Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Dezember 2001
Aktenzeichen: 11 W (pat) 27/01

(BPatG: Beschluss v. 13.12.2001, Az.: 11 W (pat) 27/01)

Tenor

Die Beschwerde der Einsprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Auf die am 6. Oktober 1995 beim Deutschen Patentamt eingereichte Patentanmeldung ist das Patent 195 37 284 mit der Bezeichnung "Bogenleiteinrichtung für Bogenanleger" erteilt und die Erteilung am 24. Oktober 1996 veröffentlicht worden. Auf den Einspruch der M... AG hin hat die Patentabtei- lung 27 des Deutschen Patent- und Markenamts das Patent mit Beschluss vom 21. März 2001 aufrechterhalten. Der Einspruch sei zwar zulässig, aber weder der druckschriftliche Stand der Technik gemäß der DE-OS 1 786 232 (1) noch die Gegenstände der von der Einsprechenden geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzung zeigten die Erfindung nach den Ansprüchen 1 bzw 2 oder legten sie nahe.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden. Sie führt aus, daß die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 2 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten, da sie dem Fachmann durch offenkundig vorbenutzte Einrichtungen nahegelegt seien. Diese Einrichtungen seien durch die im Einspruchschriftsatz vorgelegte Unterlage I: Übersichtszeichnung (UI/1) Computerausdruck Kunden-Maschinen-Anzeige (U1/2) Stückliste Nr. 04 SA 35760 (U1/3) Computerausdruck Ersatzteilbestellung (EA 011869) (U1/4) Computerausdruck Ersatzteilbestellung (EA 014833) (U1/5) und Unterlage II: Blatt mit zwei Fotografien (UII/1) Stückliste Nr. 04 SA 22068 (UII/2)

belegt.

Zur Begründung hat sie im Einspruchsschriftsatz wörtlich ausgeführt:

" Aus der Unterlage I (1 Übersichtszeichnung) ist eine Zeichnung zu entnehmen, nach der die Bogenleitelemente zwischen dem sogenannten Saugkopf und einer Schiene am Anlegertisch befestigt sind. Die Leitelemente sind längbar und über die Formatbreite auf der Schiene einstellbar. Dazu gehört die Stückliste 04 SA 35760. Einrichtungen dieser Art wurden beispielsweise an einer Druckmaschine vom Typ R 705, ausgeliefert am 05. April 1994 an die Firma I...in H...(An- lage) noch im Jahr 1994 mit einer solchen Vorrichtung eingesetzt. ......" und "Unterlage I weist die gleichen Merkmale wie der Oberbegriff des Patentanspruchs 1 auf. ..."

Zur Unterlage II ist ausgeführt:

"Aus der Unterlage II sind zwei Fotografien zu entnehmen, die einen Anleger vom Typ Junior in Teilen zeigt. Erkennbar ist eine seitliche Bogenführung eingebaut, die aus einem Führungsband besteht, das formatabhängig längbar und auf einer Welle aufwickelbar ist. Laut beigefügter Stückliste Nr. 04 SA 22068 vom 10. September 1979 wurden diese Teile je 2x pro Anleger eingebaut (siehe Positionen 2, 3 und 12). Ein solcher Anleger wurde beispielsweise vor dem Prioritätsdatum an die Firma Biel in Neuffen geliefert. ..." und "Aus Unterlage II ist die Ausbildung einer Bogenführung in einem Bogenanleger in Form eines längbaren und aufrollbaren Gurtes oder Bandes bekannt. ..."

Zur Vorbenutzung wird Zeugenbeweis durch Herrn K..., zu laden über die Einsprechende, angeboten.

Der Einspruch sei zulässig, da er hinreichend substantiiert sei. In der Zeichnung (UI/1) sei ein gestrichelt gezeichneter Saugkopf erkennbar, der auf einer ebenfalls gestrichelt gezeichneten Schiene längs verschiebbar sei. Hieraus ergebe sich eine Längenverstellbarkeit der Führungsstäbe, die in der Zeichnung als teleskopische Röhren dargestellt seien. Eine Möglichkeit zur Querverstellung der Stabenden folge aus den auf einer Stange angeordneten Federn zwischen den Halteblöcken für die Enden der Führungsstäbe. Diese Einzelheiten fielen sofort ins Auge und seien deshalb in der Einspruchsbegründung nicht eigens zu erwähnen gewesen. Die genannten Einrichtungen seien vor dem Prioritätstag offenkundig gewesen, da sie an Kunden ausgeliefert und die in Frage stehenden Merkmale in einem frei einsehbaren Bereich angeordnet waren. Dies gelte auch für die in (UII/1) dargestellten Führungsgurte an einem Bogenanleger. Deren Länge werde mit der Verschiebung des Saugkopfs an die verschiedenen Formate angepasst.

Die Einsprechende stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die Darlegungen der Einsprechenden zu den Einzelheiten der Einrichtungen nach den behaupteten Vorbenutzungen und zu deren öffentlicher Zugänglichkeit für unzureichend, weswegen der Einspruch nicht zulässig sei.

Die nebengeordneten Ansprüche 1 und 2 lauten:

"1. Bogenleiteinrichtung für einen Zuführbereich einer bogenverarbeitenden Maschine, die aus oberhalb einer Bogenförderebene angeordneten Bogenleitelementen besteht, welche auf der der bogenverarbeitenden Maschine zugewandten Seite in Bogenförderrichtung ortsfest und auf der gegenüberliegenden Seite an einer in und gegen Bogenförderrichtung verstellbaren Saugfördereinrichtung befestigt sind, wobei die Bogenleitelemente um das Maß der Verstellung längbar sind, dadurch gekennzeichnet, daß die Bogenleitelemente (2) jeweils als eine Einheit aus einem bandförmigen Körper (2a) und wenigstens einer durch eine Rückspulkraft beaufschlagten Wickelrolle (2b), die den bandförmigen Körper aufwickelt, ausgebildet sind und daß auf der der bogenverarbeitenden Maschine zugewandten Seite Halterungen (3) zur Befestigung der Bogenleitelemente (2) vorgesehen sind, von denen wenigstens die im Formateinstellbereich (AC, BD) angeordneten Halterungen (3) quer zur Bogenförderrichtung (T) verstellbar sind 2. Bogenleiteinrichtung für Bogenzuführeinrichtungen, für einen Zuführbereich einer bogenverarbeitenden Maschine, die aus oberhalb einer Bogenförderebene angeordneten Bogenleitelementen besteht, welche auf der der bogenverarbeitenden Maschine zugewandten Seite in Bogenförderrichtung ortsfest und auf der gegenüberliegenden Seite an einer in und gegen Bogenförderrichtung verstellbaren Saugfördereinrichtung befestigt sind, wobei die Bogenleitelemente um das Maß der Verstellung längbar sind, dadurch gekennzeichnet, daß die Bogenleitelemente (2) als bandförmige Körper (2a) aus einem hochelastischen Material ausgebildet sind, und daß auf der der bogenverarbeitenden Maschine zugewandten Seite Halterungen (3) zur Befestigung der Bogenleitelemente (2) vorgesehen sind, von denen wenigstens die im Formateinstellbereich (AC, BD) angeordneten Halterungen (3) quer zur Bogenförderrichtung verstellbar sind."

Auf diese Ansprüche sind die Ansprüche 3 bis 12 rückbezogen, die Ausgestaltungen der Bogenleiteinrichtung betreffen.

Es liegt die Aufgabe zugrunde, eine Bogenleiteinrichtung zu schaffen, die Bogen im Zuführbereich von bogenverarbeitenden Maschinen, insbesondere Druckmaschinen, sicher und beschädigungsfrei führt und sowohl auf Bogenlängsformat als auch Bogenquerformat verstellbar ist.

II.

Die Beschwerde der Einsprechenden hat keinen Erfolg, da der Einspruch unzulässig ist.

Der Einspruch ist unzulässig, weil er innerhalb der Einspruchsfrist nicht in einer den gesetzlichen Anforderungen genügenden Weise begründet worden ist. Nach § 59 Abs 1 Satz 4 und 5 PatG müssen die den Einspruch rechtfertigenden Tatsachen innerhalb der Einspruchsfrist "im einzelnen" angegeben werden.

Die Begründung eines Einspruchs genügt diesen gesetzlichen Anforderungen nur dann, wenn die für die Beurteilung des behaupteten Widerrufsgrunds maßgeblichen Umstände so vollständig dargelegt sind, dass Patentinhaber und Patentamt daraus zweckdienliche und abschließende Folgerungen in Bezug auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines Widerrufsgrunds ziehen können (vgl BGH BlPMZ 1995, 438 - Aluminium Trihydroxid, 1998, 201, - Tabakdose; GRUR 1993, 651, 653 - Tetraploide Kamille). Der Einspruch muss sich dabei mit der gesamten unter Schutz gestellten Erfindung und nicht nur mit einem Teilaspekt befassen (BGH GRUR 1988, 364 - Epoxidationsverfahren).

Diesen Anforderungen wird das innerhalb der Einspruchsfrist eingegangene Vorbringen nicht gerecht. Es fehlen ins Einzelne gehende Angaben zu den Gegenständen der jeweils geltend gemachten Vorbenutzungen und zu deren Offenkundigkeit sowie zu wesentlichen Merkmalen der Erfindung gemäß Anspruch 1.

Der Einspruchschriftsatz macht geltend (S 2 le Abs), dass eine Einrichtung einer bestimmten Art an einer Druckmaschine vom Typ R 705 am 5. April 1994 an die Firma I... in H... ausgeliefert worden sei. Eine solche sei in der Zeichnung (UI/1) dargestellt. Dieser sei zu entnehmen, dass die Bogenleitelemente zwischen dem sogenannten Saugkopf und einer Schiene am Anlegertisch befestigt seien. Die Leitelemente seien längbar und über die Formatbreite auf der Schiene einstellbar. Demnach weise Unterlage I die gleichen Merkmale wie der Oberbegriff des Anspruchs 1 auf (S 3 Abs 4). Weitere konkrete Angaben zu diesem Gegenstand und zu dessen Bezug zu sämtlichen im Anspruch 1 des Streitpatents aufgeführten Merkmalen finden sich nicht.

Damit genügen diese Ausführungen nicht der Forderung nach einer ins Einzelne gehenden Auseinandersetzung mit den Merkmalen der Erfindung. So ist wederangesprochen noch aus der Zeichnung ohne weiteres erkennbar, dass die Bogenleiteinrichtung im Zuführbereich einer bogenverarbeitenden Maschine angeordnet ist dass die Bogenleitelemente auf der der bogenverarbeitenden Maschine zugewandten Seite ortsfest und auf der gegenüberliegenden Seite an einer in und gegen Bogenförderrichtung verstellbaren Saugfördereinrichtung befestigt sind, wobei die Bogenleitelemente um das Maß der Verstellung längbar sind.

So ist in der Zeichnung (UI/1) nicht gezeigt, wo sich der Bogenstapel und die bogenverarbeitende Maschine befindet, welches die Förderrichtung der Bogen ist und dass die Bogenleitelemente mit einer Seite an einer Saugfördereinrichtung befestigt sind. Zudem ist nicht erkennbar, dass die gestrichelt eingezeichneten Bauteile einen in Bogenförderrichtung verstellbaren Saugkopf darstellen. Dies hat die Einsprechende erst in der mündlichen Verhandlung vorgetragen und nicht schon im Einspruchsschriftsatz.

Zu der Behauptung, dass die Leitelemente längbar und über die Formatbreite auf der Schiene (Welcher Schiene€ Gezeigt sind in der Zeichnung (UI/1) mehrere als "Schienen" auffassbare Bauteile) einstellbar seien, werden keine näheren Erläuterungen gegeben. Darauf bezogene Einzelheiten sind der Zeichnung nicht ohne weiteres zu entnehmen. Die in der Zeichnung dargestellten Spiralfedern zwischen den die Leitstäbe haltenden Blöcken lassen vielmehr darauf schliessen, dass diese Blöcke federnd auf gleichen Abständen gehalten werden und demnach gerade nicht auf der Schiene (im Abstand) einstellbar sind. Hierzu hat die Einsprechende jedoch nichts vorgetragen. Auch die Änderung der Länge erschließt sich aus der Zeichnung (UI/1) nicht zwingend.

Ähnliches gilt für die durch zwei Fotografien gemäß Unterlage II belegte Anlage, zu deren Beschaffenheit im Einspruchsschriftsatz ebenfalls nur lückenhaft vorgetragen wird. So wird nicht erwähnt, wo sich die Bogen befinden, in welche Richtung sie transportiert werden, wo sich der Saugkopf befindet und ob er verschiebbar ist. Derartige Einzelheiten erschliessen sich mit der erforderlichen Sicherheit auch nicht ohne weiteres aus den beiden Fotografien. Das gilt auch hinsichtlich einer durch Rückspulkraft beaufschlagten Wickelrolle.

Auch zur Offenkundigkeit der behaupteten Vorbenutzung finden sich im Einspruchsschriftsatz keine Angaben. So wird in diesem lediglich ausgeführt, dass Anleger der in Frage stehenden Art gemäß Unterlagen I bzw II an verschiedene, namentlich benannte Firmen vor dem Prioritätstag des Patents ausgeliefert wurden, wofür auch Zeugenbeweis angeboten wird. Hierdurch mag die Vorbenutzung an sich glaubhaft belegt sein, aber nicht deren Offenkundigkeit. Es fehlen nämlich Angaben dazu, wie beliebige Dritte Zugang zu den gelieferten Anlagen gehabt haben könnten und wie sich solchen Personen die im Anspruch 1 des Streitpatents genannten Merkmale erschlossen haben sollten. So ist nicht erwähnt, ob eine Geheimhaltungsverpflichtung zwischen der Lieferfirma und dem Abnehmer bestand oder nicht, wo die Anleger aufgestellt waren und ob die angesprochenen Merkmale ohne weiteres für Dritte sichtbar und erkennbar waren. Erläuterungen hierzu hat die Einsprechende erst in der mündlichen Verhandlung gegeben und damit verspätet.

Mangels eines konkreten Sachvortrags zur Offenkundigkeit der Vorbenutzung wäre eine Zeugenbefragung dazu eine unzulässige Ausforschung. Der von der Einsprechenden angebotene Zeugenbeweis gilt der Lieferung der Anlagen, nicht zum Nachweis deren Offenkundigkeit.

Eine Überprüfung, ob der behauptete Widerrufsgrund vorliegt, war somit auf Grund der Angaben in der Einspruchsschrift nicht ohne weitere Ermittlungen möglich.

Die Beschwerde der Einsprechenden war somit zurückzuweisen.

Dr. Henkel Hotz Harrer Skribanowitz Bb






BPatG:
Beschluss v. 13.12.2001
Az: 11 W (pat) 27/01


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