Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. August 2004
Aktenzeichen: 24 W (pat) 249/03

(BPatG: Beschluss v. 10.08.2004, Az.: 24 W (pat) 249/03)

Tenor

Auf die Beschwerde der Markeninhaberin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 11 IR des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 6. Mai 2003 aufgehoben.

Gründe

I.

Die unter der Nummer 717 747 international registrierte Wortmarke DIE SONNE DES WINTERS beansprucht in Deutschland Schutz für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 11, 19 und 37.

Mit Beschluß vom 6. Mai 2003 hat die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 11 IR des Deutschen Patent- und Markenamts der IR-Marke den Schutz in Deutschland wegen fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG, Art 6 quinquies B Nr 2, 1. Alt PVÜ) verweigert. Der um Schutz nachsuchenden Wortfolge "DIE SONNE DES WINTERS" sei lediglich zu entnehmen, daß die so bezeichneten Waren und Dienstleistungen, die alle auf dem Gebiet der Heizungstechnik angesiedelt seien, dazu dienten, im Winter die wärmende Funktion der Sonne zu ersetzen. Im Hinblick darauf, daß auf dem betroffenen Waren- und Dienstleistungsbereich der Vergleich mit der Wärmewirkung der Sonne häufig anzutreffen sei, wie die Internet-Seiten in der Anlage des Beschlusses belegten, werde die vorliegend gewählte sprachliche Formulierung von den angesprochenen Verkehrskreisen nur als ausschließlich produkt- oder dienstleistungsbezogene Sachinformation und nicht als markenmäßiger betrieblicher Herkunftshinweis aufgefaßt werden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Nach ihrer Ansicht entbehrt die Wortfolge "DIE SONNE DES WINTERS" jedenfalls in bezug auf die Waren und Dienstleistungen, für welche die IR-Marke nach der im Beschwerdeverfahren vorgenommenen Beschränkung noch Schutz beanspruche, nicht jeglicher Unterscheidungskraft. An die Unterscheidungskraft von Werbeslogans seien keine strengeren Anforderungen als an andere Wortmarken zu stellen. Auch hier genüge jede noch so geringe Unterscheidungskraft. Dabei dürften auch einfachen Aussagen nicht von vornherein die Produktidentifikation abgesprochen werden. Die vorliegende Wortfolge sei keine bloße Anpreisung, sondern ein kurzer, origineller, prägnanter Slogan ohne direkten Bezug zu den Waren und Dienstleistungen, der fast poetische Anklänge wecke und mehrere Interpretationen zuließe sowie zum Nachdenken hinsichtlich seiner Bedeutung in bezug auf die Waren und Dienstleistungen anrege. Da Heizungen nicht nur im Winter eingesetzt würden und die Sonne das ganze Jahr über scheine, liege eine durchaus originelle Kombination vor. Der von der Markenstelle belegte Gebrauch der Begriffe "Sonne, Wärme" und "Winter" ließe nicht auf eine Verwendung bzw die Werbeüblichkeit des konkret schutzsuchenden Spruches schließen. Nachdem der Slogan die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht unmittelbar beschreibe, bestehe an ihm auch kein Freihaltebedürfnis im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG.

Im Beschwerdeverfahren beschränkt die Markeninhaberin das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen der IR-Marke 714 747 auf folgende Fassung:

"11 Installations de chauffage, installations de chauffage central, installations de calorifères à eau chaude, chauffages muraux, chauffages au sol, dispositifs de chauffage associes à revêtements muraux, dispositifs de chauffage associes à des revêtements de sol, fourneaux, poêles en fa•ence, cheminees en fa•ence ainsi qu'accessoires pour ceuxci non compris dans d'autres classes; tous produits indiques à l'exception des installations solaires de chauffage et des installations solaires de calorifères à eau chaude ainsi que leurs pièces.

19 Carreaux de fa•ence, carreaux de ceramique, carreaux de fa•ence et de ceramique munis de creux pour placer des dispositifs de chauffage, revêtements muraux et de sol non metalliques destines à la construction, murs avec revêtements muraux, notamment murs munis de carreaux de fa•ence ou de ceramique, murs munis de dispositifs de chauffage, sols avec revêtements de sol, notamment sols munis de revêtements en carreaux de fa•ence ou de ceramique, sols munis de dispositifs de chauffage (non compris dans d'autres classes).

37 Installation et reparation d'installations de chauffage, d'installations de chauffage central, d'installations de calorifères à eau chaude, de chauffages muraux, de chauffages au sol, de dispositifs de chauffage associes à des revêtements muraux, de dispositifs de chauffage associes à des revêtements de sol; montage et reparation de fourneaux, de poêles en fa•ence, de cheminees de chauffage et de cheminees en fa•ence; tous services indiques à l'exception des installations, reparation et montage des installations solaires de chauffage et des installations solaires de calorifères à eau chaude."

Die Markeninhaberin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats fehlt der IR-Marke für die Waren und Dienstleistungen in ihrer jetzt noch beanspruchten eingeschränkten Fassung weder die erforderliche Unterscheidungskraft noch handelt es sich bei ihr um eine beschreibende freihaltebedürftige Angabe (§ 8 Abs 2 Nr 1 u 2 MarkenG, Art 6 quinquies B Nr 2, 1. u 2. Alt PVÜ). Die Schutzverweigerung durch die Markenstelle nach §§ 37 Abs 1, 113 Abs 2 MarkenG, Art 5 Abs 1 MMA kann daher keinen Bestand haben.

Unterscheidungskraft im Sinne der genannten Vorschriften ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfaßten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden (vgl ua BGH GRUR 2001, 1150 "LOOK"; GRUR 2002, 64 "INDIVIDUELLE"). Denn die Hauptfunktion der Marke ist es, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl EuGH GRUR 1998, 922, 924 (Nr 28) "Canon"; GRUR 2003, 604, 608 (Nr 62) "Libertel"). Von fehlender Unterscheidungskraft ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auszugehen, wenn einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl ua BGH GRUR 2001, 1042 "REICH UND SCHOEN"; GRUR 2002, 64 "INDIVIDUELLE"; GRUR 2003, 1050 "Cityservice").

Diese Kriterien sind auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft von sloganartigen Wortfolgen heranzuziehen, ohne daß unterschiedliche Anforderungen an die Unterscheidungskraft von Wortfolgen gegenüber anderen Wortmarken gerechtfertigt sind. Denn bei einer Marke schließen sich die Identifizierungsfunktion und die Werbewirkung nicht gegenseitig aus (vgl BGH GRUR 2000, 321, 322 "Radio von hier"; GRUR 2000, 720, 722 "Unter Uns"). Von mangelnder Unterscheidungskraft ist deshalb in der Regel nur bei beschreibenden Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art auszugehen. Indizien für die Eignung, die Waren oder Dienstleistungen eines bestimmten Anbieters von denen anderer zu unterscheiden, können hingegen Kürze, eine gewisse Originalität und Prägnanz einer Wortfolge, sowie insbesondere die Mehrdeutigkeit und Interpretationsbedürftigkeit einer Werbeaussage sein. Ein selbstständig kennzeichnender Bestandteil oder ein fantasievoller Überschuß sind nicht Voraussetzung der Unterscheidungseignung einer Wortfolge (vgl BGH GRUR 2000, 323 "Partner with the Best"; GRUR 2000, 321, 322 "Radio von hier"). Ausgehend von diesen Beurteilungskriterien kann der IR-Marke für die fraglichen Waren und Dienstleistungen nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden.

Zwar weckt der Spruch "DIE SONNE DES WINTERS" im Zusammenhang mit den noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen auf dem Gebiet der Heizungs- und Warmwassereinrichtungen bei den angesprochenen Verkehrsteilnehmern durchaus sachbezogene Vorstellungen von Sonne und Wärme im (meist) kalten Winter und läßt ua auch eine dahingehende Werbeaussage erkennen, daß die so beworbenen Heizungen, Öfen etc, einschließlich ihrer baulichen Elemente und Zubehörteile sowie die diesbezüglichen Installations-, und Reparaturdienstleistungen darauf ausgerichtet sind, die wärmende Funktion der Sonne im Winter zu ersetzen. Besonders naheliegend ist eine solche Interpretation in bezug auf die vom Registerschutz der IR-Marke auch umfaßten Kachelöfen und Wandheizungen, da diese wie die Markenstelle durch einschlägige Fundstellen im Internet belegt hat, eine ähnliche Wärmestrahlung wie die Sonne abgeben. Allerdings ist ein derartiger beschreibender Sinngehalt in dem Spruch nicht unmittelbar und unmißverständlich, sondern lediglich mittelbar andeutend, in einem übertragenen Sinn zum Ausdruck gebracht. Anders als bei den meisten der von der Markenstelle angeführten Werbe- bzw Sachinformationen, die den fraglichen Sachverhalt wesentlich genauer und klarer beschreiben (zB "Der Kachelofen ist Untersuchungen zufolge die einzige Heizquelle, die eine ähnliche Wärmestrahlung abgibt wie die Sonne."; "Unsere über 50-jährige Erfahrung im Bereich Öfen mit Holzfeuerung garantiert Ihnen, im Winter quasi die Sonne im Wohnzimmer zu haben."; "Sonnenwärme für kalte Tage ... Kachelöfen schenken uns die behagliche Strahlungswärme der Sonne, die uns in der kalten Jahreszeit fehlt."; "Ein Kachelofen gibt die Wärme ab, wie die Sonne ihr Licht."; vgl Bl 22/25 der Amtsakten), bedarf es bei dem Spruch "DIE SONNE DES WINTERS" vielmehr erst einiger Überlegungen und weiterer Gedankenschritte, um zu einer sachbezogenen Aussage im dargelegten Sinn zu gelangen. Das gilt umso mehr, als der entsprechende Begriff "Wintersonne" (vgl Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 3. Aufl, Bd 10, S 4528) eine eher matte und schwache Sonnenleistung bezeichnet, die gerade keine besondere Wärmewirkung entwickelt. Ein solchermaßen interpretationsbedürftiger, eine beschreibende Bedeutung nur indirekt suggerierender Aussagegehalt vermag die Annahme fehlender Unterscheidungskraft grundsätzlich nicht zu rechtfertigen (vgl BGH GRUR 2000, 323, 324 "Partner with the Best"; GRUR 2001, 162, 163 "RA-TIONAL SOFTWARE CORPORATION"; GRUR 2002, 816, 817 "Bonus II"). Auf den Schutz hinsichtlich derjenigen Waren und Dienstleistungen, nämlich Solaranlagen, solarbetriebene Heizungs- und Warmwassereinrichtungen sowie darauf ausgerichtete Installations-, Reparatur- und Montageleistungen, für welche eine unmittelbar beschreibende Aussage des Spruchs "DIE SONNE DES WINTERS" naheliegend erscheint, da insoweit die Sonne des Winters direkt für Heizzwecke genutzt wird, hat die Markeninhaberin im Beschwerdeverfahren verzichtet.

Weiterhin handelt es sich bei der schutzsuchenden Wortfolge auch nicht um eine allgemein gängige Redewendung oder um einen sonst in der Werbung gebräuchlichen Spruch, der vom Verkehr stets nur als solcher und nicht als Unterscheidungsmittel hinsichtlich der Herkunft der Waren und Dienstleistungen aus einem bestimmten Unternehmen verstanden wird. Die von der Markenstelle dem angefochtenen Beschluß angefügten Verwendungsbeispiele von werblichen bzw beschreibenden Text-Passagen bezüglich einer der Sonnenstrahlung vergleichbaren Strahlungswärme von Kachelöfen und Wandheizungen (vgl oben) weichen sowohl in ihrer sprachlichen Form als auch in ihrem Aussagegehalt durchweg von dem vorliegenden Spruch ab. Sie können daher nicht als Beleg für einen in der Werbung üblichen Slogan dienen. Auch unter Berücksichtigung des dem Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft zugrundeliegenden Allgemeininteresses, die Aufrechterhaltung eines unverfälschten Wettbewerbssystems nicht durch die Monopolisierung von Marken zu gefährden, die nicht ihre Hauptfunktion erfüllen, dem Verbraucher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, (vgl EuGH GRUR 2003, 604, 607 (Nr 51, 54 ff) "Libertel"; EuGH WRP 2004, 722, 727 (Nr 46-48) "Henkel-Geschirrspülmittel-Tablette"; BPatG GRUR 2004, 333, 334 "ZEIG DER WELT DEIN SCHÖNSTES LÄCHELN"), kann die erforderliche Unterscheidungseignung der IR-Marke nicht verneint werden. So ist nicht festzustellen, daß eine Monopolisierung der Marke "DIE SONNE DES WINTERS" in bezug auf die verbliebenen Waren und Dienstleistungen wesentliche Interessen der Allgemeinheit beeinträchtigen könnte.

Dem Schutz der IR-Marke steht in Deutschland schließlich auch nicht das Schutzhindernis einer beschreibenden freihaltebedürftigen Angabe gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG, Art 6 quinquies B Nr 2, 2. Alt PVÜ entgegen, da nach den obigen Ausführungen in der Wortfolge "DIE SONNE DES WINTERS" keine unmittelbar beschreibende Sachaussage enthalten ist, die auf bestimmte Eigenschaften oder sonstige Merkmale der in Frage stehenden Waren und Dienstleistungen selbst Bezug nimmt.

Ströbele Guth Kirschneck Pü






BPatG:
Beschluss v. 10.08.2004
Az: 24 W (pat) 249/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/29b32aeecb64/BPatG_Beschluss_vom_10-August-2004_Az_24-W-pat-249-03




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share