Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 15. März 2011
Aktenzeichen: I-4 U 200/10

(OLG Hamm: Urteil v. 15.03.2011, Az.: I-4 U 200/10)

Tenor

Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 03. November 2010 verkündete Urteil der 13. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landge-richts Bochum wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A.

Die Antragstellerin verlangt von der Antragsgegnerin, die Dienstleistungen im Bereich Webhosting und Domainregistrierung betreibt, im Wege der einstweiligen Verfügung die Unterlassung bestimmter Werbeaussagen für das Produkt "N". Sie hat hierin eine irreführende Werbung gesehen und beantragt,

der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel aufzugeben, es zu unterlassen,

1. für das Produkt "N" mit nachfolgenden Merkmalen zu werben:

Anzahl Postfächer: Beliebig viele im Account verwaltbar.

MS Exchanger Server Aktuellster Exchange-Version für best-

mögliche Performance und Sicherheit,

Aliase Beliebig viele Aliase pro Postfach möglich,

Benutzer keine Userlimit,

Domains kein Domainlimit;

2. für die Produkte S E XL4, XXL4, Core7 und Core7 SSD mir folgenden Merkmalen zu werben:

Domains kein Domainlimit,

POP3- und IMAP-Postfächer beliebig,

N beliebig viele Managed-Exchange-

Postfächer möglich,

Aliase beliebig viele Aliase pro Postfach

möglich.

Wegen des Sach- und Streitstandes in erster Instanz wird gemäß § 540 I ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (S. 2 bis 5) Bezug genommen.

Das Landgericht hat den Verfügungsantrag zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Antragstellerin habe bereits nicht glaubhaft gemacht, dass sie Wettbewerberin sei. Sie habe lediglich behauptet, auf dem deutschen Markt dieselben Dienstleistungen wie die Antragsgegnerin anzubieten. Als Beleg hierfür habe sie jedoch lediglich die Ablichtung eines Prospekts vorgelegt. Dies sei zur Glaubhaftmachung der Mitbewerbereigenschaft nicht ausreichend. Hiergegen spreche dabei, dass die Antragstellerin keinen Internetauftritt habe. Dies sei für eine Firma, die IT-Dienstleistungen anbiete und in dem Prospekt auf ihre Internetadresse hinweise, sehr ungewöhnlich. Die Behauptung, Kunden würden durch die guten Branchenbeziehungen der Gesellschafter geworben, sei pauschal und zur Glaubhaftmachung nicht geeignet. Die von der Antragstellerin mit Telefax-Schriftsatz vom 02.11.2010 angekündigte eidesstattliche Versicherung des Director Q C sei nicht vorgelegt worden. Im Übrigen bestehe auch kein Verfügungsanspruch. Nach Auffassung der Kammer ist die Werbung der Antragsgegnerin nicht zu beanstanden, weil die angesprochenen Kundenkreise es als selbstverständlich voraussetzten, dass Postfächer, Domains, Aliase, Benutzer etc. durch die technischen Gegebenheiten begrenzt würden, zumal die technisch vorgegebenen Begrenzungen die von den angesprochenen Kunden benötigte Anzahl bei weitem überstiegen. Auch sei die Verwendung der Werbung "aktuelle Exchange Version" nicht zu beanstanden, weil die Antragsgegnerin die von ihr verwendete Exchange Version 2007 ständig update und anderer Stelle darauf hinweise, dass sie die Exchange Version 2007 benutze.

Die Antragstellerin wehrt sich hiergegen mit ihrer Berufung. Sie legt als Anl. AS 11 die eidesstattliche Versicherung ihres Direktors Q C vor, die auf dem Postweg verloren gegangen zu sein scheine. Ferner werden zur Glaubhaftmachung der Wettbewerberstellung als Anl. AS 12 und 13 weitere eidesstattliche Versicherungen vorgelegt. Die Antragstellerin macht geltend, ein Internetauftritt sei zwischenzeitlich in grundlegender Form realisiert worden. Geschäftsbeziehungen zu anderen Unternehmen und das Vorliegen eines Wettbewerbsverhältnisses seien glaubhaft gemacht. Die Angebote der Parteien seien ihrem Inhalt nach vergleichbar. In der Sache tritt die Antragstellerin der Auffassung des Landgerichts entgegen, dass die angesprochenen Verkehrskreise entsprechende Begrenzungen als selbstverständlich voraussetzten.

Die Antragstellerin beantragt (i.E. wie Schriftsatz vom 20.01.2011, S. 1 f.),

unter Abänderung des landgerichtlichen Urteil die Antragsgegnerin gemäß dem Antrag erster Instanz zur Unterlassung zu verurteilen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil mit näheren Ausführungen. Sie rügt die ordnungsgemäße Bevollmächtigung des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin und wirft ihr ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen vor. Die Antragsgegnerin, die insoweit vor allem konkreten Vortrag der Antragsstellerin vermisst, hält eine Stellung dieser als Wettbewerberin weder in räumlicher noch in sachlicher Hinsicht für gegeben. Unzutreffend sei dabei auch, dass die Antragstellerin zwischenzeitlich ihren Internetauftritt realisiert habe. In der Sache hält die Antragsgegnerin den geltend gemachten Unterlassungsanspruch nicht für gegeben. Sie meint zudem, die Antragstellerin habe die Dringlichkeit durch ihr Verhalten selbst widerlegt.

Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 17.01.2011 eine Fristverlängerung für die an diesem Tag endende Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich Donnerstag, 20.01.2011, beantragt. Die Berufungsbegründungsfrist ist entsprechend verlängert worden. Durch Schriftsatz vom 18.02.2010 hat die Antragstellerin Terminsverlegung für den auf den 03.03.2011 anberaumten Senatstermin beantragt, weil ihr Prozessbevollmächtigter sich an diesem Tag auf einer Brauchtumsveranstaltung befinde. Der Termin ist alsdann durch Verfügung vom 22.02.2011 auf den 15.03.2011 verlegt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Antragstellerin ist unbegründet.

Es fehlt bereits die für den Erlass der einstweiligen Verfügung nötige Dringlichkeit. Darauf, ob die Antragstellerin als Wettbewerberin antragsbefugt ist und ob sonstige Zulässigkeitshindernisse bestehen (Frage der Bevollmächtigung und eines Rechtsmissbrauchs), sowie auf das Bestehen des Unterlassungsanspruchs der Sache nach gemäß §§ 8 III Nr. 1; 3; 5 I Nr. 2 UWG kommt es nicht mehr an.

Die Dringlichkeit wird nach § 12 II UWG vermutet. Diese Vermutung wird nach allgemeiner Auffassung jedoch widerlegt, wenn der Antragsteller den Prozess selbst zögerlich führt und dadurch zu erkennen gibt, dass es ihm mit der Untersagung des geltend gemachten Wettbewerbsverstoßes nicht eilig ist. Der Antragsteller muss nach der Rechtsprechung des Senats nicht nur das Verfügungsverfahren binnen Monatsfrist nach Kenntniserlangung vom Verstoß und vom Verletzer einleiten, sondern gerade auch das Verfügungsverfahren, soweit er nicht bereits durch eine einstweilige Verfügung gesichert ist, beschleunigt weiter betreiben. Der Antragsteller hat insofern alles in seiner Macht Stehende zu tun, um einen möglichst baldigen Erlass der einstweiligen Verfügung zu erreichen. Von ihm verursachte Verfahrensverzögerungen bei der Erwirkung der einstweiligen Verfügung lassen regelmäßig darauf schließen, dass ihm die Sache nicht so eilig ist (st. Rspr.; vgl. näher hierzu Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, 2. Aufl. 2003, Rn. 85 m.w.N.). Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn Vertragungen oder Terminsverlegungen beantragt werden, weil nämlich damit gerechnet werden muss, dass der Termin auf einen späteren Zeitpunkt verlegt werden müsste (vgl. Senat GRUR 1992, 864; NJWE-WettbR 1996, 164; Urt. v. 20.09.2005, Az. 4 U 82/05; Urt. v. 24.09.2010, Az. 17 O 129/10; Berneke, a.a.O., Rn. 87; Ahrens-Schmukle, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl. 2009, Rn. 49). In der Gesamtbetrachtung ist die Dringlichkeitsvermutung vorliegend infolge des Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist vom 17.01.2011 und vor allem des Antrags auf Terminsverlegung vom 18.02.2011 widerlegt, worauf die Antragstellerin entsprechend auch hingewiesen worden ist. Ebenfalls kann insofern eine Dringlichkeit nach den allgemeinen Vorschriften der §§ 935, 940 ZPO nicht mehr angenommen werden.

Vorliegend mag es zunächst noch unbeachtlich sein, dass die Antragstellerin wegen ausgekugelter Schulter ihres Prozessbevollmächtigten am 05.10.2010 erstinstanzlich Verlegung des auf den 06.10.2010 anberaumten Termins beantragt hat. Ein anderer Sachbearbeiter oder Prozessvertreter hat sich so kurzfristig für den nächsten Tag möglicherweise nicht finden lassen. Zu konstatieren freilich ist, dass dies objektiv bereits eine erhebliche Verzögerung mit sich brachte. Umso mehr war für die Zukunft ein zügiges Betreiben des Verfahrens geboten.

Auch mag irrelevant sein, dass in Bezug auf das fragliche Wettbewerbsverhältnis die eidesstattliche Versicherung des Directors C dem Faxschreiben vom 02.11.2010 nicht beigefügt war und dieses erstinstanzlich nicht vorgelegt werden konnte, weil der Originalschriftsatz vermeintlich verloren gegangen ist.

Indes hat die Antragstellerin nunmehr mit Schriftsatz vom 17.01.2011 eine Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt, wenngleich nur für wenige Tage bis zum 20.01.2011. Isoliert betrachtet wäre zu erwägen, ob dies tatsächlich eine beachtliche Verzögerung darstellen würde. Jedenfalls war durch Verfügung vom 26.01.2010 bereits darauf hingewiesen, dass die Dringlichkeitsvermutung durch den Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist schon widerlegt sein könnte.

Der Antragsteller hat alsdann mit Schriftsatz vom 18.02.2011 Terminsverlegung für den auf den 03.03.2011 anberaumten Termin beantragt, mit der Begründung, der Unterzeichner befinde sich an diesem Tag auf einer Brauchtumsveranstaltung. Insofern musste die Antragstellerin davon ausgehen, dass sich das Verfahren bei der beantragten Verlegung nun - zudem weiter - verzögern würde. Die Antragstellerin hat dies nach den Gesamtumständen billigend in Kauf genommen. Unabhängig davon, dass es sich an dem Terminstag um Weiberfastnacht handelte, hat die Antragstellerin ein Eilverfahren betrieben, bei dem es jedenfalls zur Aufrechterhaltung der Dringlichkeit erwartet wird, dass es entsprechend zügig betrieben wird. Es ist dabei von der Antragstellerin keineswegs ein Weg gesucht und gewählt worden, eine Verlegung des Termins nach hinten zu verhindern. Sie hätte ohne weiteres auch eine Vorverlegung anregen können oder es, wenn eine solche nicht möglich wäre, bei dem Termin belassen können. Nötigenfalls hätte - ebenso wie im Urlaubsfall, der eine Verschiebung nach hinten in Eilsachen ebenfalls nicht rechtfertigt - ein Terminsvertreter geschickt werden können und müssen. Zwei Wochen vor dem Termin konnte nicht selbstverständlich damit gerechnet werden, dass der Senat nun zwingend eine Vorverlegung des Termins vornehmen müsste oder den Termin doch beibehalten würde. Die Antragstellerin kann auch nicht damit gehört werden, ihr Verlegungsantrag habe im Zuge des Eilverfahrens überhaupt nur so verstanden werden können und dürfen, dass eine Verlegung dringlichkeitsunschädlich nur nach vorne gewollt sei. Der genannte Terminsverlegungsantrag weist auf ein solches Begehren nicht hin. So versteht es sich bei einem solchen Terminsverlegungsantrag ohne ausdrückliche anderweitige Erklärung von selbst, dass eine Verlegung jeder Art, also auch die übliche Terminsverlegung auf einen späteren Zeitpunkt gewünscht oder jedenfalls in Kauf genommen wird (vgl. Senatsurteil vom 30.06.2009, Az. 4 U 74/09). Der Senat musste deshalb nicht auf die selbstverständliche Tatsache hinweisen, dass nun auch eine Terminsverlegung auf einen späteren Zeitpunkt in Betracht kommen würde.

Die Terminsverlegung war keineswegs nur aus Gründen gestellt, die ihn unausweichlich erscheinen lassen; in einem solchen Fall mag ein Verlegungsantrag ausnahmsweise nicht den Rückschluss auf die fehlende Eilbedürftigkeit zulassen (vgl. Senatsurt. v. 20.09.2005, Az. 4 U 82/05). Nötigenfalls hätte, wie in solchen Sachen oft praktiziert, eine Prozessvertretung beauftragt werden können. Es handelt sich vorliegend nicht um einen besonderen Fall, der ausschließlich vom anwaltlichen Sachbearbeiter im Termin hätte vertreten werden können. Da bereits der Verlegungsantrag als solcher dringlichkeitsschädlich ist, hätte es der Antragstellerin im Übrigen auch nichts mehr genützt, wenn vom Senat theoretisch noch eine Terminsverlegung nach vorne hätte bewirkt werden können. Die Sache wird offenkundig als Eilsache betrieben. Hier ist es in der wettbewerblichen Rechtsprechung und Literatur seit langem bekannt, dass sich ein derartiger Verlegungsantrag dringlichkeitsschädlich auswirken kann. Eine Dringlichkeit ist nicht mehr gegeben.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 I, 708 Nr. 10 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 15.03.2011
Az: I-4 U 200/10


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/29d6bb0b594b/OLG-Hamm_Urteil_vom_15-Maerz-2011_Az_I-4-U-200-10




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