Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg:
Beschluss vom 11. Januar 2005
Aktenzeichen: 5 S 1444/04

(VGH Baden-Württemberg: Beschluss v. 11.01.2005, Az.: 5 S 1444/04)

Tenor

Auf die Beschwerden der Antragsteller wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 19. Mai 2004 - 4 K 267/04 - geändert.

Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21. Dezember 2000 - 4 K 3026/00 - wird mit Ausnahme der Kostenentscheidung und der Streitwertfestsetzung geändert. Die Anträge der Antragsgegner auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die den Antragstellern erteilte Baugenehmigung des Landratsamts Karlsruhe vom 11. September 2000 wird abgelehnt.

Die Antragsgegner tragen die Kosten des Abänderungsverfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

Die Antragsteller begehren als Bauherren im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO die Änderung des im vorausgegangenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes erlassenen Beschlusses vom 21.12.2000, mit dem das Verwaltungsgericht Karlsruhe auf die Anträge der Antragsgegner als Nachbarn die aufschiebende Wirkung deren Widerspruchs gegen die Baugenehmigung des Landratsamts Karlsruhe vom 11.09.2000 angeordnet hat (4 K 3026/00). Ihre Bezeichnung als Antragsteller im vorliegenden Verfahren entspricht ihrer Interessenlage, denn sie begehren die Änderung des erwähnten Beschlusses in einem selbständigen Verfahren. Dementsprechend sind die im vorausgegangenen Verfahren als Antragsteller auftretenden und obsiegenden Nachbarn im vorliegenden Verfahren als Antragsgegner zu bezeichnen und ist das Land, der Antragsgegner im vorausgegangenen Verfahren, welches sich nunmehr in der Sache auf die Seite der Antragsteller gestellt hat, zum vorliegenden Verfahren beigeladen worden. Diese prozessuale Handhabung entspricht der Rechtsprechung des erkennenden Gerichtshofs (Senatsbeschl. v. 12.10.1994 - 5 S 2609/94 - UPR 1995, 55 und v. 05.10.1990 - 5 S 1828/90 - Juris; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 06.02.1997 - 8 S 29/97 - VBlBW NVwZ-RR 1998, 611; vgl. auch Eyermann/J. Schmidt, VwGO, 11. Aufl., § 80 Rdnr. 107 m.w.N.: vgl. auch, jedoch zur gebührenrechtlichen Einheit von Ausgangs- und Änderungsverfahren, BVerwG, Beschl. v. 23.07.2003 - 7 KSt 6.03, 7 VR 1/02 - BRAGOreport 2003, 217).

Die zulässigen Beschwerden der Antragsteller haben Erfolg. Zu Unrecht hat es das Verwaltungsgericht abgelehnt, seinen Beschluss vom 21.12.2000 zu ändern und die Anträge der Antragsgegner auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die den Antragstellern erteilte Baugenehmigung vom 11.09.2000 für den €Um- und Erweiterungsbau einer bestehenden Lagerhalle zur Lagerung von Bau- und Gerüstmaterialien (Gipsergeschäft)€ nunmehr abzulehnen. Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Vollziehbarkeit der den Antragstellern unter dem 01.12.2003 erteilten Nachtragsbaugenehmigung, in der zusätzlich eine Lagerfläche westlich der Halle genehmigt sowie entsprechend den Angaben im Antrag zur gewerblichen Tätigkeit für das gesamte Vorhaben bestimmt worden ist, dass Ladevorgänge, welche dem Betriebsablauf zuzurechnen sind, nicht auf der Straße verrichtet werden dürfen und soweit als möglich in der Halle bei geschlossenem Tor zu verrichten sind.

Die Anträge sind gemäß § 80 Abs. 7 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Antragsteller können die Änderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 21.12.2000 wegen veränderter Umstände beantragen. Jener die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsgegner gegen die Baugenehmigung vom 11.09.2000 anordnende Beschluss beruht darauf, dass das Verwaltungsgericht Zweifel an der Gültigkeit des vorhabenbezogenen Bebauungsplans der Stadt P... €S...€, 1. Änderung, vom 25.07.2000 hatte und sich nicht in der Lage sah, einen Verstoß gegen das § 34 Abs. 1 BauGB innewohnende Gebot der Rücksichtnahme, soweit es nachbarschützend ist, ohne Einnahme eines Augenscheins und weitere Sachverhaltsermittlungen auszuschließen. Demgegenüber hat sich die Sachlage wesentlich dadurch verändert, dass die Stadt P... im Anschluss an das den erwähnten vorhabenbezogenen Bebauungsplan für unwirksam und den Vorgängerbebauungsplan €S...€ vom 19.10.1999 für nichtig erklärende Senatsurteil vom 14.11.2002 (5 S 1635/00 - ESVGH 53, 93 = NVwZ-RR 2003, 407) den vorhabenbezogenen Bebauungsplan €S...€, 1. Änderung, am 09.09.2003 neu beschlossen und am 25.09.2003 öffentlich bekannt gemacht hat.

Die Anträge sind auch begründet. Nach Auffassung des Senats überwiegt das Interesse der Antragsteller an der sofortigen Vollziehbarkeit der Baugenehmigung vom 11.09.2000 das Interesse der Antragsgegner, hiervon jedenfalls bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren (und auch im Verfahren über ihre Normenkontrollanträge gegen den neu beschlossenen vorhabenbezogenen Bebauungsplan im Verfahren 5 S 739/04) verschont zu bleiben. Denn es ist nicht ersichtlich, dass die angefochtene Baugenehmigung die Antragsgegner in ihren Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO) und ihr Widerspruch deshalb Erfolg haben könnte.

Rechtmäßig geworden ist die angefochtene Baugenehmigung allerdings nicht schon mit dem Inkrafttreten von § 34 Abs. 3a BauGB i.d.F. von Art. 1 Nr. 24b des Gesetzes zur Anpassung des Baugesetzbuchs an EU-Richtlinien (Europarechtsanpassungsgesetz - EAG Bau) vom 24.06.2004 (BGBl. I S. 1359). Dies folgt schon daraus, dass das Landratsamt Karlsruhe als Baugenehmigungsbehörde bislang eine in § 34 Abs. 3a BauGB vorgesehene, im Ermessen der Baurechtsbehörde stehende Abweichung vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung im Einzelfall in Bezug auf Gewerbe- oder Handwerksbetriebe nicht förmlich ausgesprochen und auch sonst sein Ermessen insoweit nicht betätigt hat (vgl. § 58 Abs. 1 Satz 3 und 4 LBO und § 40 LVwVfG).

Das Vorhaben entspricht jedoch aller Voraussicht nach den Festsetzungen des vorhabenbezogenen Bebauungsplans €S...€, 1. Änderung, vom 09.09.2003 und ist deshalb nach § 30 Abs. 2 BauGB bauplanungsrechtlich zulässig. Die rechtlichen Zweifel des Verwaltungsgerichts und der Antragsgegner an der Gültigkeit dieses vorhabenbezogenen Bebauungsplans teilt der Senat bei summarischer Prüfung nicht.

Die Ausweisung des gesamten Plangebiets als Mischgebiet gemäß § 6 BauNVO unter Ausschluss von Tankstellen und Vergnügungsstätten sowohl im Lageplan als auch in § 1 der €Bauplanungsrechtlichen Festsetzungen€ führt nicht dazu, dass auf der Teilfläche des Grundstücks Flst.Nr. 2684/1, auf der das Vorhaben ausgewiesen ist, alternativ auch gänzlich andere mischgebietsverträgliche Vorhaben zulässig sind. Denn die Festsetzung eines Mischgebiets insoweit lässt die Festsetzung des Vorhabens, das Gegenstand des Durchführungsvertrags der Antragsteller mit der Stadt P... vom 09.09.2003 ist, unberührt. Es ergänzt sie nur. Dies ist gemäß § 12 Abs. 3 Satz 2 BauGB zulässig. Zwar ist nach dieser Vorschrift die Gemeinde bei der Bestimmung der Zulässigkeit des Vorhabens nicht an die Festsetzungen nach § 9 BauGB und nach der Baunutzungsverordnung gebunden. Dies schließt jedoch nicht aus, dass sich die Gemeinde zur Festsetzung des Vorhabens auch solcher Festsetzungen bedient.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts erscheint der Vorhabenplan auch hinreichend konkret. Zum Vorhaben gehören ausweislich von § 2 Abs. 1 des Satzungsbeschlusses der (Lage-)Plan mit zeichnerischen Festsetzungen vom 09.09.2003, die (€Bauplanungsrechtlichen€) €Textfestsetzungen€ vom selben Tag und die beigefügten Bauzeichnungen. In §§ 1 und 2 der €Bauplanungsrechtlichen Textfestsetzungen€ ist bestimmt, das das Vorhaben €den Um- und Erweiterungsbau einer bestehenden Lagerhalle€ €betreffe€ und dass es entsprechend der €Bauzeichnung€ auszuführen sei. Der beigefügte Lageplan und die angehefteten Bauzeichnungen bilden den Vorhabenplan, der Bestandteil des vorhabenbezogenen Bebauungsplans ist (§ 12 Abs. 1 und 3 Satz 1 BauGB). Während im Lageplan nur der Begriff Halle verwendet wird und insoweit nur der (unter Abriss der vorhandenen kleineren Halle) neu zu errichtende Teil farblich gekennzeichnet ist und ferner Festsetzungen für die Grundstücksfläche im Übrigen getroffen werden, ergibt sich aus den angehefteten Bauzeichnungen vom 09.09.2003, dass das Vorhaben nur die geplante Halle einschließlich des Umbaus der an der Grenze zu den Antragsgegnern stehenden Lagerhalle (I) umfasst. Nicht Gegenstand des Vorhabenplans ist somit die im vorhabenbezogenen Bebauungsplan festgesetzte bauliche Nutzung des Grundstücks Flst.Nr. 2684/1 im Übrigen, insbesondere auch nicht die Festsetzung eines an die Lagerhalle anschließenden Lagerplatzes und die Festsetzung von Grünflächen rund um die Halle nebst entsprechenden Pflanzgeboten.

Soweit das Verwaltungsgericht zur hinreichenden Konkretisierung des Vorhabens im Sinne von § 12 BauGB eine Betriebsbeschreibung im Vorhabenplan vermisst, vermag dem der Senat nicht zu folgen. Ein vereinbartes und in einem Vorhaben- und Erschließungsplan festgelegtes Vorhaben kann eine gewisse Bandbreite an Nutzungsmöglichkeiten umfassen und damit dem Bedürfnis des Vorhabenträgers oder der Gemeinde nach einem nicht allzu starren planerischen Rahmen Rechnung tragen. Wo die Grenzen einer derartigen flexiblen Planung mit dem Mittel des Vorhaben- und Erschließungsplans liegen, ist zwar in der Rechtsprechung noch nicht geklärt. Insoweit steht bislang nur fest, dass allein die Festsetzung eines Baugebiets nicht ausreicht und dass ein vorhabenbezogener Bebauungsplan, der ein anderes als das im Durchführungsvertrag vereinbarte Vorhaben - ein €aliud€ - zulässt, nicht zulässig wäre (BVerwG, Urt. v. 18.09.2003 - 4 CN 3.02 - NVwZ 2004, 229; Senatsurt. v. 14.11.2002 - 5 S 1635/00 - a.a.O.). Der Senat hat jedoch keine ernstlichen Zweifel daran, dass die Festsetzung eines Vorhabens als Lagerhalle in einem Mischgebiet hinreichend bestimmt im Sinne von § 12 BauGB ist. Aus einer solchen Festsetzung ergibt sich nicht nur, dass sich eine gewerbliche Nutzung des Vorhabens nach § 6 BauNVO zu richten hat, sie also insbesondere das Wohnen nicht wesentlich stören darf (§ 6 Abs. 1 und 2 Nr. 4 BauNVO), sondern auch, dass ausschließlich der Bau und die Festsetzung eines bestimmten Gebäudetyps mit bestimmter gewerblicher Nutzung, eben als Lagerhalle, an der im Lageplan bezeichneten Stelle und mit den im Lageplan und in den Bauzeichnungen bestimmten Maßen zulässig ist. Einer weitergehenden Festlegung des Vorhabens dahin, dass die Nutzung nur im Rahmen einer bestimmten Betriebsart, hier eines Stukkateurbetriebs, zulässig sein soll, bedarf es nicht. Eine solche Einengung des Vorhabens würde dem Bedürfnis nach einer flexiblen Vorhabenplanung widersprechen und wäre auch nicht im Interesse eines von dem Vorhaben betroffenen Nachbarn geboten. Sich aus einer gegenüber der ursprünglichen Planung veränderten Nutzung bzw. bei einer späteren Änderung der Nutzung ergebende Nachbarschaftskonflikte können ggf. im Baugenehmigungsverfahren gelöst werden (§ 50 Abs. 2 Nr. 1 LBO, § 15 Abs. 1 BauNVO). Auch erfordert das Interesse der Gemeinden keine dauerhafte Beschränkung der Nutzung eines Vorhabens nach § 12 BauGB für eine bestimmte Betriebsart. Denn andernfalls wäre sie bei jeder Änderung der betrieblichen Nutzung, selbst wenn sich hieraus keine anderen oder weitergehenden Anforderungen an die neue Nutzung ergäben und es deshalb nicht einmal einer Baugenehmigung bedürfte, gehalten, den vorhabenbezogenen Bebauungsplan zu ändern.

Wie der Senat bereits in seinem Normenkontrollurteil vom 14.11.2002 zum Vorgängerplan zum Ausdruck gebracht hat, ist der vorhabenbezogene Bebauungsplan €S...€, 1. Änderung, auch nicht deshalb nichtig, weil er neben den Festsetzungen für das Vorhaben selbst auch Festsetzungen für die von dem Vorhaben nicht beanspruchte Grundstücksfläche trifft, so insbesondere die Festsetzung eines Mischgebiets insoweit, von Baugrenzen und einer straßenseitigen Baulinie. Nach § 12 Abs. 4 BauGB können einzelne Flächen außerhalb des Bereichs des Vorhaben- und Erschließungsplans in den vorhabenbezogenen Bebauungsplan einbezogen werden. Dies setzt voraus, dass es aus Gründen einer geordneten städtebaulichen Entwicklung erforderlich ist, entsprechende Flächen in den vorhabenbezogenen Bebauungsplan einzubeziehen, wobei die Ziele und Zwecke des Vorhaben- und Erschließungsplans nicht beeinträchtigt, sondern ausschließlich gefördert werden (Krautzberger, in: Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 8. Aufl., § 12 Rdnr. 36 ff.). Diesem Erfordernis wird hier ersichtlich entsprochen. Das Vorhaben dient dem auf dem erwähnten Grundstück seit langem vorhandenen Stukkateurbetrieb. Dabei stellt die Lagerhalle mangels Produktionsanlagen den Kern des Betriebs dar. Die Festsetzung eines Mischgebiets für das ganze Grundstück fördert ihre Nutzung für betriebliche Zwecke. Sie ermöglicht insbesondere die Zulassung ergänzender Lager- und Abstellflächen sowie einen mischgebietsverträglichen Zufahrts- und Abfahrtsverkehr zu der geplanten Halle (vgl. BVerwG, Urt. v. 18.09.2003 - 4 CN 3.02 - a.a.O.). Diese Festsetzung wirkt zudem zugleich begrenzend. Denn eine rein gewerbliche Nutzung des Betriebsgrundstücks kann wegen dieser Festsetzung auch künftig nicht genehmigt werden, weil das nach § 6 Abs. 1 BauNVO gebotene Mischungsverhältnis von Gewerbe und Wohnen gewahrt bleiben muss.

Der Bebauungsplan dürfte auch ohne Abwägungsmängel zustande gekommen sein (§ 1 Abs. 6 BauGB a.F.). Die Stadt P... hat €angenommen€ (unterstellt), dass der bislang für das Betriebsgrundstück und die nähere Umgebung maßgebliche Bebauungsplan €G..., ...€ der früher selbständigen Gemeinde R..., genehmigt am 22.03.1961, der in Teilen nicht mehr auffindbar ist, ein allgemeines Wohngebiet festsetzt, und hat dies bei der Bewertung des Schutzbedürfnisses u.a. der Antragsgegner zu Grunde gelegt. Die Zulassung einer Mischgebietsnutzung neben einem allgemeinen Wohngebiet ist im allgemeinen schon deshalb nicht abwägungsfehlerhaft, weil Mischgebiete gemäß § 6 Abs. 1 BauNVO ebenfalls dem Wohnen dienen. Hinzu kommt, dass das die nähere Umgebung des Vorhabens durch den seit 1967 vorhandenen Betrieb der Antragsteller vorbelastet ist. Zutreffend ist die Stadt P... im Übrigen davon ausgegangen, dass im Einzelfall die Verträglichkeit von im Mischgebiet zulässiger gewerblicher Nutzung und von Wohnnutzung im angrenzenden allgemeinen Wohngebiet bei der Erteilung der Baugenehmigung gemäß § 15 Abs. 1 BauNVO hergestellt werden kann (BVerwG, Urt. v. 18.09.2003 - 4 CN 3.02 - a.a.O.). Demzufolge liegt auch kein Abwägungsfehler darin, dass im vorhabenbezogenen Bebauungsplan weder die Zufahrt zu der Lagerhalle noch die Lage der notwendigen Stellplätze festgesetzt ist. Auch die weiteren, im anhängigen Normenkontrollverfahren vor dem Senat (5 S 739/04) von den Antragsgegnern geltend gemachten Abwägungsmängel liegen aller Voraussicht nach nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, dass der Gemeinderat der Stadt P...-... bei Erlass des vorhabenbezogenen Bebauungsplan außer Acht gelassen hätte, dass auf dem Betriebsgrundstück die Errichtung eines weiteren Wohnhauses genehmigt worden war. Die Antragsgegner zeigen im Übrigen nicht auf, inwiefern dieser Umstand für die Abwägung erheblich gewesen wäre. Dem Gemeinderat der Stadt P... dürfte auch bewusst gewesen sein, dass die Festsetzung des gesamten Grundstücks als Mischgebiet zur Folge haben kann, dass die Halle künftig, nach Ablauf der Fünfjahresfrist in § 6 Abs. 2 des Durchführungsvertrags, auch anders gewerblich genutzt werden könnte und dass eine mischgebietsverträgliche Nutzung auch im Übrigen auf dem Betriebsgrundstück ermöglicht würde. Der Gebietscharakter der Umgebung wird durch den vorhabenbezogenen Bebauungsplan nicht erheblich verändert, weil dieser schon von dem vorhandenen Stukkateurbetrieb geprägt wird. Auch das Interesse der Antragsgegner, dass der S... nicht durch Zulieferverkehr für den Stukkateurbetrieb blockiert wird, wurde berücksichtigt. Insoweit kann der Senat auf seine diesbezüglichen Ausführungen im Normenkontrollurteil vom 14.11.2002 - 5 S 1635/00 - verweisen.

Schließlich ist auch nicht ersichtlich, dass der Durchführungsvertrag vom 09.09.2003 nicht auf das Vorhaben, das dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan zu Grunde liegt, bezogen wäre; insoweit ist unschädlich, dass der Durchführungsvertrag neben der Durchführungsverpflichtung zusätzliche Verpflichtungen nicht bodenrechtlicher Art enthält, insbesondere die Verpflichtungen, Ladevorgänge, welche dem Betriebsablauf zuzurechnen sind, soweit möglich in der Halle bei geschlossenem Tor zu verrichten und das Vorhaben für die Dauer von fünf Jahren als Lagerhalle für die G...-GmbH/Gipsergeschäft zu nutzen (vgl. zu den Anforderungen insoweit Senatsurt. v. 14.11.2002 - 5 S 1635/00 - a.a.O.).

Die dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan somit entsprechende Baugenehmigung verletzt nachbarschützende Rechte der Antragsgegner nicht deshalb, weil nach ihr in der Halle Bau- und Gerüstmaterialien für ein Gipsergeschäft gelagert werden können. Der Senat vermag unter Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalls nicht zu erkennen, dass den Antragsgegnern eine solche Nutzung der Halle nicht zuzumuten sein könnte (§ 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO). Auch dies ergibt sich aus seinem Normenkontrollurteil vom 14.11.2002 - 5 S 1635/00 -. Der Senat hat dort ausgeführt, dass die Festsetzung eines Mischgebiets auf dem Betriebsgrundstück nicht bedeutet, dass die Nachbarn Immissionen, wie sie in einem Mischgebiet zulässig sind, hinnehmen müssten. Vielmehr begründet die Grenzlage zu einem allgemeinen Wohngebiet eine besondere gegenseitige Rücksichtnahmeverpflichtung, die ggf. die Ansiedlung von Betrieben verhindert, welche zwar typischerweise in einem Mischgebiet als das Wohnen nicht wesentlich störende Gewerbebetriebe zulässig, aber im Einzelfall dem Nachbarn im allgemeinen Wohngebiet doch nicht zuzumuten sind. Insoweit hat der Senat auf die nach Nr. 6.7 TA-Lärm zu beachtende Zwischenwerte hingewiesen. Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegner durch die genehmigte Nutzung der Halle nach diesen Grundsätzen unzumutbar beeinträchtigt werden könnten, sieht der Senat nicht. Es ist insbesondere nicht ersichtlich, dass die in dem neun Beschäftigte zählenden Stukkateurbetrieb anfallenden An- und Abfahrten zu der Halle mit einem für die Antragsgegner unzumutbaren Lärm verbunden sein könnten. Aus den Bebauungsplanunterlagen ergibt sich, dass der Betrieb insgesamt über nur vier Fahrzeuge verfügt. Dass diese täglich mehrfach die Lagerhalle anfahren, ist bei einem Stukkateurbetrieb wenig wahrscheinlich. Auch der mit dem Lagern der Gerüste verbundene Lärm erscheint gegenüber den Antragsgegner nicht als rücksichtslos. Der Senat geht davon aus, dass solche Lärmbeeinträchtigungen nicht häufig stattfinden. Es entspricht allgemeiner Erfahrung, dass die von einem Stukkateurbetrieb verwendeten Gerüste, die oft wochenlang auf einer Baustelle benötigt werden, wenn möglich dort abgeschlagen und ohne Zwischenlagerung auf dem Betriebsgelände sogleich an der nächsten Baustelle errichtet werden. Damit dürfte auch der von den Antragsgegnern erwähnte Gabelstapler eher selten und zudem vorwiegend in der Halle und im Übrigen während der üblichen Betriebszeiten benutzt werden. Abgesehen davon ist nicht zu verkennen, dass sich die Situation für die Antragsgegner durch die Lagerhalle und die damit verbundene €Einhausung€ der Ladevorgänge in dem seit langem vorhandenen Betrieb eher verbessern wird. Dass die Ladevorgänge tatsächlich in der Halle stattfinden werden, unterliegt keinen Zweifeln; denn dafür wurde sie errichtet. Im Übrigen ist dies durch die Nebenbestimmungen zur Ergänzungsbaugenehmigung ebenso gesichert wie dass das Ab- und Aufladen bei geschlossenem Hallentor erfolgt. Soweit zusätzliche Ladevorgänge auf dem ergänzend genehmigten Lagerplatz stattfinden, wirkt die Halle zu den Antragsgegnern zumindest abschirmend. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts bedarf es für die Lagerhalle eines Stukkateurbetriebs der vorliegenden Größe in Nachbarschaft zu einem allgemeinen Wohngebiet oder einer vorherrschenden Wohnnutzung im Regelfall keiner zusätzlichen Angaben zur €Betriebsstruktur€ in den Bauvorlagen, zumal nicht ersichtlich ist, welche zusätzlichen Angaben hier gemacht werden könnten. Rechtswidrig ist die Baugenehmigung schließlich nicht deshalb, weil auch in ihr die Lage der Zufahrt zur Lagerhalle und die Lage der Stellplätze nicht bestimmt sind. Denn wie oben ausgeführt, ist die Ab- und Zufahrt zu der Lagerhalle voraussichtlich nicht mit unzumutbaren Störungen für die Nachbarschaft verbunden.

Aus diesen Ausführungen ergibt sich zugleich, dass die Antragsgegner die Aufhebung der angefochtenen Baugenehmigung auch dann nicht beanspruchen könnten, wenn der vorhabenbezogene Bebauungsplan unwirksam und das Vorhaben nach § 34 Abs. 1 BauGB zu beurteilen wäre. Auch in diesem Fall würde die Baugenehmigung das Rücksichtnahmegebot aus den angeführten Gründen nicht verletzen. Der Einnahme eines Augenscheins oder weiterer Ermittlungen bedürfte es insoweit nicht, zumal die örtlichen und betrieblichen Verhältnisse bereits in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat im Normenkontrollverfahren 5 S 1635/00 erörtert worden sind. Es spricht im Übrigen auch nichts dafür, dass den Antragstellern ein aus § 34 Abs. 2 BauGB herzuleitender Anspruch auf Erhaltung des Gebietscharakters eines allgemeinen Wohngebiets zustünde. In Betracht käme ein solcher Anspruch nur, wenn der Bebauungsplan €G...€ der früher selbständigen Gemeinde R... keine Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung träfe und wenn die Eigenart der näheren Umgebung des Vorhabens tatsächlich einem allgemeinen Wohngebiet entspräche. Letzteres erscheint aber als wenig wahrscheinlich. Selbst wenn sich in der näheren Umgebung des Vorhabens keine mischgebietstypischen Gewerbebetriebe mehr befänden, müsste bei der Feststellung des Gebietscharakters doch das Vorhandensein des Gipserbetriebs selbst berücksichtigt werden. Dem stünde nicht entgegen, dass für die errichteten Gebäude und Anlagen nach Lage der Akten keine Baugenehmigungen vorhanden sind - die mit Baugenehmigung vom 22.02.1984 genehmigte weitere Halle wurde wohl jedenfalls so nicht errichtet; denn maßgeblich für die Bestimmung der Eigenart der näheren Umgebung ist die vorhandene Bebauung auch dann, wenn sie von den zuständigen Behörden in einer Weise geduldet wird, die keinen Zweifel daran lässt, dass sich diese damit abgefunden haben (BVerwG, Urt. v. 06.11.1968 - IV C 31.66, BVerwGE 31, 22). Es spricht ferner angesichts des städtebaulichen Gewichts des Stukkateurbetriebs wenig dafür, dass es sich um einen bei der Bestimmung des Gebietscharakters unbeachtlichen Fremdkörper in einem im Übrigen gegebenen allgemeinen Wohngebiet handelte.

Sonstige Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Baugenehmigung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und 3 und § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 25 Abs. 2, § 20 Abs. 3, § 14 Abs. 1 Satz 1 und § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG a. F. Der Senat lässt offen, ob insoweit - anders als im vorausgegangenen Verfahren - das Interesse der Antragsteller als Bauherrn und somit nicht das Abwehrinteresse der Antragsgegner maßgeblich ist (vgl. VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 06.02.1997 - 8 S 29/97 - NVwZ-RR 1998, 611; Beschl. v. 29.07.1997 - 8 S 1611/97 - NVwZ-RR 1998, 787); denn im vorliegenden Fall bewertet er das Vollziehungsinteresse der Antragsteller angesichts der Vollendung des Rohbaus und angesichts der langjährig geduldeten Nutzung des Grundstücks für den Stukkateurbetrieb ebenfalls mit 5.000,- EUR.

Der Beschluss ist unanfechtbar.






VGH Baden-Württemberg:
Beschluss v. 11.01.2005
Az: 5 S 1444/04


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