Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. August 2002
Aktenzeichen: 29 W (pat) 336/00

(BPatG: Beschluss v. 07.08.2002, Az.: 29 W (pat) 336/00)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. Juli 2000 aufgehoben.

Gründe

I Die Bezeichnung VisionPlussoll für die Waren und Dienstleistungen

"Klasse 9: Elektrische, elektronische, optische, Meß-, Signal-, Kontroll- oder Unterrichtsapparate und -instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten); Apparate zur Aufzeichnung, Übertragung, Verarbeitung und Wiedergabe von Ton, Bild oder Daten; maschinenlesbare Datenaufzeichnungsträger; Verkaufsautomaten und Mechaniken für geldbetätigte Apparate; Datenverarbeitungsgeräte und Computer.

Klasse 16: Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/oder geprägte Karten aus Karton oder Plastik; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate); Büroartikel (ausgenommen Möbel).

Klasse 35: Werbung und Geschäftsführung.

Klasse 36: Finanzwesen, Immobilienwesen.

Klasse 38: Telekommunikation; Betrieb und Vermietung von Einrichtungen für die Telekommunikation, insbesondere für Funk und Fernsehen"

in das Markenregister eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung durch Beschluß vom 25. Juli 2000 gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG zurückgewiesen, weil das Zeichen eine nicht unterscheidungskräftige Angabe darstelle. Daß es sich um eine neue Wortverbindung handele, begründe nicht die Unterscheidungskraft. Der Verkehr sei daran gewöhnt, in der Werbung ständig mit Wortneubildungen konfrontiert zu werden, durch die ihm sachbezogene Informationen in einprägsamer Form übermittelt werden sollen. Das deutsche Fremdwort "Vision" werde für die Waren und Dienstleistungen der Anmeldung einerseits in seiner konkreten Bedeutung von "bildlicher Darstellung, Ansicht, Anblick" verwendet und andererseits in der Werbung in übertragenem Sinn mit der Bedeutung von "Zukunftsbild" als Hinweis darauf eingesetzt, daß die Produkte und Dienstleistungen ihrer Zeit voraus bzw. zukunftsorientiert seien. Bei dem Bestandteil "Plus" handele es sich um einen allgemein bekannten und in der Werbung häufig verwendeten Begriff, der als Ausdruck für besondere, zusätzliche oder verbesserte Eigenschaften einer Ware oder von Dienstleistungen gebraucht werde. In der Verbindung der beiden schutzunfähigen Bestandteile werde der Verkehr lediglich den Hinweis sehen, daß die Waren und Dienstleistungen in besonderem Maße auf die Zukunft und die dort zu erfüllenden Anforderungen hin ausgerichtet seien. Als werbemäßige Anpreisung werde die angemeldete Bezeichnung nicht als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden, auch wenn sie lexikalisch nicht nachweisbar sei.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Zur Begründung trägt sie vor, die Markenstelle setze die Anforderungen an die Eintragungsfähigkeit von Wortmarken im Hinblick auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zu hoch an. Es sei kein Mindestmaß an phantasievoller Eigenart, sondern ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft erforderlich. Zwar sei es gerechtfertigt, wegen des universalen Charakters der Kennzeichenbestandteile einen strengen Maßstab anzulegen. Das Gesamtkennzeichen enthalte jedoch keine beschreibende Sachaussage. Der angemeldeten Marke könne keine wirklich konkrete Aussage über Eigenschaften der beanspruchten Waren und Dienstleistungen entnommen werden. Der Bestandteil "Vision" sei mehrdeutig und ausfüllungsbedürftig. Er werde regelmäßig mit "Vorstellungskraft" und "Zukunftsentwurf" gleichgesetzt, ohne damit jedoch typische Eigenschaften der Waren und Dienstleistungen der Anmeldung zu beschreiben. Für die angemeldete Wortkombination bestehe weder ein aktuelles noch ein künftiges Freihaltungsbedürfnis.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

II Die zulässige Beschwerde ist begründet. Nach Auffassung des Senats fehlt der angemeldeten Marke weder jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG) noch ist sie gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.

Die Markenstelle ist zwar zu Recht davon ausgegangen, daß Neuheit keine Eintragungsvoraussetzung ist und die Unterscheidungskraft allein nicht begründen kann. Auch sind nicht sämtliche Zusammensetzungen geläufiger Wörter und Begriffe in Lexika aufgeführt. Gleichwohl ist der angemeldeten Marke die Unterscheidungskraft nach ständiger Rechtsprechung nicht abzusprechen, weil der Wortkombination "VisionPlus" kein für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es sich auch sonst nicht um einen geläufigen Gesamtbegriff der deutschen oder einer gängigen Fremdsprache handelt, den der Verkehr - etwa wegen seiner Verwendung in der Werbung - stets nur als solchen und nicht als geeignetes Unterscheidungsmittel der Kennzeichnung versteht (stRspr vgl BGH GRUR 2001, 1042 - REICH UND SCHOEN; 2002, 64 f - INDIVIDUELLE, MarkenR 2002, 338 - Bar jeder Vernunft).

Nach dem Verständnis der inländischen Verkehrskreise, zu denen neben Fachleuten und interessierten Verbrauchern auch das breite Publikum zählt, hat "Vision" die im Vordergrund stehende Bedeutung "eines in der Vorstellung, besonders in Bezug auf die Zukunft entworfenen Bildes, das jemand hat" (vgl DUDEN Fremdwörterbuch 7. Aufl. Stichwort "Vision"). Der Begriff ist insbesondere aus dem Sprachgebrauch der Wirtschaft und Politik bekannt, wenn von wünschenswerten innovativen Entwicklungen die Rede ist. Er hat sich jedoch nicht als Ausdruck für eine allgemeine Warenanpreisung in dem Sinne etabliert, daß die so bezeichneten Waren regelmäßig dem neuesten Stand entsprächen. Der Senat konnte dies weder selbst feststellen, noch den Verwendungsbeispielen entnehmen, die dem angefochtenen Beschluß beigefügt worden sind. Wenn davon gesprochen wird: "Ich habe da eine Vision ..." mit Blick auf die Zukunft des Standorts Deutschland bei der Globalisierung der Märkte oder "Jetzt die Vision für ein traumhaftes Wohnerlebnis" in bezug auf eine Multiwandfaser und "Visionen werden Realität" sowie "Die Vision vom allgegenwärtigen Computer", der alle Apparate im Haus und Haushalt über ein Kommunikationsnetz steuert, so werden damit Wunschvorstellungen hervorgerufen, die aber keine konkret warenbezogene beschreibende Sachaussage enthält, die auf eine bestimmte für den Verkehr bedeutsame Eigenschaft der Ware oder der Dienstleistungen selbst Bezug nimmt (vgl hierzu auch BPatG MarkenR 2000, 439, 444 - VISION).

Da das nachgestellte Markenelement "Plus" eine Verstärkung des vorangehenden Bestimmungswortes oder Begriffs bewirken kann, wie z.B. Komfort Plus, Volume Plus und "Plus" die Bedeutung von etwas Zusätzlichem hat, das als Substantiv zugleich für Gewinn, Überschuß, Vorteil, Nutzen steht, kann die angemeldete Bezeichnung sowohl als besonders intensive, verstärkte Vision verstanden werden als auch "Vision: Plus" im Sinne von "Mehr" an Vorteil, Nutzen, Gewinn, Überschuß, Prozenten. Beispiele dafür sind: "50 plus" an Jahren, "40 plus" an Wählerstimmen, Wachstumsplus, "mehr an Visionen" oder "Vision und mehr". Auf wen oder was sich "VisionPlus" konkret bezieht, läßt sich aber auch in Verbindung mit den einzelnen Waren und Dienstleistungen der Anmeldung bei keiner der Sinngehalte eindeutig bestimmen.

Insgesamt ist daher ist der Begriff "Vision", insbesondere in Verbindung mit dem weiteren Markenbestandteil "Plus", zu vage und unbestimmt und die angemeldete Gesamtbezeichnung "VisionPlus" in ihrem Aussagegehalt mehrdeutig und interpretationsbedürftig.

Fehlt der angemeldeten neuen Wortverbindung in ihrer Gesamtheit somit ein eindeutig zuzuordnender Aussagegehalt in bezug auf Waren- oder Dienstleistungseigenschaften, so kann ihr weder jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden noch ist sie geeignet, zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung oder sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen zu dienen (§ 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG).

Der Senat weist im übrigen darauf hin, dass zwar die Wortverbindungen "InfoVision" und "Media Vision" nicht eingetragen worden sind, die Bezeichnungen "REHAVISION" (33 W (pat) 60/99), "VISION" (26 W (pat) 95/99 und 24 W (pat) 185/99), VISION DIRECT" (HABM R 190/98-2), "VISION STREET WEAR" (27 W (pat) 41/97) sowie "VISIONGATE" (29 W (pat) 172/00) und "Auto Vision" für Klassen 16, 35, 36, 41, 42 (29 W (pat) 178/00) für schutzfähig angesehen worden sind.

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BPatG:
Beschluss v. 07.08.2002
Az: 29 W (pat) 336/00


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