Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 23. September 2002
Aktenzeichen: AnwZ (B) 69/01

(BGH: Beschluss v. 23.09.2002, Az.: AnwZ (B) 69/01)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Der Bundesgerichtshof hat mit seinem Beschluss vom 23. September 2002 die Entscheidungen des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs sowie eine Verfügung der Antragsgegnerin aufgehoben. In dem Verfahren ging es um die vorläufige Enthebung des Antragstellers, der zugleich Rechtsanwalt und Notar war, von seinem Amt als Notar sowie um den Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls. Der Rechtsanwalt legte sofortige Beschwerde ein und hatte damit vor dem BGH Erfolg.

Der BGH stellte fest, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nicht erfüllt waren. Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO kann die Zulassung widerrufen werden, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, die Interessen der Rechtsuchenden sind dadurch nicht gefährdet. Diese Voraussetzungen lagen zum Zeitpunkt des Widerrufs nicht vor.

Obwohl der Antragsteller Schulden in erheblicher Höhe hatte und es bereits zu Vollstreckungsmaßnahmen gekommen war, verfügte er über ausreichendes Vermögen, um diese Schulden begleichen zu können. Nachweislich hatte er andere Vermögenswerte, mit denen er die Restschuld begleichen konnte. Es wurde deutlich, dass der Anwalt im Rahmen des Beschwerdeverfahrens weitere Vermögenswerte nachweisen konnte, die die Schulden bei der Bank sogar überstiegen.

Da der Antragsteller erst im Beschwerdeverfahren ausreichend Informationen über seine Vermögensverhältnisse zur Verfügung stellte, wurde entschieden, dass es nicht gerecht wäre, ihm außergerichtliche Kosten zu erstatten.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 23.09.2002, Az: AnwZ (B) 69/01


Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers werden der Beschluß des 2. Senats des Niedersächsischen Anwaltsgerichtshofs in Celle vom 14. November 2001 und die Verfügung der Antragsgegnerin vom 22. September 2000 aufgehoben.

Gebühren und Auslagen werden nicht erhoben. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 51.129,19 DM) festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller wurde 1974 zur Rechtsanwaltschaft und als Rechtsanwalt bei dem Amtsgericht G. und dem Landgericht B. zugelassen. Im Jahre 1979 wurde er zum Notar bestellt. Der Präsident des Oberlandesgerichts B. enthob den Antragsteller mit Verfügung vom 7. August 2000 vorläufig seines Amtes als Notar. Unter Bezugnahme auf die zur Begründung dieses Bescheides getroffenen Feststellungen widerrief die Antragsgegnerin mit Verfügung vom 22. September 2000 die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls. Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Antragstellers, der inzwischen seines Amtes als Notar endgültig enthoben worden ist (BGH, Beschluß vom 8. Juli 2002 -NotZ 1/02, zur Veröffentlichung bestimmt).

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 4 BRAO) und auch begründet. Der Widerruf der Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft hat keinen Bestand.

Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, daß dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind.

Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, geraten und außerstande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen; Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st.Rspr., vgl. Senatsbeschluß vom 25. März 1991 -AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Senatsbeschluß vom 21. November 1994 -AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126). Diese Voraussetzungen waren bei Erlaß der Widerrufsverfügung nicht erfüllt.

Zwar hatte der Antragsteller zur Zeit der Widerrufsverfügung Schulden gegenüber der D. Bank in Höhe von 766.261,83 DM; es war auch bereits zu Vollstreckungsmaßnahmen der Bank gekommen. Dieser Forderung, auf welche die Widerrufsverfügung in erster Linie gestützt wurde, stand jedoch ausreichendes Vermögen des Antragstellers, mit dem die Forderung hätte beglichen werden können, gegenüber.

Zur Tilgung dieser Verbindlichkeit reichte der Erlös aus dem (späteren) Verkauf von Grundbesitz und das Guthaben einer gekündigten Lebensversicherung zwar nicht aus. Der Antragsteller hatte jedoch zur damaligen Zeit, wie er im Beschwerdeverfahren belegt hat, weiteres Vermögen, mit dem er die dadurch nicht abgedeckte Restforderung der D. Bank von knapp 150.000 DM hätte tilgen können, wenn nicht die Bank später -nach Erlaß der Widerrufsverfügung -auf diese Restforderung verzichtet hätte. Die Rückkaufswerte der nicht gekündigten Lebensversicherungen des Antragstellers beliefen sich nämlich nach den im Beschwerdeverfahren vorgelegten Bescheinigungen der Versicherungen auch bereits bei Erlaß der Widerrufsverfügung auf einen Betrag, der die durch den Verkaufserlös des Grundbesitzes und das Guthaben aus der gekündigten Lebensversicherung nicht getilgte Restforderung der D. Bank weit überstieg und bei einer Kündigung dieser Lebensversicherungen darüber hinaus ausgereicht hätte, einige weitere -kleinere -Forderungen, die gegen den Antragsteller tituliert waren, zu tilgen. Dieser Vermögenswert ist als Gegenwert zu den Verbindlichkeiten des Antragstellers entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs zu berücksichtigen, auch wenn die Lebensversicherungen vorrangig der Alterssicherung des Antragstellers dienten.

Da der Antragsteller seiner Pflicht zur Mitwirkung bei der Aufklärung seiner Vermögensverhältnisse erst im Beschwerdeverfahren hinreichend nachgekommen ist, entspricht es nicht der Billigkeit, eine Erstattung seiner außergerichtlichen Auslagen anzuordnen (§ 40 Abs. 4 BRAO i.V.m. § 13 a Abs. 1 Satz 1 FGG).

Deppert Schlick Otten Frellesen Salditt Schott Kappelhoff






BGH:
Beschluss v. 23.09.2002
Az: AnwZ (B) 69/01


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/2e71ab966280/BGH_Beschluss_vom_23-September-2002_Az_AnwZ-B-69-01




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share