Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 13. November 1996
Aktenzeichen: 26 WF 132/96
(OLG Köln: Beschluss v. 13.11.1996, Az.: 26 WF 132/96)
1. Zur Bindung des Kostenbeamten an die zugrunde liegende Prozeßkostenhilfebewilligung 2. Selbst eine unzulässige rückwirkende Bewilligung von Prozeßkostenhilfe kann im Rahmen der zu dem beigeordneten Rechtsanwalt betriebenen Kostenfestsetzung gegen die Landeskasse grundsätzlich nicht korrigiert werden. 3. Zu den Entscheidungsmöglichkeiten des Gerichts bei einer Erinnerung des Rechtsanwalts gegen einen zurückgewiesenen Festsetzungsantrag.
Tenor
Die Beschwerde des Bezirksrevisors gegen den Beschluß des Amtsgerichts - Familiengericht - Eschweiler vom 16. August 1996 - 12 F 117/96 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
In dem diesem Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Rechtsstreit
hat der Beklagte im Termin vom 19.06.1996 Prozeßkostenhilfe
beantragt und versprochen, "die notwendigen Unterlagen
nachzureichen". Sodann ist das Verfahren nach Erörterung der Sach-
und Rechtslage durch Vergleich beendet worden.
Mit Schriftsatz vom 24.06.1996 hat der Beklagte die Erklärung
über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst
Anlagen zu den Akten gereicht. Daraufhin hat das Amtsgericht dem
Beklagten durch Beschluß vom 08.07.1996 "mit Wirkung ab
Antragstellung" Prozeßkostenhilfe bewilligt und ihm Rechtsanwalt
Mertens beigeordnet. Dessen Antrag auf Kostenfestsetzung gegen die
Landeskasse hat die Kostenbeamtin mit der Begründung
zurückgewiesen, nach der Prozeßkostenhilfebewilligung am 08.07.1996
seien Kosten nicht mehr entstanden; auf die rückwirkende Beiordnung
ab Antragstellung könne sich der Rechtsanwalt nicht berufen, da der
Vordruck (ZP 1 a) erst nachträglich bei Gericht eingegangen sei.
Zwar sei im Bewilligungsbeschluß die Rückwirkung auf den Zeitpunkt
der Antragstellung ausgesprochen; ein wirksamer Antrag setze aber
das Vorliegen der notwendigen Unterlagen voraus.
Auf die hiergegen erhobene Erinnerung hat der Amtsrichter den
Beschluß der Kostenbeamtin aufgehoben und diese angewiesen, über
den Festsetzungsantrag erneut zu entscheiden. Hiergegen richtet
sich die Beschwerde des Bezirksrevisors.
II.
Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Beschwerde bleibt in der
Sache ohne Erfolg.
1.
Zutreffend hat das Amtsgericht in seinem jetzt angefochtenen
Beschluß darauf hingewiesen, daß die Kostenbeamtin an die
zugrundeliegende Prozeßkostenhilfebewilligung und die darin
angeordnete Wirkung ab Antragstellung gebunden ist. Dabei kommt es
nicht darauf an, ob eine rückwirkende Bewilligung in diesem Umfang
zulässig war oder nicht (vgl. dazu allgemein OLG München,
Rechtspfleger 1986, 108 f. = Anwaltsblatt 1987, 340 f.;
Zöller/Philippi, ZPO, 19. Auflage 1995, Rn. 43 zu § 119). Es ist
nicht Aufgabe des Kostenbeamten, dies zu überprüfen und ggfls.
sogar die gerichtliche Entscheidung zu korrigieren, wie dies mit
dem Beschluß vom 26.07.1996 praktisch geschehen ist. Die
Bindungswirkung im beschriebenen Sinne wird auch von dem
Beschwerdeführer verkannt, soweit er sich auf den Beschluß des
Landgerichts Aachen vom 26.08.1985 - 3 T 343/85 - bezieht, durch
welchen eine Beschwerde des Bezirksrevisors mit dem ausdrücklichen
Hinweis auf die Bindungswirkung zurückgewiesen worden ist.
2.
Die Bindung des Kostenbeamten an die
Prozeßkostenhilfebewilligung ergibt sich auch noch aus einer
weiteren Óberlegung: Auch gegen die zugrundeliegende der
Prozeßkostenhilfebewilligung vom 08.07.1996, die im vorliegenden
Falle nicht angefochten worden ist, hätte der Staatskasse ein
Beschwerderecht nur im Rahmen des § 127 Abs. 3 ZPO zugestanden.
Danach hätte die Beschwerde nicht auf die Anordnung der Rückwirkung
der Bewilligung gestützt werden können (vgl. dazu allgemein
grundlegend OLG Düsseldorf, FamRZ 1988, 1299 ff.; ebenso OLG Hamm,
FamRZ 1992, 1451 f. und OLG Frankfurt, JurBüro 1993, 234 f. =
Rechtspfleger 1993, 251; Zöller/Philippi, a.a.O., Rn. 33 a zu § 127
Thomas/ Putzo, 19. Auflage 1995, Rn. 7 zu § 127n). Wenn aber die
Staatskasse schon die grundlegende Anordnung der Rückwirkung nicht
mit der Beschwerde angreifen kann, so gilt dies erst recht im
Rahmen des Festsetzungsverfahrens.
3.
Im vorliegenden Fall war das Wirksamwerden der Prozeßkostenhilfe
in dem Bewilligungsbeschluß vom 08.07.1996 auch unmißverständlich
zeitlich fixiert (vgl. dazu allgemein Kalthoener/Büttner,
Prozeßkostenhilfe und Beratungshilfe, Rn. 530; OLG München,
a.a.O.), nämlich auf den Zeitpunkt ab Antragstellung, also ab
19.06.1996. Für eine Auslegung in der vom Kostenbeamten
vorgenommenen Weise, ein wirksamer Antrag setze das Vorliegen der
notwendigen Unterlagen voraus, war deshalb kein Raum.
4.
Nach alledem kommt es nicht darauf an, ob im vorliegenden Fall
die rückwirkende Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zulässig war
oder nicht. Der Senat weist deshalb nur der Vollständigkeit halber
darauf hin, daß er die Verfahrensweise des Amtsgerichts, die auf
prozeßökonomischen Erwägungen beruht und die der eigenen Praxis des
Senats entspricht, für zulässig hält. Der Senat teilt die
Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt (a.a.O.), daß der
amtliche Vordruck lediglich eine Entscheidungshilfe für das Gericht
ist, nicht aber prozessuale oder materielle
Entscheidungsvoraussetzung, und daß Belege dann nicht erforderlich
sind, wenn die wirtschaftliche Situation der Antragstellenden
Partei in anderer Weise glaubhaft gemacht ist.
5.
Dem Beschwerdeführer kann auch nicht darin gefolgt werden, daß
das Amtsgericht über den Festsetzungsantrag selbst hätte
entscheiden müssen und dies nicht dem Kostenbeamten hätte
überlassen dürfen. Soweit sich der Beschwerdeführer für seine
diesbezügliche Auffassung auf die Kommentierung bei
Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert (von Eicken), BRAGO, 12. Auflage
1995, Rn. 16, bezieht, findet sich an dieser Stelle keine
Begründung dafür, warum die vom Amtsgericht gewählte
Verfahrensweise unzulässig sein soll. Ihre Zulässigkeit ergibt sich
vielmehr aus der entsprechenden Anwendung des § 575 ZPO, wonach das
Beschwerdegericht, wenn es die Beschwerde für begründet erachtet,
dem Ausgangsgericht die erforderliche Anordnung übertragen kann (so
auch Mümmler in der Anmerkung zu OLG Düsseldorf, JurBüro 1979, 48
f.).
OLG Köln:
Beschluss v. 13.11.1996
Az: 26 WF 132/96
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