Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Januar 2005
Aktenzeichen: 25 W (pat) 134/03

(BPatG: Beschluss v. 28.01.2005, Az.: 25 W (pat) 134/03)

Tenor

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2. Kosten werden nicht auferlegt.

Gründe

I.

Die Marke 399 19 420 bibagist am 16. September 1999 für "Mit Bicarbonat gefüllter Beutel als Teil einer Dialysemaschine für die Durchführung einer Bicarbonatdialyse" ohne Widerspruchsverfahren in das Register eingetragen worden.

Die Antragstellerin beantragte mit Eingabe vom 23. April 2001 die vollständige Löschung der angegriffenen Marke, da sie entgegen § 8 MarkenG eingetragen worden sei. Es handle sich um eine beschreibende und nicht unterscheidungskräftige Angabe, da sie auf einen Doppelbeutel hinweise. Auch sie selbst, nunmehr Inhaberin der Wortbildmarke 300 42 405 "Eu-Ru bibag", benutze die Angabe "Bibag" beschreibend. Ihre Markenanmeldung 300 17 729 "Bi-Bag Line Kombi-System" sei mit Beschluss der Markenstelle vom 25. Juli 2000 gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 MarkenG zurückgewiesen worden. Die angegriffene Marke sei ebenso schutzunfähig.

Dem der Antragsgegnerin am 11. Juni 2001 zugestellten Löschungsantrag hat diese mit der beim DPMA am 10. August 2001 eingegangenen Eingabe gleichen Datums widersprochen.

Die Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit Beschluss vom 25. März 2003 die Marke gelöscht.

Sie hätte nicht in das Register eingetragen werden dürfen, weil es sich hierbei um eine nicht unterscheidungskräftige Angabe (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG) handele. Ob darüber hinaus ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG bestehe, könne offen bleiben.

Die Bezeichnung "bibag" sei sprachregelgerecht aus einem bekannten Substantiv und einem geläufigen Präfix zusammengesetzt (biform, bilateral, binational, Bikarbonat, Bikompositum). Das Wort "bag" werde auch im Deutschen verwendet (Thermobag, Multisportbag, (Doppel)-Airbag). Im Hinblick auf die beanspruchten Waren "mit Bicarbonat gefüllter Beutel als Teil einer Dialysemaschine für die Durchführung einer Bicarbonatdialyse" sei die deutsche Bedeutung von "bibag" im Sinne von "Doppelbeutel" unmittelbar naheliegend. Bei einer Bikarbonatdialyse müsse die benötigte Menge Infusionslösung möglichst in der optimalen Zusammensetzung und in geeigneter Form zur Verfügung stehen. Zu diesem Zweck würden Kartuschen angeboten, es würden aber auch "Doppelbeutel" bzw "Zweikammerbeutel" verwendet. Die Markenelemente seien sprachüblich zu einer allgemeinverständlichen Kombination zusammengefügt. Die angesprochenen Verkehrskreise seien insbesondere Ärzte und medizinisches Fach- bzw Betreuungspersonal, aber auch medizinische Laien, die sich mit der Dikarbonatdialyse befassten. Ein erheblicher Teil der inländischen Verkehrskreise werde "bibag" in Verbindung mit den beanspruchten Waren als Beschreibung der Darreichungsform von Bikarbonat verstehen. Der auf die hier relevante Ware bezogene Sinngehalt von "Doppelbeutel, Zweikammerbeutel" stehe so stark im Vordergrund, dass ein Verständnis, es könne sich um eine Bezeichnung mit einer interpretationsbedürftigen Mehrdeutigkeit und damit um einen betrieblichen Herkunftshinweis handeln, nicht nahegelegt sei.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin mit dem Antrag (sinngemäß), den Beschluss der Markenabteilung 3.4. des Deutschen Patent- und Markenamts vom 25. März 2003 aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen.

Der Begriff "bibag" sei nicht sprachregelgerecht zusammengesetzt, da die Kombination zwischen dem aus dem lateinischen Präfix "bi" mit dem rein englischsprachigen Hauptwort "bag" absolut ungewöhnlich sei. Bei den vom Amt angeführten Beispielen stamme das Hauptwort stets aus dem Lateinischen. Bei rein englischstämmigen Hauptwörtern werde fast ausschließlich "double" oder "two" benutzt, wenn etwas als doppelt bezeichnet werden solle. Einen "Doppelbeutel" würde man mit "doublebag" und nicht mit "bibag" übersetzen. Es gäbe keinen Beleg für eine Verwendung von "bibag" als Gattungsbezeichnung. Die vom Beschwerdegegner bzw vom Amt vorgebrachten Beispiele hätten sich auf das Produkt des Beschwerdeführers bzw des Beschwerdegegners bezogen. Beutel als auch Kartuschen würden für die Infusionen von Bicarbonatlösungen verwendet, nicht aber allgemein üblich als "Bibag" benannt. Die Markeneintragung beschränke sich nicht auf Doppel- bzw Zweikammerbeutel und die Marke werde mitnichten für Doppel- bzw Zweikammerbeutel benutzt. Zudem weise die Bezeichnung mindestens zwei unterschiedliche Assoziationsmöglichkeiten auf und besitze daher auch das erforderliche Minimum an Unterscheidungskraft. Einmal könne "bi" für "zweifach/doppelt" stehen, zweitens aber vor allem auch als Verkürzung von "Bicarbonat". Keine der Assoziationsmöglichkeiten stünde im Vordergrund.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Bei den ausschließlich mit der Bezeichnung "bibag" angesprochenen Fachkreisen würde das Wort "bag" sterile Beutel oder Blutbeutel kennzeichnen. Es sei unerheblich, dass das Präfix "bi" aus dem Lateinischen abgeleitet werde. Der Wortbestandteil, der zwei oder doppelt bedeute, werde allgemein entsprechend seinem Wortsinn verstanden. Für einen erheblichen Teil der inländischen Verkehrskreise, das seien Fachkreise im pharmazeutischen Bereich, habe das Wort "bibag" in Verbindung mit den beanspruchten Waren die Bedeutung von Doppelbeutel. Die Elemente seien sprachüblich zu einer allgemeinverständlichen Kombination zusammengefügt und sei ein beschreibender Hinweis auf die Form der gekennzeichneten Produkte.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Nach § 54, 50 Abs 1 Nr 3 Markengesetz wird eine Marke wegen Nichtigkeit dann gelöscht, wenn sie entgegen § 8 MarkenG eingetragen worden ist und das Schutzhindernis auch noch im Zeitpunkt der Entscheidung besteht.

Nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG sind unter anderem Marken von der Eintragung ausgeschlossen, denen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft ist dabei die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden, wobei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen ist, dh jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft ausreicht, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl BGH GRUR 1999, 1089, 1091 - YES, GRUR 2001, 1151 - marktfrisch). Dabei darf die Prüfung jedoch nicht auf ein Mindestmaß beschränkt werden, vielmehr muss sie streng und vollständig sein (EuGH, WRP 2003, 735, 740 - Libertel Groep.- Farbe Orange).

Die Markenabteilung hat zutreffend die Marke 399 19 240 gelöscht, da für die Waren "mit Bicarbonat gefüllter Beutel als Teil einer Dialysemaschine für die Durchführung einer Bicarbonatdialyse" ein Schutzhindernis nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG besteht und bereits zum Eintragungszeitpunkt bestanden hat.

Für erhebliche Verkehrskreise stellt die Bezeichnung "bibag", welche aus den Bestandteilen "bi" und "bag" zusammengesetzt ist, für die Waren "mit Bicarbonat gefüllter Beutel als Teil einer Dialysemaschine für die Durchführung einer Bicarbonatdialyse" eine Sachbezeichnung dar, welche die Abgabeform beschreibt. Die Anfangssilbe "bi" weist in zahlreichen deutschen und englischen Wörtern auf "Doppel" oder "zweifach" hin (zB bielastisch, binational, Bimetall, bipolar, Biathlet, biannual, bicoastal, bilayered, bicolo(u)red). "Bag" ist das auch den deutschen Verkehrskreisen geläufige englische Wort für "Tasche, Beutel". Wenn in Verbindung mit Beuteln diese Bezeichnung verwendet wird, ist nach allgemeiner Lebenserfahrung damit zu rechnen, dass der Verkehr in der Wortkombination den Bestandteil "bag" im Sinne des allgemein auch im Deutschen bekannten englischen Wortes für Beutel versteht, unabhängig davon, ob das Präfix "bi" deutsch oder englisch ausgesprochen wird. Da Beutel für Dialysesysteme auch die Form eines Doppel-Kammer-Beutels haben können, wie bereits die Markenabteilung in ihrem Beschluss belegt hat, ist das Wort "bibag" für die Waren der streitgegenständlichen Marke beschreibend. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Beschwerdeführerin und Markeninhaberin ihre Marke bereits tatsächlich in einem Doppel(kammer)beutel anbietet, oder ob sie mit der Vorsilbe "bi" bisher lediglich auf das in den Beuteln enthaltene Bicarbonat hinweisen wollte, denn entscheidend für die Frage der Schutzfähigkeit ist das der Marke zugrunde gelegte Warenverzeichnis und die Frage, ob hierfür die Bezeichnung beschreibend ist, nicht aber eine mögliche Handhabung oder Absicht der Markeninhaberin.

Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin ist das Zeichen auch nicht sprachregelwidrig gebildet. Zwar mag im Deutschen ein mit "Bi" kombiniertes Hauptwort meist lateinischen Ursprungs sein, jedoch ist dies dem Verkehr in der Regel nicht bewusst, da er sich darüber keine Gedanken macht (zB bei Wörtern wie bielastisch, binational, Bimetall, bipolar, Biathlet). Dies gilt ebenso für englischsprachige Zusammensetzungen (zB biannual, bicoastal, bilayered, bicolo(u)red oder biplane für ein Doppeldeckerflugzeug) und erst recht für im Deutschen gebildete Wortschöpfungen mit der Silbe "Bi" und einem englischen Ausdruck (wie zB Bi-Fuel-Variante für ein Auto, bei dem Benzin- und Erdgas- Antrieb kombiniert sind). Der Verkehr wird daher bei der Begegnung mit dem Zeichen nicht darauf abstellen, ob das Wort "bag" lateinischen Ursprungs ist oder nicht.

Nicht entscheidend ist auch, ob im Englischen "Doppelbeutel" mit "doublebag" oder "twinbag" bezeichnet wird. Für die Schutzunfähigkeit kommt es nicht darauf an, ob die fragliche Bezeichnung schon verwendet worden ist, denn selbst Wortneubildungen, die beschreibend und regelgerecht gebildet worden sind, können von der Eintragung ausgeschlossen sein (EuGH GRUR 2004, 680 - BIOMILD). Die bloße Aneinanderreihung beschreibender Bestandteile ohne Vornahme einer ungewöhnlichen Änderung, insbesondere syntaktischer oder semantischer Art, führt nämlich nur zu einer Bezeichnung, die wiederum im Verkehr zur Bezeichnung von Merkmalen der genannten Waren oder Dienstleistungen dienen kann. Aus diesem Grunde wird sie vom Verkehr auch lediglich beschreibend verstanden. Darüber hinaus verwendet die Antragstellerin die Bezeichnung bereits für einen Zweikammerinfusionsbeutel, was von den angesprochenen Verkehrskreisen in beschreibender Weise aufgefasst wird (vgl den von der Antragstellerin bereits vor der Markenabteilung eingereichte Zeitschriftenartikel "Baseninfusionen" in "Der Heilpraktiker & Volksheilkunde" vom Juli 2002, in dem der Zweikammerinfusionsbeutel als Bibag-System vorgestellt wird). Die angegriffene Marke ist eine naheliegende Bezeichnung für einen Doppelbeutel und wird jedenfalls von erheblichen Teilen der angesprochenen Fachkreise in diesem Sinne ohne weiteres verstanden. Deshalb war auch bereits zum Eintragungszeitpunkt die Bezeichnung nicht schutzfähig.

Soweit die Beschwerdeführerin eine Mehrdeutigkeit der angemeldeten Bezeichnung geltend macht, führt dies ebenfalls nicht zur Schutzfähigkeit (BGH GRUR 2001, 1151 - marktfrisch; EuG MarkenR 2002, 92 - Streamserve, bestätigt durch EuGH C-150/02 P; EuGH MarkenR 2003, 450 - Doublemint). Die von der Beschwerdeführerin zitierte Doublemint-Entscheidung des EuG (GRUR Int 2002, 71) ist inzwischen vom EuGH (MarkenR 2003, 450) aufgehoben worden, da das EuG allein wegen der verschiedenen Bedeutungsmöglichkeiten der Bezeichnung eine Schutzfähigkeit angenommen hatte. Ein Wortzeichen kann vielmehr als beschreibende Angabe von der Eintragung ausgeschlossen werden, wenn es zumindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen bezeichnet.

Besondere Umstände für die Annahme einer schutzbegründenden Mehrdeutigkeit sind vorliegend nicht gegeben. Unter das Warenverzeichnis fallen auch Doppelbeutel, für welche die Bedeutung von "bibag" eindeutig ist. Dabei kommt es nicht darauf an, in welcher Hinsicht es sich um Doppelbeutel handelt, also ob es zB Zweikammerbeutel sind oder zwei Beutel zu einer Einheit zusammengefasst werden, denn auch verallgemeinernde Aussagen müssen einem Verständnis als bloße Sachangabe nicht entgegenstehen (vgl für die Sammelbezeichnung "Bücher für eine bessere Welt" auch BGH MarkenR 2000, 330, 332). Soweit die Beschwerdeführerin meint, sie verwende die Bezeichnung nicht für einen Doppelbeutel, sondern "Bi" solle auf Bikarbonat hinweisen, folgt daraus nicht die Schutzfähigkeit der eingetragenen Bezeichnung. Einerseits ist von der Markeninhaberin nicht belegt und vom Senat nicht feststellbar, dass "Bi" als übliche Abkürzung für Bikarbonat stehe. Es ist daher objektiv nicht feststellbar, dass der Marke die Bedeutung "Bikarbonatbeutel" zukommt. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass auch Verkehrskreise, die etwa in "Bi" eine feststehende Abkürzung für "Bikarbonat" sehen sollten, darin dann lediglich eine Sachbezeichnung erkennen würden, so dass auch für solche Verkehrskreise der Bezeichnung jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Soweit die Beschwerdeführerin im übrigen durch besondere Gestaltung der Ware und zusätzliche Angaben auf dem Beutel dem Bestandteil "bi" eine eigene Bedeutung gibt, kann dies die markenrechtliche Beurteilung der angemeldeten Bezeichnung in Bezug auf die eingetragenen Waren nicht berühren, da die Marke so zu beurteilen ist, wie sie eingetragen wurde, und außerhalb der Marke befindliche Angaben, die möglicherweise zu einer weiteren Bedeutung führen könnten, nicht in entscheidender Hinsicht berücksichtigt werden können. Insoweit kann daher auch die von der Beschwerdeführerin eingereichte Bestätigung des Herrn Zimmermann, dass sein Vortrag ua über den "Bibag", der von der Markenabteilung als Beleg für eine beschreibende Verwendung des Begriffs mit herangezogen worden sei, sich mit dem Produkt der Beschwerdeführerin befasst habe, und es sich bei der von ihm verwendeten Bezeichnung nicht um einen Gattungsbegriff, sondern um einen Produktnamen handelte, nicht zu einer anderen Beurteilung der Schutzfähigkeit führen. Darüber hinaus sind nicht nur Gattungsbezeichnungen beschreibende Angaben, sondern auch solche, die in anderer Weise vom Verkehr als Sachangaben verstanden werden.

Nach alledem konnte die Beschwerde keinen Erfolg haben.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Sredl Bayer Pü






BPatG:
Beschluss v. 28.01.2005
Az: 25 W (pat) 134/03


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