Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 22. Februar 2007
Aktenzeichen: 22 S 576/05

(LG Düsseldorf: Urteil v. 22.02.2007, Az.: 22 S 576/05)

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 30. September 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf - 41 C 12510/04 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Der Kläger hatte im Oktober 2001 300 Aktien der früheren AG, die zwischenzeitlich in AG umfirmiert worden war, dem Abfindungsangebot aus dem Jahre 1992 unterstellt. Das Abfindungsangebot beruhte auf dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag zwischen der Beteiligungen GmbH und der AG vom 9. September 1991. Gemäß § 5 des Vertrages wurde den außenstehenden Aktionären der AG eine Abfindung in Höhe von 485,- DM eingeräumt und eine entsprechende Erwerbsverpflichtung der Beklagten begründet. Die Hauptversammlung der AG hatte am 15. August 2000 den Rechtsformwechsel der Gesellschaft in eine Kommanditgesellschaft beschlossen. Der Rechtsformwechsel wurde am 16. Oktober 2001 in das Handelsregister eingetragen. Zu diesem Zeitpunkt entsprach die in dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag festgesetzte Abfindung von 485,- DM für eine Aktie im Nennbetrag von 50,- DM einer Abfindung von 132,25 € je Stückaktie. Da im Zuge des Rechtsformwechsels ausscheidenden Aktionären der AG eine Abfindung in Höhe von 161,- € je Stückaktie zugesagt worden war, hatte sich die Beklagte gegenüber allen außenstehenden Aktionären, also auch gegenüber dem Kläger, verpflichtet, ebenfalls eine Abfindung von 161,- € je Stückaktie zu zahlen. Der Kläger verkaufte daraufhin am 1. Oktober 2001 auf dieser Grundlage an die Beklagte 300 Aktien zum Preis von 161,- €. Zugleich hatte der Kläger für den Zeitraum von 1992 bis 2001 Ausgleichszahlungen gemäß § 304 AktG in Höhe von 78,28 € je Stückaktie erhalten. Gegenstand der vorliegenden Klage ist die Höhe der von Beklagten zu zahlenden Abfindungszinsen gemäß § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG.

Zwischen den Parteien besteht Streit über die Frage, ob die Summe aller Ausgleichzahlungen von 1992 bis 2001 der Summe aller Zinsansprüche gegenüber zu stellen ist (so die "Saldierungsmethode" der Beklagten), oder ob für jedes Jahr getrennt ein eventueller Überhang des Zinsanspruches zu erstatten ist und Jahre, in denen der Zinsanspruch niedriger ist als der gezahlte Ausgleich, mit Null anzusetzen ist (so die "Rosinenmethode" des Klägers).

Die Beklagte hatte an den Kläger entsprechend ihrer als Anlage zum außergerichtlichen Schreiben vom 15. Oktober 2003 beigefügten Abrechnung für den gesamten Zeitraum einen Unterschied zwischen der Verzinsung pro Aktie und den Ausgleichszahlungen pro Aktie in Höhe von 19,77 € errechnet. Den sich aus der Abrechnung für die 300 Aktien des Klägers ergebenden Nachzahlungsbetrag in Höhe von 5.931,- € (= 300 x 19,77 €) hatte die Beklagte an den Kläger geleistet.

Der Kläger verlangt entsprechend seiner als Anlage zum außergerichtlichen Schreiben vom 23. September 2003 beigefügten Abrechnung insgesamt einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 29,88 € pro Aktie und begehrt von der Beklagten die Zahlung weiterer 1.929,- €.

Auf Antrag des Klägers ist am 30. Juli 2004 ein Vollstreckungsbescheid erlassen worden, mit dem die Beklagte verurteilt worden ist, an den Kläger 1.929,- € sowie Mahnkosten in Höhe von 5,- € zu zahlen. Gegen diesen Vollstreckungsbescheid, welcher der Beklagten am 3. August 2004 zugestellt worden ist, hat sie mit einem am 5. August 2004 eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt.

Mit dem am 30. September 2005 verkündeten Urteil - Az.: 41 C 12510/04 -, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das Amtsgericht Düsseldorf den Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die von der Beklagten angewandte "Saldierungsmethode" sei zutreffend. Überdies habe der Kläger seinen Zinsanspruch der Höhe nach nicht substantiiert vorgetragen, da nicht nachvollziehbar sei, wie er den geltend gemachten Betrag ermittelt habe.

Gegen dieses amtsgerichtliche Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er sein erstinstanzliches Begehren in vollem Umfang weiterverfolgt.

Der Kläger rügt eine Verletzung des § 139 Abs. 2 ZPO durch das Amtsgericht, soweit es seine Entscheidung darauf gestützt habe, dass sich der eingeklagte Betrag von 1.929,- € nicht als Unterschiedsbetrag zwischen Saldierungs- und Rosinenmethode ergebe und der Anspruch daher der Höhe nach nicht schlüssig dargelegt worden sei. Er führt aus, dass er einen "Sicherheitsabschlag" in Höhe von 207,- € gemacht habe, um es dem Gericht zu ersparen, sich mit den übrigen Differenzen in den unterschiedlichen Berechnungen der Parteien beschäftigen zu müssen. Weiter macht er geltend, die von dem Amtsgericht angewandte Saldierungsmethode führe je nach dem Zeitpunkt der Beendigung des Spruchverfahrens zu Ungerechtigkeiten, was die Gefahr der Prozessverschleppung begründe.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Stuttgart vom 30. Juli 2004 - Az.: 04-0180042-0-9 - aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht, die von dem Kläger gewählte Berechnungsmethode sei unzutreffend und macht hierzu weitere Ausführungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsverfahrens wird auf die eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die Berufung des Kläger ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg.

Mit Recht hat das Amtsgericht entschieden, dass in dem vorliegenden Fall eine Verrechnung der Abfindungszinsen gemäß § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG und der Ausgleichszahlungen für den gesamten Zeitraum vom Wirksamwerden des Unternehmensvertrages und der Nachzahlung der Abfindung einerseits und den insgesamt erhaltenen Ausgleichszahlungen pro Aktie gemäß § 304 AktG andererseits zu erfolgen hat ("Saldierungsmethode").

Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass für jedes Kalenderjahr gesondert ermittelt wird, ob die für das betreffende Kalenderjahr ermittelten Abfindungszinsen höher sind als die in dem gleichen Zeitraum erhaltenen Ausgleichszahlungen ("Rosinenmethode").

Die von dem Kläger begehrte Abrechnungsmethode findet weder in den gesetzlichen Vorschriften (dazu unter 1.) noch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (dazu unter 2.) eine Stütze.

1.

Gegen die von dem Kläger gewählte Berechnungsmethode spricht das System der den außenstehenden Aktionären gemäß §§ 304, 305 AktG anzubietenden Entschädigung im Falle des Abschlusses eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages. Nach der Konzeption des Gesetzgebers und der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sollen die außenstehenden Aktionäre für den Verlust ihrer Rechtsposition aufgrund des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages sowohl durch den Ausgleichszahlungen gemäß § 304 AktG als auch durch die Abfindungszinsen nach § 305 AktG - je für sich - wirtschaftlich voll entschädigt werden. Zum Schutz des ausscheidenden Aktionärs hat der Gesetzgeber nachträglich die Zinsvorschrift des § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG eingeführt und darin eine rechnerische Rendite von 2 % über dem jeweiligen Basiszinssatz als angemessen angesehen, und zwar unabhängig davon, ob der Aktionär bereits vor Erhalt der ersten Ausgleichszahlung oder erst nach Erhalt mehrerer Ausgleichzahlungen ausscheidet. Würden die Ausgleichszahlungen und die Zinsverpflichtungen einander für jedes Jahr gesondert gegenüber gestellt werden und würde dem Aktionär für jedes Kalenderjahr der jeweils höhere Betrag zustehen, bedeutete dies im Ergebnis eine von dem Gesetzgeber nicht vorgesehene Form der Entschädigung. Diese Form der Entschädigung widerspräche nämlich der gesetzgeberischen Grundentscheidung, dass sowohl die Ausgleichszahlungen als auch die Abfindungszinsen jeweils für sich genommen bereits eine vollständige wirtschaftliche Entschädigung darstellen. Weil auch die Ausgleichszahlungen als Fruchtziehung - ähnlich der Entgegennahme von Zinsen auf eine Forderung -anzusehen sind, verbleiben sie dem Aktionär vollständig auch dann, wenn sie höher sind als die nach § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG zu beanspruchenden Zinsen. Ist demgegenüber der Zinsanspruch höher, so erhält der Aktionär die Differenz zu den bereits gezahlten Ausgleichszahlungen. Damit ist die von dem Gesetzgeber gewollte Mindestrendite von 2 % über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB gesichert. Dem Kläger ist es verwehrt, diese gesetzgeberische Grundentscheidung durch die von ihm angewandte "Rosinenmethode" zu korrigieren.

Der Berechnung des Klägers ist weiter entgegenzuhalten, dass nach den gesetzlichen Vorschriften auch die Abfindungszinsen nicht für jedes Kalenderjahr gesondert ermittelt werden. Vielmehr wird nach Maßgabe des § 305 Abs. 3 Satz 3 AktG im Spruchverfahren die angemessene Barabfindung "zuzüglich 2 % über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank beziehungsweise über dem jeweiligen Basiszinssatz gemäß § 247 BGB ab dem Tag nach Ablauf des Tages, an dem der Unternehmensvertrag wirksam geworden ist" festgesetzt. Es handelt sich somit um einen einheitlichen Zeitraum, für den die Zinsen ermittelt werden; eine kalenderjährliche oder geschäftsjährliche Ermittlung der Zinsen findet nicht statt.

Hinzu kommt, dass auch die Ausgleichszahlungen nicht kalenderjährlich erfolgen müssen. Dies zeigt sich bereits bei einer Abweichung des Geschäftsjahres vom Kalenderjahr. Außerdem können Rumpfgeschäftsjahre eingelegt und Geschäftsjahre abweichend vom Kalenderjahr festgesetzt werden, wie dies bei der Beklagten im Jahre 2000 auch tatsächlich der Fall war. Schließlich können die Ausgleichszahlungen im Laufe der Jahre unterschiedlich hoch ausgestaltet und - insbesondere im ersten Jahr - Zeiträume betreffen, die nur Bruchteile eines Kalender- oder Geschäftsjahres sind. Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen erscheint die von dem Kläger vorgenommene Abrechnung nach Abrechnungsperioden in Form eines Kalenderjahres willkürlich und bleibt ohne entsprechende Stütze im Gesetz.

Entgegen der Ansicht der Berufung führt die Saldierung der Abfindungszinsen und Ausgleichszahlungen für den gesamten Zeitraum nicht zu einer wirtschaftlichen Benachteiligung außenstehender Aktionäre. Nach der gesetzlichen Vorschrift des § 304 Abs. 3 Satz 3 AktG kann der außenstehende Aktionär, sobald er die Barabfindung wählt, vom Tag nach Wirksamwerden des Unternehmensvertrages neben der Barabfindung Zinsen verlangen. Nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes ist die Anrechnung der Ausgleichszahlungen auf die Höhe der Abfindungszinsen begrenzt. Eine Verrechnung von erhaltenen Ausgleichszahlungen mit der Abfindung ist nicht vorzunehmen; vielmehr sind die erhaltenen Ausgleichszahlungen zur Vermeidung einer Kumulation von Ausgleichszahlungen und Abfindungszinsen ausschließlich mit den Abfindungszinsen zu verrechnen. Sind die zuvor bereits erhaltenen Ausgleichszahlungen geringer, so verbleibt es wegen der Anrechnung wirtschaftlich bei den gesetzlich vorgesehenen Zinsen für den außenstehenden Aktionär. War die Summe der erhaltenen Ausgleichszahlungen dahingegen höher, so kann der außenstehende Aktionär die höheren Ausgleichszahlungen behalten. Diese von dem Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze sind von der Beklagten bei der Berechnung des Nachzahlungsbetrages vollumfänglich beachtet worden.

2.

Der Kläger vermag die von ihm angewandte "Rosinenmethode" auch nicht auf die zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zu stützen. Daraus ergibt sich nämlich nur, dass mehrere Ausgleichszahlungen mit einem einheitlichen Zinsbetrag zu saldieren sind und der Saldo dem Aktionär zu belassen ist. Der Kläger vermag seiner Argumentation auch nicht die Verwendung des Begriffes "Referenzzeiträume" zu unterlegen. Zum einen hat der Bundesgerichtshof diesen Begriff sowohl im Singular als auch im Plural verwendet, was im Ergebnis weder für noch gegen die Berechnungsmethode des Klägers spricht. Zum anderen dient der Begriff "Referenzzeitraum" - unabhängig von dessen Verwendung im Singular oder Plural - dazu, deutlich zu machen, dass diejenigen Zahlungen in der Abrechnung unberücksichtigt bleiben müssen, die für Zeiträume gezahlt worden waren, in denen überhaupt keine Abfindungszinsen geschuldet sind.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Revision wird im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO zugelassen. Die für den vorliegenden Rechtsstreit entscheidungserhebliche Rechtsfrage, ob eine Verrechnung der Abfindungszinsen für den gesamten Zeitraum vom Wirksamwerden des Unternehmensvertrages und der Nachzahlung der Abfindung einerseits und den insgesamt erhaltenen Ausgleichszahlungen pro Aktie gemäß § 304 AktG andererseits zu erfolgen hat oder ob für jedes Kalenderjahr gesondert zu ermitteln ist, ob die für das betreffende Kalenderjahr ermittelten Abfindungszinsen höher sind als die in dem gleichen Zeitraum erhaltenen Ausgleichszahlungen, ist bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden. Die Rechtsfrage ist auch über den Einzelfall hinaus von Bedeutung, da sie eine unbestimmte Vielzahl von Fällen betrifft.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 1.929,- € festgesetzt.






LG Düsseldorf:
Urteil v. 22.02.2007
Az: 22 S 576/05


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