Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. März 2004
Aktenzeichen: 14 W (pat) 45/03

(BPatG: Beschluss v. 24.03.2004, Az.: 14 W (pat) 45/03)

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und das Patent erteilt.

Bezeichnung: Verfahren und Vorrichtung zur Bekämpfung von Schädlingen Anmeldetag: 29. Oktober 1997 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zu Grunde:

Patentansprüche 1 bis 12, eingegangen am 16. März 2004, Beschreibung: Seiten 1, 1a, 1b, eingegangen am 16. März 2004, Seiten 2 bis 5, eingegangen am 16. März 2004, Seite 6, eingegangen am 20. Februar 2004, Seite 6a vom 16. März 2004, Seiten 7 und 8, eingegangen am 29. Oktober 1997, 3 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 3, eingegangen 29. Oktober 1997.

Gründe

I Die Prüfungsstelle für Klasse A01N des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 20. Mai 2003 die am 29. Oktober 1997 mit der Bezeichnung

"Mischbegasung"

eingereichte Patentanmeldung 197 47 640.6 - 41 gemäß PatG § 48 zurückgewiesen.

Zur Begründung ihres Zurückweisungsbeschlusses hat die Prüfungsstelle auf die nachveröffentlichte ältere Anmeldung

(5) DE 197 09 914 A1 verwiesen und im wesentlichen ausgeführt, das beanspruchte Verfahren sei durch diese Druckschrift, insbesondere durch die Ansprüche 1, 2, 10 iVm Anspruch 13 und dessen, was der Fachmann aus der Formulierung dieser Ansprüche mitlese, neuheitsschädlich vorweggenommen. Der Fachmann kenne nämlich die Eigenschaften der Ameisensäureester. Deshalb entnehme er der Formulierung insbesondere des Anspruchs 13 von (5), wonach dem Behandlungsraum während der Behandlungsgaseinleitung Kohlendioxid zugesetzt werde, die beanspruchte Art der Einleitung des Behandlungsgases.

Im Prüfungsverfahren wurden noch folgende Druckschriften genannt:

(1) DE 195 06 631 A1

(2) DE 44 01 338 A1

(3) DE 43 43 689 C1

(4) Perkow, Werner : Die Insektizide, Heidelberg, Dr. Alfred Hüthig Verlag, 1968, Seiten 484, 486, 487 Gegen diesen Beschluss hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Sie verfolgt ihr Patentbegehren mit den Patentansprüchen 1 bis 12 vom 16. März 2004 weiter.

Die Patentansprüche 1, 11 und 12 lauten:

"1. Verfahren zum Bekämpfen von Holzschädlingen, Museumsschädlingen und Hausungeziefer in einem hinreichend gasdichten Behandlungsraum durch Begasung mit Sulfurylfluorid und einem weiteren Begasungsmittel innerhalb der Einwirkzeit, dadurch gekennzeichnet, dass als weiteres Begasungsmittel ein Ester der Ameisensäure, ausgewählt aus der Gruppe Ameisensäuremethylester, Ameisensäureethylester, Ameisensäurebenzylester, Ameisensäurephenylester, Ameisensäuretolylester, Ameisensäurevinylester oder Ameisensäureallylester, verwendet wird, und der Ester der Ameisensäure mittels eines Druckgases, bevorzugt Inertgas, in den Behandlungsraum eingeleitet wird.

11. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch 1 oder einem der vorgenannten Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass von einem Vorratsgefäß (4) für Sulfurylfluorid eine Leitung (6) zu einem Wärmetauscher (7) und von dort zu einem Gasfilter (11) führt und von diesem die Leitung (13) in die Zuführleitung (3) mündet, die in den Behandlungsraum (1) führt und von einem Vorratsgefäß (32) für ein Druckgas eine Leitung (34) zu einem Vorratsgefäß (37) für Ameisensäurester führt und von dort die Steigleitung (39) in den Behandlungsraum (1) oder in die Zuführleitung (3) mündet.

12. Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens nach einem der vorgenannten Verfahrensansprüche 1 bis 10, dadurch gekennzeichnet, dass von einem Vorratsgefäß (4) für Sulfurylfluorid eine Leitung (6) zu einem Wärmetauscher (7) und von dort zu einem Gasfilter (11) führt und von diesem die Leitung (13) in die Zuführleitung (3) mündet, die in den Behandlungsraum (1) führt und vom Vorratsgefäß (4) für Sulfurylfluorid eine Leitung (22) zu einem Vorratsgefäß (28) für Ameisensäureester abzweigt und von dort die Steigleitung (30) in den Behandlungsraum (1) oder in die Zuführleitung (3) mündet."

Die Ansprüche 2 bis 10 sind auf Weiterbildungen des Verfahrens nach Anspruch 1 gerichtet. Zum Wortlaut dieser Unteransprüche wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Die Anmelderin hat zur Begründung ihrer Beschwerde im wesentlichen vorgetragen, dass das Patentbegehren durch die im Prüfungsverfahren genannten Entgegenhaltungen (1) bis (4) nicht nahe gelegt sei. Ferner nehme die nicht vorveröffentlichte Entgegenhaltung (5) das beanspruchte Verfahren nicht neuheitsschädlich vorweg. Sie betreffe ein Verfahren zur Vorratsschutzbehandlung, bei dem andere Schädlinge als im beanspruchten zu bekämpfen seien, weshalb schon deshalb das beanspruchte Verfahren neu sei. Die Prüfungsstelle habe sich überdies im wesentlichen mit nur einer Alternative der Behandlungsgaseinleitung auseinandergesetzt und die fragliche Formulierung im Anspruch 13 von (5) so ausgelegt, dass das Kohlendioxid als Druckgas für den Ameisensäureester eingesetzt werde. Diese Wertung werde der Anmeldung nicht gerecht.

Sie beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mitden im Beschlusstenor aufgeführten Unterlagen zu erteilen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II Die Beschwerde ist zulässig und hat auch Erfolg.

1. Bezüglich der Offenbarung der Gegenstände der geltenden Patentansprüche 1 bis 12 bestehen keine Bedenken, da deren Merkmale aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen herleitbar sind (Anspruch 1 entspricht den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 1, 2 und 13 iVm S 8 Abs 2 der ursprünglich eingereichten Beschreibung; Ansprüche 2 bis 10 sind die ursprünglich eingereichten Ansprüche 3 bis 11 unter Austausch der Einheit "cbm" durch "m"; Ansprüche 11 und 12 entsprechen den ursprünglich eingereichten Ansprüchen 13 und 14).

2. Das Verfahren nach geltendem Patentanspruch 1 ist neu.

Der Gegenstand des Anspruchs 1 betrifft ein Verfahren zur Schädlingsbekämpfung mit folgenden Merkmalen:

a. Verfahren zum Bekämpfen von Holzschädlingen, Museumsschädlingen und Hausungezieferb. in einem hinreichend gasdichten Behandlungsraumc. durch Begasung mit Sulfurylfluorid undd. einem weiteren Begasungsmittel innerhalb der Einwirkzeit, dadurch gekennzeichnet, e. dass als weiteres Begasungsmittel ein Ester der Ameisensäure, ausgewählt aus der Gruppe Ameisensäuremethylester, Ameisensäureethylester, Ameisensäurebenzylester, Ameisensäurephenylester, Ameisensäuretolylester, Ameisensäurevinylester oder Ameisensäureallylester, verwendet wird, f. und der Ester der Ameisensäure mittels eines Druckgases, g. bevorzugt Inertgas, h. in den Behandlungsraum eingeleitet wird.

Aus der nachveröffentlichten, älteren Anmeldung (5) ist ein Verfahren zur Vorratsschutzbehandlung gegen Schädlinge durch Begasung von Behandlungsräumen bekannt (Ansp 1). Als Behandlungsgas wird Sulfurylfluorid allein oder mit einem weiteren Behandlungsgas eingesetzt; als weitere Behandlungsgase finden innerhalb der Einwirkzeit ua Ameisensäurealkylester Verwendung (Ansprüche 1, 2 und 10). Nach Anspruch 13 von (5) wird dem Behandlungsraum vor oder während der Behandlungsgaseinleitung Kohlendioxid zugesetzt.

Die Formulierung "während" im Anspruchs 13 von (5) impliziert zwei Wege der Zuleitung des Kohlendioxids in den Behandlungsraum. Eine erste Möglichkeit besteht in der getrennten Zuleitung von Sulfurylfluorid oder Sulfurylfluorid mit einem weiteren Behandlungsgas jeweils mit Kohlendioxid in den Behandlungsraum. Diese Möglichkeit kann das Verfahren nach Anspruch 1 nicht neuheitsschädlich vorwegnehmen, weil die beanspruchte Mischbegasung von Sulfurylfluorid und einem Ester der Ameisensäure gemäß den Merkmalen c. bis g. voraussetzt, dass zumindest Ester und Druck-/Inertgas gemeinsam dem Behandlungsraum zugeleitet werden.

Die implizite zweite Möglichkeit der gemeinsamen Zuleitung von Sulfurylfluorid oder Sulfurylfluorid mit einem weiteren Behandlungsgas jeweils mit Kohlendioxid in den Behandlungsraum trifft den Anmeldungsgegenstand ebenfalls nicht neuheitsschädlich. Denn es ist (5) nicht zu entnehmen, dass -ausgewählt aus den denkbaren Gasgemischen (Ansp 1, 2 und 10)- lediglich ein Ester der Ameisensäure gemäß Merkmal e. gemeinsam mit Kohlendioxid in den Behandlungsraum eingeleitet werden soll. Auch wird in (5) weder die Verwendung des Kohlendioxids noch eines anderen Inertgases in der Funktion als Druckgas erwähnt.

Das Verfahren gemäß geltendem Anspruch 1 ist gegenüber (5) somit neu. Auch gegenüber den weiteren Entgegenhaltungen (1) bis (4) ist das Verfahren nach Anspruch 1, wie aus den nachfolgenden Erläuterungen zur erfinderischen Tätigkeit hervorgeht, neu.

Angaben über die Ausgestaltung einer Vorrichtung zur Durchführung des Verfahrens, die die Neuheit der Vorrichtungen nach den geltenden Ansprüchen 11 und 12 in Frage stellen könnten, sind (5) nicht zu entnehmen. Das Gleiche gilt für die Entgegenhaltungen (1) bis (4).

Damit sind auch die Vorrichtungen nach den geltenden Ansprüchen 11 und 12 neu.

3. Das Verfahren nach geltendem Patentanspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aufgabe der Anmeldung ist es, ein Verfahren zur Begasung von Holzschädlingen, Museumsschädlingen und Hausungeziefer mit Sulfurylfluorid anzugeben, bei dem hohe Sulfuryl-Konzentrationen vermieden werden, aber alle Stadien der Schädlinge, insbesondere die Eier sicher abgetötet werden; weiter ist es Aufgabe, eine zur Durchführung des Verfahrens geeignete Vorrichtung vorzuschlagen (S 1a/1b Brückenabsatz der geltenden Beschreibung).

Die Aufgabe wird gelöst durch ein Verfahren und Vorrichtungen gemäß den geltenden Ansprüchen 1,11 und 12.

Zu dieser Lösung können die Druckschriften (1) bis (4) den Fachmann, einen Chemiker oder Ingenieur mit Erfahrung in der Schädlingsbekämpfung, nicht anregen.

Entgegenhaltung (1) lässt sich ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Begasung von schädlingsbefallenen Gegenständen oder Vorräten in einem Behandlungsraum mit Kohlendioxid und einem toxischen Gas, ua Sulfurylfluorid entnehmen (Ansp 1). Es fehlt ein Hinweis auf die Einleitung eines Esters der Ameisensäure. Auch eine Einrichtung für den Einsatz eines Druckgases geht aus (1) nicht hervor.

Druckschrift (2) beschreibt ein Verfahren zum Ableiten eines toxischen Luft-Gasgemisches mit Sulfurylfluorid als Wirkbestandteil, aus einem Raum, um zu verhindern, dass es in die Umgebung entweicht. Kohlendioxid kann dem Wirkbestandteil zwar als Synergist zugemischt werden (Ansp 1 iVm Ansp 10). Ein Hinweis auf eine vorangehende Mischbegasung unter Einleitung von Sulfurylfluorid mit einem Ester der Ameisensäure unter Einsatz eines Druckgases, bevorzugt eines Inertgases, ist (2) nicht zu entnehmen.

Ein Verfahren und eine Vorrichtung zur Begasung eines Raumes mit Sulfurylfluorid, bei dem die Vorreinigung des Behandlungsgases im Zentrum steht, ist der Entgegenhaltung (3) zu entnehmen (Ansp 1). An keiner Stelle wird eine Mischbegasung unter Einleitung eines Esters der Ameisensäure mittels eines Druckgases angeregt. Auch die Vorrichtung enthält keinen Hinweis, eine Einrichtung für die Verwendung eines Druckgases vorzusehen.

Die Literaturstelle (4) beschreibt Eigenschaften des Ameisensäuremethylesters und des Sulfurylfluorids. Hinweise auf eine Mischbegasung mit den genannten Bestandteilen und auf die Ausgestaltung geeigneter Vorrichtungen sind (4) nicht zu entnehmen.

Verfahren und Vorrichtung nach den geltenden Ansprüchen 1, 11 und 12 werden von den Druckschriften (1) bis (4) somit nicht nahegelegt.

Die nachveröffentlichte ältere Anmeldung (5) ist nach PatG § 4 Satz 2 bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nicht in Betracht zu ziehen.

Die geltenden Ansprüche , 11 und 12 sind daher gewährbar.

Die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 10 beschreiben vorteilhafte Ausgestaltungen des Verfahrens nach Patentanspruch 1, die nicht platt selbstverständlich sind; die Ansprüche sind daher ebenfalls gewährbar.

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BPatG:
Beschluss v. 24.03.2004
Az: 14 W (pat) 45/03


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