Oberlandesgericht Düsseldorf:
Urteil vom 24. Juli 2012
Aktenzeichen: I-20 W 141/11

(OLG Düsseldorf: Urteil v. 24.07.2012, Az.: I-20 W 141/11)

Tenor

Tenor: s. vor den Gründen (Wiedergabe hier ist wegen der Abbildungen aus technischen Gründen nicht möglich)

Gründe

I.

Die Antragstellerin bietet weltweit Elektronikerzeugnisse an, insbesondere Computer und internetfähige Mobiltelefone. Sie ist Inhaberin des nachfolgend wiedergegebenen, am 24. Mai 2004 unter Inanspruchnahme der US-Priorität vom 17. März 2004 eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters für einen „Taschen­computer“, Registernummer 000181607-0001:

0001.1

0001.2

0001.3

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0001.5

0001.6

0001.7

Die Antragsgegnerin zu 2. bietet ebenfalls weltweit Elektronikerzeugnisse an. Die mit dem Vertrieb in Deutschland befasste, am Beschwerdeverfahren nicht beteiligte Antragsgegnerin zu 1. ist eine hundertprozentige Tochter der Samsung Electronics Holding GmbH, die ihrerseits wiederum eine hundertprozentige Tochter der Antragsgegnerin zu 2. ist. Es besteht auf beiden Ebenen jeweils ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag. Zum Sortiment der Antragsgegnerin zu 2. gehört der als Anlage Ast 6 vorgelegte, nachstehend in Ablichtung wiedergegebene Tabletcomputer mit der Bezeichnung „Galaxy Tab 7.7“, den sie in der Europäischen Union, nicht jedoch in Deutschlands vertreibt:

Die Antragstellerin, die in der Gestaltung des „Galaxy Tab 7.7“ eine Verletzung ihres Gemeinschaftsgeschmacksmusters sieht, hat die Antragsgegnerinnen mit dem vorliegenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch genommen.

Das Landgericht hat der Antragsgegnerin zu 1. antragsgemäß durch Beschluss den Vertrieb des „Galaxy Tab 7.7“ im Gebiet der Europäischen Union mit Ausnahme Deutschlands untersagt und den gegen die Antragsgegnerin zu 2. gerichteten Antrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, eine internationale Zuständigkeit sei insoweit nicht gegeben. Die Antragsgegnerin zu 1. sei nicht als Niederlassung der Antragsgegnerin zu 2. im Sinne des Art. 82 Abs. 1 GGV zu qualifizieren, da sie eine personenverschiedene Geschäftsführung habe und auf eigene Rechnung handele.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Die Antragstellerin trägt vor, die Kammer habe zu Unrecht eine gemeinschaftsweite Zuständigkeit hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 2. verneint. Ein Handeln in fremdem Namen sei für die Qualifikation als Niederlassung nicht erforderlich. Die Antragsgegnerin zu 1. werde über eine Holding von der Antragsgegnerin zu 2. beherrscht. Ihr einziger Zweck sei der Vertrieb der Produkte der Antragsgegnerin zu 2., die in Deutschland nur über sie bezogen werden könnten. Dem Verkehr trete sie als Außenstelle der Antragsgegnerin zu 2. gegenüber. Auch ein Verfügungsanspruch sei gegeben. Dem Verfügungsgeschmacksmuster komme ein weiter Schutzbereich zu, daran ändere auch das sogenannte Ozolins-Design nichts. Dieses sei bereits nicht hinreichend offenbart. Der informierte Benutzer könne die veröffentlichte Explosionszeichnung nicht verstehen, denn er sei kein Fachmann. Diese Mängel der Offenbarung würden auch nicht durch die Patentanmeldung geheilt, da die Anmeldung den inländischen Fachkreisen nicht vor dem Prioritätstag bekannt geworden sei. Ein Designer setze sich nicht mit Patentanmeldungen auseinander, erst recht nicht mit solchen aus anderen Wirtschaftsbereichen. Auch verstoße bei der Betrachtung einer Kombination beider Muster gegen das Gebot der Einzelvergleiche. Zudem hindere das Ozolins-Design den informierten Benutzer nicht daran, eine entsprechende Frontgestaltung bei einem Tablet-PC als neu und eigenartig zu empfinden, da es derartige Tablet-Computer zuvor nicht gegeben habe. Der Untergewichtung des betreffenden Merkmals stehe im Übrigen auch der Grundsatz entgegen, dass für die Verletzung allein die Frage des übereinstimmenden Gesamteindrucks entscheidend sei. Das „Galaxy Tab 7.7“ erwecke denselben Gesamteindruck, da alle Merkmale in nahezu identischer Form übernommen seien. Hier finde sich auch die Schalenform des Verfügungsgeschmacksmusters wieder. Der Eindruck der abgedeckten Schale werde durch das mittige Bauteil nicht beseitigt. Der Spalt zwischen beiden Bauteilen sei kaum wahrnehmbar, die verwandte Metalloptik sei identisch.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss vom 24. Oktober 2011, Az. 14c O 255/11, insoweit aufzuheben, als der Antrag zurückgewiesen wurde, und die einstweilige Verfügung europaweit mit Ausnahme des Gebiets der Bundesrepublik Deutschland auch gegen die Antragsgegnerin zu 2. zu erlassen.

Die Antragsgegnerin zu 2. beantragt,

die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen,

hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und die Sache dem Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV zum Zwecke der Vorabentscheidung über die Auslegung des Art. 82 Abs. 1 GGV sowie hilfsweise des Art. 6 Nr. 1 EuGVVO vorzulegen.

Die Antragsgegnerin zu 2. trägt vor, eine internationale Zuständigkeit sei hier nicht gegeben. Die Antragsgegnerin zu 1. sei keine ihrer Niederlassungen. Die Wahlfreiheit eines Unternehmens, rechtlich selbständige Tochtergesellschaften anstelle unselbständiger Niederlassungen zu schaffen, dürfe nicht durch einen Durchgriffs­gerichtsstand der Konzerngesellschaft konterkariert werden. Für einen Rechtscheintatbestand sei in Deliktssachen kein Raum; die Rechtsprechung zu dem einen vertraglichen Wahlgerichtsstand regelnden Art. 5 Nr. 5 EuGVVO könne auf Art. 82 Abs. 1 GGV nicht übertragen werden. Im Deliktsrecht fehle der für Rechtsscheintatbestände erforderliche gesteigerte soziale Kontakt; ein vom Vertragspartner geschaffener Vertrauenstatbestand sei nicht gegeben. Nicht umsonst komme es bei dem in Art. 5 Nr. 3 EuGVVO geregelten deliktischen Gerichtsstand allein auf die objektiven Gegebenheiten an. Zudem würden durch die Berücksichtigung derartiger Rechtsscheinniederlassungen Gerichtsstände in einer Vielzahl von Mitgliedsstaaten und damit Raum für ein „forum shopping“ geschaffen, welches die GGV gerade vermeiden wolle. In keinem Fall aber könne eine entsprechende Auslegung der Verordnung vom Senat ohne Vorlage an den Europäischen Gerichtshof vorgenommen werden. Der Senat sei im vorliegenden Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung letztinstanzliches Gericht. Auf das Hauptsacheverfahren könne nicht abgestellt werden, da die Antragstellerin ein entsprechendes Verfahren hier, in dem die Zuständigkeitsfrage erneut geprüft werde, durch Erhebung der Klage vor dem Gericht am Sitz des Harmonisierungsamtes verhindern könne. Doch selbst wenn man Rechtsscheingesichtspunkte im Rahmen des Art. 82 Abs. 1 GGV zulassen wolle, reichten die angeführten Anknüpfungspunkte nicht aus. Beim Internet- und beim Messeauftritt der Gruppe stünden die Marken und Logos im Vordergrund, Informationen zur Organisation könne der Verkehr hieraus nicht ableiten. Die Bezeichnung des Bürogebäudes als „Samsung House“ sei gänzlich unspezifisch. Aus der Betrauung der Antragsgegnerin zu 1. mit der Bearbeitung der Garantiefälle könne ebenfalls keine Niederlassungseigenschaft abgeleitet werden; denn mit derartigen Tätigkeiten würden auch völlig fremde Unternehmen beauftragt.

Ein Verfügungsanspruch sei nicht gegeben. Das Verfügungsgeschmacksmuster sei nicht rechtsbeständig. Es leide an einem unauflösbaren Widerspruch zwischen den Darstellungen 0001.2 und 0001.4. Während die Figur 0001.2 mit einer die Transparenz der Oberfläche kennzeichnenden Schraffur versehen sei, sei die Oberfläche in der die gleiche Seite zeigenden Figur 0001.4 nicht transparent. Zudem fehle dem Geschmacksmuster die erforderliche Eigenart. Es sei durch das am 10. September 2003 als deutsches Geschmacksmuster DE 4030 1867-0001 veröffentlichte und das am 4. März 2004 als US-Patentan­meldung US 2004/0041504 offengelegte „Ozolins-Design“ vorweggenommen. Das in der US-Patentanmeldung dargestellte Erzeugnis weise bereits eine den Rahmen abdeckende transparente Frontseite, die für den Gesamteindruck entscheidend sei, vor einem einteiligen Gehäuse auf. Allenfalls verbleibe danach für das Verfügungsgeschmacksmuster ein äußerst geringer Schutzbereich, in den das „Galaxy Tab 7.7“ nicht falle. Dessen Gehäuse sei nicht einteilig, sondern aus zwei Komponenten zusammengesetzt; optisch wirke es sogar dreiteilig. Der Übergang von der Rückfront in die Seitenwände weise nicht überall den gleichen Durchmesser auf, sondern sei im Bereich der Rückfront als Übergangsbogen ausgebildet. Es wirke schlanker, weicher und verspielter als das Verfügungsgeschmacksmuster.

Nach der Erörterung in der Beschwerdeverhandlung, ob der von der Antragsgegnerin vertretenen Unanwendbarkeit von Rechtsscheingrundsätzen im Rahmen des Art. 82 GGV nicht bereits die Bedeutung entgegenstehe, die dem Grundsatz der Publizität des Handelsregisters für den Gerichtsstand beigemessen werde, hat die Antragsgegnerin nachterminlich ihre Argumentation zum Fehlen einer internationalen Zuständigkeit sowie zur Vorlagepflicht und insbesondere ihren Ansatz der Unanwendbar­keit von Rechtsscheingrundsätzen im Rahmen des Art. 82 GGV weiter vertieft. So knüpfe Art. 82 Abs. 2 GGV bezüglich des Gerichtsstands des Klägersitzes subsidiär ebenfalls an den Sitz der Niederlassung an. Es könne jedoch nicht sein, dass der Kläger von einem von ihm selbst gesetzten Rechtsschein einer Niederlassung profitiere. Zudem fehle bei der Anwendung von Art. 82 GGV der in Art. 5 Nr. 5 EuGVVO vorausgesetzte Bezug zur Niederlassung. Einer Interaktion Dritter mit der vermeintlichen Niederlassung komme keine Funktion zu; das Verhalten müsse daher bei deren Bestimmung ausgeblendet werden. Dem stehe auch nicht der Grundsatz der Publizität des Handelsregisters entgegen. Es handele sich um deutsches Recht, das bei der Auslegung des gemeinschaftsrechtlichen Niederlassungsbegriffs keine Anwendung finden könne. Für eine Rechtsfortbildung im Hinblick auf eine Einbeziehung von Tochtergesellschaften in den Niederlassungsbegriff bestehe kein anerkennenswertes Bedürfnis, die abgestuften Zuständigkeitsregeln der GGV bildeten ein geschlossenes System.

Die Antragstellerin ist der Auffassung nachterminlich nochmals entgegengetreten und hat vertiefend ausgeführt, die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung erachte eine Zuständigkeit der Gerichte, mit deren Rechtsordnung wenigstens eine der Parteien bereits vertraut ist, für vorrangig. Eine Subsumtion der Vertriebstochter unter den Begriff der Niederlassung sei aber auch geboten, damit arbeitsteilige Verletzungen des Schutzrechts durch Mutter und Vertriebstochter an ein und demselben Ort beschieden würden; der Auffanggerichtstand des Art. 82 Abs. 3 GGV sei für die Niederlassung nicht begründet.

Nachterminlich hat die Antragsgegnerin zudem ihre Auffassung eines vom Verfügungsgeschmacksmuster abweichenden Gesamteindrucks durch den Verweis auf eine nicht rechtskräftige und allein im Verhältnis ihrer englischen Vertriebstochter und der Antragstellerin ergangene Entscheidung des High Court of Justice für England und Wales bekräftigt, wo es heißt, nicht nur durch die geteilte und strukturierte Oberfläche der Rückseite unterscheide sich das „Galaxy Tab 7.7“ vom Verfügungsgeschmacksmuster, sondern auch durch den Schriftzug „Samsung“ auf der Frontseite und das dünnere Profil; es nehme dessen charakteristisch kühle, formenstrenge Gestaltung nicht auf.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung, Bl. 34 ff. d. GA., wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige sofortige Beschwerde der Antragstellerin hat auch in der Sache Erfolg.

Die Antragstellerin hat gegenüber der Antragsgegnerin zu 2. einen Anspruch auf Unterlassung des Vertriebs des streitgegenständlichen Tablet-Computers „Galaxy Tab 7.7“ aus Art. 89 Abs. 1 lit. a GGV.

Der Senat ist für Entscheidung über die geltend gemachten geschmacksmusterrechtlichen Ansprüche im Gebiet der Europäischen Union zuständig. Die internationale Zuständigkeit ergibt sich aus Art. 82 Abs. 1 GGV; nach Art. 83 Abs. 1 GGV erstreckt sich die Zuständigkeit auf das gesamte Gebiet der Europäischen Union.

Gemäß Art. 82 Abs. 1 GGV sind für Klagen wegen Verletzung eines Gemeinschaftsgeschmacksmusters die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz oder - in Ermangelung eines Wohnsitzes in einem Mitgliedstaat - eine Niederlassung hat. Die Antragsgegnerin zu 1. hat ihren Sitz in Deutschland. Die Antragsgegnerin zu 2. hat ihren Sitz in Südkorea und somit nicht in einem Mitgliedstaat, so dass in ihrem Fall eine deutsche Zuständigkeit nur am Sitz einer Niederlassung begründet sein kann. Eine solche Niederlassung der Antragsgegnerin zu 2. ist die Antragsgegnerin zu 1.

Die Gemeinschaftsgeschmacksmusterverordnung definiert den Begriff der Niederlassung nicht. Nach der zu Art. 5 Nr. 5 EuGVÜ ergangenen Rechtsprechung ist mit dem Begriff der Niederlassung ein Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit gemeint, der auf Dauer als Außenstelle eines Stammhauses hervortritt, eine Geschäftsführung hat und sachlich so ausgestattet ist, dass er in einer Weise Geschäfte mit Dritten betreiben kann, dass diese, obgleich sie wissen, dass möglicherweise ein Rechts­verhältnis mit dem im Ausland ansässigen Stammhaus begründet wird, sich nicht unmittelbar an dieses zu wenden brauchen, sondern Geschäfte an dem Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit abschließen können, der dessen Außenstelle ist (EuGHE 1978, 2183 Tz. 12 - Somafer; EuGH, NJW 1988, 625 Tz. 10 - Schotte). Dabei kann es sich auch um eine rechtlich selbständige Tochter­gesellschaft handeln, etwa bei einer gleichnamigen Gesellschaft mit identischer Geschäfts­führung, die im Namen der Muttergesellschaft verhandelt und Geschäfte abschließt und derer sich die Muttergesellschaft wie einer Außenstelle bedient (EuGH, NJW 1988, 625 Tz. 17 - Schotte). Entscheidend ist nicht die interne Betriebsstruktur, sondern die Art und Weise, wie sich die Unternehmen im Geschäftsleben verhalten und sich Dritten gegenüber darstellen (EuGH, NJW 1988, 625 Tz. 17 - Schotte). Dritte, die Geschäfte mit einer Niederlassung abschließen, welche als Außenstelle einer anderen Gesellschaft tätig wird, müssen sich auf den so erweckten Anschein verlassen und diese Niederlassung als eine Niederlassung der anderen Gesellschaft ansehen können, selbst wenn die beiden Gesellschaften gesellschaftsrechtlich voneinander unabhängig sind (EuGH, NJW 1988, 625 Tz. 17 - Schotte).

Im Streitfall kann es dahinstehen, ob schon der Umstand, dass es sich bei der Antragsgegnerin zu 1. um eine von der Antragsgegnerin zu 2. (mittelbar) beherrschte ausschließliche Vertriebsgesellschaft handelt, die Annahme einer Niederlassung im Sinne des Art. 82 Abs. 1 GGV rechtfertigt. Die entsprechende Frage ist vom Europäischen Gerichtshof bislang nicht beantwortet. In den vorzitierten Entscheidungen hat der Europäische Gerichtshof das Bestehen einer Niederlassung in den zur Prüfung anstehenden Fällen bejaht. Dass damit eine Begrenzung auf diese Konstellationen verbunden sein sollte, ist den Entscheidungen jedoch nicht zu entnehmen.

Es spricht einiges für eine Betrachtung beherrschter, wenn auch rechtlich selbständiger Tochtergesellschaften als Niederlassungen im funktionellen Sinne, auch unabhängig von der Frage, ob die jeweiligen nationalen Handelsregister eine rasche Überprüfung des Bestehens eines Beherrschungsverhältnisses erlauben, wie es beim deutschen Handelsregister der Fall ist. Eine solche Gesellschaft unterscheidet sich der wirtschaftlichen Funktion nach nicht wesentlich von einer rechtlich unselbständigen Niederlassung. Ihr Geschäfts­zweck erschöpft sich in dem Vertrieb und der Betreuung der Produkte ihrer Muttergesellschaft. Die Muttergesellschaft kann der Vertriebstochter Anweisungen erteilen und das von ihr gewünschte Verhalten notfalls erzwingen. Auf der anderen Seite kann auch der Leiter einer rechtlich unselbständigen Niederlassung im Tatsächlichen über einen beachtlichen eigenen Handlungsspielraum verfügen. Eine selbständige Vertriebstochter handelt zudem nur vordergründig auf eigene Rechnung, da die Früchte ihrer Tätigkeit der Muttergesellschaft zufließen. Diese vereinnahmt die Gewinne und trägt gegebenenfalls die Verluste.

Für eine solche Gleichstellung von beherrschten Tochtergesellschaften mit Niederlassungen der Muttergesellschaft finden sich durchaus Vorbilder, beispielsweise in der US-amerikanischen Rechtspraxis. So werden formal selbständige Tochtergesellschaften, deren finanzielle, personelle und operative Abhängigkeit von der Muttergesellschaft über das dem Mutter-Tochter-Verhältnis von der Natur der Sache her innewohnende Maß hinausgehen, von amerikanischen Gerichten als unselbstständiger Teil (department) oder als „zweites Ich” (alter ego) der Muttergesellschaft angesehen, die für diese den Gerichtstand der Niederlassung begründen (Winkler/Graf von der Recke, US-amerikani­scher Gerichtstand für Klagen gegen ausländische Unternehmen - Aktuelle Entwicklungen in der amerikanischen Rechtsprechung, NZG 2005, 241, 245 m. Verw. a. Volkswagen AG v. Beech Aircraft Corp., 751 F.2d 117 (2d Cir. 1984) u. Reers v. Deutsche Bahn AG, No. 03 Civ. 5360 (S.D.N.Y. June 3, 2004; Alio, DAJV-Newsletter 3/2007, S. 128, 129).

An der Begrifflichkeit braucht eine Gleichbehandlung nicht zu scheitern. Der Begriff der Niederlassung im Sinne des Art. 82 GGV muss nicht zwangsläufig mit dem in Art. 5 Nr. 5 EuGVÜ identisch sein, der inhaltsgleich in Art. 5 Nr. 5 EuGVVO übernommen worden ist. Der Begriff der Niederlassung im Sinne des Art. 82 GGV ist autonom auszulegen, wobei auf die Rechtsprechung zu Art. 5 Nr. 5 EuGVÜ zurückgegriffen werden kann (Rühl, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, 2. Aufl., Art. 82 Rn. 9), was eine in Teilbereichen abweichende Definition jedoch nicht ausschließt. Art. 5 Nr. 5 EuGVVO regelt einen Gerichtsstand für vertragliche Ansprüche. Wer weiß, dass er mit einer rechtlich selbständigen Tochtergesellschaft kontrahiert, bedarf der Privilegierung durch einen Wahlgerichtsstand in Bezug auf die Muttergesellschaft nicht. Geschmacksmusterrechtliche Ansprüche sind hingegen weithin deliktsrechtlicher Natur. Es kommt darauf an, durch welche Handlung ein Geschmacksmuster verletzt worden ist. In dieser Hinsicht aber bedient sich eine Muttergesellschaft ihrer auf den Vertrieb ihrer Produkte ausgerichteten Tochtergesellschaft ohne Rücksicht auf die rechtliche Selbständigkeit wie einer Außenstelle. Die Schutzrechtsverletzungen beruhen auf dem mit der Belieferung durch die Muttergesellschaft geschaffenen Vorgaben. Durch den Vertrieb der Erzeugnisse vollendet sich dann die von der Muttergesellschaft initiierte Geschmacks­muster­verletzung. Insoweit ist die Tochtergesellschaft ausführendes Organ.

Ein weiterer Aspekt kommt hinzu. Während die Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 5 EuGVVO neben die aus Art. 2 Abs. 1 EuGVVO tritt, kommt der Gerichtsstand der Niederlassung im Sinne des Art. 82 Abs. 1 GGV überhaupt nur dann zum Tragen, wenn ein Beklagter in der Europäischen Gemeinschaft keinen Wohnsitz hat. Dieser Gerichtsstand stellt folglich keine Alternative, sondern eine Ergänzung zum Grundsatz der gemeinschaftsweiten Zuständigkeit des Sitzgerichts dar, was für ein erweiterndes Verständnis des Begriffs der Niederlassung sprechen kann. Die Vorstellung einer gemeinschaftsweiten Entscheidungskompetenz des sachnächsten Gerichts würde auch in Fällen nicht gemeinschaftsangehöriger Beklagter verwirklicht werden. Art. 82 Abs. 3 GGV, der eine Zuständigkeit der Gerichte im Sitzstaat des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt vorsieht, muss dieser Überlegung nicht entgegenstehen. Er ist nämlich als Auffangtatbestand konzipiert. Gegenüber einer Verhandlung vor dem Gericht eines Staates, zu dem keine der Parteien eine Beziehung hat, erscheint die Verhandlung vor einem Gericht des Staates, in dem zumindest eine Tochtergesellschaft ihren Sitz hat, vorzugswürdig.

Die mit der Schaffung eines Gerichtstandes ebenfalls verfolgte Intention der Vermeidung eines „forum shopping“ steht der Gleichstellung jedenfalls nicht entgegen. Die Gefahr des forum shopping ist dem Gerichtsstand der Niederlassung immanent. Außereuropäische Unternehmen, die ihren Vertrieb über Niederlassungen organisiert haben, werden häufig Niederlassungen in mehreren Staaten der Union unterhalten. Der Umstand, dass der Verordnungsgeber gleichwohl den Gerichtsstand der Niederlassung geschaffen und mit Vorrang vor der Zuständigkeit der Gerichte am Sitz des Harmonisierungsamtes ausgestattet hat, erlaubt daher den Rückschluss, dass er eine einheitliche Entscheidung der nationalen Gerichte, zu deren Rechtsordnung auf Beklagtenseite eine - durch die Niederlassung begründete - Nähebeziehung besteht, für vorzugswürdig erachtet. Eine solche Nähe­beziehung vermittelt aber auch eine beherrschte Tochter, da die Ausübung des Herrschaftsverhältnisses auf Seiten der Mutter eine Kenntnis der Rechtsordnung, in der sich die Tochtergesellschaft bewegt, voraussetzt.

Eine Verweisung des Klägers auf den subsidiären Gerichtsstand des Art. 82 Abs. 3 liefe zudem der Intention der Geschmacksmusterverordnung entgegen, bezüglich eines bestimmten Sachverhalts eine einheitliche, gemeinschaftsweit gültige Entscheidung zu ermöglichen. Wie bereits ausgeführt, wird eine Geschmacksmusterverletzung in aller Regel arbeitsteilig durch Mutter- und Tochtergesellschaft begangen. Bezüglich der Vertriebstochter ist jedoch, wenn sie ihren Sitz nicht gerade in Spanien hat, eine Zuständigkeit der Gerichte im Sitzstaat des Harmonisierungsamtes nicht gegeben. Würde der Kläger gleichwohl für seine Klage gegen die Muttergesellschaft auf den Auffangtatbestand des Art. 82 Abs. 3 GGV verwiesen, müsste er die Muttergesellschaft und ihre Vertriebstochter in getrennten Verfahren in Anspruch nehmen. Eine solche Aufspaltung würde dem Kläger nicht nur die Durchsetzung seiner Rechte erschweren, sondern zudem die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen schaffen, die - auch wenn sie formal gegenüber zwei unterschiedlichen Beklagten ergehen - geeignet sind, die Rechtsanwendung zufällig erscheinen zu lassen und das Vertrauen in die Rechtsordnung zu untergraben. Ein Ergebnis, das den Zielen der Regelung widerspräche und das die Antragsgegnerin nunmehr selbst beklagt, wo in England auf eine negative Feststellungsklage ihrer dortigen Vertriebstochter hin eine dieser günstige Entscheidung ergangen ist.

Die Überlegungen zur generellen Gleichbehandlung ausländischer Gesellschaften ohne Rücksicht auf die rechtliche Selbständigkeit ihrer hiesigen Vertriebsstellen können jedoch dahinstehen, da es nach den bereits vorliegenden Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs auf den erweckten Anschein ankommt. Der Umstand, dass Art. 82 Abs. 1 GGV die internationale Zuständigkeit für deliktische Ansprüche regelt, steht dem nicht entgegen. Art. 82 Abs. 1 GGV hat mit Art. 5 Nr. 5 EuGVVO gemein, dass beide an den Sitz des Beklagten anknüpfen, während Art. 5 Nr. 3 EuGVVO auf den Ort der unerlaubten Handlung abstellt und damit einem völlig anderen Ansatz folgt. An den Sitz des Beklagten anknüpfende Gerichtsstände sind grundsätzlich und unabhängig von der Natur der verfolgten Ansprüche der Berücksichtigung von Rechtsscheingesichtspunkten zugänglich.

Die Auffassung der Antragsgegnerin (und ihres Privatgutachters Professor Leible), im Rahmen des Art. 82 Abs. 1 GGV sei für Rechtsscheingesichtspunkte kein Raum, da Rechtsscheintatbestände in dem Vertrauensverhältnis von Vertragspartnern wurzelten, überzeugt nicht. Dem steht - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - schon die Bedeutung der Publizität des Handelsregisters für den Gerichtsstand entgegen. Bei der Publizität handelt es sich nicht - wie die Antragsgegnerin meint - allein um nationales (deutsches) Recht, sondern um ein Grundprinzip des Gemeinschaftsrechts. Die Regelung in § 15 HGB dient lediglich der Umsetzung der Publizitätsrichtlinie. Nach Art. 3 Abs. 6 der Richtlinie 2009/101/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen können Urkunden und Angaben Dritten von der Gesellschaft erst nach Offenlegung entgegengehalten werden. Nach Art. 3 Abs. 7 Satz 3, 2. Halbsatz können Dritte sich auf den offen gelegten Text selbst im Falle einer Abweichung vom Registerinhalt berufen. Beide Regelungen waren im Übrigen bereits in der Vorläufervorschrift, der Ersten Richtlinie des Rates vom 9. März 1968 zur Koordinierung der Schutzbestimmungen, RL 68/151/EWG, enthalten. Es handelt sich mithin um einen der ältesten Grundsätze des Gemeinschaftsrechts überhaupt. Auf die Eintragung der Antragsgegnerin zu 1. als Niederlassung der Antragsgegnerin zu 2. oder auf eine entsprechende Bekanntmachung könnte sich ein gutgläubiger Dritter folglich immer und in allen Bereichen des Gemeinschaftsrechts, also auch im Rahmen des Art. 82 Abs. 1 GGV, berufen. Die Bekanntmachungen des Handelsregisters richten sich an die Allgemeinheit, unabhängig davon, ob bereits Geschäftsbeziehungen mit der Firma bestehen oder aus welchem Grund sich der Dritte für die Verhältnisse der Firma interessiert.

Eine Beschränkung der Wirkung eines Rechtsscheins auf handelsregisterrechtliche Bekanntmachungen ist nicht veranlasst. Vielmehr besteht eine Parallele registerrechtlicher Bekanntmachungen zum Internetauftritt eines Unternehmens, da auch letzterer sich unabhängig vom Bestehen einer Geschäftsbeziehung an die Allgemeinheit wendet und das Unternehmen vorstellt. Für Bekanntmachungen des Handelsregisters muss ein Unternehmen stets einstehen, unabhängig davon, ob deren Unrichtigkeit auf eigener Nachlässigkeit oder auf einem Fehler des Amtes beruht. Es erscheint vor diesem Hintergrund gerechtfertigt, ein Unternehmen jedenfalls an seinen „Bekanntmachungen“ in eigener Sache festzuhalten.

Im Streitfall ist von den Antragsgegnerinnen der Anschein einer Niederlassung gesetzt worden ist. Hieran muss sich die Antragsgegnerin zu 2. festhalten lassen, auch wenn der Schein falsch sein sollte. Die Antragsgegnerinnen präsentieren sich im Internet unter der aus dem gemeinsamen Firmenschlagwort und der deutschen Topleveldomain „de“ gebildeten Internetadresse als ein einheitliches, weltweit tätiges Unternehmen, das seine Aufträge global vergibt und als dessen Geschäftsleitung nur der Vorstand der Antragsgegnerin zu 2. vorgestellt wird. Dabei kann dahinstehen, ob bei einem Internetauftritt, wie die Antragsgegnerin zu 2. geltend macht, für die meisten Interessenten „die Marken und Logos im Vordergrund stehen“. Die Rubrik „Kontakt“ hat jedenfalls weitergehende Bedeutung. Hier sucht Auskunft, wer mit der sich präsentierenden Firma in Kontakt treten oder sich über deren Sitz und Niederlassungen informieren möchte. Dies kann auch zur Vorbereitung einer Klage geschehen. In der Rubrik „Kontakt“ findet sich eine mit „Vertriebsniederlassungen weltweit“ überschriebene Auflistung, die für Deutschland die Antragsgegnerin zu 1. ausweist. Durch die Bezeichnung der Antragsgegnerin zu 1. als Vertriebsniederlassung wird der Eindruck erweckt, die Antragsgegnerin zu 1. sei die deutsche Niederlassung der Antragsgegnerin zu 2., die diese in Deutschland in allen Belangen vertritt und der sie sich wie einer Außenstelle bedient. Leser dieses Internetauftritts werden annehmen, dass sie sich nicht unmittelbar an die Antragsgegnerin zu 2. wenden müssen, sondern dass es ausreicht, sich an die Antragsgegnerin zu 1. als deren deutsche Außenstelle zu halten, um ein Rechts­verhältnis mit dem im Ausland ansässigen Stammhaus zu begründen.

Die Antragsgegnerin zu 2. kann sich nicht darauf berufen, verantwortlich für den Internetauftritt sei die Antragsgegnerin zu 1. Aufgrund des bestehenden Beherrschungsverhältnisses hätte sie diese zu einer Änderung anweisen können und müssen. Ein zurechenbarer Rechtsschein kann auch durch ein Unterlassen begründet werden. Dass sie von dem Internetauftritt keine Kenntnis gehabt habe, behauptet die Antragsgegnerin zu 2. selbst nicht.

Der Annahme, es handele sich bei der Antragsgegnerin zu 1. um eine Niederlassung, steht nicht entgegen, dass die Antragsgegnerin zu 1. die Produkte der Antragsgegnerin zu 2. ausschließlich an gewerbliche Wiederverkäufer veräußert und aus ihren Geschäftsbriefen und Rechnungen ihr Handeln im eigenen Namen ersichtlich ist, da daneben auch Rechtsbeziehungen zu den Endkunden bestehen können, denen diese Informationen nicht zugänglich sind. Es ist üblich, dass namhafte Hersteller für ihre Produkte eine Garantie übernehmen. Entsprechendes kann der Verkehr auch von der Antragsgegnerin zu 2. erwarten, eine Erwartung die ausweislich der dem Gerät beigefügten „Warranty Card“ nicht enttäuscht wird. Die Karte zeigt, dass zwischen der Antragsgegnerin zu 2. und dem Endkunden ein Garantievertrag zustande kommt. Nach der Karte gewährt „Samsung“ für das Produkt eine Garantie, die in allen Ländern in Anspruch genommen werden kann, in denen das Produkt vertrieben worden ist. Der deutsche Text gibt als Anschrift die der Antragsgegnerin zu 1. an, in den anderssprachigen Texten werden die Vertriebsgesellschaften in den entsprechenden Staaten genannt. Nach der Karte bedient sich die Antragsgegnerin zu 2. bei der Abwicklung der Garantieverträge im Inland folglich der Antragsgegnerin zu 1. als ihrer Außenstelle, was in Anbetracht der Namensgleichheit den Anschein einer Niederlassung begründet.

Unter den gewerblichen Abnehmern sind für die Frage nach einem gesetzten Rechtsschein nicht nur solche zu betrachten, die bereits Vertragsbeziehungen zur Antragsgegnerin zu 1. unterhalten und deswegen Kenntnisse über deren rechtliche Stellung besitzen. Zu berücksichtigen sind vielmehr auch hier potentielle Neukunden. Nach dem glaubhaften Vortrag der Antragstellerin konnten Gewerbetreibende bei einer Messepräsentation wie auf der IFA 2010 und 2011 annehmen, unmittelbar mit der Antragsgegnerin zu 2. zu kontrahieren. Die Antragstellerin hat glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin zu 1. neben der Antragsgegnerin zu 2. visuell nicht präsent war. Abrundend ist festzuhalten, dass die Antragsgegnerin zu 1. in einem mit „Samsung House“ bezeichneten Gebäude residiert, was umfassend klingt.

Die Begründung eines subsidiären Gerichtsstands der Niederlassung des Klägers in Art. 82 Abs. 2 GGV ist ohne Bedeutung für die Frage, welche Rolle ein Rechtsschein für den Beklagten hat. Denn ein Rechtsschein kann seinem Wesen nach nur Außenstehende schützen, nie jedoch den, der ihn selbst gesetzt hat.

Die vorstehende Auslegungsfrage zu Art. 82 Abs. 1 GGV muss in einem Verfügungsverfahren nicht dem Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV vorgelegt werden. Durch die damit einhergehende Verzögerung würde der Zweck des Eilverfahrens, welches der Gewährung effektiven Rechtsschutzes dient, konterkariert. Die Aussetzung nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist von daher als mit dem Eilcharakter des Verfahrens unvereinbar ausgeschlossen (Köhler/Born­kamm, UWG, 30. Aufl., § 12 Rn. 3.28 m. w. Nw., wegen letzterer siehe auch: Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl., Rn. 153). Der Grundsatz des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes ist ein allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts, der sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten ergibt, in den Art. 6 und 13 EMRK verankert und im Übrigen von Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union bekräftigt worden ist (EuGH, Urt. v. 16. Jul. 2009, C-12/08, Rn. 47, BeckRS 2009 70805). In Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes besteht daher grundsätzlich keine Vorlagepflicht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV (BVerfG, Beschl. v. 19. Okt. 2006, 2 BvR 2023/06, EuR 2006, 814 Rn. 13).

Art. 267 AEUV hat zum Ziel, die einheitliche Auslegung und Anwendung des Gemeinschaftsrechts in sämtlichen Mitgliedstaaten sicherzustellen; in diesem Rahmen soll Absatz 3 insbesondere verhindern, dass sich in einem Mitgliedstaat eine nationale Rechtsprechung herausbildet, die mit den Normen des Gemeinschaftsrechts nicht im Einklang steht. Ein einzelstaatliches Gericht, dessen Entscheidungen selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden können, ist daher nicht verpflichtet, dem Gerichtshof eine Auslegungsfrage vorzulegen, wenn sich die Frage in einem Verfahren der einstweiligen Anordnung stellt und die zu erlassende Entscheidung das Gericht, dem der Rechtsstreit danach in einem Hauptverfahren vorgelegt wird, nicht bindet, sofern es jeder Partei unbenommen bleibt, - auch vor den Gerichten eines anderen Gerichtszweigs - ein Hauptverfahren, in dem jede im summarischen Verfahren vorläufig entschiedene Frage des Gemeinschaftsrechts erneut geprüft werden und den Gegenstand einer Vorlage nach Art. 267 AEUV bilden kann, entweder selbst einzuleiten oder dessen Einleitung zu verlangen (EuGH, NJW 1983, 2751 - Morson).

Vorliegend kann die Antragsgegnerin zu 2. eine erneute Bescheidung im Hauptsacheverfahren erreichen. Gemäß § 926 Abs. 1 ZPO hat das Arrestgericht auf Antrag anzuordnen, dass die Partei, die den Arrestbefehl erwirkt hat, binnen einer zu bestimmenden Frist Klage zu erheben hat. Auf Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung findet die Vorschrift nach § 936 ZPO entsprechende Anwendung.

Es kommt nicht darauf an, ob die Antragstellerin im konkreten Fall die Problematik der internationalen Zuständigkeit durch eine Hauptsache­klage vor spanischen Gerichten umgehen könnte. Entscheidend ist allein, dass das Hauptsachegericht an die Entscheidung im Verfügungsverfahren nicht gebunden ist (vgl. BVerfG, EuR 2006, 814 Rn. 13 a. E.). Es ist immer möglich, dass ein von einem Instanzgericht beschiedenes Rechtsproblem nicht abschließend beantwortet wird und sei es, weil ein im Instanzenzug folgendes Gericht den Anspruch auf anderer Grundlage bejaht. Das Problem darf nicht auf die vorliegend relevante Zuständigkeitsfrage verengt werden. In einem solchen Fall steht die Rechtsmeinung des unteren Gerichts ebenfalls ohne abschließende Klärung im Raum. Der europäische Gesetzgeber hat gleichwohl keine Vorlagepflicht des ersten mit der Problematik befassten Gerichts normiert. Ihm ging es ersichtlich nur darum, die Herausbildung einer nicht mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang stehenden, nationalen Rechtsprechung zu verhindern.

Die Auffassung des Senats, als letztinstanzliches Gericht sei erst das der Hauptsache zu betrachten, steht im Übrigen im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Dieses nimmt eine Erschöpfung des Rechtswegs erst nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens an, wenn das Verfahren in der Hauptsache die Chance eröffnet, der geltend gemachten Grundrechtsverletzung abzuhelfen, und dieser Weg dem Beschwerdeführer zumutbar ist (vgl. BVerfG, NJW 2011, 3706 Rn. 8). Beschwer in diesem Sinne ist vorliegend allein die Verpflichtung der Antragsgegnerin zu 2. zur Unterlassung.

Der nach §§ 935, 940 ZPO für den Erlass einer einstweiligen Verfügung erforderliche Verfügungsgrund ist gegeben. Bei einen Zuwarten droht der Antragstellerin eine nachhaltige Schwächung der Originalität ihres Geschmacksmusters. Aufgrund der wirtschaftlichen Potenz der Antragsgegnerin zu 2. könnte deren Produkt „Galaxy Tab 7.7.“ bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache einen maßgeblichen Marktanteil bei Tablet-PCs erlangen und die Erwartung an die Gestaltung derartiger Produkte maßgeblich mitprägen. Die Gestaltung der Antragstellerin verlöre so unwiederbringlich ihre Aura der Einzigartigkeit. Dagegen erschöpft sich der Nachteil der Antragsgegnerin zu 2. in einem verspäteten Marktzutritt, der durch den verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch aus § 945 ZPO hinreichend kompensiert wird, sollte sich die Verfügung im Rahmen des Hauptsacheverfahrens als unbegründet erweisen.

Der Vertrieb des „Galaxy Tab 7.7“ verletzt das Recht der Antragstellerin aus ihrem am 24. Mai 2004 unter Inanspruchnahme der US-Priorität vom 17. März 2004 eingetragenen, im Tatbestand wiedergegebenen Gemeinschaftsgeschmacksmuster für einen „Taschencomputer“, Registernummer 000181607-0001.

Der gemäß Art. 90 Abs. 2 GGV statthafte Nichtigkeitseinwand der Antragsgegnerin zu 2. bleibt ohne Erfolg. Von der Rechtsgültigkeit des eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmusters ist nach Art. 85 Abs. 1 S. 1 GGV auszugehen.

Das Verfügungsgeschmacksmuster ist nicht gemäß Art. 25 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit Art. 3 lit. a GGV wegen Widersprüchlichkeit in der Wiedergabe des Geschmacksmusters nichtig. Eine etwaige Widersprüchlichkeit führt nur dann zur Nichtigkeit des Geschmackmusters, wenn trotz der Auslegungsmöglichkeiten ein Widerspruch zwischen den verschiedenen Ansichten einer Geschmacks­muster­anmeldung besteht (Ruhl, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, 2. Aufl., Art. 3, Rn. 150). Denn die Wieder­gabe eines Geschmacksmusters ist der Auslegung zugänglich, wobei zu fragen ist, was der Anmelder nach außen erkennbar gewollt hat (Ruhl, a.a.O., Art. 3, Rn. 143; Art. 36, Rn. 75).

Insoweit ist auf das Verständnis des „informierten Benutzers” abzustellen, einer Person, die das Produkt, welches das Geschmacksmuster verkörpert, zu dem für dieses Produkt vorgesehenen Zweck benutzt (EuGH, GRUR Int 2011, 746 Tz. 51 - Sphere Time). Dabei setzt die Bezeichnung „informiert“ voraus, dass der Benutzer, ohne dass er ein Entwerfer oder technischer Sachverständiger wäre, verschiedene Geschmacksmuster kennt, die es in dem betroffenen Wirtschaftsbereich gibt, dass er gewisse Kenntnisse in Bezug auf die Elemente besitzt, die diese Geschmacksmuster für gewöhnlich aufweisen, und dass er diese Produkte aufgrund seines Interesses an ihnen mit vergleichsweise großer Aufmerksamkeit benutzt (EuGH, GRUR Int 2012, 43 Tz. 59 - PepsiCo).

Für den informierten Benutzer besteht im Streitfall zwischen den Abbildungen 0001.2 und 0001.4 kein unauflösbarer Widerspruch. Die Abbildungen 0001.2 und 0001.4 lassen eine Abrundung zu den Seitenwänden hin erkennen. Der informierte Benutzer weiß, dass ein tragbarer Computer bestimmungsgemäß über einen Bildschirm und zwar über einen Flachbildschirm, und ein die Seitenwände und die Rückseite bildendes ein oder mehrteiliges Gehäuse verfügt. Damit ist für ihn schon allein aufgrund der übergangslos abgerundeten Seitenwände klar, dass es sich bei den genannten Abbildungen um Darstellungen der Rückseite handelt. Derartige Rückseiten sind in der Regel aus Kunststoff oder Metall gefertigt. Vor diesem Hintergrund wird der informierte Benutzer den Widerspruch zwischen der eine Schraffur zeigenden Abbildung 0001.2 und der keine Schraffur aufweisenden Abbildung 0001.4 dahingehend auflösen, dass die Schraffur lediglich eine nur bei einem bestimmten Betrachtungswinkel reflektierende Oberfläche symbolisieren soll, wie es für eine vollständig glatte Metalloberfläche typisch ist.

Das Verfügungsmuster erfüllt die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 GGV: Es ist neu und hat Eigenart. Nach Art. 5 Abs. 1 GGV gilt ein Muster als neu, wenn vor dem Anmeldetag kein identisches Muster offenbart worden ist. Als identisch gelten Muster auch, wenn sich ihre Merkmale nur in unwesentliche Einzelheiten unterscheiden, Art. 5 Abs. 2 GGV. Nach Art. 6 Abs. 1 GGV hat ein Muster Eigenart, wenn sich der Gesamteindruck, den es beim informierten Benutzer hervorruft, von dem Gesamteindruck unterscheidet, den ein anderes Muster bei diesem Benutzer hervorruft, das vor dem Anmeldetag offenbart worden ist. Bei der Beurteilung der Eigenart wird der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung des Musters berücksichtigt, Art. 6 Abs. 2 GGV. Für die Ermittlung der Eigenart ist danach maßgebliches Kriterium die Unterschiedlichkeit der Muster. Die im deutschen Geschmacksmusterrecht vor der Umsetzung der Geschmacksmusterrichtlinie erforderliche Eigentümlichkeit und Gestaltungshöhe ist nicht Voraussetzung des Schutzes des Geschmacksmusters (BGH, GRUR 2010, 718 Tz. 32 - Verlängerte Limousinen). Durch die Einbeziehung des Grades der Gestaltungsfreiheit nach Art. 6 Abs. 2 GGV in die Beurteilung der Eigenart ist allerdings die Berücksichtigung der in dem jeweiligen Klagemuster verkörperten gestalterischen Leistung auch nicht ausgeschlossen (BGH, GRUR 2010, a.a.O.). Ob das Klagemuster über die erforderliche Eigenart verfügt, ist durch einen Einzelvergleich mit bereits vorhandenen Mustern zu ermitteln (BGH, GRUR 2010, 718 Tz. 33 - Verlängerte Limousinen).

Das Verfügungsgeschmacksmuster hat folgende Merkmale:

1. eine rechteckige Form mit vier gleichmäßig abgerundeten Ecken, wobei das Verhältnis der Längsseiten zu den Querseiten 4:3 beträgt;

2. eine ebene, transparente Oberfläche ohne jede Musterung, die von einem schmalen Gehäuserand umfasst wird;

3. einen unterhalb der transparenten Oberfläche liegenden, umlaufenden und den eigentlichen Bildschirm einfassenden Rahmen, dessen innere Grenze durch eine punktierte Markierung angezeigt wird;

4. eine flache, geschlossene Rückseite, die an den Rändern mit einem viertelkreisförmig Übergang nach oben gebogen ist, wodurch die geraden Seitenwände und die schmale Einfassung um die Vorderseite geformt werden (Schalenform);

5. ein dünnes Profil, von dem der vorbeschriebene viertelkreisförmige Übergang etwa die Hälfte einnimmt;

6. eine punktiert gezeichnete runde Anschlussbuchse auf einer Längsseite;

7. eine punktiert gezeichnete rechteckige Anschlussbuchse auf einer Querseite.

Der Umstand, dass die Antragstellerin zur Darstellung des inneren Rahmens eine punktierte Linie verwandt hat, steht der Berücksichtigung dieses Merkmals nicht entgegen. Der informierte Benutzer weiß, dass ein Taschencomputer (Tablet-PC) über einen Bildschirm verfügt und dass die Abdeckung eines Bildschirms transparent sein muss.

Zwar können nach Ziffer 11.4 der Prüfungsrichtlinien des Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt gepunktete Linien in einer Ansicht entweder zur Bezeichnung derjenigen Elemente verwendet werden, für die kein Schutz beansprucht wird, oder zur Bezeichnung von Teilen des Geschmacksmusters, die in der jeweiligen Ansicht nicht sichtbar sind. Die Prüfungsrichtlinien enthalten aber auch die Regelung, dass es in der Verant­wortung des Anmelders liegt, gepunktete Linien, Abgrenzungen und Färbungen derart zu verwenden, dass deutlich wird, für welche Merkmale Schutz beansprucht wird und für welche nicht. Es kommt folglich darauf an, wie der informierte Benutzer die punktierte Linie versteht. Der informierte Benutzer weiß, dass ein Taschencomputer (Tablet-PC) über einen Flachbildschirm verfügt, dessen Abdeckung transparent sein muss. Ein dahinter befindliches, technisch notwendiges Bauteil, wie der die Beleuchtungsmittel enthaltende Rahmen eines Flachbildschirms, kann daher gar nicht vollständig unsichtbar sein. In diesem Sinne interpretiert der informierte Benutzer die punktierte Linie in den Zeichnungen 0001.1 und 0001.3. Die Punktlinie, die von der Schraffur überstrichen wird, kennzeichnet danach bei verständiger Betrachtung, dass ein Bildschirmrahmen abgegrenzt wird, der keine Oberflächentrennung erzeugt, sondern vielmehr innen liegt und nur aufgrund der Transparenz der Oberfläche durchscheint. Eine durchgehende Linie hätte demgegenüber den Eindruck einer zweiteiligen, nicht durchgehenden Frontfläche erweckt. Schutz beansprucht wird also für eine von vorne sichtbare, innenliegende Abgrenzung des (nutzbaren) Bildschirms.

Soweit die Merkmale 6. und 7. ebenfalls punktiert dargestellt sind, versteht der informierte Benutzer dies im Sinne der Anordnung der Anschlussbuchsen in den Seitenwänden des Gehäuses. Er weiß, dass ein Taschencomputer zum bestimmungsgemäßen Gebrauch über Anschlüsse für Zusatzgeräte und/oder die Verbindung mit einer Basisstation verfügt. Vor diesem Hintergrund wird er die gepunktet dargestellten Elemente auf der Längs- und der Querseite als Anschlussbuchsen interpretieren, wobei er die Darstellung in Form einer gepunkteten Linie hier im Sinne eines Offenhaltens der exakten Positionierung verstehen wird. Er wird daher den Merkmalen die Information entnehmen, dass Raum für Anschlüsse auf den Quer- und Längsseiten besteht.

Keines der Einzelmerkmale ist allein technisch bedingt. Gemäß Art. 8 Abs. 1 GGV besteht ein Gemeinschafts­geschmacks­muster nicht an Erscheinungs­merkmalen eines Erzeugnisses, die ausschließlich durch dessen technische Funktion bedingt sind. An dieser Voraussetzung fehlt es, wenn eine gangbare Designalternative zu Merkmalen existiert, mit welcher das Erzeugnis seine technische Funktion in zumindest gleicher Weise erfüllt (Ruhl, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, 2. Aufl., Art. 8 Rn. 18). Derartige Designalternativen lassen sich für jedes Merkmal des Verfügungs­geschmacks­musters den von den Parteien vorgelegten Mustern aus dem Formen­schatz und dem Marktumfeld entnehmen, die abweichende Front-, Rand- und Korpusgestaltungen aufweisen (vgl. a. BGH, GRUR 2010, 718 Tz. 45 - Verlängerte Limousinen). So liegt gerade in der Anordnung des Bildschirmrahmens unter der transparenten, sich über Rand und Bildschirm erstreckenden Frontscheibe eine gestalterische Leistung. Dies gilt auch für die abgerundeten Ecken. Abgerundete Ecken haben zwar wegen der Verringerung der Verletzungs- und Beschädigungsgefahr Vorteile, technisch zwingend ist ihr Einsatz aber nicht. Es existiert eine Vielzahl scharfkantiger Produkte. Allenfalls mag eine gewisse Spannung zwischen Funktionalität und Ästhetik entstehen. Viele Konsumenten sind jedoch bereit, für eine in ihren Augen ansprechendere Form Abstriche bei der Funktionalität in Kauf zu nehmen.

Die von der Antragstellerin im Parallelverfahren I - 20 U 175/11 vorgelegten Tablet-Computer aus dem Marktumfeld (dortige Anlagen ASt 18 und ASt 19) zeigen Gehäusegestaltungen, die sich deutlich vom Verfügungsgeschmacksmuster unterscheiden, ihre technische Funktion aber in gleicher Weise erfüllen. So hat der Tablet-PC Folio 100 von Toshiba einen inneren Displayrahmen, einen umlaufenden Gehäuserahmen und zusätz­lich eine umlaufende silberne „Zierleiste“. Der Iconia Tab von acer weist einen umlaufenden Gehäuse­rahmen auf, der auf den Längsseiten etwas breiter ist als auf den Querseiten, während der innere Displayrahmen umgekehrt auf den Längsseiten schmaler ist als auf den Querseiten. Beim Zii0 von creative ist der Gehäuserahmen auf den Querseiten und der oberen Längsseite schmal und nur auf der unteren Längsseite breiter ausgeführt. Das Display des Archos 101 hat einen um­laufenden Rahmen, der seinerseits so in ein Gehäuse eingesetzt ist, dass an den kürzeren Seiten eine Art Grifffläche entsteht, die verhindert, dass man bei der Benutzung auf das Display fassen muss und Fingerabdrücke verbleiben. Schließlich hat der Eee Pad von Asus einen Gehäuserahmen, der auf den Längs­seiten das Display nur mit einer schmalen Kante einfasst, während er an den Querseiten etwas breiter und mit einer geriffelten Fläche versehen ist, so dass sowohl der Eindruck guter Griffigkeit als auch ein optisch interessanter Effekt entstehen. Alle diese Gestaltungen zeigen gegenüber dem minima­listi­schen Design des Verfügungsgeschmacksmusters unterschiedliche Lösungen, die technisch ebenbürtig sind oder sogar vorteilhaft sein mögen, jedenfalls aber nicht lediglich überflüssiges Beiwerk aufweisen.

Gerade die Verbindung nur zweier Bauteile, Schale und sie abdeckende Frontseite, bei Vermeidung scharfer Ecken und Kanten sowie hervorstehender oder dekorativer Elemente begründet für das Verfügungsgeschmacksmuster eine bedeutende Designleistung. Eine durch schlichte Linienführung, schlankes Profil und durchgängigen Minimalismus ausgezeichnete Gestaltung findet sich mit den gegebenen Merkmalen im vorbekannten Formenschatz nicht.

Das so verstandene Verfügungsgeschmacksmuster ist neu und eigenartig, weil es einen anderen Gesamteindruck als die vor­be­kannten Muster hervorruft. Der Senat hat sich im Parallelverfahren I - 20 U 175/11 - wie schon das Landgericht - mit einer Reihe von Entgegenhaltungen auseinandergesetzt, von den vorliegend nur das „Ozolins-Designs“ erneut aufgegriffen wird, bei dem es sich um die mit Abstand nächstliegende vorbekannte Gestaltung handelt. Auch das „Ozolins-Design“ nimmt dem Verfügungsgeschmacksmuster jedoch nicht seine Neuheit und Eigenart. Das nachstehend wiedergegebene, am 10. September 2003 veröffentlichte deutsche Geschmacksmuster DE 40301867-0001 betrifft einen „Flachbildschirm ohne Rahmen“:

Der informierte Benutzer, der das Produkt, welches das Geschmacksmuster verkörpert, zu dem für dieses Produkt vorgesehenen Zweck benutzt (vgl. EuGH, GRUR Int 2011, 746 Tz. 51 - Sphere Time), kann der vorstehenden Explosionszeichnung die Gestaltung des offenbarten Musters entnehmen, wobei er die Erzeugnisangabe „Flachbildschirm ohne Rahmen“ berücksichtigt. Bei der Entgegenhaltung handelt es sich um ein deutsches Geschmacksmuster, auf das demzufolge deutsches Geschmacksmusterrecht anzuwenden ist. Nach § 11 Abs. 4 Nr. 1 GeschmMG kann die Anmeldung zusätzlich eine Beschreibung zur Erläuterung der Wiedergabe enthalten.

Der informierte Benutzer weiß, dass ein Flachbildschirm aus einem Bildschirm, einem Rahmen und einem Gehäuse besteht. Für ihn ist klar, dass die beiden im Vordergrund befindlichen Bauteile in das dahinterliegende Gehäuse gehören, wobei er aufgrund der gestrichelten Darstellung des in der Mitte befindlichen Rahmens jedenfalls vor dem Hintergrund des Zusatzes „ohne Rahmen“ zur Erzeug­nis­angabe „Flachbildschirm“ erkennt, dass dieser die im Vordergrund dargestellte Platte nicht umfasst, sondern unterhalb der die gesamte Frontseite einnehmenden Platte in dem die Seitenwände und Rückseite bildenden Gehäuse liegt. Ein über das allgemeine technische Verständnis eines an technischen Erzeugnissen interessierten Nutzers hinausgehendes Wissen ist für das Begreifen der übersichtlich gestalteten, lediglich aus drei Elementen bestehenden Explosionszeichnung nicht erforderlich. Der informierte Benutzer weiß aufgrund seiner Erfahrung in der Nutzung von Flachbildschirmen auch, dass diese notwendigerweise über einen Bildschirm aus einer transparenten Glasplatte verfügen und wird daher diese Frontseite trotz der fehlenden Schraffur als Glasplatte erkennen. Damit entnimmt der informierte Benutzer dem Geschmacksmusters DE 40301867-0001, dass es eine ebene, transparente Oberfläche ohne jede Musterung besitzt, die von einem schmalen Gehäuserand umfasst wird, unterhalb derer sich ein umlaufender, den eigentlichen Bildschirm einfassender Rahmen befindet, wobei das Gehäuse einteilig und an den Ecken gerundet ist.

Dabei wird sein Verständnis der Beschaffenheit des unterhalb der transparenten Oberfläche befindlichen Rahmens von seinen bisherigen Erfahrungen mit Flachbildschirmen geprägt. Er kennt diese den eigentlichen Bildschirm einfassenden Rahmen, nur dass diese sich bei den ihm bekannten Flachbildschirmen über die transparente Oberfläche erheben und diese ebenfalls einfassen. Er wird daher annehmen, dass der Rahmen bei „Ozolins-Design“ zwar unterhalb der der transparenten Oberfläche angeordnet, aber wie gewohnt beschaffen ist.

Es kann vorliegend dahinstehen, ob der informierte Benutzer die gestrichelt gezeichnete Struktur auf der Rückseite schon allein aufgrund dieser Darstellung als ein lediglich fakultatives Element begreift, da sich dies jedenfalls aus der am 4. März 2004 veröffentlichten US-Patentanmeldung US 2004/0041504 ergibt.

Gemäß Art. 7 Abs. 1 Satz 1 GGV gilt ein Geschmacksmuster als der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, wenn es nach der Eintragung oder auf andere Weise bekannt gemacht oder wenn es ausgestellt, im Verkehr verwendet oder auf sonstige Weise offenbart wurde, es sei denn, dass dies den in der Gemeinschaft tätigen Fachkreisen des betreffenden Wirtschaftszweigs im normalen Geschäftsverlauf nicht bekannt sein konnte. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift ist die Kenntnismöglichkeit ausreichend; ob einzelne Mitglieder der Fachkreise tatsächlich Kenntnis hatten, ist als solches nicht relevant (Ruhl, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, 2. Aufl., Art. 7, Rn. 18). Erst recht kann es von daher nicht darauf ankommen, dass gerade die Antragsgegnerinnen die vorliegende Entgegenhaltung erst nach Monaten aufgefunden haben. Fehler und Unzulänglichkeiten bei der Recherche einzelner Mitglieder der Fachkreise rechtfertigen keinen Rückschluss auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch andere. Es bedarf vielmehr einer hiervon losgelösten wertenden (objektivierten) Betrachtung, ob ein Durchschnittsmitglied der Fachkreise mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit Kenntnis von dem fraglichen Muster haben konnte (Ruhl, a.a.O. Rn. 20). Offenbarungen außerhalb der Gemeinschaft gehören umso eher zum gewöhnlichen Geschäftsverlauf der europäischen Fachkreise, je wichtiger das Drittland für Herstellung, Bezug oder Absatz ist (Ruhl, a. a. O. Rn. 20). Einen für den fraglichen Wirtschaftsbereich wichtigen Markt werden die inländischen Fachkreise in ihre Beobachtung einbeziehen (BGH, GRUR 2009, 79 Tz. 23 - Gebäckpresse).

Die Vereinigten Staaten sind für Tablet-Computer (Taschencomputer) ein wichtiger Markt, wahrscheinlich der wichtigste überhaupt. Die auf diesem Gebiet tätigen inländischen Designer werden zudem auch die Veröffentlichungen im Bereich der technischen Schutzrechte in ihre Beobachtung einbeziehen, gerade auch solche auf dem Gebiet der Bildschirmtechnik. Bei hochkomplexen technischen Geräten setzt die Technik der Gestaltung zwangsläufig Grenzen. So hat die Erfindung von Flachbildschirmen die Gestaltung tragbarer Computer überhaupt erst möglich gemacht. Ohne die Erfindung tauglicher berührungsempfindlicher Bildschirme wäre die Gestaltung von Tablet-Computern eine nutzlose Tätigkeit gewesen, mit der ein gewerblich tätiger Designer nur seine Zeit verschwendet hätte. Auch heute muss der Gestalter eines Tablet-Computer insoweit technische Vorgaben beachten, als dass die von ihm geschaffene Form genug Raum für die in ihr unterzubringende Technik lassen muss. Dabei sind insbesondere die technischen Anforderungen für die Integration des größten Bauteils, des Flachbildschirms, zu berücksichtigen. Von daher kann bei der gebotenen objektiven Betrachtung nicht verneint werden, dass ein Durchschnittsmitglied der inländischen Fachkreise am 16. März 2004 von der US-Patentanmeldung US 2004/0041504 Kenntnis haben konnte.

Vorliegend war eine kurzfristige Kenntniserlangung besonders wahrscheinlich, weil das am 10. September 2003 veröffentlichte deutsche Geschmacksmuster DE 40301867-0001 gerade auf die US-Patentanmeldung US 2004/0041504 zurückgeht. Beim genannten Geschmacksmuster ist die US-Patentanmeldung als älteste Priorität angegeben. Ein Designer, der auf eine für ihn interessante Gestaltung stößt, wird bestrebt sein, weitere Informationen zu erlangen. Soweit er dies nicht ohnehin zum Anlass für eine Einsichtnahme in den nicht veröffentlichten Teil der Geschmacksmusterakte nimmt - ein berechtigtes Interesse ist nach Veröffentlichung hierfür nicht mehr erforderlich (Eichmann/von Falckenstein, Geschmacks­mustergesetz, 4. Aufl., § 22 Rn. 8) -, wird er nach der Ursprungsanmeldung recherchieren und diese Recherche gegebenenfalls wiederholen. Die vorhandenen Daten wie die Nummer der US-Anmeldung, des Anmelders und der englischen Entsprechung der Erzeugnis­angabe, erlaubten ein rasches Auffinden der US-Patentan­meldung, was der Senat aufgrund eigener Kenntnis beurteilen kann. Dabei war für die interessierten Fachkreise eine Veröffentlichung spätestens Anfang März 2004 auch zu erwarten, da eine solche binnen 18 Monaten zu erfolgen hat und das Datum der Einreichung aus dem deutschen Geschmacksmuster ersichtlich war.

Nach der Patentbeschreibung ist die im deutschen Geschmacksmuster auf der Rückseite des Gehäuses gestrichelt gezeichnete Struktur optional. Die Gestaltung der Halterung überlässt das „Ozolins-Design“ dem Verwender, zwingende Vorgaben hierzu enthält es nicht. Eine solche Halterung stellt in der Praxis oftmals ein Zubehörteil dar, das mit der Rückseite des Flachbildschirms verschraubt eine Befestigung des Flachbildschirms an einer Wand ermöglicht. Auch den vollständigen Verzicht auf eine Halterung schließt das „Ozolins-Design“ nicht aus. So kann ein Flachbildschirm auch als mobiles Abspielgerät Verwendung finden. Zum vorbekannten Formenschatz gehört folglich die Gestaltung eines Flachbildschirms, der eine ebene, transparente Oberfläche ohne jede Musterung besitzt, die von einem schmalen Gehäuserand umfasst wird, unterhalb der sich ein umlaufender, den eigentlichen Bildschirm einfassender Rahmen befindet, wobei das Gehäuse einteilig und an den Ecken gerundet ist und eine geschlossene ebene Rückseite haben kann. Die ergänzende Berücksichtigung der US-Patentanmeldung verstößt nicht gegen den Grundsatz, dass die Eigenart des Klagegeschmacksmusters durch einen Einzelvergleich mit bereits vorhandenen Mustern zu ermitteln ist. Das deutsche Geschmacksmuster und die US-Patentanmeldung betreffen dasselbe Muster, wie sich aus der Inbezugnahme der US-Patentanmeldung in der Geschmacksmusterschrift auch für informierten Benutzer ergibt.

Damit kommt das „Ozolins-Design“ dem Verfügungsgeschmacksmuster nahe. Der Umstand, dass letzteres einen Taschencomputer (Tablet-PC) betrifft und keinen Flachbildschirm, hat keine Bedeutung. Die Übertragung der aus einer bestimmten Warengattung bekannten Formgestaltung auf ein anderes Erzeugnis ist als solche nicht schutzfähig (Ruhl, Gemeinschaftsgeschmacksmuster, 2. Aufl., Art. 7, Rn. 79). Zudem handelt es sich um eng benachbarte Warengattungen, bei denen der informierte Benutzer davon ausgeht, vergleichbare Gestaltungen wiederzufinden. Tablet-Computer sind in gestalterischer Hinsicht nichts anderes als tragbare Bildwiedergabegeräte, eine Unterscheidung schafft nur die in ihrem Inneren verborgene technische Ausstattung. Es ist folglich allein eine technische, aber keine gestalterische Leistung, in das Gehäuse eines tragbaren Flachbildschirms einen Tablet-Computer einzubauen.

Allerdings ruft das Verfügungsgeschmacksmuster beim informierten Benutzer gleichwohl einen anderen Gesamteindruck hervor als das „Ozolins-Design“. Ob ein Geschmacks­muster über die erforderliche Eigenart verfügt, ist durch einen Einzelvergleich mit bereits vorhandenen Mustern zu ermitteln (BGH, GRUR 2010, 718 Tz. 33 - Verlängerte Limousinen), weshalb auch die Kombination für sich jeweils vorbekannter Elemente einem Geschmacksmuster die erforderliche Eigenart zu vermitteln vermag. Dem „Ozolins-Design“ fehlen der viertelkreisförmige Übergang in die Seitenfronten, das dünne Profil und die Integrierung der Anschlussbuchsen in die Seitenfronten. Der Übergang in die Seitenfronten ist beim „Ozolins-Design“ in Form eines (annähernd) rechten Winkels ausgebildet; eine Anordnung der Anschlüsse an den Seiten legt das „Ozolins-Design“ nicht nahe. Gerade die Ersetzung des rechten Winkels durch einen viertelkreisförmigen Übergang in die Seitenfronten vermittelt der Gestaltung einen wesentlich anderen Gesamteindruck. Erst hierdurch erlangt das Verfügungsgeschmacksmuster seine harmonische, schlichte, aber elegante Form. Das „Ozolins-Design“ wirkt hingegen kastenförmig und damit insgesamt eher sperrig. Die schlichte Eleganz der Frontgestaltung findet sich hier in der Gestaltung des Gehäuses nicht wieder.

Das schutzfähige Verfügungsgeschmacksmuster, dem ein normaler Schutzbereich zukommt, wird durch das angegriffene „Galaxy Tab 7.7.“ verletzt. Das „Galaxy Tab 7.7“ fällt in den Schutzbereich, weil es beim informierten Benutzer keinen anderen Gesamteindruck erweckt.

Bei der Bestimmung des Schutzumfangs nach Art. 10 Abs. 2 GGV ist der Grad der Gestaltungsfreiheit des Entwerfers bei der Entwicklung seines Geschmacksmusters zu berücksichtigen. Dabei besteht zwischen dem Gestaltungsspielraum des Entwerfers und dem Schutzumfang des Musters eine Wechselwirkung. Eine hohe Musterdichte und damit ein kleiner Gestaltungsspielraum des Entwerfers führt zu einem engen Schutzumfang des Musters, mit der Folge, dass bereits geringe Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer einen anderen Gesamteindruck hervorrufen können. Dagegen führt eine geringe Musterdichte und damit ein großer Gestaltungsspielraum des Entwerfers zu einem weiten Schutzumfang des Musters, so dass selbst größere Gestaltungsunterschiede beim informierten Benutzer möglicherweise keinen anderen Gesamteindruck erwecken. Der bereits vor Umsetzung der Geschmacksmusterrichtlinie anerkannte Grundsatz, dass der Schutzumfang eines Geschmacksmusters von dessen Abstand zum vorbekannten Formenschatz abhängt, gilt daher nach wie vor (BGH, GRUR 2011, 142 Rn. 17 - Untersetzer). Das Geschmacksmuster ist so, wie es eingetragen ist, dem angegriffenen Muster gegenüberzustellen. Bei der Bestimmung des Gesamteindrucks sind nicht nur die Übereinstimmungen, sondern auch die Unterschiede der Muster zu berücksichtigen (BGH, GRUR 2011, 142 Rn. 20 - Untersetzer). Dabei sind Merkmale, die der informierte Benutzer als nicht primär gestalterisch, sondern technischen Zwecken dienend erkennt, unterzugewichten (Rühl, Gemeinschafts­geschmacksmuster, 2. Aufl., Art. 10 Rn. 75). Der übereinstimmende Gesamteindruck ist aus der Übereinstimmung in konkreten Gestaltungsmerkmalen abzuleiten (BGH, GRUR 2011, 142 Rn. 23 - Untersetzer).

In seine Betrachtung bezieht der informierte Benutzer das „Ozolins-Design“ als vorbekannten Formenschatz ein. Sein Kenntnisstand beschränkt sich nicht wie der des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers auf die tatsächlich am Markt etablierten Produkte. Das von der Antragstellerin angeführte Urteil „Grupo Promer“ des Gerichts der Europäischen Union vom 18. März 2010 ist durch die diesbezüglich ergangene Rechtsmittelentscheidung „PepsiCo“ des Europäischen Gerichtshofs überholt. In der bereits zitierten Entscheidung hat der Europäische Gerichtshof ausgeführt, die Bezeichnung „informiert” setze voraus, dass der Benutzer, ohne dass er ein Entwerfer oder technischer Sachverständiger wäre, verschiedene Geschmacksmuster kennt, die es in dem betroffenen Wirtschaftsbereich gibt, dass er gewisse Kenntnisse in Bezug auf die Elemente besitzt, die diese Geschmacksmuster für gewöhnlich aufweisen, und dass er diese Produkte aufgrund seines Interesses an ihnen mit vergleichsweise großer Aufmerksamkeit benutzt (GRUR Int 2012, 43 Tz. 59). Der informierte Benutzer verfügt folglich über eine von der tatsächlichen Verwendung für konkrete Produkte losgelöste Geschmacksmusterkenntnis im betroffenen Wirtschaftsbereich. Dieser umfasst auch Flachbildschirme. Ein Taschencomputer ist in gestalterischer Hinsicht nichts anderes als ein an die Bedürfnisse eines tragbaren Computers durch sein technisches Innenleben angepasstes Gehäuse mit einem Flachbildschirm. Jeder Taschencomputer ist damit zwangsläufig immer auch ein Flachbildschirm, zumal er in seiner Nutzung auf den Verwendungszweck eines tragbaren Filmwiedergabegerätes reduziert werden kann und gelegentlich auch wird. Von daher erwartet der informierte Benutzer - wie bereits ausgeführt - vergleichbare Gestaltungen.

Der informierte Benutzer, der folglich Kenntnis davon hat, dass sich das Verfügungsgeschmacksmuster vom „Ozolins-Design“ in dem viertelkreisförmigen Übergang der Rückseite in die Seitenwände, dem dünnen Profil und der Integrierung der Anschlussbuchsen in die Seitenfronten unterscheidet, wird die Frontansicht untergewichten und die Gestaltung des Gehäuse­s beim vermittelten Gesamteindruck angemessen berücksichtigen.

Ein abweichender Gesamteindruck des „Galaxy Tab 7.7“ folgt hieraus jedoch nicht. Der Auffassung des „High Court of Justice“ für England und Wales vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Das „Galaxy Tab 7.7" verwirklicht die die Frontansicht betreffenden Merkmale 1. bis 3. in identischer Form. Der Samsung-Schriftzug auf der Frontseite des „Galaxy Tab 7.7“ ist nicht geeignet, eine geschmacksmusterrechtlich bedeutsame Abweichung zu begründen. Das Geschmacks­musterrecht schützt Gestaltungen, nicht Kennzeichenrechte vor der Gefahr von Verwechslungen. Der Schutz der Gestaltung ist vom Hersteller des konkret angeboten Produkts zu abstrahieren. Es ist insoweit nicht auf einen bestimmten Anbieter festgelegt, zumal wenn es, wie vorliegend das Verfügungsgeschmacksmuster, keinerlei Markenzeichen oder Logos aufweist. Der informierte Benutzer weiß zudem, dass Gestaltungsrechte lizenziert oder veräußert werden können (vgl. Rühl, Gemeinschafts­geschmacksmuster, 2. Aufl., Art. 6 Rn. 114). Eine Gestaltung wird nicht dadurch zu einer anderen, dass sie nunmehr - beispielsweise nach einer Veräußerung des Geschmacksmusters - von einem anderen Hersteller unter seinem Zeichen angeboten wird. Der informierte Benutzer, der weiß, dass höherwertige Produkte in der Regel mit dem Markenzeichen des jeweiligen Herstellers versehen werden, wird daher diesem Zeichen bei der Beurteilung des Gesamteindrucks keine Bedeutung zumessen.

Aus der im Hinblick auf das vorbekannte „Ozolins-Design“ gebotenen Untergewichtung der betreffenden Merkmale folgt nicht, dass sie für die Beurteilung des Gesamteindrucks ohne Bedeutung wären. Die Frontansicht bleibt die Ansicht, mit der die Gestaltung dem informierten Benutzer vorwiegend entgegentritt und die daher den vermittelten Gesamteindruck maßgeblich mitprägt. Der informierte Benutzer, der weiß, dass es noch eine andere Gestaltung mit den Frontmerkmalen gibt, wird lediglich seinen zunächst gewonnenen Eindruck durch eine Betrachtung auch der Rückseite überprüfen. Dabei ist die Rückseite des „Galaxy Tab 7.7“ nicht geeignet, den durch die Frontgestaltung vermittelten ersten Eindruck eines übereinstimmenden Gesamteindrucks zu erschüttern. Das „Galaxy Tab 7.7“ verwirklicht nämlich - anders als das „Galaxy Tab 10.1“, das Gegenstand des Parallelverfahrens I - 20 U 175/11 war, und das „Galaxy Tab 8.9“ - auch die übrigen Merkmale des Verfügungsgeschmacksmusters, insbesondere die das Gehäuse betreffenden Merkmale 4. und 5., in nahezu identischer Form. Die vorhandenen Abweichungen sind in den Augen des informierten Benutzers gering und vorwiegend technisch bedingt und daher nicht geeignet einen abweichenden Gesamteindruck zu vermitteln. Das „Galaxy Tab 7.7“ unterscheidet sich in der Gestaltung des Gehäuses erheblich von dem „Galaxy Tab 10.1“.

Zwar ist auch das Gehäuse des „Galaxy Tab 7.7“ zweiteilig ausgebildet, jedoch nicht in der Form einer Rückseite und eines hiervon deutlich abgesetzten, die Seitenwände bildenden und die beiden anderen Bauteile verklammernden Rahmens, sondern in Form einer Schale, deren Mittelteil ausgeschnitten und wieder eingesetzt worden ist. Damit steht es dem Verfügungs­geschmacksmuster sehr nahe, im oberen und unteren Bereich ist es jeweils wie dieses schalenförmig ausgebildet. Das mit minimaler Fuge eingesetzte Mittelteil zerstört diesen Eindruck nicht, da es an den Rändern die Krümmung der Schale aufnimmt und sich aufgrund seiner Metalloptik auch farblich gut einfügt. Der informierte Benutzer wird annehmen, dass das Mittelteil lediglich der Erleichterung der Öffnung des Gerätes dient und die Abweichung daher als technisch bedingt vernachlässigen. Für ihn ist das Gehäuse wie beim Verfügungsgeschmacksmuster schalenförmig, weshalb das „Galaxy Tab 7.7“ für ihn auch den gleichen Gesamteindruck hervorruft.

Die geringfügig andere Ausgestaltung der Krümmung, die bei „Galaxy Tab 7.7“ durch Übergangsbögen im Bereich der Rückseite eingeleitet wird, wird er als Unterschied nicht wahrnehmen. Gleiches gilt für die Fortschreibung der Krümmung im oberen Bereich, deren Abweichung von Vertikalen geringfügig bleibt, und für das etwas andere Seitenverhältnis.

Die übrigen Abweichungen sind in den Augen des informierten Benutzers allein den technischen Anforderungen geschuldet. Dies gilt nicht nur für Integration einer Kameralinse in den Schalenboden und die leicht abweichende Gestaltung der Anschlussbuchsen, zumal das Verfügungsgeschmacksmuster deren genaue Ausgestaltung - wie ausgeführt - ohnehin offenlässt, sondern auch für das - bezogen auf die Längsseite - mit 23 : 1 gegenüber 18 : 1 etwas dünnere Profil. Der informierte Benutzer, sofern er diesen, weniger als ein Viertel der Höhe betragenden Unterschied überhaupt wahrnimmt, weiß um das Bestreben der Anbieter tragbarer Computer, die Geräte so dünn zu halten, wie dies aus technischer Sicht gerade noch möglich ist. Von daher wird er in einem noch etwas schlankeren Profil keine andere Gestaltung, sondern lediglich einen technisch ermöglichten Fortschritt in der bereits eingeschlagenen Richtung sehen.

Für den informierten Benutzer ist entscheidend, dass sich die harmonisch schlichte Eleganz des Verfügungsgeschmacks­musters, die von der konsequenten Fortführung der minimalistischen Frontgestaltung durch die klare Gestaltung der Schale lebt, beim „Galaxy Tab 7.7“ wiederfindet; die geringfügigen Abweichungen nimmt er als der Technik geschuldet und nicht wesentliche wahr.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO. Dem Senat erscheint eine Differenzierung zwischen den Antragsgegnerinnen vor dem Hintergrund der faktischen Beschränkung der Antragsgegnerin zu 1. auf den deutschsprachigen Raum als angemessen. Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, die Sache ist kraft Gesetzes nicht revisibel, § 542 Abs. 2 ZPO.






OLG Düsseldorf:
Urteil v. 24.07.2012
Az: I-20 W 141/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/2da682f3a151/OLG-Duesseldorf_Urteil_vom_24-Juli-2012_Az_I-20-W-141-11




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