Bundespatentgericht:
Beschluss vom 31. Oktober 2007
Aktenzeichen: 19 W (pat) 309/04

(BPatG: Beschluss v. 31.10.2007, Az.: 19 W (pat) 309/04)

Tenor

Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht erhalten:

Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 31. Oktober 2007, Patentansprüche 2 bis 6, Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Gründe

I.

Für die am 19. Oktober 2001 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangene Anmeldung wurde die Erteilung des nachgesuchten Patents am 30. Oktober 2003 veröffentlicht. Das Patent betrifft ein Verfahren zur optoelektronischen Bestimmung von Gewindeparametern.

Gegen das Patent hat die W... GmbH in G..., am 30. Januar 2004 Einspruch erhoben mit der Begründung, der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 sei gegenüber einem im Einzelnen genannten Stand der Technik nicht neu, zumindest nicht erfinderisch.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:

Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 31. Oktober 2007, Patentansprüche 2 bis 6, Beschreibung und Zeichnungen gemäß Patentschrift.

Der in der mündlichen Verhandlung übergebene Patentanspruch 1 lautet:

"Verfahren zur optoelektronischen Bestimmung von Gewindeparametern, bei dem von einem Gewinde mittels orthogonal zur Gewindeachse ausgerichteter telezentrischer Beleuchtung ein Schattenbild erzeugt und von dem Schattenbild über einen optoelektronischen Empfänger Konturpunkte aufgenommen werden, wobei die so gemessenen Konturpunkte anschließend mit einer Korrekturgröße korrigiert werden, wobeidas Gewinde (1) zwischen Beleuchtung (2) und dem optoelektronischen Empfänger (3) über einen vollständig telezentrischen Strahlengang (4) abgebildet wird, aus dem Schattenbild (15) direkt Außendurchmesser (D) und Steigung (P) des Gewindes (1) bestimmt werden undeine Korrekturgröße (x) in Abhängigkeit von einem Höhenwert (zm) des Korrekturpunktes (16) eines im Schattenbild (15) abgebildeten Gewindeganges (12) ermittelt und auf jeden aufgenommenen Konturpunkt (12) angewendet wird, wobei die Korrekturgröße (x) allein aus der Kenntnis von Außendurchmesser (D) und Steigung (P) des Gewindes (1) sowie der Gewindeart anhand eines mathematischen Gewindemodells der Oberflächenfunktion der Gewindeflanken (14) ermittelt wird."

Dem Streitpatent liegt das Problem zugrunde, eine neuartige Möglichkeit zur optoelektronischen Bestimmung von Gewindeparametern, insbesondere Flankendurchmesser und Flankenwinkel, zu finden, die bei Verwendung des Schattenbildes eines orthogonal im Strahlengang liegenden Gewindekörpers eine hinreichend genaue Ermittlung der (verdeckten) Gewindeflanken erlaubt, ohne dass von den im Schattenbild aufgenommenen Flankenpunkten deren Abstand von der Axialschnittebene ermittelt werden muss (vgl. Absatz [0005] der PS).

Die Einsprechende ist der Ansicht, dass sich für den Fachmann, einen Diplomingenieur mit Hochschulabschluss der Fachrichtung Maschinenbau und Kenntnissen in der Messtechnik, das Verfahren des Patentanspruchs 1 bis auf die Ermittlung der Korrekturgröße mit Hilfe eines mathematischen Gewindemodells aus der DD 286 660 B5 ergebe. Genauer zeige dies die Dissertation von Zhang Xiaomei vom 19. Oktober 1989 der Fakultät für Maschinenwesen des Wissenschaftlichen Rates der Technischen Universität Dresden mit dem Titel: "Applikationsuntersuchung zu einem neuen optischen Gewindemessverfahren auf Koordinatenmessgeräten"; hierzu verweist sie insbesondere auf die dortigen Abbildungen 6.5 (telezentrischer Strahlengang), 8.4 (Kreis-Kreisring-Sensor) und 8.5 (Übersicht: Sensor an Koordinatenmesseinrichtung). Wie aus einem mathematischen Gewindemodell eine Korrekturgröße ermittelt werde, zeige die Veröffentlichung von W. Lotze und J. Will: "Principle, theory and software for a new method of screw thread measurement by optical coordinate measuring systems", Measurement Vol. 9 No. 4, 1991, Seiten 153 bis 156. Für den Fachmann ergebe sich somit das Verfahren des Patentanspruchs 1 in naheliegender Weise.

Nach Auffassung der Pateninhaberin wird beim Verfahren des Patentanspruchs 1 das Gewinde mit Hilfe eines vollständig telezentrischen Strahlengangs abgebildet, so dass in dem optoelektronischen Empfänger ein Schattenbild erzeugt werde. Es werde also auf die in der DD 286 660 B5 notwendige Koordinatenmesseinrichtung mit optoelektronischem Taster verzichtet, mit der die Schattenkontur auf dem Gewinde abgetastet werde. Zu der Vorgehensweise, wie im Patentanspruch 1 angegeben, gebe es im vorliegenden Stand der Technik keine Hinweise.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

1. Einspruchsverfahren Gemäß der eindeutigen Zuständigkeitsregelung in § 147 Abs. 3 PatG in der Fassung vom 9. Dezember 2004 liegt die Entscheidungsbefugnis über den unstreitig zulässigen, am 30. Juni 2006, d. h. vor der Aufhebung des § 147 Abs. 3 PatG, noch anhängigen Einspruch bei dem hierfür zuständigen 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts (vgl. auch BGH Beschluss vom 27. Juni 2007 X ZB 6/05 - Informationsübermittlungsverfahren II).

Dieser hatte aufgrund öffentlicher mündlicher Verhandlung zu entscheiden.

Gegenstand des Verfahrens ist das erteilte Patent.

Das Verfahren der Patentansprüche 1 bis 6 ist patentfähig.

Als für die Beurteilung der Lehre des Streitpatents und des Standes der Technik zuständigen Fachmann sieht der Senat einen Diplomingenieur der Fachrichtung Maschinenbau oder Fertigungsmesstechnik mit Hochschulausbildung und Berufserfahrungen in der optoelektronischen Vermessung von Werkstücken an.

2. Zum Verständnis des Patentanspruchs 1 Beim Verfahren des Patentanspruchs 1 zur optoelektronischen Bestimmung von Gewindeparametern wird das zu vermessende Gewinde zwischen Beleuchtung und optoelektronischem Empfänger über einen vollständig telezentrischen Strahlengang abgebildet, d. h. der Strahlengang ist auf der Objekt- und Bildseite telezentrisch und der optoelektronische Empfänger erfasst das Gewinde als Schattenbild in der Bildebene (vgl. auch Fig. 1 und 2 i. V. m. Abs. 0022). Hierbei ist die Gewindeachse so ausgerichtet, dass sie orthogonal zur telezentrischen Beleuchtung ausgerichtet ist. Als Schattenbild ist demnach beim Verfahren des Patentanspruchs 1 das in der Bildebene entstehende Bild anzusehen und nicht, wie die Einsprechende meint, die auf der Schraube durch die Gewindesteigung entstehende Schattenkontur. Das Schattenbild wird hierbei im optoelektronischen Empfänger als Bild erfasst, d. h. es besteht aus einer Vielzahl von Bildpunkten und nicht nur aus einem einzelnen Bildpunkt.

Aus dem Schattenbild werden anschließend Konturpunkte extrahiert und direkt hieraus der Außendurchmesser und die Steigung des Gewindes bestimmt. Anschließend werden diese Konturpunkte in Abhängigkeit von ihrem Höhenwert korrigiert, in dem eine Korrekturgröße ermittelt wird aus dem Außendurchmesser und der Steigung des Gewindes sowie der Gewindeart anhand eines mathematischen Gewindemodells.

3. Neuheit Das Verfahren zur optoelektronischen Bestimmung von Gewindeparametern des Patentanspruchs 1 ist neu.

Aus der DD 286 660 B5 ist in Übereinstimmung mit dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 ebenfalls ein Verfahren zur Bestimmung von Gewindeparametern bekannt. Nach der überzeugenden Darstellung der Einsprechenden liest der Fachmann hier mit, dass das Gewinde orthogonal zur Gewindeachse telezentrisch beleuchtet wird, so dass auf der Schraube Schattenkonturen erzeugt werden. Im Unterschied zum Verfahren des Patentanspruchs 1 werden diese Schattenkonturen auf dem Gewinde mit Hilfe einer Dreikoordinatenmessmaschine mit optoelektronischem Taster erfasst (S. 2 le. Abs., S. 2, Abs. 3). Wie die Einsprechende ausgeführt hat, versteht der Fachmann unter dem optoelektronischen Taster hier einen Einpunktsensor, der die Hell-Dunkel-Grenze des Schattens erfasst, wenn er mit Hilfe der Dreikoordinatenmessmaschine über die Schattengrenze hinweg bewegt wird. Die Dreikoordinatenmessmaschine erfasst hierbei auf das Signal des optoelektronischen Tasters hin die zu messenden Koordinaten für die Konturpunkte, während beim Verfahren des Patentanspruchs 1 diese Koordinaten aus dem abgebildeten Schattenbild gewonnen werden. Bei dem bekannten Verfahren ergeben sich somit der Außendurchmesser und die Steigung des Gewindes auch nicht direkt aus dem im optoelektronischen Empfänger aufgenommenen Schattenbild, sondern durch Abfahren der Konturen des Gewindes mit Hilfe der Dreikoordinatenmessmaschine.

Ferner kann der Fachmann aus der DD 286 660 B5 nicht entnehmen, dass dort auf der Bildseite ein telezentrischer Strahlengang zur Erzeugung eines Schattenbildes in der Bildebene verwendet wird wie beim Verfahren des Patentanspruchs 1. Auch werden beim bekannten Verfahren keine weiteren Angaben zur Ermittlung einer Korrekturgröße für die ermittelten Konturpunkte gemacht.

Die Dissertation von Zhang Xiaomei a. a. O. verdeutlich, soweit von der Einsprechenden vorgetragen, das in der DD 286 660 B5 beschriebene Verfahren in der Weise, dass Bild 6.5 einen telezentrischen Strahlengang, das Bild 8.4 den optoelektronischen Taster als Kreis-Kreisring-Sensor bei der Erfassung der Hell-Dunkel-Grenze eines Schattens und das Bild 8.5 die Dreikoordinatenmessmaschine mit dem Kreis-Kreisring-Sensor zeigt, wie sie das Gewinde in x,y,z-Richtung abtasten kann. Die Dissertation von Zhang Xiaomei geht demnach - soweit von der Einsprechenden vorgetragen - nicht über das hinaus, was der Fachmann der DD 286 660 B5 aufgrund seiner Fachkenntnis entnimmt.

Die Veröffentlichung von W. Lotze und J. Will a. a. O., die in der DD 286 660 B5 als Erfinder genannt sind, beschreibt eine Methode zur Korrektur der Messergebnisse, die gewonnen durch ein Messverfahren wurden, wie es die DD 286 660 B5 zeigt. Ein vollständig telezentrischer Strahlengang mit einer Abbildung eines Schattenbildes in der Bildebene und Erfassung dort mit Hilfe eines optoelektronischen Empfängers, wie im Patentanspruch 1 angegeben, ist dort nicht angesprochen.

Die weiteren noch im Verfahren befindlichen Druckschriften liegen weiter ab; sie wurden in der mündlichen Verhandlung weder vom Senat noch von den Beteiligten im Detail aufgegriffen. Sie bringen auch keine neuen Gesichtspunkte, so dass auf sie hier nicht weiter eingegangen werden muss.

4. Erfinderische Tätigkeit Das Verfahren zur optoelektronischen Bestimmung von Gewindeparametern des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Ausgehend von dem aus der DD 286 660 B5 bekannten Verfahren stellt sich dem Fachmann üblicherweise in der Praxis die Aufgabe, dieses Verfahren zu verbessern, in dem er insbesondere die Messgenauigkeit erhöht und Messfehler korrigiert. Hierzu wird der Fachmann die nach dem Verfahren der DD 286 660 B5 mit der Dreikoordinatenmessmaschine ausgemessenen Konturpunkte entsprechend dem Verfahren nach der Veröffentlichung von W. Lotze und J. Will a. a. O. korrigieren.

Da es sich bei der Verwendung von Dreikoordinatenmessmaschinen zur Vermessung von Werkstücken um eine sehr ausgereifte hochpräzise Messtechnik handelt, hat der Fachmann keine Veranlassung, das in der DD 286 660 B5 angewandte Messprinzip in der Weise abzuändern, dass er auf die Dreikoordinatenmessmaschine mit elektronischer Punktabtastung der Schattenkontur auf dem Gewinde verzichtet und statt dessen mit Hilfe eines vollständig telezentrischen Strahlenganges ein Schattenbild in der Bildebene in einem optoelektronischen Empfänger aufnimmt, aus dem er dann die einzelnen Konturpunkte extrahiert. Da der Fachmann außerdem bei einer derartigen Änderung des Messverfahrens wegen der geänderten geometrischen Parameter auch das Auswerteverfahren ändern muss, wird er in jedem Fall zunächst versuchen, das bestehende Mess- und Auswerteverfahren zu verbessern.

Da bei der Punktabtastung des Gewindes mit Hilfe des optoelektronischen Tasters in der DD 286 660 B5 eine Abtastung ausschließlich in der optischen Achse erfolgt, hat der Fachmann auch hier keine Veranlassung bzw. erhält er keine Anregung, im optoelektronischen Taster einen telezentrischen Strahlengang vorzusehen, wie die Einsprechende meint.

Um zu dem Verfahren des Patentanspruchs 1 zu kommen, bedurfte es somit für den Fachmann erfinderischer Überlegungen. Eine gegenteilige Beurteilung, wie sie von der Einsprechenden vertreten wird, würde auf einer unzulässigen rückschauenden Betrachtung in Kenntnis der Erfindung beruhen.

5. Das Verfahren des Patentanspruchs 1 ist somit patentfähig. Zusammen mit dem Patentanspruch 1 sind die auf diesen direkt oder indirekt rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 6 patentfähig.

Bertl Dr. Mayer Dr.-Ing. Scholz Zimmerer Be






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