Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Juli 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 230/04

(BPatG: Beschluss v. 18.07.2005, Az.: 27 W (pat) 230/04)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes für Klasse 25 vom 20. Juli 2004 aufgehoben.

2. Die Löschung der Marke 303 09 268 wird aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 1 033 846 angeordnet.

Gründe

I.

Gegen die Eintragung der Wortmarke DE BERRY für die Waren

"Bekleidungsstücke für Herren, Damen und Kinder, einschließlich Sport-, Unter- und Badebekleidungsstücken; nichtorthopädische Miederwaren; Kopfbedeckungen; Schals, Sarongs, Stirnbänder, Leggins; Schuhwaren, einschließlich Sportschuhen; Gürtel als Bekleidungsstücke (vorstehende Waren nicht für ärztliche oder medizinische Zwecke)"

ist Widerspruch eingelegt worden aus der Wortmarke BERRI eingetragen für die Waren

"Herren-, Damen-, Kinderoberbekleidungsstücke, insbesondere Hemden, Blusen, Pullover, Krawatten, Strumpfwaren; Taschen aus Stoff, Leder oder lederähnlichem Material, Portemonnaies, Handschuhe, Gürtel, Koffer sowie Bekleidungsstücke aus leder- ähnlichem Material oder Leder (sämtlich Bekleidungsstücke, ausgenommen Sportbekleidungsstücke)".

Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat den Widerspruch durch den angefochtenen Beschluss zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken, die die Löschung der jüngeren Marke rechtfertigen könnte, sei selbst bei Berücksichtigung der teilweisen Identität der beiderseits beanspruchten Waren nicht gegeben. Die angegriffene Marke halte einen ausreichenden Abstand zu der Widerspruchsmarke ein, denn die einander gegenüberstehenden Markenworte "BERRI" und "DE BERRY" seien vom klanglichen Gesamteindruck deutlich verschieden. Sie wiesen nicht nur eine unterschiedliche Vokalfolge und Silbenzahl auf, sie differierten auch in Sprachrhythmus und Betonung, weil die Widerspruchsmarke auf der ersten Silbe, das Markenwort der jüngeren Marke bei sprachregelgemäßer französischer Aussprache dagegen auf der letzten Silbe betont werde. Auch liege eine zu einer Verwechslungsgefahr führende schriftbildliche Ähnlichkeit nicht vor. Die angegriffene Marke bestehe aus insgesamt sieben Buchstaben, die Widerspruchsmarke dagegen lediglich aus fünf Buchstaben. Zudem sei zu berücksichtigen, dass sich die Abweichungen jeweils auf die Wortanfänge und die Wortendungen erstreckten, welche dem Publikum erfahrungsgemäß besonders ins Auge fielen und damit gewichtiger seien als Abweichungen in der Wortmitte. Auf Seiten der angegriffenen Marke falle dem Betrachter zudem der abschließende, im Deutschen verhältnismäßig selten anzutreffende Buchstabe "Y" ins Auge. Zudem sei nicht anzunehmen, dass dem Bestandteil "BERRY" in der jüngeren Marke eine eigenständige, den Gesamteindruck prägende Bedeutung zukomme. Deren weiteren Markenelemente träten nicht so in den Hintergrund, dass sie für den Verkehr völlig an Bedeutung verlören .

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie ist der Auffassung, der aufgrund der hohen Ähnlichkeit bzw. Teilidentität der beiderseitigen Warenanmeldungen erforderliche Abstand der Marken sei nicht eingehalten. Die jüngere Marke werde durch ihren Bestandteil "BERRY" geprägt, da dem deutschen Verkehr das im Französischen häufig vorkommende Element "DE" als weit verbreiteter und geläufiger Bestandteil eines französischen Namens weder auffallen werde, noch werde er sich dieses Element einprägen. Dann aber stünden sich die in klanglicher und visueller Hinsicht praktisch identischen Bestandteile "BERRY" und "BERRI" verwechslungsbegründend gegenüber.

Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.

Der Markeninhaber beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er verteidigt den Beschluss der Markenstelle als auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens der Widersprechenden zutreffend und hält eine Verwechslungsgefahr nicht für gegeben.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die angegriffene Marke ist zu löschen, weil die Gefahr der Verwechslung in klanglicher Hinsicht mit der Widerspruchsmarke im Sinne des §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.

Nach den genannten Vorschriften ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Für die Frage der Verwechslungsgefahr ist von dem allgemeinen kennzeichenrechtlichen Grundsatz einer Wechselwirkung zwischen allen in Betracht zu ziehenden Faktoren auszugehen, insbesondere der Ähnlichkeit der zu beurteilenden Marken, der Warennähe und der Kennzeichnungskraft der älteren Marke (st. Rspr.; vgl. BGH, GRUR 2003, 1040, 1042 - Kinder; GRUR 2003, 1044, 1045 - Kelly; GRUR 2004, 239 - DONLINE; GRUR 2004, 594, 596 - Ferrari-Pferd).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann vorliegend eine Verwechslungsgefahr nicht verneint werden.

Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist als durchschnittlich anzusehen, denn ihr kommt keinerlei warenbeschreibender Inhalt zu. Hiervon sind auch die Beteiligten stillschweigend ausgegangen.

Die Warenähnlichkeit liegt teilweise im Identitätsbereich, nämlich soweit sich die durch die jüngere Marke geschützten "Bekleidungsstücke für Herren, Damen und Kinder, einschließlich Sport-, Unter- und Badebekleidungsstücke; nichtorthopädische Miederwaren; Gürtel als Bekleidungsstücke" und die durch die Widerspruchsmarke geschützten Waren "Herren-, Damen-, Kinderoberbekleidungsstücke, insbesondere Hemden, Blusen, Pullover; Gürtel" gegenüberstehen. Zwischen den sich gegenüberstehenden "Schuhwaren" der angegriffenen Marke und den "Bekleidungsstücken" der Widerspruchsmarke besteht jedenfalls eine an der oberen Grenze liegende mittlere Ähnlichkeit (vgl. auch 27 W (pat) 246/00 -BLUE BROTHERS/BLUES BROTHERS, 27 W (pat) 231/02 - EL DIABLO/DIAVOLO, veröffentlicht auf der PAVIS-CD-ROM). Im mittleren bis engen Ähnlichkeitsbereich liegen auch die Waren "Kopfbedeckungen; Schals, Sarongs, Stirnbänder, Leggins" einerseits und "Herren-, Damen-, Kinderoberbekleidungsstücke" andererseits (vgl. BPatG, 27 W (pat) 151/02 - FIAMMA/FIMMA, veröffentlicht auf der PAVIS-CD-ROM).

Angesichts der teilweisen Identität der Waren bis zur mittleren Ähnlichkeit im oberen Bereich ist ein mittlerer bis großer Abstand der Vergleichszeichen erforderlich, der hier nicht gewahrt ist. Bei der Beurteilung der Zeichenähnlichkeit im Klang, im (Schrift-)Bild und im Bedeutungs- (Sinn-)gehalt ist von dem Grundsatz auszugehen, dass es auf den jeweiligen Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen ankommt (BGH GRUR 2002, 167, 169 - Bit/Bud; GRUR 2003, 712, 714 - Goldbarren; GRUR 2004, 594, 596 - Ferrari-Pferd). In Hinblick auf den visuellen Gesamteindruck hat die Markenstelle zwar zutreffend ausgeführt, dass ein beachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise die deutlich unterschiedliche Länge der Vergleichsworte - 5 und 7 Buchstaben - nicht übersehen werde. In phonetischer Hinsicht ist der Senat jedoch abweichend von der Markenstelle der Auffassung, dass unabhängig von der Frage, ob das prägende Markenwort in der angegriffenen Marke "BERRY" heißt, wie die Widersprechende meint, und der weitere Zeichenbestandteil "DE" demgegenüber im Gesamteindruck zurücktritt, eine klangliche Verwechslungsgefahr zu bejahen ist. Denn auch wenn die angegriffene Marke mit dem Element "DE" ausgesprochen werden sollte, besteht eine beachtliche Gefahr, dass dieser Bestandteil bei undeutlicher Aussprache "verschluckt" und wegen seines im Klang stark zurücktretenden Charakters auch ohnedies leicht überhört werden kann. Dann aber können sich "BERRI" und "BERRY" klangidentisch gegenüberstehen. Denn nach Auffassung des Senats ist davon auszugehen, dass jedenfalls ein beachtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise - das ist vorliegend die Allgemeinheit - die Marke "DE BERRY" nicht nach französischen Sprachregeln, also mit der Betonung auf der letzten Silbe des Markenwortes der angegriffenen Marke ausspricht, sondern auf der vorletzten Silbe betont. Zwar deutet der Bestandteil "DE" auf eine französische Aussprache hin, wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat. Das impliziert aber jedenfalls vorliegend nicht gleichzeitig eine Betonung auf der letzten Silbe des Markenwortes, weil das Wort "BERRY" seinerseits in Anlehnung an "berry", deutschen Sprachkreisen allgemein geläufig aus "strawberry" oder "blueberry", eher eine englische Aussprache, also mit der Betonung auf der ersten Silbe nahe legt. Zu einer derartigen Aussprache werden aber auch diejenigen Teile der angesprochenen Verkehrskreise gelangen, die den Bestandteil "de" im Sinne einer Herstellerangabe im Sinne des englischen "by" oder des deutschen "von" auffassen und ihn daher jedenfalls bei der Benennung der Marke als den Gesamteindruck nicht mitprägend vollständig vernachlässigen. Auch in diesen Fällen wird der Verkehr die beiden Marken nicht zuverlässig auseinander halten können, zumal sie ihm in der Regel nicht gleichzeitig begegnen und eine Unterscheidung aus der unklaren Erinnerung der jeweiligen Klangbilder heraus kaum möglich erscheint.

III.

Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs. 1 S. 2 MarkenG abzuweichen, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.

Dr. van Raden Schwarz Prietzel-Funk Na






BPatG:
Beschluss v. 18.07.2005
Az: 27 W (pat) 230/04


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