch so ausreichend befestigt bleibt, dass die Haut nicht delaminiert wird (vgl. Anlage K 2, S. 19 unten - S. 20 oben). Bereits aus der Tatsache, dass das Klagepatent diese Konstruktion als "nicht wünschenswert" ("not desirable generally", vgl. Anlage K 1, S. 7, Z. 57, Anlage K 2, S. 20, oben) bezeichnet, erkennt der Fachmann, dass eine derartige Konstruktion durch das Klagepatent nicht angestrebt wird und es sich somit auch nicht wie von Patentanspruch 1 gefordert um einen durchgehenden Kontakt über im Wesentlichen den gesamten Schichtstoff handelt.

Eine Bestätigung dieser Auslegung erhält der Fachmann aufgrund der Abgrenzung der Erfindung von dem in der Klagepatentschrift zitierten Stand der Technik. Das Klagepatent zitiert als Stand der Technik ausdrücklich die US 4,480,682, bei welcher die mittlere Kernschicht elastisch und die Hautschichten nicht elastisch ausgebildet sind. Dabei bewirkt die Kontraktion des elastomeren Kerns ein Separieren der Außenhäute von dem Kern unter Erzeugung einer geriffelten Oberfläche auf den Außenhäuten (vgl. Anlage K 2, S. 1, zweiter Absatz). Von diesem Stand der Technik möchte sich Patentanspruch 1 des Klagepatents unter anderem dadurch abgrenzen, dass danach die Außenhaut in durchgehendem Kontakt mit der mikrotexturierten elastomeren Schicht über im Wesentlichen den gesamten Schichtstoff steht und sich damit die Außenschicht - anders als in Figur 2 der P dargestellt - bei dem Entstehen der Mikrostruktur nicht von der Kernschicht löst.

Im Ergebnis ist das Erfordernis eines "im Wesentlichen vollständigen Kontakts" somit derart zu verstehen, dass die Hautschichten grundsätzlich mit dem Kernmaterial in einem vollständigen Kontakt stehen, indem das Kernmaterial die von den Hautschichten gebildeten Falten vollständig ausfüllt. Dabei kann es unter den Faltungen auch zu einem kohäsiven Abreißen kommen, solange auch dort das Elastomer weiterhin die Hautfaltungen füllt.

b)

Dies vorausgeschickt steht die Außenhaut bei der angegriffenen Ausführungsform in durchgehendem Kontakt mit der mikrotexturierten elastomeren Schicht im Wesentlichen über den gesamten Schichtstoff.

Ohne Erfolg berufen sich die Beklagten darauf, bei der angegriffenen Ausführungsform würden lediglich Streifen verstreckt. Lediglich in diesen Streifen komme es zu einem "Kräuseln", nicht aber in den unverstreckten Bereichen. Es mag sein, dass damit die "mikrotexturierten" Bereiche der elastomeren Schicht und der Außenhaut bestenfalls in etwa 70 Prozent der Fläche in durchgängigem Kontakt mit der Außenhaut stehen. Unter Zugrundelegung der gebotenen funktionsorientierten Auslegung erkennt der Fachmann jedoch bereits aus der Formulierung des Patentanspruchs, dass Merkmal 2.3. lediglich einen durchgehenden Kontakt der mikrotexturierten (elastomeren) Kernschicht mit der Außenhaut im Wesentlichen über den gesamten Schichtstoff fordert. Dort, wo die elastomere Schicht nicht mikrotexturiert ist, bedarf es auch keines Kontakts der mikrotexturierten elastomeren Schicht mit der Außenhaut, sondern lediglich eines Kontakts der elastomeren Schicht mit der Außenhaut. Patentanspruch 1 fordert nicht, dass die gesamte elastomere und die gesamte Außenhaut mikrotexturiert ist. Wie der Fachmann Merkmal 2.3. entnimmt, ist die Außenhaut danach in durchgehendem Kontakt mit der mikrotexturierten Schicht über im Wesentlichen den gesamten Schichtstoff. Hinsichtlich des Kontakts zwischen der mikrotexturierten elastomeren Schicht und der Außenhaut fordert Patentanspruch 1 somit ausdrücklich, dass der Kontakt im Wesentlichen über den gesamten Schichtstoff besteht. Demgegenüber fordern die Merkmale 2.1. und 2.2. lediglich, dass der Schichtstoff mindestens eine mikrotexturierte elastomere Schicht und mindestens eine mikrotexturierte Außenhaut aufweist. Eine dahingehende Einschränkung, dass der gesamte Schichtstoff einen derartigen Aufbau aufweisen muss, ist den Merkmalen 2.1. und 2.2. demgegenüber nicht zu entnehmen.

Dass die Kernschicht im Wesentlichen über den gesamten Schichtstoff in durchgehendem Kontakt steht, haben die Beklagten jedoch nicht bestritten und ist insbesondere auch aus der Darstellung gemäß Anlage K 4a ersichtlich.

4.

Schließlich wird die Mikrotextur durch Verstrecken des nichttexturierten Schichtstoffes über die Elastizitätsgrenze der Außenhaut hinaus und durch Rückbildenlassen des so verstreckten Schichtstoffes gebildet (Merkmal 3). Soweit sich die Beklagten darauf berufen, bei der angegriffenen Ausführungsform würden nur einzelne Streifen verstreckt, führt dies nicht aus dem Schutzbereich des Klagepatents heraus.

Nach dem Vortrag der Beklagten, welchen sich die Klägerin zu eigen gemacht hat, besteht die angegriffene Ausführungsform aus einem koextrudierten Film mit zwei Skinlagen und einer Kernlage. Nach dem Koextrudieren wird der Film einer sog. Intermeshing Gear Aktivierung unterzogen, bevor auf beiden Seiten ein Non-Woven angebracht wird. Bei der Intermeshing Gear Aktivierung läuft der Film durch eine Walzenanordnung. Die Walzen dieser Anordnung haben ringförmige Furchen in ihren Oberflächen, so dass sich auf jeder Walze immer ringförmige erhabene Abschnitte und ringförmige Vertiefungen abwechseln. Die erhabenen Bereiche der einen Walze greifen dabei jeweils in die Vertiefungen der anderen Walze. Hierbei sind die Abstände zwischen den Umfangsflächen der erhabenen Bereiche der einen Walze und den Umfangsflächen der Furchen der anderen Walze so gewählt, dass der Film zwischen diesen Flächen unter so starkem Druck hindurch läuft, dass er dort nicht gestreckt werden kann. Des Weiteren sind die Abstände zwischen den Seitenflächen der erhabenen Bereiche der Walze und den Seitenflächen der Furchen der anderen Walze (sowie zwischen den Seitenflächen der Furchen der einen Walze und den Seitenflächen der anderen Walze) so gewählt, dass von diesen Flächen kein Druck auf den Film ausgeübt wird, so dass er in diesen Bereichen gestreckt werden kann. Die Streckung erfolgt hierbei über die Elastizitätsgrenze der Skinlage hinaus, so dass das Laminat elastomer wird.

Die Mikrostruktur der elastomeren Kernschicht sowie der zwei Außenhäute wird somit dadurch gebildet, dass der nichttexturierte Schichtstoff über die Elastizitätsgrenze der Außenhaut hinaus verstreckt und der so verstreckte Schichtstoff anschließend Rückbildengelassen wird. Patentanspruch 1 fordert - wie bereits dargelegt - nicht, dass der gesamte Schichtstoff verstreckt wird.

IV.

Da die angegriffene Ausführungsform mithin ein Erzeugnis darstellt, welches Gegenstand des Klagepatents ist, ohne dass die Beklagten zu einer Nutzung des Klagepatents berechtigt sind (§ 9 S. 2 Nr. 1 PatG), rechtfertigen sich die tenorierten Rechtsfolgen.

1.

Die Beklagten machen durch den Vertrieb der angegriffenen Ausführungsform in Deutschland widerrechtlich von der technischen Lehre des Klagepatents Gebrauch, so dass sie gegenüber der Klägerin zur Unterlassung verpflichtet sind (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 1 PatG).

2.

Des Weiteren haben die Beklagten der Klägerin Schadenersatz zu leisten (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 139 Abs. 2 PatG), denn als Fachunternehmen hätten sie die Patentverletzung durch die angegriffene Ausführungsform bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt erkennen können, § 276 BGB. Die genaue Schadenshöhe steht derzeit noch nicht fest. Da es jedoch ausreichend wahrscheinlich ist, dass der Klägerin durch die rechtsverletzenden Handlungen der Beklagten ein Schaden entstanden ist und dieser von der Klägerin noch nicht beziffert werden kann, weil sie ohne eigenes Verschulden in Unkenntnis über den Umfang der Benutzungs- und Verletzungshandlungen ist, ist ein rechtliches Interesse der Klägerin an einer Feststellung der Schadenersatzverpflichtung dem Grunde nach anzuerkennen, § 256 ZPO.

3.

Damit die Klägerin in die Lage versetzt wird, den ihr zustehenden Schadenersatzanspruch zu beziffern, sind die Beklagten im zuerkannten Umfang zur Auskunftserteilung und Rechnungslegung verpflichtet (§§ 242, 259 BGB). Die Klägerin ist auf die zuerkannten Angaben angewiesen, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt. Darüber hinaus werden die Beklagten durch die von ihnen verlangten Auskünfte nicht unzumutbar belastet. Die Beklagten haben schließlich über Herkunft und Vertriebsweg der rechtsverletzenden Erzeugnisse Auskunft zu erteilen (Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140 b PatG). Soweit ihre nicht gewerblichen Abnehmer und bloßen Angebotsempfänger hiervon betroffen sind, ist den Beklagten im Hinblick auf ihre Rechnungslegungspflicht in Bezug auf ihre nicht gewerblichen Abnehmer und Angebotsempfänger ein Wirtschaftsprüfervorbehalt einzuräumen (vgl. Oberlandesgericht Düsseldorf, Urteil vom 20.09.2001, Az.: 2 U 91/00).

4.

Darüber hinaus hat die Klägerin gegen die Beklagten einen Anspruch auf Vernichtung der in ihrem Besitz oder Eigentum befindlichen Erzeugnisse, die Gegenstand des Patents sind, aus Art. 64 Abs. 1 EPÜ i.V.m. § 140 a Abs. 1 S. 1 PatG. Anhaltspunkte dafür, dass die Vernichtung ausnahmsweise im Sinne von § 140 a Abs. 4 PatG unverhältnismäßig ist, sind weder aus dem Vortrag der Beklagten, noch aus den Umständen zu erkennen.

V.

Für eine Aussetzung der Verhandlung besteht keine Veranlassung,§ 148 ZPO.

1.

Nach ständiger Rechtsprechung der Kammer (Mitt. 1988, 91 - Nickel-Chrom-Legierung; BIPMZ 1995, 121 - Hepatitis-C-Virus), die auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf (GRUR 1979, 188 - Flachdachabläufe; Mitt. 1997, 257, 258 - Steinknacker) und vom Bundesgerichtshof (GRUR 1987, 2784 - Transportfahrzeug) gebilligt wird, stellen ein Einspruch gegen das Klagepatent oder die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als Solche noch keinen Grund dar, den Verletzungsrechtstreit auszusetzen, weil dies faktisch darauf hinauslaufen würde, dem Angriff auf das Klagepatent eine den Patentschutz hemmende Wirkung beizumessen, die dem Gesetz fremd ist. Die Interessen der Parteien sind vielmehr gegeneinander abzuwägen, wobei grundsätzlich dem Interesse des Patentinhabers an der Durchsetzung seines erteilten Patents Vorrang gebührt. Die Aussetzung kommt deshalb nur dann in Betracht, wenn mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Widerruf oder eine Vernichtung des Klagepatents zu erwarten ist. Dies kann regelmäßig dann nicht angenommen werden, wenn der dem Klagepatent am nächsten kommende Stand der Technik bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden ist oder wenn neuer Stand der Technik lediglich belegen soll, dass das Klagepatent nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht, sich jedoch auch auf eine Bejahung der Erfindungshöhe, die von der wertenden Beurteilung der hierfür zuständigen Instanzen abhängt, zumindest noch vernünftige Argumente finden lassen.

2.

Dies vorausgeschickt liegen die Voraussetzungen einer Aussetzung der Verhandlung nicht vor.

a)

Die durch Patentanspruch 1 beanspruchte technische Lehre wird in der Klagepatentschrift hinreichend offenbart. Soweit sich die Beklagen darauf berufen, die Beschreibung des Klagepatents gebe dem Fachmann nicht genügend Informationen, wie die Merkmale "mikrotexturierte Skinlage" und "die Skinlage steht mit der elastomeren Lage im kontinuierlichen Kontakt über im Wesentlichen das gesamte Laminat" zu verstehen seien, überzeugt dies nicht. Wie bereits dargelegt, werden dem Fachmann für die Auslegung dieser Begriffe in der Patentbeschreibung hinreichende Hinweise offenbart. Dies gilt insbesondere auch für das Erfordernis eines durchgehenden Kontakts der Außenhaut mit der mikrotexturierten elastomeren Schicht über im Wesentlichen den gesamten Schichtstoff. Insoweit stellt das Klagepatent klar, das idealerweise die Kern- und die Hautschicht in vollständigem Kontakt stehen, wobei das Kernmaterial die von den Hautschichten gebildeten Falten vollständig ausfüllt. Auch ist es möglich, dass das Elastomer die Hautfaltungen zwar füllt, jedoch unter den Faltungen ein kohäsives Abreißen eintritt. Demgegenüber ist es nicht erwünscht, dass sich der Kern von der Haut unter den Faltungen zurückzieht, jedoch ausreichend befestigt bleibt, dass die Haut nicht delaminiert (vgl. Anlage K 2, S. 19 unten - S. 20 oben). Der Fachmann erkennt somit aus der Patentbeschreibung, dass patentgemäß in Abgrenzung zu der im Stand der Technik aus der I ("Hazelton") bekannten Lösung die Kernschicht die Faltungen der Hautschicht ausfüllen soll, so dass dadurch wie von Merkmal 2.3. gefordert über im Wesentlichen den gesamten Schichtstoff ein durchgehender Kontakt zwischen der Außenhaut und der mikrotexturierten (elastischen) Kernschicht besteht. Lediglich ein kohäsives Abreißen unter den Faltungen wird patentgemäß (noch) geduldet (vgl. Anlage K 2, S. 19, unten). Zur Vermeidung von Wiederholungen wird im Übrigen auf die Ausführungen zur Auslegung des Klagepatents Bezug genommen.

b)

Darüber hinaus wird die durch die Patentanspruch 1 beanspruchte technische Lehre nicht durch die bereits im Patenterteilungsverfahren berücksichtigte und im Klagepatent ausdrücklich als Stand der Technik gewürdigte Oneuheitsschädlich offenbart.

Die Entgegenhaltung beschreibt eine mehrschichtige koextrudierte Folie, also eine mehrlagige Laminatfolie. Nach Anspruch 1 i.V.m. den Figuren 1 und 2 i.V.m. der Beschreibung umfasst diese Laminatfolie wenigstens eine thermoplastische, im Wesentlichen unelastische Hautschicht (12) ("thermoplastic skin layer") sowie eine Kernlage (11) ("elastomeric core layer"). Die aus einem thermoplastischen Material hergestellte Hautschicht ist an beabstandeten Kontaktflächen an der Kernschicht befestigt und weist eine in Maschinenrichtung oder Querrichtung mikrogewellte Oberfläche auf. Wie der Fachmann insbesondere aus Figur 2 der Entgegenhaltung erkennt, weist lediglich die mindestens eine Hautschicht, nicht aber die elastomere Kernschicht eine Mikrostruktur auf, so dass es bereits an einer Offenbarung des Merkmals 2.1. fehlt. Darüber hinaus füllt die Kernschicht die Faltungen der Hautschicht auch nicht aus. Wie bereits im Rahmen der Auslegung des Klagepatents beschrieben, steht die Außenhaut somit gerade nicht in durchgehendem Kontakt mit der Kernschicht (Merkmal 2.3.). Wenn schon wie bereits dargelegt eine Konstruktion, bei welcher sich der Kern in einigen Fällen von der Haut unter den Faltungen vollständig zurückzieht, nicht in den Schutzbereich des Klagepatents fällt, dann muss dies erst recht für eine Konstruktion gelten, bei welcher die Hautschicht lediglich an beabstandeten Kontaktflächen der Kernschicht befestigt ist.

VI.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 (1. Halbsatz) ZPO.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus §§ 709 Satz 1; 108 ZPO.

Der Streitwert wird auf 750.000,- EUR festgesetzt.

Klus Thomas Rinken

Richter am Richter Richter am

Landgericht Landgericht






LG Düsseldorf:
Urteil v. 07.05.2009
Az: 4a O 152/08 U.


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/2f8b4bea2d7a/LG-Duesseldorf_Urteil_vom_7-Mai-2009_Az_4a-O-152-08-U




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