Bundespatentgericht:
Beschluss vom 27. März 2000
Aktenzeichen: 10 W (pat) 27/99

(BPatG: Beschluss v. 27.03.2000, Az.: 10 W (pat) 27/99)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die A... GmbH & Co KG ist Inhaberin des am 3. Juni 1985 angemeldeten, einen Teleskoptisch betreffenden Patents P 35 19 780, dessen Erteilung am 23. Dezember 1993 veröffentlicht worden ist.

Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

Teleskoptisch mit einem Grundrahmen (1) und einem horizontal teleskopartig ausfahrbaren Oberrahmen (4) sowie einem eine Stellfläche aufweisenden teleskopartig ausfahrbaren Trägerrahmen (5), wobei der Oberrahmen (4) ein einstückiges, -artiges Profil quer zur Teleskopierrichtung geschnitten aufweist, dessen zwei Vertikalstege (13, 14) jeweils beidseitig mit Laufflächen für Tragrollen aufweisenden Nuten versehen sind und am Oberrahmen (4) in Teleskopierrichtung am vorderen und hinteren Ende jeweils eine Umlenkrolle in vertikaler Teleskopierbewegungsebene angeordnet ist, wobei jeweils am vorderen und hinteren Ende des Grundrahmens (1) festgelegte Zugelemente zur jeweils entfernteren der Umlenkrollen geführt sind und die freien Enden der umgelenkten Trume an der Umlenkrolle gegenüberliegenden Ende des Tragrahmens (5) festgelegt sind, und wobei der Oberrahmen (4) und damit der Tragrahmen (5) mittels eines am Grundrahmen (1) angeordneten Antriebes verschiebbar ist, dadurch gekennzeichnet, daß zwischen Grundrahmen (1) und Oberrahmen (4) ein einen teleskopierbaren Zwischenrahmen (3) tragender teleskopierbarer Unterrahmen (2) mit zwei in Teleskopierrichtung angeordneten, quer beabstandeten Vertikalstegen angeordnet ist, wobei Bolzen (7) die beiden Vertikalstege des Unterrahmens (2) quer zur Teleskopierrichtung horizontal durchdringen und beidendig Tragrollen (8, 9) aufweisen, die einerseits in Nuten des Grundrahmens (1) und andererseits in Nuten des Zwischenrahmens (5) laufen, daß am Unterrahmen (2) und Zwischenrahmen (3) in Teleskopierrichtung am vorderen und hinteren Ende jeweils Umlenkrollen angeordnet sind und jeweils mindestens ein Zugmittel jeweils an einem Ende eines der Rahmen befestigt und über das jeweils entferntere Umlenkrad des darüber angeordneten Rahmens geführt und das freie Ende des umgelenkten Trums an dieser Umlenkrolle gegenüberliegenden Ende des darüber angeordneten Rahmens festgelegt ist, daß zwischen jeweils zwei hintereinander in einem Rahmen (2 bis 5) angeordneten Trägerrollen (8; 9) Führungsstücke (10; 11) vorgesehen sind, deren Stirnflächen auf dem Grunde der die Tragrollen führenden Nute gleiten, und daß der Unterrahmen (2) gegenüber dem Grundrahmen (1) mittels einer am Grundrahmen (1) angeordneten, über an den jeweiligen Enden angeordnete Umlenkräder geführte endlose kraftantreibbare Laschenketten als Antrieb verschiebbar ist, wobei der Unterrahmen (2) im Bereiche seiner jeweiligen Enden in Laschen der Laschenkette (23) eingreifende Mitnehmer aufweist.

Wegen der auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Ansprüche 2 bis 4 wird auf die Patentschrift verwiesen.

Gegen das Patent hat die M... AG am 22. März 1994 Einspruch eingelegt. Sie macht geltend, die Erfindung beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Dies ergebe sich aus dem Stand der Technik, nämlich der bereits im Prüfungsverfahren für die Beurteilung der Patentfähigkeit in Betracht gezogenen gattungsbildenden deutschen Offenlegungsschrift 23 35 110 in Verbindung mit dem Gegenstand einer offenkundigen Vorbenutzung, den die M... Fördertechnik AG in W.../R..., - ausweislich eines Protokolls vom 6. April 1983 über die Abnahme - an die Firma G... GmbH geliefert habe (Anlage A). Wie sich aus Anlage B ergebe, sei dazu ein Ausfahrwerk des Typs GDM 112 D2/1312 unter der Bezeichnung "Ausfahreinrichtung" gemäß Zeichnungs-Nr 23742546 (Anlage C) geliefert worden. Aus der Zeichnung ergebe sich, daß die Ausfahreinrichtung Bestandteil des Regalbedienungsgerätes gemäß Zeichnungs-Nr 263.001.46 sei, wobei sämtliche Zeichnungen aus dem Jahre 1983 stammten. Die Zeichnung 236.145.46 vom 29. März 1983 (Anlage D) stelle eine Ausfahreinrichtung (Zusammenstellungszeichnung) dar, die einen gattungsgemäßen Teleskoptisch zeige, der folgende Merkmale aufweise, wobei sich die Bezugszeichen auf das Streitpatent bezögen:

- mit einem Grundrahmen (1)

- mit einem Oberrahmen (4)

- einem teleskopierbaren Zwischenrahmen (3) - dort Teleskop 2 genannt - mit zwei in Teleskopierrichtung angeordneten quer beabstandeten Vertikalstegen - links untere Darstellung, dort mit 3 bezeichnet - Bolzen (7), die die beiden Vertikalstege des Unterrahmens (2) quer zur Teleskopierichtung horizontal durchdringen und beidendig Tragrollen aufweisen, die einerseits in Nuten des Grundrahmens (1) und andererseits in Nuten des Zwischenrahmens (3) laufen - mit am Unterrahmen (2) und Zwischenrahmen (3) in Teleskopierrichtung am vorderen und hinteren Ende jeweils angeordneten Umlenkrollen - und mit jeweils mindestens einem Zugmittel, das jeweils an einem Ende eines der Rahmen befestigt und über das jeweils entferntere Umlenkrad des darüber angeordneten Rahmens geführt und das freie Ende des umgelenkten Trums an dieser Umlenkrolle gegenüberliegenden Ende des darüber angeordneten Rahmens festgelegt ist - mit zwischen jeweils zwei hintereinander in einem Rahmen angeordneten Tragrollen - mit Führungsstücken (10, 11) - dort mit 4 bezeichnet, deren Stirnfläche auf dem Grunde der die Tragrollen führenden Nuten gleiten - mit einer am Grundrahmen angeordneten über an den jeweiligen Enden angeordnete Umlenkräder geführte endlose kraftantreibbare Laschenkette als Antrieb (als Kettenrad bezeichnet)

- mit im Bereich seiner jeweiligen Enden in Laschen der Laschenkette eingreifenden Mitnehmern.

Damit sei der Gegenstand des Hauptanspruchs in wesentlichen Teilen vorweggenommen und mangels erfinderischer Leistung nicht mehr dem Patentschutz zugänglich.

Die Patentinhaberin hat die Auffassung vertreten, der Einspruch sei unzulässig, da eine offenkundige Vorbenutzung als Stand der Technik nicht hinreichend substantiiert dargelegt worden sei. Die Zeichnungen C und D ließen, sofern überhaupt mit der Lupe erkennbar, die Merkmale des Patentanspruchs 1 nicht erkennen.

Durch Beschluß vom 25. März 1998 hat die Patentabteilung 22 des Deutschen Patentamts den Einspruch als unzulässig verworfen, da er nicht ausreichend substantiiert worden sei.

Gegen diese der Einsprechenden am 13. April 1998 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 11. Mai 1998 eingegangene Beschwerde.

Die Einsprechende hält ihren Einspruch für hinreichend begründet.

Sie beantragt, den Beschluß der Patentabteilung 22 des Deutschen Patentamts vom 25. März 1998 aufzuheben.

Die Patentinhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Ihrer Auffassung nach erfüllt der Einspruch nicht die Anforderungen eines zulässigen Einspruchs.

II.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet, denn der Einspruch ist unzulässig.

Zulässigkeitsvoraussetzung ist gemäß § 59 Abs 1 Satz 4 PatG, daß die Tatsachen, die den Einspruch rechtfertigen sollen, "im einzelnen" angegeben werden. Es müssen die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrundes maßgeblichen Umstände innerhalb der Einspruchsfrist so vollständig dargelegt werden, daß das Patentamt und die Patentinhaberin daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen des Widerrufsgrundes ziehen können (vgl BGH GRUR 1995, 333 - Aluminium-Trihydroxid; 1993, 651, 653 - Tetraploide Kamille).

Beruft sich die Einsprechende in der Einspruchsbegründung auf fehlende Patentfähigkeit des patentierten Gegenstandes infolge einer offenkundigen Vorbenutzung, so muß innerhalb der Einspruchsfrist ua die Beschaffenheit des vorbenutzten Gegenstandes so detailliert geschildert werden, daß die Patentinhaberin und die Patentabteilung einen deutlichen Eindruck erhalten, insbesondere von denjenigen konstruktiven Einzelheiten, die für einen Vergleich mit dem Patentgegenstand und für die Beurteilung der Patentfähigkeit wesentlich sind (vgl BPatG, BlPMZ 1991, 308). Dieser Anforderung wird die Einspruchsbegründung nicht gerecht.

Ausgehend von der gattungsbildenden deutschen Offenlegungsschrift 23 35 110 hat es die Einsprechende unterlassen, diejenigen kennzeichnenden Merkmale des Patentanspruchs 1, die auch bei dem vorbenutzten Gerät vorhanden sein sollen, miteinander in Beziehung zu setzen und darzulegen, aus welchen Gründen es für den Fachmann nahegelegen hätte, die in dem vorbenutzten Gerät nicht vorhandenen kennzeichnenden Merkmale des Patentanspruchs 1 vorzusehen.

Die Einsprechende hat sich nicht mit allen kennzeichnenden Merkmalen befaßt.

Der Teleskoptisch nach Patentanspruch 1 verfügt gegenüber dem Stand der Technik über einen weiteren, dritten, teleskopierbaren Rahmen. Damit hat sich die Einsprechende überhaupt nicht befaßt.

Die Einsprechende hat es somit offengelassen, aufgrund welcher zum Stand des Fachwissens gehörender Überlegungen oder weiteren Standes der Technik dieses für die Lösung der Aufgabe erfindungswesentliches Merkmal nicht auf einer erfinderischer Tätigkeit beruhen soll. Allein die Erwähnung, daß "der Gegenstand des Hauptanspruchs in wesentlichen Teilen vorweggenommen" und er "nicht mehr dem Patentschutz mangels erfinderischer Leistung zugänglich" sei, ist unter diesen Umständen nicht ausreichend, um das Patentamt und die Patentinhaberin in die Lage zu versetzen, abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen des behaupteten Widerrufsgrundes zu ziehen. Auch die bloße Bezugnahme auf die schwer lesbare Zeichnung C, die über eine Fülle von Bezugszeichen, nicht aber über eine Bezugszeichenliste verfügt, versetzt das Patentamt und die Patentinhaberin nicht in die Lage, das Vorbringen der Einsprechenden nachzuvollziehen und die Patentfähigkeit zu beurteilen.

Soweit die Einsprechende ihr Einspruchsvorbringen nach Ablauf der Einspruchsfrist ergänzt hat, kann dieses nicht berücksichtigt werden (vgl Schulte 5. Aufl § 59 Rdn 38).

Bühring Winkler Schuster E.






BPatG:
Beschluss v. 27.03.2000
Az: 10 W (pat) 27/99


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