Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 22. November 2011
Aktenzeichen: I-4 U 98/11

(OLG Hamm: Urteil v. 22.11.2011, Az.: I-4 U 98/11)

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 05. April 2011 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Bochum wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass vor den Worten „kein Vorteil“ das Wort „regelmäßig“ eingefügt wird.

Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A.

Die Klägerin vertreibt auf der Verkaufsplattform X unter der Bezeichnung "X2" bundesweit Mobiltelefon-Zubehör. Der Beklagte bietet auf der Verkaufsplattform Y unter der Bezeichnung "Y2" sowie auf der Verkaufsplattform X unter "Y3" und auch über www.Y3.de Mobiltelefon-Zubehör zum Kauf an.

In einem Angebot des Verkäufers "Y2" auf der Internetplattform Y findet sich ausweislich eines Screenshots vom 23.08.2010 für den Artikel-Nr. ... "M Ladegerät ..." im Zusammenhang mit der Beschreibung der Ware der Hinweis auf eine "· volle Garantie".

Zudem findet sich unter den Angaben zu den Versandkosten folgendes:

" ... Die Versandkosten für das versicherte Paket betragen ... "

Wegen der weiteren Einzelheiten des vorgenannten Angebots wird auf den als Anlage A4 der Klageschrift vom 15.11.2010 (Bl. 18ff. d.A.) zu den Akten gereichten Ausdruck des entsprechenden Screenshots Bezug genommen.

Unter dem 16.09.2010 erließ das Landgericht Bochum unter dem Az.: I-14 O 155/10 auf Antrag der Klägerin, die den Beklagten zuvor mit Schreiben vom 24.08.2010 erfolglos abgemahnt hatte (Anlage 7 zur dortigen Antragsschrift vom 13.09.2010/Bl. 46ff BA), eine einstweilige Verfügung. Hiermit wurde dem Beklagten unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken auf der Verkaufsplattform Y Angebote an Letztverbraucher für Mobiltelefonzubehör zu richten oder solche entgegen zu nehmen und dabei 1) in den Angeboten mit dem Hinweis "Volle Garantie" zu werben, ohne Art und Umfang der Garantie näher zu spezifizieren und die für die Inanspruchnahme der Garantie erforderlichen Informationen mitzuteilen; 2) in den Bestimmungen zu den Versandkosten hervorgehoben auf einen versicherten Versand hinzuweisen, ohne darüber zu informieren, dass dem Verbraucher aus der Versicherung kein Vorteil entsteht; 3) über den Beginn der Widerrufsfrist zu belehren "Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform, jedoch nicht vor Eingang der Ware beim Empfänger ... und auch nicht vor Erfüllung unserer Informationspflichten gem. § 312c Abs. 2 BGB i.V.m. § 1 Abs. 1, 2 und 4 BGB InfoV sowie unseren Pflichten gem. § 312e Abs. 1 s. 1 BGB i.V.m. § 3 BGB InfoV"; 4) in der Belehrung über das den Verbrauchern zustehende Widerrufsrecht zu den Widerrufsfolgen zu bestimmen: Sie haben die Kosten der Rücksendung zu tragen, wenn die gelieferte Ware der Bestellten entspricht und wenn der Preis der zurück zu sendenden Sache einen Betrag von 40,00 € übersteigt ...", sofern diese Kostentragung nicht tatsächlich vereinbart ist. Die einstweilige Verfügung wurde dem Beklagten am 21.09.2010 zugestellt. Den zunächst eingelegten Widerspruch vom 06.10.2010 nahm der Beklagte am 20.10.2010 zurück und gab zu den Unterlassungsansprüchen zu 3) und 4) mit Schreiben vom 21.10.2010 eine Abschlusserklärung (Anlage A8/Bl. 72f. d.A.) ab, wobei er diese Regelung als materiellrechtlich verbindlich anerkannte. Die Abgabe einer entsprechenden Erklärung zu den weiteren Unterlassungsansprüchen zu 1) und 2) verweigerte er ausdrücklich.

Die damit verbliebenen Unterlassungsansprüche und die Erstattung der Kosten der Abmahnung vom 24.08.2010 sind Gegenstand der vorliegenden Klage.

Gegen diese hat sich der Beklagte verteidigt. Er hat geltend gemacht, die Klage sei bereits unzulässig, da die Rechtsverfolgung sich als rechtsmissbräuchlich i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG darstelle. Sowohl die Klägerin als auch ihr Rechtsanwalt seien durch eine rege Abmahntätigkeit aufgefallen, wie sich aus verschiedenen Internetforen ergebe. Der Umstand, dass die Klägerin allein im Jahre 2010 insgesamt 50 Abmahnungen ausgesprochen habe, und das Verhältnis der hieraus resultierenden Kosten i.H.v. 208.000,00 € zum Geschäftsgewinn der Klägerin von 50.000,00 € belege, dass es eine Freistellungsvereinbarung zwischen der Klägerin und ihrem Rechtsanwalt gebe. Der Beklagte hat zudem behauptet, die Werbung mit den Worten "volle Garantie" sei zum fraglichen Zeitpunkt nicht mehr Gegenstand seines Internetangebotes gewesen. Sie sei aufgrund einer weit früheren Abmahnung nicht mehr verwendet worden. Der Beklagte hat gemeint, der Hinweis auf eine Herstellergarantie sei ebenso zulässig wie der Hinweis darauf, dass der Versand durch ein versichertes Paket erfolge.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien erster Instanz einschließlich ihrer Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, es unter Androhung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken über einen Internetauftritt, Angebote an Letztverbraucher für Mobiltelefonzubehör zu richten oder solche entgegenzunehmen und dabei a) in den Angeboten mit dem Hinweis zu werben: "Volle Garantie", ohne den Verbrauchern die Garantiebedingungen mitzuteilen, und b) in den Bestimmungen zu den Versandkosten darauf hinzuweisen, dass der Versand grundsätzlich durch ein versichertes DHL-Postpaket, erfolgt, ohne darauf hinzuweisen, das dem Verbraucher aus der Versicherung des Paketes kein Vorteil entsteht, wenn dies wie in der Anlage 4 zur Klageschrift geschieht. Es hat dies wie folgt begründet:

Die zulässige Klage sei in vollem Umfang begründet.

Eine rechtsmissbräuchliche Motivation der Klägerin sei nicht festzustellen. Die Zahl der ausgesprochenen Abmahnungen stehe nicht im Missverhältnis zu der - durch die nicht bestrittene Anzahl der bei X mitgeteilten Bewertungen veranschaulichten - Geschäftstätigkeit der Klägerin. Der Vorwurf, sie stütze sich alleine auf offensichtliche und ohne Prozessrisiko zu verfolgende Wettbewerbsverstöße werde schon durch das vorliegende Verfahren widerlegt.

Den Einwand des Rechtsmissbrauches könne allenfalls durch den weiteren Vortrag des Beklagten zu Absprachen zwischen der Klägerin und ihrem Prozessbevollmächtigten getragen werden. Die diesbezüglichen Behauptungen des Beklagten seien jedoch ersichtlich "in`s Blaue hinein" aufgestellt.

Der Klägerin stehe ein Unterlassungsanspruch gegen den Beklagte in dem geltend gemachten Umfang gemäß §§ 8, 5, 4 Nr. 11 UWG zu.

Es sei insoweit davon auszugehen, dass die Anlage 4 die Angebote des Beklagten zutreffend wiedergebe. Dementsprechend könne nicht davon ausgegangen werden, dass die gemäß § 477 BGB bei der Gewährung einer Garantie zu machenden Pflichtangaben bei Abschluss des jeweiligen Kaufvertrages vorgelegen hätten. Anderes werde auch nicht behauptet.

Der Hinweis auf den versicherten Versand stelle eine Irreführung im Sinne des § 5 UWG dar. Durch den Fettdruck stelle diese Angabe eine über die bloße Beschreibung des Versandes hinausgehende Werbung dar. Während der Beklagte damit suggeriere, sich durch diesen besonders herausgestellten Umstand positiv von seinen Mitbewerbern zu unterscheiden, habe der Verbraucher von einem solchermaßen versicherten Versand tatsächlich keinen nennenswerten Vorteil, da das Versandrisiko alleine vom Verkäufer zu tragen sei. § 110 VVG sei nicht für den Transportbereich anwendbar. Soweit sich für den Verbraucher dennoch Vorteile ergäben, seien diese auf Einzelfälle beschränkt. Der Verbraucher denke jedoch bei dem in Rede stehenden Hinweis an den "Normalfall", dass ein Paket nicht oder nur beschädigt ankomme.

Danach sei der geltend gemachte Zahlungsanspruch gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG begründet, soweit die Klägerin Ersatz der durch die vorangegangene entsprechende Abmahnung erforderlich gewordenen Aufwendungen verlange. Sofern die Abmahnung auf zwei weitere Verstöße gestützt werde, könne auf die Ausführungen der Abmahnung verwiesen werden. Diesen sei der Beklagte nicht entgegen getreten, sondern habe die gegen ihn ergangene einstweilige Verfügung als endgültige Regelung anerkannt. Der für die Abmahnung angesetzte Streitwert sei nicht zu beanstanden.

Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung wie folgt:

Das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die gemäß § 477 Abs. 1 S. 2 BGB erforderlichen Angaben bereits in der Werbung mit einer Garantie enthalten sein müssten. Der BGH habe diese Frage mit Urteil vom 14.04.2011, GRUR 2011, 638 - Werbung mit Garantie, abschließend entschieden und der Auffassung des Erstgerichtes eine Absage erteilt. Wie in dem der vorgenannten Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt enthalte auch die hier in Rede stehende Angabe "Volle Garantie" ersichtlich kein Angebot zum Abschluss eines eigenständigen Garantievertrages. Sie sei vielmehr in verschiedene weitere Werbeslogans eingebettet.

Darüber hinaus habe das Landgericht übergangen, dass er bestritten habe, dass die Anlage K4 seinem Angebot zuzuordnen sei.

Nicht gefolgt werde könne dem Landgericht auch insoweit, als es den Hinweis auf den versicherten Versand als irreführende Werbung bewertet habe. Der Hinweis sei in der Sache zutreffend. Demzufolge könne er allenfalls unter dem Gesichtspunkt der Werbung mit Selbstverständlichkeiten beanstandet werden. Hierfür fehle es allerdings an der erforderlichen plakativen Herausstellung in der Werbung.

Hinzu komme, dass verschiedene Fallkonstellationen benannt worden seien, in denen der versicherte Versand dem Verbraucher tatsächlich einen Vorteil bieten würde. Dies gelte insbesondere für den Fall des Annahmeverzuges, der kein Vertretenmüssen des Gläubigers voraussetze und in der Praxis schon dann eintrete, wenn der Verbraucher trotz vorheriger Ankündigung nicht zuhause sei, wenn die Ware ausgeliefert werde

Angefochten werde auch, dass das Landgericht die Beweisangebote zum Rechtsmissbrauch übergangen habe. Entgegen der Ansicht des Landgerichts sei der diesbezügliche Vortrag nicht "in`s Blaue hinein" erfolgt. Tatsächlich seien eine Vielzahl von Indizien aufgezeigt worden, die die Richtigkeit des Vorwurfs eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens stützen würden.

Soweit die Klägerin die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten auf zwei weitere Wettbewerbsverstöße gestützt habe, zu denen sie im Rechtsstreit jedoch nicht vorgetragen habe, sei es ihm möglich gewesen, dies gleichermaßen pauschal zu bestreiten. Dem klägerischen Vortrag habe es an einem hinreichend dargelegten Streitgegenstand gefehlt. Die Abmahnung, auf die das erstinstanzliche Gericht zur Begründung Bezug nehme, sei im vorliegenden Verfahren noch nicht einmal vorgelegt worden.

Der Beklagte beantragt deshalb,

das Urteil des LG Bochum vom 04.05.2011 zum Az.: I-12 O 196/10 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen, und zwar mit der Maßgabe, dass vor den Worten "kein Vorteil" das Wort "regelmäßig" eingefügt wird.

Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens wie folgt:

Zwar habe der BGH mit dem vom Beklagten zitierten Urteil vom 14.04.2011 den Sachverhalt zur Werbung mit Garantien weitgehend abschließend entschieden, jedoch ziehe der Beklagte hieraus die falschen Schlüsse. Denn der BGH habe in dieser Entscheidung auch klar gestellt, dass vertraglich bindende Angebote und Erklärungen sehr wohl unter die Bestimmungen des § 477 Abs. 1 BGB fallen würden und in diesem Falle die gesetzlichen Informationspflichten zu erfüllen seien. Abweichend von dem durch den BGH entschiedenen Fall läge hier jedoch ein Verkauf über die Verkaufsplattform Y vor. Damit stelle schon das Einstellen der Ware das verbindliche Angebot auf Abschluss eines Vertrages dar, welches vom Käufer nur noch durch die "Jetzt-Kaufen" oder "Jetzt-Bieten"-Funktion angenommen werden müsse. Damit hätten die Angaben zur Garantie auch vorliegend gemacht werden müssen.

Wenn der Beklagte vortragen lasse, die Angabe "volle Garantie" solle kein Angebot zum Abschluss eines eigenständigen Garantievertrages oder eines dem Kaufvertrag inhärenten Garantievertrages darstellen, sei auch dies ein Wettbewerbsverstoß. Der Beklagte werbe dann mit Vorzügen der Ware, die tatsächlich nicht gewährt würden.

Der nunmehrige Einwand des Beklagten, dass das Vorliegen der Angabe zur Garantie in seinem Angebot bestritten werde, sei im vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren selbst in der mündlichen Verhandlung nicht erhoben worden. Zudem seien aus den der Klage beigefügten umfangreichen Anlagen die Zugehörigkeit der Angabe zu den vom Beklagten veröffentlichten Angeboten auf der Verkaufsplattform Y unschwer nachzuvollziehen. Auch unzulässige und beendete Angebote könnten im Übrigen über einen Zeitraum von 3 Monaten auf der Verkaufsplattform Y weiter eingesehen werden. Angesichts dessen sei das pauschale Bestreiten seitens des Beklagten nicht ausreichend gewesen.

Der Beklagte verkenne zudem noch immer, dass beim Werben mit dem versicherten Versand der Verstoß nicht in einer Werbung mit einer Selbstverständlichkeit liege. Der Verstoß liege in einer Irreführung der Verbraucher über einen scheinbaren Vorteil, welcher tatsächlich nicht bestehe. Der Verbraucher ziehe aus der Versicherung der Ware keinen Vorteil, da ihm ein solcher lediglich vorgegaukelt werde, um die gegenüber Konkurrenten höheren Versandkosten zu rechtfertigen. Tatsächlich würden sämtliche Versicherungsleistungen des Versandunternehmens, mit dem der Beklagte die angebotene Zusatzversicherung abschließe, ausschließlich dem Vertragspartner, mithin dem Versender und nicht dem Käufer zugute kommen.

Den Nachweis, dass das Abmahnverhalten der Klägerin rechtsmissbräuchlich sei, bleibe der Beklagte nach wie vor schuldig. Denn er habe noch nicht einmal Indizien hierfür substantiiert vorgetragen.

Zu den vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten sei mit den Anlagen 7 und 8 belegt worden, dass der Beklagte bezüglich zweier weiterer Wettbewerbsverstöße, die im vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren festgestellt worden waren, eine Abschlusserklärung abgegeben habe. Hierdurch habe der Beklagte diese beiden Verstöße in einer einem rechtskräftigen Endurteil gleichstehenden Weise anerkannt. Wenn er diese beiden Verstöße nunmehr bestreite, sei dies prozessual bedenklich. Im Übrigen sei das erstinstanzliche Gericht schon im Hinblick auf die zwei in jedem Fall streitgegenständlichen Verstöße von einem angemessenen Kostenerstattungsanspruch ausgegangen. Denn vorliegend seien auch eine 1,4- oder eine 1,5-fache Gebühr ohne Weiteres angemessen gewesen.

Wegen des weiteren Vorbingens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

B.

Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.

I.

Die Klage ist zulässig.

Der seitens des Beklagten bereits vor dem Landgericht erhobene Vorwurf, die gerichtliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruches durch die Klägerin sei missbräuchlich i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG, ist nicht gerechtfertigt.

Ein Missbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 UWG setzt voraus, dass beherrschendes Motiv des Mitbewerbers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind. Als typischen Beispielsfall des sachfremden Motivs umschreibt das Gesetz das Gebührenerzielungsinteresse. Damit wird die Art der unzulässigen Geltendmachung eines solchen Anspruchs näher charakterisiert, aber der Weg zu anderen Missbrauchsformen durch die Rechtsverfolgung offen gelassen. Das beschriebene Vorgehen selbst oder jedenfalls die Art des Vorgehens muss rechtsmissbräuchlich sein. Der Anspruchsberechtigte muss mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen verfolgen und diese müssen unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalls als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen. Davon ist beispielsweise dann auszugehen, wenn die äußeren Umstände in ihrer Gesamtheit aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers deutlich machen, dass der Gläubiger kein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse an der Rechtsverfolgung haben kann und er deshalb allein oder ganz überwiegend nur ein Gebühreninteresse verfolgt. (vgl. zum Vorstehenden u.a. BGH GRUR 2001, 260 - Vielfachabmahner; Senat, GRUR-RR 2005, 141, 142; Köhler/Bornkamm, 29. Aufl., § 8 UWG, Rn. 4.10ff.).

Darlegungs- und beweispflichtig für die Voraussetzungen des § 8 Abs. 4 UWG ist der Verletzer, mithin hier der Beklagte. Erst wenn dieser in ausreichendem Umfang Indizien vorgetragen hat, die für eine rechtsmissbräuchliche Geltendmachung des Unterlassungsanspruches sprechen, obliegt es dem Anspruchsteller, diese zu widerlegen (BGH, GRUR 2001, 178 - Impfstoffversand an Ärzte; GRUR 2006, 243 - MEGA-Sale; Köhler/Bornkamm, 29. Aufl., § 8 UWG, Rn. 4.25).

Das diesbezügliche Vorbringen des Beklagten ist schon nicht erheblich. Die vom Beklagten aufgeführten Umstände sprechen nämlich weder für sich genommen noch in ihrer Gesamtheit in einem solchen Maße für sachfremde Interessen der Klägerin, dass es nunmehr dieser im Rahmen einer sodann sekundären Darlegungslast obläge, diese Tatsachen zu widerlegen.

1.

Soweit der Beklagte die umfangreiche Abmahntätigkeit des Prozessbevollmächtigten der Klägerin anführt und zum Beleg eine Google-Trefferliste vom 03.01.2011 (Anlage B1 zur Klageerwiderung vom 20.01.2011 /Bl. 91ff. d.A.) sowie die Ausdrucke diverser Internetbeiträge (Anlage B3 zur Klageerwiderung vom 20.01.2011 /Bl. 99ff. d.A.) zu dessen Tätigkeit zu den Akten reicht, lässt dies für sich genommen keinen Schluss auf ein sachfremdes, nicht schutzwürdiges Interesse der Klägerin zu. Die Klägerin weist insoweit zu Recht darauf hin, dass die vorgelegten Internetausdrucke nur belegen würden, dass ihr Prozessbevollmächtigter in den letzten Jahren für diverse Unternehmen, insbesondere für Silicon-Computer in wettbewerbsrechtlichen Verfahren tätig war. Eine solche - hier durch zudem kaum aussagekräftige Interneteinträge beschriebene - Tätigkeit ihres Rechtsanwaltes ist der Klägerin nicht ohne weiteres zurechenbar.

Der weitere Vorwurf des Beklagten, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe sich bislang lediglich an erfolgreiche Verfahren "rangehängt" - und auch dies könnte ein Indiz für ein rechtmissbräuchliches Verhalten sein (Köhler/Bornkamm, 29. Aufl., § 8 UWG, Rn. 4.12) -, ist nicht belegt. Die vorgelegten Internetausdrucke sind insoweit nicht aussagekräftig. Dass der Prozessbevollmächtigte auch nach eigenem Bekunden regelmäßig nur obergerichtlich entschiedene Wettbewerbsverstöße abmahnt, kann ihm für sich genommen nicht zum Vorwurf gereichen. Im Übrigen würde dieser Vorwurf - hierauf weist das Landgericht zu Recht hin - durch den vorliegenden Fall widerlegt.

2. Die angeblich umfangreiche eigene Abmahntätigkeit der Klägerin wird durch die seitens des Beklagten vorgelegte Google-Trefferliste vom 03.01.2011 (Anlage B2 zur Klageerwiderung vom 20.01.2011 /Bl. 96ff. d.A.) mangels Erläuterung der jeweils zugrunde liegenden Sachverhalte nicht hinreichend darlegt. Der Liste lässt sich vor allem nicht entnehmen, wie häufig die Klägerin tatsächlich im Jahr 2010 Abmahnungen ausgesprochen hat. Für den behaupteten Umfang von 50 Abmahnungen spricht nichts.

Im Übrigen vermag selbst eine umfangreiche Abmahntätigkeit nicht per se die Missbräuchlichkeit der Geltendmachung des Anspruches zu begründen. Vielmehr bedarf es hierfür weiterer Umstände (u.a. BGH GRUR 2005, 433 - Telekanzlei; GRUR 2001, 354 - Verbandsklage gegen Vielfachabmahner). Auch hieran fehlt es.

Es kann nämlich nicht festgestellt werden, dass die Abmahntätigkeit der Klägerin sich gleichsam verselbständigt hätte, d.h. in keinem vernünftigen Verhältnis mehr zur ihrer eigentlichen Geschäftstätigkeit steht und bei objektiver Betrachtung an der Verfolgung bestimmter Wettbewerbsverstöße kein nennenswertes wirtschaftliches Interesse außer dem Gebührenerzielungsinteresse mehr besteht (vgl. hierzu BGH GRUR 2001, 260 - Vielfachabmahner; Köhler/Bornkamm, 29. Aufl., § 8 UWG, Rn. 4.12).

Denn selbst wenn man mit dem Vorbringen des Beklagten von 50 kostenpflichtigen Abmahnungen seitens der Klägerin im Jahre 2010 ausginge, würde auch eine solche Anzahl von Abmahnungen nicht im Missverhältnis zur Geschäftstätigkeit der Klägerin, deren Größenordnung die Klägerin - und hiermit hat sie der ihr obliegenden sekundären Darlegungslast auch ohne Preisgabe ihrer Umsatz- und Gewinnzahlen genügt - anschaulich am unstreitigen Beispiel der allein im Monat Januar 2011 erfolgten 7.124 Bewertungen ihres Onlineshops bei X umreißt.

3.

Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin das Abmahngeschäft - und dies wäre prinzipiell rechtsmissbräuchlich (OLG Frankfurt, GRUR-RR 2007, 56; Köhler/Bornkamm, § 8 UWG, Rn. 4.12 m.w.N.) - "in eigener Regie" betreibt, insbesondere selbst Wettbewerbsverstöße erst ermittelt oder den Auftraggeber vom Kostenrisiko ganz oder teilweise freistellt.

a)

Zwar behauptet der Beklagte genau dies, wenn er in der Klageerwiderung vom 20.01.2011 vorträgt, die Klägerin habe mit ihrem Prozessbevollmächtigten eine gesonderte Gebührenvereinbarung getroffen, wonach sie an diesen überhaupt kein Rechtsanwaltshonorar zu zahlen habe, sondern dieser seine Gebühren nur aus realisierten Abmahnungen von den jeweiligen Abmahngegnern erhält. Bei keiner der vom Prozessbevollmächtigten in den letzten Jahren versandten Abmahnungen seien die Sachverhalte vom jeweiligen Mandanten ermittelt worden. Vielmehr habe der Prozessbevollmächtigte der Klägerin auch im vorliegenden Fall - so das Vorbringen des Beklagten im Schriftsatz vom 28.03.2011 - absprachegemäß eigenständig das Internet durchforstet und sodann auf der Grundlage einer ihm erteilten Blankovollmacht ohne weitere Rücksprache mit der Mandantin die Abmahnung erteilt. Diesem Vorbringen ist die Klägerin zwar zunächst in ihrer Replik vom 08.02.2011 - und hierauf weist der Beklagte im Schriftsatz vom 28.03.2011 hin - nicht ausdrücklich entgegen getreten. Allerdings lässt sich ihr gegenteiliges Vorbringen schon der Klage entnehmen, wenn dort vorgetragen wird, die mit dem Klageantrag zu 2. beanspruchten Gebühren seien in Rechnung gestellt worden. Dies stellt sie letztlich mit ihrem Schriftsatz vom 04.04.2011 lediglich klar, wenn sie vorträgt, die Behauptung einer Kostenfreistellung im Abmahnverfahren sei schon angesichts des Wortlauts der Klage absurd.

b)

Allerdings geht das Landgericht zu Recht davon aus, dass diese Behauptung des Beklagten als solche "in`s Blaue hinein" unerheblich ist.

Denn eine Behauptung ist auch unschlüssig, wenn die Tatsache zwar "in das Gewand einer bestimmt aufgestellten Behauptung gekleidet", aber aufs Geratewohl gemacht, gleichsam "ins Blaue" aufgestellt, mit anderen Worten, aus der Luft gegriffen ist und sich deshalb als Rechtsmissbrauch darstellt (BGH NJW 1991, 2707, 2709; NJW 1992, 3106; NJW 1996, 1826; NJW-RR 1999, 360; NJW-RR 2000, 208).

Dies ist hier der Fall. Denn die nicht näher konkretisierte Behauptung des Beklagten ist bislang tatsächlich nicht mehr als eine reine Vermutung. Dies steht zwar einer diesbezüglichen Beweisaufnahme nicht per se entgegen. Denn es bleibt einer Partei häufig nicht erspart, im Zivilprozess Tatsachen zu behaupten, über die sie keine genauen Kenntnisse hat, die sie aber nach Lage der Dinge für wahrscheinlich hält (hierzu BGH NJW 1992, 310; NJW 1995, 1160, 1161; NJW 1995, 2111, 2112; NJW-RR 2003, 491). Unzulässig wird ein solches prozessuales Vorgehen jedoch dann, wenn die Partei die Behauptung willkürlich, d.h. ohne greifbaren Anhalt für das Vorliegen dieses bestimmten Sachverhalts aufstellt. Hiervon wird man, um dem Gebot der Zurückhaltung bei der Annahme von Willkür in diesem Sinne Rechnung zu tragen, allerdings regelmäßig nur bei Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte ausgehen können (vgl. BGH, NJW 1991, 2707, 2709; NJW 1992, 1967, 1968; NJW-RR 2003, 69, 70).

An einem greifbaren Anhalt für seine Behauptung fehlt es dem Beklagten jedoch. Ein solcher ergibt sich insbesondere nicht aus der von ihm vorgelegten Anlage B3 zur Klageerwiderung vom 20.01.2011 (Bl. 100 d.A.). Im Gegenteil ist dem dort zitierten Verfahren vor dem LG Bonn zu entnehmen, dass die behauptete Vereinbarung gerade nicht bewiesen werden konnte.

Im Übrigen streitet nunmehr auch der Umstand, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Senatstermin anwaltlich versichert hat, der Klägerin die Abmahnkosten i.H.v. insgesamt 2.585,28 € am 22.10.2010 in Rechnung gestellt zu haben, woraufhin diese den Betrag am 04.04.2011 mit 2.350,13 € zum überwiegenden Teil beglichen habe, gegen das Vorbringen des Beklagten.

II.

Die Klage ist auch in vollem Umfang begründet.

1.

Der Klägerin steht der mit dem Klageantrag zu I. geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus § 8 Abs. 1 S. 1 UWG zu.

a)

Die Klägerin ist Mitbewerberin des Beklagten i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 2 UWG und als solche gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG aktivlegitimiert.

b)

Das streitgegenständliche Angebot des Beklagten stellt ein Handeln im geschäftlichen Verkehr im Sinne der §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG dar. Denn die in Rede stehenden Angaben dienen der Absatzförderung der Waren des eigenen Unternehmens. Dies gilt vor allem für den Hinweis "· volle Garantie". Denn gerade die Gewährung einer Garantie ist geeignet, das Vertrauen des Verbrauchers in die Qualität des Produktes zu erhöhen (BGH GRUR 2011, 638 - Werbung mit Garantie).

Hierbei ist davon auszugehen, dass die Anlage 4 zur Klageschrift vom 15.11.2010, und zwar auch die Seiten des Screenshots, auf denen sich die Angabe "· volle Garantie" findet, insgesamt dem Angebot des Beklagten zuzuordnen ist. Denn der als Anlage 4 vorgelegte Screenshot vom 23.08.2010 verhält sich über das unter der Artikelnummer ... auf der Internetplattform Y eingestellte Angebot "M Ladegerät kompaktes Ladegerät, ausgelegt für unterschiedliche Spannungen" des unstreitig unter der Bezeichnung "Y2" handelnden Beklagten. Die in Rede stehenden Seiten weisen in der Headerzeile http://cgi.Y.de/...360195138981... dieses Angebot aus, so dass keine vernünftigen Zweifel bestehen können, dass sie hierzu gehören. In Anbetracht dessen kann der Beklagte sich nicht auf das Argument, den vorgelegten Blättern des als Anlage 4 vorgelegten Screenshots lasse sich nicht entnehmen, dass es sich um sein Angebot handele, und im übrigen auf ein einfaches Bestreiten beschränken. Denn damit wird er seiner Erklärungslast aus § 138 Abs. 2 ZPO nicht gerecht, zumal er selbst eingesteht, dass die in Rede stehende Angabe jedenfalls in früheren Angeboten enthalten war und für ihn nicht mehr rekonstruierbar sei, ob die Entfernung der Angabe bei einzelnen Artikeln unterlassen worden sei.

c)

Das Handeln der Beklagten ist auch unlauter im Sinne des § 3 Abs. 1 UWG.

aa)

Mit der Angabe "· volle Garantie" handelt der Beklagte i.S.d. § 4 Nr. 11 UWG einer Vorschrift zuwider, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Markteilnehmer das Marktverhalten zu regeln.

(1) Hierin liegt ein Verstoß gegen § 477 Abs. 1 BGB, der in Umsetzung von Art.  6 Abs.  2 der Richtlinie 1999/44/EG v. 25.5.1999 in das deutsche Recht dem Schutz der Verbraucher dient und dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer, insbesondere der Verbraucher das Marktverhalten zu regeln (BGH GRUR 2011, 638 - Werbung mit Garantie).

Gemäß §  477 Abs. 1 S. 2 BGB muss eine Garantieerklärung (§ 443 BGB) - und hierfür genügt schon eine unselbständige Garantie als Bestandteil eines Kaufvertrages - den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers sowie darauf enthalten, dass diese Rechte durch die Garantie nicht eingeschränkt werden. Ferner muss die Erklärung den Inhalt der Garantie und alle wesentlichen Angaben, die für deren Geltendmachung erforderlich sind, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes sowie Namen und Anschrift des Garantiegebers, enthalten.

Diesen Anforderungen wird die vom Beklagten angekündigte Garantie nicht gerecht. Denn in dem in Rede stehenden Angebot werden dem Verbraucher die danach erforderlichen Pflichtangaben unstreitig nicht mitgeteilt. Es wird noch nicht einmal deutlich, ob es sich bei der in Aussicht gestellten Garantie um eine eigene des Anbieters oder eine solche des Herstellers handeln soll.

(a) Die Ankündigung "Volle Garantie" ist eine Garantieerklärung i.S.d. § 477 BGB. Denn sie beschränkt sich nicht auf eine bloße "Werbung mit einer Garantie", sondern bezieht sich auf ein konkretes Verkaufsangebot des Beklagten im Internet. Abweichend vom übrigen Onlinehandel, wo eine vom Unternehmer auf seiner Internetseite angepriesene Ware oder Dienstleistung im Zweifel als bloße invitatio ad offerendum - und allein hierüber verhält sich das vom Beklagten zitierte Urteil des BGH GRUR 2011, 638) - nur zu Angeboten der Verbraucher einlädt, ist nämlich die Einstellung der Ware auf der Y-Webseite ein rechtsgeschäftlich bindendes Angebot an den Interessenten, der dieses Angebot lediglich noch durch Betätigen der "Sofort-Kaufen"-Funktion annehmen kann (vgl. BGH NJW 2005, 53; OLG Hamburg MMR 2010, 400; OLG Köln MMR 2007, 713). Das ergibt sich schon aus den unstreitigen AGB des Plattformbetreibers.

(b) Ob der Angabe "· volle Garantie" im vorliegenden Angebot im Wege der Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB unter Berücksichtigung des objektiven Empfängerhorizonts die Bedeutung einer sog. Beschaffenheitsgarantie des Verkäufers oder - so die Auffassung des Beklagten unter Verweis auf OLG Düsseldorf, WRP 1977, 193 - einer Herstellergarantie zukommt, kann letztlich dahin stehen. § 477 BGB ist auf alle Garantieerklärungen des Verkäufers und eines Dritten als Garantiegeber i.S.d. § 443 BGB, mithin auch des Herstellers anwendbar (BeckOK-Faust, Stand: 01.03.2011, § 477 BGB, Rn. 3, Palandt-Weidenkaff, 70. Aufl., § 477 BGB, Rn. 3), sofern die angekündigte Garantie - wie vorliegend - Bestandteil des Angebots ist (Senat Urt. v. 05.04.2011 - 4 U 221/10). Denn der Verbraucher muss auch in diesem Fall noch vor Vertragsabschluss über die Einzelheiten der Garantie in Kenntnis gesetzt werden. Deren Inhalt muss der Käufer kennen, um zu wissen, worauf er sich einlässt, um sodann eine informierte Kaufentscheidung treffen zu können. Zudem muss er zur Einschätzung des Werts der Garantie, gleich ob es sich um eine eigene Garantie oder die des Herstellers handelt, den Inhalt der gesetzlichen Regelung kennen.

Diese Informationspflicht vor der Kaufentscheidung gilt völlig unabhängig davon, dass die dann geltenden Bedingungen der Garantie fernabsatzrechtlich noch nach Vertragsschluss gemäß Art. 246 § 2 EGBGB in Textform an den Verbraucher übermittelt werden können, sofern das noch nicht geschehen ist. Auch insoweit ist im Rahmen des Fernabsatzes zwischen der vorherigen Unterrichtung im Sinne von Art. 4 und der schriftlichen Bestätigung der Informationen im Sinne von Art. 5 der Fernabsatz-VerbraucherschutzRL 97/7/EG zu unterscheiden. Kaufrechtlich gibt es eine solche Unterscheidung nicht. Wäre das Kaufrecht strenger im Sinne des Verbraucherschutzes würde es den Beklagten ohnehin im Sinne einer verbraucherschutzrechtlichen "Meistbegünstigung" binden (vgl. Senat, Urt. v. 05.04.2011 - 4 U 221/10).

(c) Dem steht nicht entgegen, das die Angabe "volle Garantie" denkbar unbestimmt formuliert ist, so dass ohne weitere Erläuterung unklar bleibt, ob hiermit - und dies macht den Begriff der Garantie aus (vgl. u.a. BeckOK-Faust, Stand: 01.03.2011, § 477 BGB, Rn. 3) - die Rechte des Käufers wegen Mängeln im Vergleich mit seinen gesetzlichen Rechten überhaupt (zusätzlich) verstärkt oder ergänzt werden können. Im Gegenteil widerspricht gerade dieser Umstand dem Schutzzweck des § 477 BGB. Denn § 477 BGB soll auch dem Missstand begegnen, dass die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers als Garantie bezeichnet werden und dadurch der falsche Eindruck erweckt wird, der Kunde erhalte besonders günstige Konditionen (BeckOK-Faust, Stand: 01.03.2011, § 477 BGB, Rn. 1, 8 unter Verweis auf RegE, BTDrucks 14/6040 S. 81). Der Kunde muss wissen, ob und inwieweit dies tatsächlich der Fall ist, bevor er "sofort kauft".

(2) Es liegt keine Bagatelle i.S.d. § 3 UWG vor (Köhler/Bornkamm, 29. Aufl., § 3 UWG, Rn. 149). Im Übrigen begründet die Verletzung von - wie vorliegend - europarechtlichen Verbraucherinformationspflichten eo ipso die Spürbarkeit des Wettbewerbsverstoßes.

bb)

Darüber hinaus handelt der Beklagte durch den in seinem Angebot enthaltenen Hinweis, dass der Versand der Ware grundsätzlich durch ein versichertes Paket erfolgt, irreführend i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG, da dem Verbraucher hieraus regelmäßig gerade kein Vorteil erwächst.

Dem steht nicht von vorneherein entgegen, dass die in Rede stehende Angabe richtig sein mag, weil der Beklagte - so seine Behauptung - tatsächlich versichert versendet. Denn auch objektiv zutreffende Angaben können irreführend sein, wenn ein beachtlicher Teil der hiervon angesprochenen Verkehrskreise mit diesen eine unrichtige Vorstellung verbindet (Köhler/Bornkamm, 29. Aufl., § 5 UWG, Rn. 2.71).

(1) Wie eine Werbung verstanden wird, hängt von der Auffassung des Personenkreises ab, an den sie sich richtet. Werbung für Waren des allgemeinen Bedarfs - und hierzu zählt auch ein Handyladegerät - richtet sich in der Regel an das allgemeine Publikum, also an jeden Durchschnittsverbraucher, mithin auch die Mitglieder des erkennenden Senates (vgl. hierzu Köhler/Bornkamm, 29. Aufl., § 5 UWG, Rn. 2.85, 2.87).

Mit dem durch den Fettdruck besonders herausgestellten Hinweis auf die Versicherung des Versandes wird dem Durchschnittsverbraucher der Eindruck vermittelt, dass ihm als Besteller respektive Käufer durch diese Versicherung ein prinzipieller Vorteil erwächst, mithin diese in seinem Interesse liegt; ansonsten würde sich eine solchermaßen betonte Information seitens des Verkäufers an den Käufer erübrigen. Ein solcher Vorteil kann sich für den Verbraucher aus seiner Sicht nur dann ergeben, wenn ihm durch die Versicherung ein mit dem Versand der zuvor erworbenen Ware generell verbundenes, seinem eigenen Einflussbereich entzogenes Risiko abgenommen wird. Denn andernfalls läge sie nicht ohne weiteres und von vorneherein in seinem Interesse.

(2) Diese Vorstellung ist jedoch falsch.

Denn beim Verbrauchsgüterkauf ist gemäß § 474 Abs. 2 S. 2 BGB die Regelung des § 447 BGB zum Gefahrübergang beim Versendungskauf nicht anwendbar. Die Vergütungs-/Preisgefahr bleibt damit solange beim Verkäufer, bis der Käufer in den Besitz der Sache gelangt (§ 446 BGB). Das heißt, das generelle Versandrisiko wird beim Verbrauchsgüterkauf dem Verkäufer (Unternehmer) überbürdet (Palandt-Weidenkaff, 70. Aufl., § 474 BGB, Rn. 12). Den Interessen des Käufers ist also bereits durch die die VerbrGKRL umsetzende Regelung des § 474 BGB, wenn auch in einer anderen Form - und insoweit handelt es sich auch nicht etwa um eine Werbung mit Selbstverständlichkeiten - Rechnung getragen. Der Abschluss der in den Versandbestimmungen des Beklagten hervorgehobenen Versicherung dient damit in erster Linie den eigenen Interessen des Verkäufers, der im Falle des zufälligen Untergangs oder der zufälligen Beschädigung der verkauften Ware beim Versand den Anspruch auf die Gegenleistung des Kaufpreises verlieren würde (§ 326 Abs. 1 S. 1 BGB), ohne sich seinerseits an den Beförderer der Ware halten zu können.

Ein Vorteil entsteht dem Käufer zwar gegebenenfalls dann, wenn er in Annahmeverzug (§ 293 BGB) gerät. In diesem Fall geht gemäß § 326 Abs. 2 S. 1 BGB die Preisgefahr auf ihn über. Das heißt, er muss den vollen Kaufpreis bezahlen, auch wenn er die Ware nicht oder nur beschädigt erhält. Dafür steht ihm ein Anspruch aus Drittschadensliquidation gegen den Verkäufer, und zwar gemäß § 285 BGB auf Abtretung eines ggf. gegen die Versicherung des Transportunternehmens bestehenden Anspruches zu - und insoweit wäre er gegen eine Insolvenz des Verkäufers geschützt.

Diese mit dem Annahmeverzug verbundenden Nachteile stellen jedoch kein generelles Risiko des Versandes für den Käufer dar. Denn Annahmeverzug tritt nicht schon ein, sofern der Verbraucher nicht zuhause ist, wenn der Postbote die Bestellung ausliefert. Da die Leistungszeit bei derlei Versandkäufen regelmäßig nicht vereinbart ist, wird dem Gläubiger in diesen Fällen eine ständige Annahmebereitschaft nicht zugemutet, so dass gemäß § 299 BGB Annahmeverzug nur bei Angebot und rechtzeitiger Vorankündigung eintritt (vgl. MünchKomm-Ernst, 5. Aufl., § 299 BGB, Rn. 2). Damit handelt es sich aber um eine dem Einfluss und der überschaubaren Verantwortung des Bestellers obliegende Gefahr, deren Versicherung nicht per se für ihn einen Vorteil darstellt.

(3) Die in Rede stehende Angabe ist wettbewerbsrechtlich relevant. Sie ist geeignet, den Verkehr in seiner wirtschaftlichen Entschließung irgendwie zu beeinflussen (vgl. BGH GRUR 1981, 71 - Lübecker Marzipan). Das Landgericht weist insoweit zutreffend darauf hin, dass das Vergütungsrisiko des Versandes, d.h. den Kaufpreis zahlen zu müssen, obwohl die versendete Ware gar nicht oder beschädigt ankommt, für den Erwerber im Versandhandel eine durchaus kaufentscheidende Rolle spielt.

d)

Die Wiederholungsgefahr wird aufgrund des bereits verwirklichten Verstoßes tatsächlich vermutet (Köhler/Bornkamm, 29. Aufl., § 8 UWG, Rn. 1.33). Eine Unterwerfungserklärung seitens des Beklagten liegt hinsichtlich der streitgegenständlichen Vorwürfe gerade nicht vor.

2.

Der mit dem Klageantrag zu II. geltend gemachte Zahlungsanspruch i.H.v. 471,90 € steht der Klägerin gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 UWG zu, und zwar nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02.12.2010 (§ 291 BGB).

a)

Hierbei ist es dem Beklagten verwehrt, die Abmahnung vom 24.08.2010 (Bl. 46 BA) und die hierdurch angefallen Kosten insoweit in Frage zu stellen, als er die Berechtigung der hierin erhobenen Vorwürfe mit der Abschlusserklärung vom 06.09.2010 als materiellrechtlich verbindlich anerkannt hat. Dies betrifft den Tenor der Unterlassungsverfügung zu 1) und 2) des Landgerichts Bochum im vorangegangenen einstweiligen Verfügungserfahren mit dem Az. I-14 O 155/10. Zwar liegt hierin kein förmliches Anerkenntnis des Aufwendungsersatzanspruchs, doch hat der Beklagte damit ausdrücklich zu erkennen gegeben, dass der Vorwurf dieser Wettbewerbsverstöße zu Recht erfolgt ist. Auch wenn das Verfügungsverfahren zusammen mit der Abschlusserklärung wohl keine materielle Rechtskraft wie ein entsprechendes Hauptsacheverfahren entfalten dürfte, erreicht der solchermaßen gesicherte Antragsteller doch eine Rechtsposition, die ihm nahezu gleiche Rechtssicherheit gibt (vgl. Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 6. Auflage, Kap. 55 Rdn. 9, 10; Kap. 58 Rdn. 3, 4, 22). Das heißt, eine Erklärung, mit der eine den Unterlassungsanspruch zusprechende Urteilsverfügung für materiell verbindlich erklärt wird, ist sodann in dem Sinne präjudiziell, als der Verletzer gegenüber dem Aufwendungsersatzanspruch im Hinblick auf die außergerichtlichen Kosten nicht mehr einwenden kann, der dem ausgeurteilten Unterlassungsanspruch zugrunde liegende Wettbewerbverstoß habe nicht vorgelegen (vgl. Senat BeckRS 2010, 07441).

Auch der Einwand des Beklagten, die Klägerin habe die dem Zahlungsantrag zugrunde liegende Abmahnung vom 24.08.2010 im vorliegenden Rechtsstreit bislang nicht vorgelegt und sei demzufolge ihrer Darlegungslast aus § 138 Abs. 1 ZPO nicht nachgekommen, ist nicht erheblich. Der Inhalt der Abmahnung vom 24.08.2010 ist durch Bezugnahme auf Bl. 46 der beigezogenen Akte 14 O 155/10 LG Bochum Teil des unstreitigen Vorbringens des erstinstanzlichen Tatbestandes. Einer Unrichtigkeit des Tatbestandes hätte der Beklagte mit einem Berichtigungsantrag gem. § 320 ZPO begegnen müssen. Dies hat er verabsäumt, so dass der Senat nunmehr aufgrund der positiven Beweiskraft des Tatbestandes (§ 314 ZPO) von den Feststellungen im Tatbestand ausgehen muss (BeckOK-Wulf, Stand: 01.06.2011, § 529 ZPO, Rn. 6; Zöller-Heßler, 28. Aufl., § 529 ZPO, Rn.2).

Im Übrigen ist dem Beklagten der geltend gemachte Einwand verwehrt, da ihm der Inhalt der Abmahnung gerade im Hinblick auf die hier aufgrund der Abschlusserklärung nicht mehr streitigen Vorwürfe - und dies räumt er im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 28.03.2010 selbst ein - ausweislich der mit der Klageschrift vom 15.11.2010 als Anlagen 6 bis 8 vorgelegten Kopien seiner außergerichtlichen anwaltlichen Schreiben vom 30.08., vom 06.09. und vom 21.10.2010 sowie des einstweiligen Verfügungsverfahrens mit dem Az. 14 O 155/10 LG Bochum bekannt ist.

b)

Der geltend gemachte Anspruch ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die Summe der Vorwürfe rechtfertigt einen Streitwert in Höhe von 21.000,00 €.

c)

Schließlich kann dahinstehen, ob die Klägerin die von ihr geltend gemachten Anwaltskosten der Abmahnung tatsächlich beglichen. Denn selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, stünde ihr der hierfür erforderliche Geldbetrag dennoch gemäß § 250 BGB zu, nachdem der Beklagte selbst die Freistellung unter Bezugnahme auf die rechtsmissbräuchliche Geltendmachung der Forderung grundsätzlich abgelehnt hat (vgl. Palandt-Grüneberg, 70. Aufl., § 250 BGB, Rn. 2).

C.

Die Entscheidungen zur Kostentragung und vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 97 Abs.1, 709 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

D.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Die Rechtssache ist weder von grundsätzlicher Bedeutung noch erfordert sie zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung die Entscheidung des Revisionsgerichts.






OLG Hamm:
Urteil v. 22.11.2011
Az: I-4 U 98/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/2e949cc58eda/OLG-Hamm_Urteil_vom_22-November-2011_Az_I-4-U-98-11




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