Bundespatentgericht:
Beschluss vom 5. August 2002
Aktenzeichen: 30 W (pat) 170/01

(BPatG: Beschluss v. 05.08.2002, Az.: 30 W (pat) 170/01)

Tenor

Auf die Beschwerde des Löschungsantragsgegners wird der Beschluß der Markenabteilung des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 20. Juli 2001 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Löschungsantrag durch den Verzicht des Markeninhabers auf die Marke erledigt ist.

Kosten werden nicht auferlegt.

Gründe

I.

Der Markeninhaber hat am 24. Juni 1997 zur Eintragung in das Markenregister als Marke angemeldetsiehe Abb. 1 am Endeund zwar für eine Fülle von Waren und Dienstleistungen der verschiedensten Warenklassen.

Nach teilweiser Zurückweisung ist die Marke am 15. Februar 1999 noch für eine große Zahl von Waren und Dienstleistungen eingetragen worden. Die Eintragung ist am 18. März 1999 veröffentlicht worden. Mit Schreiben vom 17.3.1999 hat der Markeninhaber die Antragstellerin unter Hinweis auf seine Marke aufgefordert, auf Porzellanwaren das Bild von J.S. Bach nicht ohne seine Zustimmung zu verwenden. Er hat dabei auf die Möglichkeit hingewiesen, dass Nutzungungseinräumungen gemäß § 30 MarkenG erteilt werden könnten Die Antragstellerin hat zivilrechtlich Klage erhoben auf Feststellung, dass die von ihr vertriebenen Waren mit dem Bild Bachs keine Markenrechte des Markeninhabers verletzen. Dieser Rechtsstreit ist zwischenzeitlich rechtskräftig zugunsten der Antragstellerin entschieden.

Mit Schriftsatz vom 30. September 1999 hat die Antragstellerin die Löschung der Marke wegen Bösgläubigkeit gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG beantragt. Zur Begründung ist im wesentlichen ausgeführt, der Antragsgegner habe die Marke ausschließlich in der Absicht angemeldet, um mit dem formellen Zeichenrecht die Antragsstellerin sowie weitere Dritte beim Gebrauch des Namens oder des Bildes des Komponisten Johann Sebastian Bach zu behindern. Das Löschungsbegehren ist später auch auf § 50 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG gestützt worden.

Die Markenabteilung hat durch Beschluß die Löschung der Marke angeordnet und dem Antragsgegner die Kosten auferlegt. Begründet ist dies im wesentlichen damit, dass die in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BlPMZ 2001, 97, 100 - Classe E) aufgestellten Kriterien einer rechtsmißbräuchlichen Ausnutzung einer formalen Rechtsposition auch auf den Markeninhaber zuträfen, weil auch er eine Vielzahl von Marken für unterschiedliche Waren oder Dienstleistungen angemeldet habe, keinen ernsthaften Benutzungswillen erkennen lasse und Marken im wesentlichen zu dem Zweck horte, Dritte, die identische oder ähnliche Bezeichnungen verwendeten, mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zu überziehen.

Eine Kostenauferlegung sei hier abweichend vom Grundsatz, dass jeder der Beteiligten die ihm entstandenen Kosten selbst zu tragen habe, deshalb veranlaßt, weil der Markeninhaber bei der Begründung und Ausübung des formalen Markenrechts Ziele verfolge, die keine Billigung finden könnten. Die Löschungsantragstellerin sei deshalb gezwungen gewesen, sich dagegen zur Wehr zu setzen, so dass es der Billigkeit entspreche, dem Markeninhaber die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Gegen diese Entscheidung hat der Markeninhaber Beschwerde eingelegt und hierbei im wesentlichen vorgetragen, dass er zwar zahlreiche Marken besitze, mit diesen jedoch auch erhebliche produktbezogene Umsätze erziele. Auch die streitgegenständliche Marke habe er, obwohl sie sich noch in der Benutzungsschonfrist befinde, z.B. für Champagner, Bier sowie T-Shirts benutzt.

Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung hat der Markeninhaber mit Schriftsatz vom 6. August 2002 erklärt, dass er die Marke zurückziehe und um deren Löschung bitte.

Dieser Schriftsatz ist der Löschungsantragstellerin unter Hinweis auf die Entscheidung EASY PRESS des Bundesgerichtshofs (GRUR 2001, 337) zugestellt worden. Eine Erklärung ist hierauf nicht eingegangen.

II.

1. Durch den Antrag des Markeninhabers, seine Marke zu löschen, ist das Löschungsverfahren erledigt. Verfahrensabschließende Erklärungen sind auch nach Schluß der mündlichen Verhandlung zu berücksichtigen. Der Verzicht auf die Marke hat aber hier das Verfahren in der Hauptsache abschließend erledigt. Zwar bewirkt der Verzicht auf die Marke nur deren Löschung mit Wirkung ex nunc, während die Löschung nach § 50 MarkenG die Wirkungen der Marke von Anfang an, also ex tunc beseitigt. Es kann deshalb im Einzelfall das Löschungsverfahren auch nach dem Verzicht auf die Marke fortzuführen sein, wobei es jedoch notwendig ist, dass der Antragsteller in diesen Fällen ein gesondertes berechtigtes Feststellungsinteresse darlegt (vgl. BGH aaO EASY PRESS). Ein solches Feststellungsinteresse ist nicht dargetan und hier aus Rechtsgründen ausgeschlossen, da zwischen den Beteiligten rechtskräftig festgestellt ist, dass aus der Verwendung des Bildes von J.S. Bach durch die Antragstellerin dem Markeninhaber keine Schadensersatzansprüche zustehen.

2. Soweit das Patent- und Markenamt dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens auferlegt hat, kann diese Entscheidung keinen Bestand haben. Die Möglichkeit zur Kostenauferlegung durch das Deutsche Patent- und Markenamt besteht nach billigem Ermessen (§ 63 Abs. 1 MarkenG). Dabei ist von dem Grundsatz auszugehen, dass auch im Löschungsverfahren jeder Beteiligte seine Kosten selbst zu tragen hat und eine Abweichung hiervon nur in Ausnahmefällen gerechtfertigt ist, wobei es besonderer Umstände bedarf, um von der gesetzlich vorgesehenen Kostenverteilung abzuweichen. Solche besonderen Umstände hat die Markenstelle darin gesehen, dass der Markeninhaber bei der Begründung und Ausübung des formalen Markenrechts Ziele verfolgt habe, die keine Billigung finden könnten. Diese Begründung vermag jedoch - auch unter Berücksichtigung eines Ermessensspielraums - die Entscheidung nicht zu tragen. Sie legt nicht ausreichend dar, welche besonderen Umstände vorliegen sollen, sondern besagt zunächst nur, dass der Markeninhaber Unrecht habe, begnügt sich also mit der Feststellung des Unterliegens in der Sache selbst. Soweit mit dem "..können keine Billigung finden" dem Markeninhaber gleichsam moralische Schwächen vorgeworfen werden, nämlich, dass er versuche, sein formales Zeichenrecht als Einnahmequelle zu benutzen, kann dies den Kostenausspruch ebenfalls nicht rechtfertigen. Die Unsicherheiten, die das neue Markengesetz durch die Aufgabe der Bindung von Marken an einen bestimmten Geschäftsbetrieb mit sich gebracht hat, lassen darauf basierende Geschäftspraktiken nicht als "von vornherein aussichtslose Unterfangen" einstufen. Es ist nicht per se illegitim, Lücken eines neuen Gesetzes auszuloten. Gesicherte Rechtsprechung zu den hier maßgebenden Fragen liegt nicht vor, die von der Markenstelle angeführte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Classe E) ist über 3 Jahre jünger als die Anmeldung. Die dem Markeninhaber vorgeworfene Ausübung seines Markenrechts in verschiedenen Prozessen, ist für das vorliegende Verfahren nicht ohne weiteres relevant. Denn die zivilrechtlich angestrengten markenrechtlichen Verletzungsverfahren sind kein zureichender Grund, um eine ausreichend sichere Grundlage auch dafür zu gewinnen, der Markeninhaber habe bereits bei der Anmeldung der vorliegenden Marke bösgläubig im Sinne von § 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG gehandelt. Die Markenabteilung hat die in der Entscheidung Classe E (BlPMZ 2001, 97, 100) angeführten Einzelumstände dafür verwendet, um die nach seiner Ansicht gegebene Bösgläubigkeit bei der Markenanmeldung festzustellen. Ob diese hier erst zwei Jahre nach der Anmeldung sich erstmals zeigenden Umstände überhaupt rechtlich dazu ausreichen können, um eine auf den Anmeldezeitpunkt bezogene Bösgläubigkeit im Sinn von § 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG zu indizieren, kann offen bleiben. Für die Kostenentscheidung ist nur die Frage relevant, ob der Löschungsgrund so offenkundig vorlag, dass bereits der Widerspruch gegen den Löschungsantrag als eklatanter Verstoß gegen prozessuale Sorgfaltspflichten anzusehen war. Dies ist bereits aus Rechtsgründen nicht zweifelsfrei. Der Bundesgerichtshof hatte sich im Classe E-Fall nur damit zu befassen, inwieweit die Ausübung des formal gegebenen Markenrechts rechtsmißbräuchlich sein kann. Er hat dabei anders als die Vorinstanz, die den Löschungsanspruch nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG als Verteidigungsmittel gegen einen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch zulassen wollte, ausdrücklich ausgeführt, das durch § 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG nur teilweise ein Korrektiv geschaffen worden ist, um mißbräuchlichen Markeneintragungen und Rechtsausübungen zu begegnen. Durch diese Vorschrift würden nämlich nicht alle Mißbrauchsfälle erfaßt, so dass es bei der Anwendung des allgemeinen Grundsatzes der unzulässigen Rechtsausübung verbleibe, woran sich auch Marken messen lassen müßten, die zu Spekulationszwecken angemeldet worden seien. Dies weist in die Richtung, dass der Bundesgerichtshof davon ausgeht, dass der spätere Markenmissbrauch gerade nicht die Möglichkeit gibt, die als solche wertneutrale Eintragung zu korrigieren. Behinderungsmöglichkeiten lassen sich im Eintragungsverfahren nicht abschließend und ausreichend sicher berücksichtigen. Dem Schutz der Mitbewerber kann auch durch die Verteidigungsmöglichkeiten im Verletzungsprozeß ausreichend Rechnung getragen werden. Demgemäß wird beispielsweise bei Fezer (Markenrecht, 3. Aufl.) die Entscheidung Classe-E in erster Linie bei § 14 (Rdnr. 39) kommentiert, während sie bei § 50 bezüglich Abs. 1 Nr. 4 eher zurückhaltend gewürdigt wird (Rdnr. 30 a). Noch deutlicher sieht Linstow (MarkenR 1999, 81) bei Offensivmarken einen Löschungsgrund nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 für verfehlt.

Hinzu kommt, dass unabhängig von der Frage, ob die hier von der Markenstelle angegebenen Einzelumstände ohne weiteres ausreichen, um den Löschungstatbestand nach § 50 Abs.1 Nr. 4 zu indizieren, die Besonderheit des Falles hier zusätzlich darin liegt, dass anders als im Classe E-Fall wie auch den in dieser Entscheidung Bezug genommenen früheren Entscheidungen die Markenanmeldung hier als solche "neutral" erscheint. Denn der Name des Künstlers Johann Sebastian Bach gehört als solcher zum Allgemeingut, was jedoch nicht ausschließt, dass er in Einzelfällen markenrechtliche Bedeutung erlangt (vgl. hierzu Senatsbeschluß BlPMZ 2000, 384 Signatur "Fr. Marc"). In den angeführten Fällen handele es sich jedoch um Markenanmeldungen, die mehr oder weniger gezielt auf bestehende, bereits individuell als Kennzeichen eingesetzte Bezeichnungen abgestellt waren (etwa BGH GRUR 1998, 412 - Analgin, GRUR 1986, 74 Shamrock III, BlPMZ 2000, 97 Classe E, BPatG GRUR 2000, 812 - TubeXpert, GRUR 2000, 809 - SSZ).

Soweit die Löschung unter dem Gesichtspunkt des § 50 Abs. 1 Nr. 3 begehrt worden ist, kann dies den Kostenausspruch schon deshalb nicht rechtfertigen, weil im Eintragungsverfahren eine Auferlegung von Kosten (etwa erforderlicher Recherchen) nicht vorgesehen ist. Soweit deshalb die Markenstelle im Prüfungsverfahren Schutzausschließungsgründe nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG übersehen hat, kann dies dem Markeninhaber im nachfolgenden Löschungsverfahren nicht in der Weise angelastet werden, dass er die Kosten des Gegners tragen müßte. Hier wird ein Verstoß gegen prozessuale Sorgfaltspflichten schon deshalb nicht vorliegen können, weil der Markeninhaber nicht klüger zu sein braucht als die Markenstelle.

Die offenen Rechtsfragen wie auch zusätzlich die jedenfalls nicht ganz offensichtlichen, sondern zwischen den Beteiligten streitigen tatsächlichen Fragen, ob die angeführten Kriterien überhaupt erfüllt seien, ergeben somit keine ausreichenden Anhaltspunkte, um schwerwiegende, vom Regelfall abweichenden Umstände annehmen zu können, die eine Kostenauferlegung rechtfertigen.

Dies gilt entsprechend für das vorliegende Beschwerdeverfahren, so dass auch insoweit eine Kostenauferlegung nicht veranlaßt ist.

Dr. Buchetmann Winter Voit Hu Abb. 1 http://agora/bpatg2/docs/30W(pat)170-01.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 05.08.2002
Az: 30 W (pat) 170/01


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/2b8d661b1660/BPatG_Beschluss_vom_5-August-2002_Az_30-W-pat-170-01




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share