Landgericht Krefeld:
Urteil vom 17. Januar 2007
Aktenzeichen: 11 O 77/06

(LG Krefeld: Urteil v. 17.01.2007, Az.: 11 O 77/06)

Tenor

1.

Der Beklagte wird verurteilt,

a)

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 €, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs den Betriebsfunk des Klägers abzuhören und/oder über ein Display abzulesen und die so enthaltenen Kenntnisse und Daten bezüglich bestellter Funktaxifahren an Fuhrunternehmen weiter zu leiten, die dann die von Kunden des Klä-gers bestellten Funktaxifahrten durchführen;

b)

dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfange der Beklagte die vorstehend in Ziffer 1 bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe der Art, des Zeitpunktes und der Anzahl der durchgeführten Funktaxifahrten.

2.

Es wird festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der diesem durch die in Ziffer 1. bezeichneten Handlungen entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

3.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

4.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1.200,00 € abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Streitwert: 20.000,00 €.

Tatbestand

Der Kläger betreibt seit einigen Jahren eine Funktaxivermittlungszentrale in X unter der Bezeichnung "Y Funktaxi-Besitzerverein". Dem Verein sind zur Zeit 132 Fahrzeuge angeschlossen, die von selbständigen Fahrunternehmern betrieben werden. Nach der Bestellung eines Taxis durch einen Kunden bei dem Kläger werden die aufgenommenen Daten mittels eines Computers an einen Funkarbeitsplatz weiter geleitet und von dort halb automatisch über eine dem Kläger zugeteilte Betriebsfunkfrequenz an ein Fahrzeug vergeben.

Der Beklagte, der zunächst Mitglied des Klägers war, betreibt seit dem 01.01.2004 gleichfalls eine Funktaxivermittlungszentrale unter der Bezeichnung "X". In den Betriebsräumen befindet sich ein Betriebsfunkgerät des Klägers.

Der Kläger behauptet, seit dem 01.01.2004 habe der Beklage seine Mitarbeiter mehrfach aufgefordert, mit diesem Betriebsfunkgerät den Funkverkehr des Klägers abzuhören und über das umgebaute Display des Klägers die Adressen, Namen und gegebenenfalls Festpreise der Kunden des Klägers aufzunehmen und zu registrieren. Als Grund für diese Aktion habe er angegeben, dass er vorhabe, die Kunden des Klägers gezielt abzuwerben und – soweit Festpreise vereinbart worden seien – diese zu unterbieten. Dieser Anweisung seien die Mitarbeiter systematisch gefolgt. Die Abhörung und die gezielte Abwerbung dauere noch an. Am 21.05.2006 hätten nämlich Kunden des Klägers gegen 1.00 Uhr nachts zwei Taxen zu der Gaststätte A auf der B Straße in C bestellt. Es sei dann ein Taxi des Beklagten erschienen, in das die Gäste eingestiegen seien. Erst im Taxi hätten sie bemerkt, dass es sich nicht um ein Taxi des Klägers handelte.

Eine geforderte strafbewehrte Unterlassungserklärung gab der Beklagte – unstreitig – nicht ab.

Der Kläger beantragt,

der Beklagte wird verurteilt,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu € 300.000,00, ersatzweise Ordnungshaft oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs

Mitbewerber gezielt zu behindern; einer gesetzlichen Vorschrift zuwider zu handeln, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln; insbesondere, wenn dies dadurch geschieht, dass der Betriebsfunk des Klägers in unlauterer Weise abgehört und/oder über einen Display abgelesen wird und die so erhaltenen Kenntnisse und Daten bezüglich bestellter Funktaxifahrten an Fuhrunternehmer weitergeleitet werden, die dann die von Kunden des Klägers bestellten Funktaxifahrten durchführen und dabei Irrtümer über die Inhaberschaft des Funktaxis aufrechterhalten und/oder hervorrufen;

dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang der Beklagte die vorstehend in Ziffer 1. bezeichneten Handlungen begangen hat, und zwar unter Angabe der Art, des Zeitpunkts und der Anzahl der durchgeführten Funktaxifahrten;

2.

festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger allen Schaden zu ersetzen, der diesem durch die in Ziffer 1. bezeichneten Handlung entstanden ist und künftig noch entstehen wird.

Der Beklagte behauptet, er habe bis ca. Ende Februar 2004 den Betriebsfunk des Klägers abhören lassen, um die Konkurrenzfähigkeit der eigenen Zentrale anhand eines Vergleiches von Aufwand und Häufigkeit der Fahrten überprüfen zu können. Dann habe er die Abhörtätigkeit eingestellt. Er habe die so gewonnenen Daten nicht genutzt. Im Übrigen erhebt er die Einrede der Verjährung.

Am 21.05.2006 sei gegen 0.13 Uhr und 0.20 Uhr die Zentrale des Beklagten angewählt und zwei Taxen zur A bestellt worden. Beide Fahrten habe er durchgeführt. Später habe er kein Taxi mehr zu der Gaststätte gesandt.

Die Kammer hat Beweis erhoben aufgrund des vorbereitenden Beweisbeschlusses vom 10.10.2006 (GA 51). Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll vom 20.12.2006 (GA 80) verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage des Klägers hat in vollem Umfange Erfolg. Ihm steht gegenüber dem Beklagten, der mit ihm auf dem gleichen räumlichen Markt in Wettbewerb steht, einen Unterlassungsanspruch gemäß §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 1, 3, 4 Nr. 10 UWG zu.

Soweit der Tenor in Ziffer 1. von dem klägerischen Antrag abweicht, ist diese Abweichung geboten durch das Bestimmtheitsgebot. Die Kammer hat den Wettbewerbsverstoß klar gefasst, um einer Ausuferung zu begegnen. Darin liegt jedoch kein Minus gegenüber dem klägerischen Antrag.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Beklagte über einen längeren Zeitraum seit 2004 unter Benutzung des Betriebsfunkgerätes des Klägers, zu dessen Nutzung er nicht mehr berechtigt war, den Funkverkehr des Klägers abgehört und die auf einem umgebauten Display sichtbar gemachten Daten, die der Kläger bei seinen Kunden abgefragt hatte, notierten ließ.

Dies steht zunächst fest aufgrund der eigenen Einlassung des Beklagten, der eingeräumt hat, über einen Zeitraum von Anfang Januar bis Ende Februar 2004 den Betriebsfunk des Klägers abgehört zu haben. Des weiteren steht dies fest aufgrund der in ihrem Kern übereinstimmenden Aussagen der Zeugen D, F und G. Sie alle haben bekundet, dass sie entweder angewiesen wurden, den Funkverkehr abzuhören oder gesehen haben, dass Mitarbeiter des Beklagten den Funkverkehr mit dem Betriebsfunkgerät des Klägers abgehört und die entsprechenden Daten notiert haben. Allen Zeugen war klar, dass diese Datenaufnahme der Abwerbung von Kunden dienen sollte. Ausdrücklich bestätigt wurde dies durch den Zeugen F, dem gegenüber der Beklagte ausdrücklich bekundet hatte, er benötige die Daten, um die Kunden gezielt anzusprechen. Die Anweisung hatte der Beklagte erteilt.

Die Kammer hat keine Bedenken, den insoweit übereinstimmenden Aussagen zu folgen. Alle Zeugen waren ersichtlich um die Wahrheit bemüht und ließen keinerlei Belastungstendenzen erkennen. Auch haben sie an dem Ausgang des Rechtsstreits kein eigenes Interesse, auch wenn sie zwischenzeitlich wieder Mitglieder des Klägers sind. Ein wirtschaftlicher Vorteil entsteht ihnen durch einen positiven Ausgang des Prozesses nicht.

Die Kammer ist der Überzeugung, dass der Beklagte die Daten in der Absicht aufgenommen hat, gezielt Kunden des Klägers abzuwerben. Dies ergibt sich – wie bereits ausgeführt – aus den Aussagen der Zeugen. Soweit der Beklagte dem gegenüber einwendet, er habe die Daten lediglich nutzen wollen, um Aufwand und Häufigkeit der Fahrten zu vergleichen, ist dies unglaubwürdig, denn der Beklagte war selbst lange genug Mitglied bei dem Kläger, um dies selbst beurteilen zu können.

Der Beklagte hat die Daten jedoch nicht nur genutzt, um sich mit den Kunden in Verbindung zu setzen, sondern auch, um sich direkt in Transporte einschalten zu können und diese dem Kläger weg zu nehmen, wie der Vorfall vom 21.05.2006 zeigt.

H zu einem späteren Zeitpunkt als 0.13 Uhr oder 0.20 Uhr zwei Taxen unter der Rufnummer des Klägers zur A bestellte. Tatsächlich erschien kurze Zeit nach dem Anruf ein Taxifahrer, der dem Beklagten angeschlossen ist, in der Gaststätte und nahm den Zeugen H und seine Ehefrau auf.

Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der glaubhaften Aussage des Zeugen H, der als Unbeteiligter am Ausgang des Rechtsstreites keinerlei Interesse hat und einen glaubwürdigen Eindruck hinterließ.

Zudem steht dieser Aussage nicht die Aussage der Zeugin I entgegen, die bekundet hat, es seien an diesem Abend nach 24.00 Uhr zwei Taxen zu der Gaststätte A bestellt worden. Dies erscheint durchaus möglich, da der Zeuge H bekundete, es sei eine größere Gruppe von ca. 50 Personen in dieser Gaststätte gewesen. Alle – bis auf ihn und seine Frau – seien bereits früher gegangen. Wie die Telefonaufnahmen des Beklagten zeigen, wurden diese Taxen um 0.13 Uhr und 0.20 Uhr bestellt und sind damit nicht identisch mit der Taxe, die die Ehefrau des Zeugen H zu einem späteren Zeitpunkt zu der Gaststätte bestellte.

Das Erscheinen eines Taxis des Beklagten in der Gaststätte kann nicht auf einem Zufall beruhen, sondern ist zurückzuführen auf ein Abhören des Funkverkehres. Eine andere Möglichkeit, wie der Beklagte an die Information gekommen sein könnte, dass Taxen in der Gaststätte gegen 1.00 Uhr gewünscht waren, sieht die Kammer nicht. Eine solche wird von dem Beklagten auch nicht vorgetragen.

Damit steht gleichzeitig fest, dass der Beklagte sein Verhalten bis mindestens zum 21.05.2006 fortsetzte, so dass die von ihm erhobene Einrede der Verjährung nicht greift. Die Verjährung von Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen aufgrund einer Dauerhandlung kann nämlich nicht beginnen, solange der Eingriff noch fortdauert (vgl. Köhler in Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 11 UWG, Rdnr. 1.2 m.w.N. aus der Rechtsprechung).

Das Verhalten des Beklagten erfüllt den Tatbestand der §§ 3, 4 Nr. 10 UWG. Es stellt eine Wettbewerbshandlung dar, die den Kläger als Mitbewerber gezielt behindert, denn die Handlungen waren darauf ausgerichtet, systematisch Kunden des Klägers abzuwerben. Wenn auch eine solche Abwerbung grundsätzlich nicht wettbewerbswidrig ist, so kann sie es im Einzelfall sein, wenn besondere Unlauterkeitsmerkmale hinzutreten (vgl. Köhler, a.a.O., § 4 UWG, Rdnr. 10.33). Solche Merkmale sind im vorliegenden Fall festzustellen. Zum einen nutzte der Beklagte das ihm von dem Kläger zur Verfügung gestellte Funkgerät, dessen Weiterbenutzung ihm seit 2003 untersagt worden war, um den Funkverkehr des Klägers systematisch abzuhören. Zum anderen drängte sich der Beklagte mit seinen Fahrern in die Kundenbeziehung ein und nutzte deren Irrtum, der erschienene Fahrer sei ein Fahrer des Klägers, aus, um ein Geschäft zu tätigen. Dies ergibt sich aus der Aussage des Zeugen H, der bekundete, erst im Wagen festgestellt zu haben, dass das erschienene Taxi kein Taxi des Klägers war. Dies erscheint nachvollziehbar, da – sofern nach dem Ruf nach einem Taxi ein Taxifahrer erscheint – der Bestellende in der Regel nicht nachfragen wird, wer dieses Taxi geschickt hat.

Da – wie die obigen Ausführungen zeigten – es tatsächlich zu einem Wettbewerbsverstoß gekommen ist, streitet eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr, die der Beklagte nicht ausgeräumt hat, denn er hat die Unterschrift unter eine strafbewehrte Unterlassungserklärung verweigert (vgl. Bornkamm in Baumbach/Hefermehl, a.a.O., § 8, Rdnr. 1.33).

Dagegen hat der Beklagte mit seinem Verhalten den Tatbestand des § 4 Nr. 11 UWG nicht erfüllt. Voraussetzung hierfür wäre, dass der Mitbewerber einer gesetzlichen Vorschrift zuwider handelt, die auch dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Davon kann man bei den Strafvorschriften nur unter engen Voraussetzungen ausgehen. Es ist nicht ersichtlich, dass die von dem Beklagten verletzten Vorschriften besagte Verhaltensregeln darstellen, denn sie dienen ersichtlich nicht dem Schutze der Mitbewerber oder der Verbraucher (vgl. Köhler, a.a.O., § 4 UWG, Rdnr. 11.179).

2.

Dem Kläger steht ebenfalls ein Anspruch auf Auskunft darüber zu, in welchem Umfange der Beklagte Daten abgehört und die so erworbenen Daten an Fuhrunternehmen weitergeleitet hat, die dann die von den Kunden des Klägers bestellten Fahrten durchführten. Dieser Anspruch besteht als Teil des Schadensersatzanspruches gemäß §§ 9, 3 UWG.

Der Beklagte hat – wie ausgeführt – gegen §§ 3, 4 Nr. 10 UWG verstoßen. Dieser Verstoß geschah bewusst, denn ihm war klar, dass er weder den Funkverkehr abhören noch die erhaltenen Informationen verwenden durfte, um den Kläger aus dem Markt herauszudrängen. Zur Vorbereitung eines Schadensersatzanspruches ist der Kläger auch auf Angaben zu den durchgeführten Taxifahrten angewiesen. Diesem Auskunftsanspruch steht kein besonderes schutzwürdiges Interesse des Beklagten entgegen, da er es sich als Verletzer selbst zuzuschreiben hat, wenn er Daten aus seinem Bereich offen legen muss (vgl. Köhler, a.a.O., § 9, Rdnr. 4.18).

3.

Der Beklagte ist ebenfalls gemäß §§ 3, 9 UWG verpflichtet, dem Kläger jeglichen Schaden zu ersetzen, der ihm durch die unlauteren Wettbewerbshandlungen des Beklagten entstanden ist und künftig noch entstehen wird. Das erforderliche feststellungsfähige Rechtsverhältnis ist die mögliche zukünftige Schadensersatzverpflichtung des Beklagten gegenüber dem Kläger, wobei genügend ist eine Wahrscheinlichkeit des Schadenseintrittes. Da davon auszugehen ist, dass der Beklagte nicht nur ein einziges Mal die Daten genutzt hat, um sich in Fahrten hineinzubringen, erscheint es wahrscheinlich, dass dem Kläger ein weiterer Schaden des entgangenen Gewinns entstanden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO; die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit rechtfertigt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.






LG Krefeld:
Urteil v. 17.01.2007
Az: 11 O 77/06


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