Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Mai 2011
Aktenzeichen: 10 W (pat) 8/07

(BPatG: Beschluss v. 16.05.2011, Az.: 10 W (pat) 8/07)

Tenor

Auf die Erinnerung wird die Festsetzung der Rechtspflegerin des Bundespatentgerichts vom 14. März 2006 im Beschwerdeverfahren 34 W (pat) 54/01 dahingehend abgeändert, dass dem Erinnerungsführer über den dort festgesetzten Betrag von 144,07 € hinaus weitere 360,-€ nebst Mehrwertsteuer von 16% (57,60 €), mithin weitere 417,-€ zu erstatten sind.

Gründe

I.

Der Erinnerungsführer legte im Juli 2001 als patentanwaltlicher Vertreter für den Anmelder gegen die Zurückweisung der Patentanmeldung ... Beschwerde ein und beantragte zugleich Verfahrenskostenhilfe für das Erteilungsbeschwerdeverfahren. Im August 2001 erklärte er sein Einverständnis zur Beiordnung im Beschwerdeverfahren und zeigte die Vertretung des Anmelders an. In dem unter dem Aktenzeichen 34 W (pat) 54/01 geführten Beschwerdeverfahren gewährte das Bundespatentgericht durch Beschluss vom 11. Januar 2002 dem Anmelder unter Beiordnung des Erinnerungsführers für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe. und verwies die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses an das Deutsche Patentund Markenamt zurück.

Der Erinnerungsführer hat im Februar 2006 beim Patentgericht um Erstattung der Kosten nach dem Vertretergebührenerstattungsgesetz gebeten, u. a. ein Betrag von 468,-€ für das Beschwerdeverfahren nach § 73 Abs. 3 PatG. Diesen Antrag hatte er zuvor im Dezember 2002 beim Patentamt gestellt, das ihm im Februar 2006 mitteilte, dass er dies beim Patentgericht beantragen müsse.

Die Rechtspflegerin des Patentgerichts hat -unter Einholung des Einverständnisses des Vertreters der Staatskasse -auf die Einrede der Verjährung verzichtet, da es aufgrund der extremen Verzögerungen beim Patentamt treuwidrig erscheine, die Einrede der Verjährung zu erheben. Am 14. März 2006 hat die Rechtspflegerin die aus der Bundeskasse zu erstattende Vergütung festgesetzt und hierbei statt der beantragten 13/10 Gebühr in Höhe von 468,-€ nur eine 3/10 Gebühr für das Beschwerdeverfahren in Höhe von 108,-€ festgesetzt. Sie hat dies damit begründet, dass die Beiordnung des Erinnerungsführers als Vertreter mit Beschluss vom 11. Januar 2002 erfolgt sei. Daher sei die ab 1. Januar 2002 geltende Neufassung des § 2 VertrGebErstG anzuwenden, die durch das Gesetz zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums vom 13. Dezember 2001 geschaffen worden sei. Für die Beschwerde gegen die Zurückweisung der Anmeldung sehe § 2 Abs. 2 Nr. 6 VertrGebErstG nur noch eine 3/10 Gebühr in Höhe von 108.-€ vor.

Hiergegen hat der Erinnerungsführer im Februar 2007 wörtlich "Beschwerde" eingelegt und beantragt, ihm eine 13/10 Gebühr statt einer 3/10 Gebühr zuzusprechen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass zwar die Beordnung erst mit Beschluss vom 11. Januar 2002 erfolgt sei, er jedoch schon im Juli 2001 für den Anmelder Beschwerde eingelegt habe. Es komme im quasi privatrechtlichen Auftragsverhältnis mit der Bundeskasse nicht auf den Zeitpunkt der Beiordnung, sondern auf den Zeitpunkt der Antragstellung an. Jedenfalls könne die Zeitverzögerung zwischen Antragstellung und Beiordnung nicht zu Lasten des Antragstellers gehen, da dieser die Zeitverzögerung nicht beeinflussen könne.

Die Rechtspflegerin hat der "als Erinnerung auszulegenden Beschwerde des Antragstellers" nicht abgeholfen.

II.

Die Erinnerung ist gemäß § 7 VertrGebErstG i. V. m. § 61 Abs. 1 Satz 1 RVG, §§ 128, 134 Abs. 1 Satz 1 BRAGO zulässig und begründet. Dem Erinnerungsführer steht die begehrte 13/10 Gebühr gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 5 VertrGebErstG a. F. (Fassung bis 31. Dezember 2001) zu.

1. Die Erinnerung ist zulässig. Gemäß § 7 VertrGebErstG i. V. m. § 61 Abs. 1 Satz 1 RVG ist hier weiterhin das VertrGebErstG in seiner Verweisung auf die BRAGO anzuwenden, da Auftragserteilung und Beiordnung des Vertreters vor dem Inkrafttreten des RVG am 1. Juli 2004 liegen. Gemäß § 7 VertrGebErstG i. V. m. § 128 Abs. 3 BRAGO findet gegen die Festsetzung der zu gewährenden Vergütung des beigeordneten Anwalts die Erinnerung statt, die gebührenfrei (§ 128 Abs. 5 BRAGO) und nicht fristgebunden ist. Auch soweit in der Rechtsprechung davon ausgegangen wird, dass Erinnerungen nur bis zum Ablauf des nächsten Kalenderjahres eingelegt werden können, das dem Abschluss des Festsetzungsverfahrens folgt (vgl. Göttlich/Mümmler, BRAGO, 20. Aufl. 2001, unter "Beigeordneter Rechtsanwalt", 10.4, S. 240 m. w. N.), bestehen hier gegen die Zulässigkeit keine Bedenken, da die Erinnerung innerhalb dieser Frist eingelegt worden ist. Dass die Erinnerung als "Beschwerde" bezeichnet ist, ist unschädlich, da aus dem Vorbringen hinreichend deutlich wird, dass es dem Erinnerungsführer um einen Rechtsbehelf gegen die Festsetzung des Patentgerichts vom März 2006 geht.

2. Dem Vertreter steht die für das Beschwerdeverfahren in Patenterteilungsverfahren begehrte 13/10 Gebühr gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 5 VertrGebErstG in der bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung zu und nicht nur die niedrigere Gebühr gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 6 VertrGebErstG in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung. Dies ergibt sich aus der insoweit maßgeblichen Übergangsregelung des § 7 VertrGebErstG i. V. m. § 134 Abs. 1 Satz 1 BRAGO. Der Erinnerungsführer ist noch im Jahre 2001 mit dem Mandat beauftragt worden. Die erst im Januar 2002 erfolgte Beiordnung steht der Anwendbarkeit des bisherigen Gebührenrechts nicht entgegen.

Gemäß § 7 VertrGebErstG i. V. m. § 134 Abs. 1 Satz 1 BRAGO (der im übrigen mit der geltenden Übergangsregelung des § 60 RVG nahezu identisch ist) ist die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit i. S. d. § 13 BRAGO vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist. Auch im Falle eines beigeordneten Vertreters ist nicht stets allein auf den Zeitpunkt der Beiordnung abzustellen, sondern auch auf den Zeitpunkt der Auftragserteilung, wenn für das Mandatsverhältnis -so wie in Fällen der Prozesskostenhilfe -neben der Beiordnung auch eine Beauftragung durch die Partei erforderlich ist. Denn nach ständiger Rechtsprechung folgt aus dem Wortlaut des § 134 Abs. 1 Satz 1 BRAGO, nämlich dem Wort "oder" zwischen Auftragserteilung und Beiordnung, dass die beiden Tatbestände gleichberechtigt nebeneinander stehen. Es kommt allein auf den ersten Zeitpunkt (der Erteilung des Auftrags oder der Beiordnung) an, auch wenn der zweite Tatbestand (die Beiordnung oder Auftragserteilung) erst nach dem Stichtag eintritt (vgl. Gerold/Schmidt/Madert, BRAGO, 15. Aufl. 2002, § 134 Rdn. 14; Göttlich/Mümmler, BRAGO, 20. Aufl. 2001, unter "Beigeordneter Rechtsanwalt", 5.5, S. 223; ebenso für die gleichlautende Vorschrift im RVG: Hartung/Schons/Enders, RVG, 2011, § 60 Rdn. 4, 32, 37 ff., 59).

Da hier aus der Beschwerdeeinlegung im Juli 2001 und dem weiteren Schriftsatz vom August 2001, in dem auch auf eine erteilte Vollmacht hingewiesen wird, folgt, dass der Erinnerungsführer schon im Jahre 2001 von seinem Mandanten beauftragt worden ist, gilt für seine Erstattung gemäß § 7 VertrGebErstG i. V. m. § 134 Abs. 1 Satz 1 BRAGO die Vorschrift des § 2 VertrGebErstG in der bis 31. Dezember 2001 geltenden Fassung. Mithin steht dem Erinnerungsführer die beantragte 13/10 Gebühr (468,-€) und nicht nur eine 3/10 Gebühr (108,-€) zu, so dass ihm weitere 360,-€ nebst Mehrwertsteuer zuzusprechen sind.

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Beschluss v. 16.05.2011
Az: 10 W (pat) 8/07


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