Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Juni 2005
Aktenzeichen: 27 W (pat) 48/04

(BPatG: Beschluss v. 07.06.2005, Az.: 27 W (pat) 48/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Dezember 2003 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der international registrierten Marke 720 998 hinsichtlich der für die angegriffene Marke geschützten Waren "Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit in Klasse 14 enthalten; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente" zurückgewiesen wurde.

Im Umfang der Aufhebung wird die Löschung der Marke 302 62 248 für die vorgenannten Waren angeordnet.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Widersprechende hat gegen die u.a. für

"Edelmetalle und deren Legierungen sowie daraus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit in Klasse 14 enthalten; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edelsteine; Uhren und Zeitmessinstrumente; Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen"

eingetragene Bildmarke Grafik der Marke 30262248.9

- beschränkt auf die o.a. Waren - Widerspruch eingelegt aus ihrer prioritätsälteren IR-Marke Nr. IR 720 998 7sevendie in Deutschland u.a. Schutz genießt für:

"classe 14 : Montres, horloges et instruments chronometriques.

classe 25 : Vêtements (y compris lingerie de corps et pour la mer), chaussures, chapellerie."

Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss vom 2. Dezember 2003 den Widerspruch zurückgewiesen. Zwar könnten die Marken den angesprochenen Verkehrskreisen für identische oder sehr ähnliche Waren begegnen, die Zeichen seien aber nicht ausreichend ähnlich. Der Ziffer "7" in beiden Zeichen komme keine prägende Bedeutung zu, weil ihr -anders als den Zeichen in ihrer Gesamtheit - keine durchschnittliche Kennzeichnungskraft zukomme. Denn Ziffern begegneten den Käufern in fast jedem Waren- und Dienstleistungsgebiet zur Bezeichnung von Sortimentsnummern, Größen, Preisen oder Stückzahlen, so dass sie von Haus aus nur eine geringe Kennzeichnungskraft hätten. Der Verkehr orientiere sich daher auch an den anderen Markenelementen, insbesondere der grafischen Ausgestaltung. Aus denselben Gründen scheide eine assoziative Verwechslungsgefahr aus, weil ein nur gering kennzeichnungskräftiges Zahlwort wenig geeignet sei, als Hinweis auf eine Markenserie der Widersprechenden zu dienen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie führt hierzu aus: Der Beschluss berücksichtige nicht ausreichend, dass beide Marken überwiegend identische Waren beträfen und jeweils die identische Ziffer "7" und das ausgeschriebene Zahlwort "SEVEN" enthielten. Zudem konzentriere er sich nur auf die grafische Ähnlichkeit, ohne zu berücksichtigen, dass auch die klangliche und begriffliche Ähnlichkeit - auch auf dem Bekleidungssektor - die Verwechslungsgefahr begründen könne. Der Verkehr merke sich vor allem die Ziffer "7" und das Wort "SEVEN" in beiden Marken, während er sich an die Details der grafischen Ausgestaltung nicht erinnere. Auch Ziffern, Zahlen und Zahlwörter käme nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum neuen Markengesetz nicht nur geringe Kennzeichnungskraft zu. Zahlen seien nicht von Haus aus kennzeichnungsschwach. Eine Schwächung durch Drittzeichen bestehe nicht, da über die tatsächliche Benutzung nichts bekannt sei. Im übrigen gehörten ein Teil der genannten Marken der Widersprechenden. Angesichts klanglicher und begrifflicher Identität könne eine Verwechslungsgefahr nicht verneint werden. Auch bestehe eine mittelbare Verwechslungsgefahr, weil der Verkehr davon ausgehen werde, dass sich derselbe Inhaber die Ziffer "7" und die Zahl "SEVEN" lediglich in verschiedener grafischer Ausgestaltung habe schützen lassen, um verschiedene Produktlinien zu kennzeichnen, oder dass es sich bei der einen Marke um die Modernisierung der anderen handele. Soweit der Markeninhaber im Beschwerdeverfahren die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten habe, gehe diese Einrede mangels Ablaufs der Benutzungsschonfrist fehl.

Die Widersprechende beantragt, den Beschluss vom 2. Dezember 2003 aufzuheben.

Der Markeninhaber beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen und der Widersprechenden die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Er bestreitet zunächst die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke. Darüber hinaus führt er aus: Der Schutzbereich beider Marken sei von vornherein als sehr eng zu bemessen; darüber hinaus gebe es zahlreiche Drittmarken (73 IR-Marken mit Bezug auf Deutschland, 148 EU-Marken, 158 nationale Marken). Beide Marken erhielten daher allein durch die unterschiedliche grafische Ausgestaltung erst Kennzeichnungskraft. Von einer Modernisierung könne keine Rede sein.

In der mündlichen Verhandlung hat die Widersprechende ihren Standpunkt aufrechterhalten und vertieft. An der mündlichen Verhandlung hat der Markeninhaber weder teilgenommen, noch war er hierbei vertreten; vielmehr hat sein Verfahrensbevollmächtigter in einem zwar vor Sitzungsbeginn bei Gericht eingegangenem, dem Senat aber erst nach Sitzungsbeginn übermittelten Telefax mitgeteilt, wegen einer nicht näher bezeichneten kurzfristigen Erkrankung an der Teilnahme gehindert zu sein und um Terminsverlegung gebeten.

II Die Beschwerde ist zulässig. Über sie kann der Senat auch entscheiden, obwohl der Markeninhaber zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist und sich sein Verfahrensbevollmächtigte kurz vor Sitzungsbeginn wegen einer (angeblichen) kurzfristigen Erkrankung entschuldigt hat. Soweit er aus diesem Grund um Terminsverlegung gebeten hat, war eine solche nach § 82 Abs. 1 MarkenG i.V.m. § 227 ZPO nicht veranlasst; denn abgesehen davon, dass es an der nach § 227 Abs. 2 ZPO erforderlichen Glaubhaftmachung mangelte, vermochte der Senat einen erheblichen Grund, bei dem nach der gesetzlichen Regelung (vgl. § 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 ZPO) eine Terminsverlegung überhaupt nur in Betracht kommt, schon deshalb nicht festzustellen, weil die Erkrankung nicht näher bezeichnet wurde; ein Termin ist aber bei (kurzfristigen) Erkrankungen nur dann zu verlegen, wenn diese ein Erscheinen vor Gericht infolge Reiseunfähigkeit ausschließen.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache aber nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Denn während die Markenstelle im Ergebnis zutreffend den Widerspruch hinsichtlich der angegriffenen Waren der Klasse 25 zurückgewiesen hat, kann die Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG hinsichtlich der weiter angegriffenen Waren der Klasse 14 letztlich nicht verneint werden.

Unter Berücksichtigung der bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr miteinander in Wechselbeziehung stehenden Komponenten der Waren- und Markenähnlichkeit sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), wobei ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen größeren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz. 23 f. - Sabèl/Puma; EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz. 16 f. - Canon; BGH GRUR 1999, 241, 243), hält die jüngere Marke den erforderlichen Abstand zur klangidentischen älteren Marke in bezug auf die identisch gegenüberstehenden Waren der Klasse 14 nicht ein, während eine Verwechslungsgefahr aus Rechtsgründen hinsichtlich der identisch beanspruchten Waren der Klasse 25 zu verneinen ist.

Soweit der Markeninhaber die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten hat, ist diese Nichtbenutzungseinrede unzulässig, da die Benutzungsschonfrist der widersprechenden IR-Marke nach der internationalen Registrierung am 11. November 1999 gem. § 116 Abs. 2 i.V.m. § 115 Abs. 2 MarkenG, Art. 5 Abs. 2 MMA erst am 11. November 2005 abläuft.

Hinsichtlich der beiderseits beanspruchten Waren der Klasse 25 sowie in bezug auf die beiderseits beanspruchten Uhren und Zeitmessinstrumente besteht Warenidentität. Die für die angegriffene Marke darüber hinaus eingetragenen Waren der Klasse 14 sind mit den Uhren und Zeitmessinstrumente, für welche die Widerspruchsmarke allein eingetragen ist, zumindest hochgradig ähnlich (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen, 13. Aufl., S. 76 Stichwort "Edelmetalle" und 316 Stichwort "Uhren", jeweils m.w.N.).

Die Vergleichsmarken sind zwar in schriftbildlicher Hinsicht wegen der erheblich voneinander abweichenden grafischen Ausgestaltung und der in der älteren Marke enthaltenen Ziffer "7" deutlich auseinander zu halten. In klanglicher Hinsicht, welche nach ständiger Rechtsprechung allein für die Annahme einer Verwechslungsgefahr ausreicht (vgl. BGH GRUR 1999, 241, 243 - Lions), sind sie aber identisch, da beide allein mit dem in ihnen enthaltenen Wort "SEVEN/seven" als einfachster Benennungsmöglichkeit (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2002, 809, 811 - FRÜHSTÜCKS-DRINK I) benannt werden. Während dies in bezug auf die beiderseits identisch beanspruchten Waren der Klasse 14 eine Verwechslungsgefahr begründet, weil der Widerspruchsmarke insoweit eine normale Kennzeichnungskraft zuzubilligen ist, scheidet eine Verwechslungsgefahr trotz (klanglicher) Zeichen- und Warenidentität in bezug auf die Waren der Klasse 25 aus Rechtsgründen aus, weil der Schutzumfang der Widerspruchsmarke auf diesem Warensektor wegen einer ihr innewohnenden originären Kennzeichnungsschwäche auf die (schriftbildliche) Eigenprägung beschränkt ist.

Entgegen der Auffassung der Widersprechenden kann der Widerspruchsmarke eine normale Kennzeichnungskraft nicht schon aus dem Grund zugebilligt werden, dass ihr mit der Eintragung die nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft zugesprochen wurde. Denn angesichts des Umstands, dass nach der Rechtsprechung an die Unterscheidungskraft keine hohen Anforderungen zu stellen sind, so dass bereits jede noch so geringe Unterscheidungskraft ausreicht, um das Schutzhindernis zu überwinden (st. Rspr., vgl. BGH GRUR 2001, 413, 415 - SWATCH), kann aus der bloßen Eintragung nicht gefolgert werden, dass die eingetragene Marke über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft verfüge. Vielmehr ist die Kennzeichnungskraft erst im Kollisionsfall zu bestimmen; die hierbei vorzunehmende Prüfung wiederum kann dazu führen, dass einer Marke, auch wenn sie die niedrigen Anforderungen an die Eintragung überwunden hat, nur eine von Haus aus geringe Kennzeichnungskraft und damit ein eng zu bemessender Schutzumfang zugebilligt werden kann.

In bezug auf die Waren im Modesektor ist der Schutzumfang der Widerspruchsmarke aber sowohl in bezug auf das in ihr enthaltene Wort "seven" als auch hinsichtlich der dieses wiederholende Ziffer "7" wegen eines deutlich beschreibenden Anklangs als gering anzusehen. Denn diese Zahl ist als Größenangabe sowohl bei (Herren-) Bekleidung (vgl. Markert/Holthaus, Maschen-ABC, 10. Aufl. 1999, S. 364, http://www.speedhunter.de/PDF/Bekleidungsgroessen.pdf), als auch bei Strumpf- (vgl. Markert/Holthaus, a.a.O., S. 365 ff.) und Schuhwaren (vgl. http://www.kalifornien.citysam.de/kab/usagroessen.htm) und Kopfbedeckungen (vgl. http://www.australiashop.com/p-Akubrasizes%20logob.pdf) üblich. Seine Auffassung, dass es sich bei der Zahl "7" oder dem Markenwort "SEVEN" nicht um eine solche Größenangabe, sondern um eine Herkunftskennzeichnung handelt, kann der Verkehr - dies ist vorliegend die Allgemeinheit - daher allein aufgrund der grafischen Ausgestaltung gewinnen. Dem steht auch nicht der Einwand der Widersprechenden in der mündlichen Verhandlung entgegen, dass die Kleidungsgröße in Deutschland in der Regel nicht in englischer, sondern in deutscher Sprache (hier also als "sieben") angegeben wird; denn da der Verkehr an englischsprachige Sachangaben auf dem Modesektor weitgehend gewöhnt ist und zudem die vorangestellte Ziffer "7", mit der - anders als das Wort "sieben" - die entsprechende Größenangabe im allgemeinen schriftbildlich ausgedrückt wird, den Eindruck einer entsprechenden Sachangabe verstärkt, bedarf es bei einer mündlichen Benennung der Widerspruchsmarke schon zusätzlicher Angaben, um auch beim Hörer den ersten Eindruck einer bloßen Sachangabe (beispielsweise dadurch, dass das in Frage stehende Kleidungsstücke als solches der "Marke SEVEN" bezeichnet wird) zu beseitigen. Ungeachtet der Frage, ob es sich hierbei um eine schutzunfähige werbeübliche Gestaltung handelt (vgl. hierzu BGH, WRP 2001, 1201, 1202 - anti-KALK), ist der Schutzbereich der älteren Marke auf dem Warengebiet der Klasse 25 jedenfalls (allenfalls) auf diese grafische Form beschränkt, von der sich die sehr viel auffälliger gestaltete jüngere Marke erkennbar abhebt. Insoweit steht der allenfalls klanglich denkbaren Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Marken schon die originäre Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke entgegen, ohne dass es auf die vom Markeninhaber zusätzlich erwähnte Frage einer nachträglichen Schwächung der Kennzeichnungskraft durch Drittzeichen in bezug auf diese Waren noch ankäme.

Eine solche originäre Kennzeichnungsschwäche vermag der Senat aber hinsichtlich der Waren der Klasse 14 nicht festzustellen. Zwar werden beispielsweise bei der üblicherweise in Karat angebenen Masse von Gold und Schmucksteinen auch Ziffern verwendet. Solche Angaben sind aber in bezug auf Uhren und Chronometern, für welche die Widerspruchsmarke geschützt ist, ungebräuchlich. Auch eine Schwächung durch Drittzeichen lässt sich nicht feststellen. Soweit der Markeninhaber hierzu auf zahlreiche Zeichen hingewiesen hat, welche das Markenwort "SEVEN" in Alleinstellung oder in Verbindung mit weiteren Bestandteilen enthalten, sind diese nur zu einem äußerst geringen Anteil für Waren der Klasse 14 geschützt; da zudem über deren Benutzung weder etwas seitens des Markeninhabers vorgetragen worden noch dem Senat anderweitig bekannt ist, vermag dies eine nachträgliche Schwächung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht zu begründen.

Wegen der bestehenden Zeichenidentität und der zumindest hochgradigen Warenähnlichkeit war daher der den Widerspruch insgesamt zurückweisende Beschluss der Markenstelle teilweise aufzuheben und die teilweise Löschung der jüngeren Marke für die Waren der Klasse 14 aufgrund des Widerspruchs aus der Widerspruchsmarke anzuordnen. Demgegenüber war die Beschwerde gegen den Beschluss der Markenstelle im übrigen als unbegründet zurückzuweisen.

Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG abzuweichen, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.

Dr. van Raden Prietzel-Funk Schwarz Na






BPatG:
Beschluss v. 07.06.2005
Az: 27 W (pat) 48/04


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