Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 7. November 2002
Aktenzeichen: 1 K 9130/02

(VG Köln: Urteil v. 07.11.2002, Az.: 1 K 9130/02)

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Berufung wird zugelassen.

Die Revision unter Óbergehung der Berufungsinstanz wird zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die exante Genehmigungspflichtigkeit von durch die Klägerin im Zusammenhang mit der Gewährung des räumlichen Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung (TAL) erhobenen Entgelten für so genannte zusätzliche Leistungen.

Die Klägerin schloss mit über 90 Netzbetreibern Vereinbarungen über den Zugang zur TAL, in denen u.a. Regelungen über den Zugang zur TAL, den räumlichen Zugang (Kollokation) und die dafür zu erbringenden Entgelte enthalten waren. Des Weiteren vereinbarte die Klägerin in den bewussten Verträgen mit ihren Wettbewerbern Entgelte u.a. für die Durchführung einer Netzverträglichkeitsprüfung.

Der Leistung Netzverträglichkeitsprüfung liegt folgende Leistungsbeschreibung zugrunde:

"Für den entbündelten Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung über Kupferdoppeladern mit anderen als den in Anlage 3 und 4 des Teilnehmeranschlussleitungsvertrages beschriebenen Übertragungsverfahren ist vor dem erstmaligen Einsatz eine Prüfung auf Netzverträglichkeit durch die Telekom zur Gewährleistung der Netzsicherheit erforderlich. Mit der Prüfung soll der störungsfreie Betrieb der verschiedenen über ein Kabel geschalteten Übertragungssysteme sichergestellt werden. Hierbei ist vorrangig festzustellen, dass die Beschaltung der Kabel mit Systemen des Kunden zu keiner Störbeeinflussung der Übertragungssysteme der Telekom führt. ... Die Prüfung wird in einem zweistufigen Verfahren durchgeführt: ... In der ersten Stufe erfolgt die Prüfung ausschließlich an Hand der durch den Kunden zu übergebenden Systemdokumentation. ... Kann auf der Grundlage der eingereichten Dokumentation die Netzverträglichkeit nicht zweifelsfrei festgestellt werden, da z. B. das Übertragungsverfahren und deren Parameter unbekannt sind oder noch nicht im Netz der E. eingesetzt wurden, ist die Überleitung in die Stufe 2 zu vereinbaren. In der zweiten Stufe erfolgt eine Prüfung der Netzverträglichkeit in Form einer Netzverträglichkeitsprüfung unter realen Bedingungen... Wird bei der Netzverträglichkeitsprüfung eine Beeinflussung vorhandener Systeme festgestellt, so wird dies dem Kunden abschließend mitgeteilt. "

Unter dem 18. Juli 2002 beantragte die Klägerin bei der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) die Genehmigung der Entgelte für die Netzverträglichkeitsprüfung, wobei sie ihre Rechtsauffassung aufrechterhielt, die betreffenden Entgelte seien genehmigungsfrei.

Durch Bescheid vom 30. September 2002 genehmigte die RegTP die Entgelte der Höhe nach antragsgemäß ab dem 01. Oktober 2002, befristet bis zum 30. September 2004. Die Entgelte seien nach § 39 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) genehmigungspflichtig. Die Leistung "Netzverträglichkeitsprüfung" gewähre als Teil der Gesamtleistung "Zugang zur TAL" einen besonderen Netzzugang zum Telekommunikationsnetz der Klägerin. Unter dem Begriff der "Gewährung" sei in Anlehnung an die Rechtsprechung des erkennenden Gerichts all das zu verstehen, was die Nutzung des Netzzugangs erst ermögliche. In dieser Hinsicht sei die Netzverträglichkeitsprüfung erforderlich, weil ohne vorherige Überprüfung der Kompatibilität ein störungsfreies Funktionieren des entbündelten Zugangs zur TAL über Kupferdoppeladern bei nicht standardisierten Übertragungsverfahren nicht gewährleistet sei.

Die Klägerin hat am 30. Oktober 2002 Klage erhoben, mit der sie sich gegen die Annahme wendet, die Entgelte für die genannte Leistung seien genehmigungspflich- tig.

Sie beantragt,

den Bescheid der RegTP vom 30. September 2002 aufzuheben und festzustellen, dass die Entgelte für die Leistung "Netzverträglichkeitsprüfung" nicht der Ge- nehmigungspflicht unterliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bezieht sich auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten dieses und der parallelen Verfahren 1 K 4767/98 und 1 K 8376/99 Bezug genommen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.

Zwar ist sie als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage zulässig,

vgl. zu dieser Frage die Ausführungen des Gerichts in den Urteilen vom 09. November 2000 - 1 K 10406/98 - und vom 02. Mai 2002 - 1 K 8007/98 - .

Sie ist jedoch unbegründet, da die RegTP zu Recht von der Genehmigungspflichtigkeit der Entgelte der Klägerin für die Leistung "Netzverträglichkeitsprüfung" §§ 39 1. Alt., 35 Abs. 1, 25 Abs. 1 TKG ausgegangen ist.

Nach § 39, 1. Alt. TKG gilt § 25 Abs. 1 TKG, und damit die dort geregelte Rechtsfolge der Genehmigungspflicht, für die Regulierung der Entgelte "für die Gewährung eines Netzzugangs nach § 35". Diese Voraussetzung ist vorliegend erfüllt.

Zunächst stellt der Zugang zur TAL einen besonderen Netzzugang im Sinne der §§ 35 Abs. 1 Satz 2, 39 1. Alt. TKG dar,

vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 25. April 2001 - 6 C 6.00 -, UA Seite 22 f., Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 2001, 1399, 1402 f.; Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 07. Februar 2000 - 13 A 180/99 -; Urteil des Gerichts vom 09. November 2000 - 1 K 10406/98 - .

Unter dem Begriff der "Gewährung" des Netzzugangs ist all das zu verstehen, was die Nutzung des Netzzugangs erst ermöglicht. Das folgt daraus, dass § 39 TKG auf § 35 TKG Bezug nimmt und dass dort in Absatz 1 die Gewährung eines Netzzugangs mit den Worten beschrieben wird: "..hat anderen Nutzern Zugang zu seinem Telekommunikationsnetz oder zu Teilen desselben zu ermöglichen". § 39 TKG ordnet die Geltung der Entgeltregulierungsvorschriften in denjenigen Bereichen, in denen - wie hier im Festnetzbereich - die ehemalige Monopolstellung der Klägerin fortwirkt, für alle Leistungen an, die wesentlich sind für die Gewährung eines (besonderen) Netzzugangs nach § 35 TKG,

vgl. Urteile des Gerichts vom 06. April 2000 - 1 K 7606/97 -, JURIS, vom 30. August 2001 - 1 K 9669/98 und 1 K 10404/98 -, vom 21. Februar 2002 - 1 K 4866/99 - , JURIS und - 1 K 8523/99 - und vom 16. Mai 2002 - 1 K 1526/00 -, sowie Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG NRW), Beschluss vom 27. November 2001 - 13 A 2940/00 -.

Vor diesem Hintergrund kann kein Zweifel bestehen, dass die zwar in der zeitlichen Abfolge der konkreten technischen Schaltung der Netzverbindung vorausgehende, aber für die Gewährung des Netzzugangs bei Wahl eines anderen als von der Klägerin verwendeten Übertragungssystems essentiell notwendige Netzverträglichkeitsprüfung dem Begriff der "Gewährung von Netzzugang" im Sinne des § 39 1. Alternative TKG unterfällt. Denn diese Leistung geht der realen Verbindung der Netze unmittelbar voraus und ist für diese erforderlich. Dies ergibt sich vor allem auch aus der Leistungsbeschreibung, wonach vor dem erstmaligen Einsatz eine Prüfung auf Netzverträglichkeit durch die Klägerin zur Gewährleistung der Netzsicherheit erforderlich ist. Mit dieser Prüfung soll der störungsfreie Betrieb der verschiedenen über ein Kabel geschalteten Übertragungssysteme sichergestellt werden. Hierbei ist die Überprüfung vor allem darauf gerichtet, festzustellen, dass die Beschaltung der Kabel mit Systemen des Kunden zu keiner Störbeeinflussung der vorhandenen Übertragungssysteme des Netzes führt. Dass die Netzverträglichkeitsprüfung gegebenenfalls nur einmalig anfällt, spielt keine Rolle; dies gilt auch für andere im Rahmen des Netzzugangs anfallende Leistungen, wie beispielsweise für die erstmalige Bereitstellung. Sie ist zudem Voraussetzung für die Gewährung des Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung, eines Kernstücks des früheren Monopols. Dass die Wettbewerber auch die von der Klägerin verwendete standardisierte Übertragungstechnik zum Einsatz bringen könnten, ändert daran nichts; denn darauf brauchen sie sich wegen des Gebots des entbündelten Zugangs zur Teilnehmeranschlussleitung nicht verweisen zu lassen;

vgl. ähnlich für alternative Möglichkeiten des Netzzugangs BVerwG, Urteil vom 26. April 2001 - 6 C 6.00 -, BVerwGE 114, 160 (182),

vielmehr haben sie die Wahl, welche Übertragungstechniken sie verwenden, sodass das Argument der Klägerin auch auf der Stufe einer etwaigen Verhältnismäßigkeitsprüfung keine Rolle spielen kann. Ebenso wenig spielt die nur seltene Inanspruchnahme der Leistung für deren rechtliche Bewertung eine Rolle, denn dies sind reine Zufälligkeiten.

Dass die weiteren Voraussetzungen der §§ 39, 35 Abs. 1 TKG, an die das Gesetz die Genehmigungspflicht knüpft, gegeben sind, ist unter den Beteiligten nicht umstritten und bedarf daher keiner Darlegung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Zulassung der Berufung beruht auf § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, die der Sprungrevision auf § 134 i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.






VG Köln:
Urteil v. 07.11.2002
Az: 1 K 9130/02


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