Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. Dezember 2004
Aktenzeichen: 24 W (pat) 15/04

(BPatG: Beschluss v. 21.12.2004, Az.: 24 W (pat) 15/04)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 11 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 19. November 2003 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Wortmarke EROTIK soll für die Waren

"Ansatzstücke für Gasbrenner, Trinkwasserfilter"

in das Markenregister eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 11 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die Anmeldung nach vorheriger Beanstandung durch eine Beamtin des gehobenen Dienstes mit Beschluß vom 19. November 2003 wegen fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) zurückgewiesen. Das Wort "EROTIK" sei ein allgemein geläufiger Begriff der deutschen Sprache, der stets nur als solcher und nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel verstanden werde. In diesem Zusammenhang sei es grundsätzlich unerheblich, ob es sich um einen für die beanspruchten Waren beschreibenden Begriff handele. Mit dieser Begründung habe bereits der 29. Senat des Bundespatentgerichts in einer Entscheidung vom 20. Juni 2001 das Wort "Erotik" als schutzunfähig angesehen (BPatG 29 W (pat) 29/01 "Erotik"). Prüfe man die Anmeldung mit der vom EuGH geforderten Sorgfalt, könne man ein Vorliegen des Eintragungsversagungsgrundes des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht verneinen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, die damit begründet wird, auch nach der jüngeren Rechtsprechung sei die Frage der Unterscheidungskraft von Marken im Hinblick auf jede der angemeldeten Waren/Dienstleistungen und das Verständnis der damit angesprochenen durchschnittlich erfahrenen, verständigen und informierten Verkehrskreise zu prüfen. Es könnten nicht generell bestimmte Begriffe vom Markenschutz ausgeschlossen werden. Im vorliegenden Fall würden die angesprochenen Endverbraucher und gewerblichen Abnehmer erkennen, daß das Zeichen für Waren angemeldet sei, die nicht in Geschäften neben Produkten zur Stimulierung oder Förderung der Sinnlichkeit angeboten würden. Auch gebe es in der Werbung für die beanspruchten Waren keinerlei Bezug zu "Erotik". Aus diesem Grund erwarte der Verkehr nicht, daß in Verbindung mit den angemeldeten Waren mit dem Markenwort geworben werde. Das Auftreten dieses Begriffs werde vielmehr Überraschung bzw. Nachdenklichkeit erzeugen, weil kein Anlaß bestehe, einen gedanklichen Zusammenhang zwischen dem angemeldeten Begriff und den Waren der Anmeldung herzustellen.

Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuhebenund regt an, im Falle der Zurückweisung der Beschwerde die Rechtsbeschwerde zuzulassen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist gemäß § 165 Abs 4 und Abs 5 Nr 1 MarkenG statthaft und zulässig. Sie ist auch begründet, weil für die beanspruchten Waren das von der Markenstelle angenommene Eintragungshindernis des Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG) nicht festgestellt werden kann und auch sonstige Schutzversagungsgründe nicht vorliegen.

Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfaßten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Die Rechtsprechung geht bei Wortmarken vom Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft in Fällen aus, in denen ein für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt der Marke anzunehmen ist oder das betreffende Wort aus anderen Gründen - etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - vom Verkehr nur in seiner ursprünglichen Bedeutung und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl zB BGH GRUR 2003, 1050 "Cityservice"). Diese Voraussetzungen sind bei der angemeldeten Marke "EROTIK" nicht erfüllt.

Allerdings ist die Markenstelle zutreffend davon ausgegangen, daß auch Zeichen, die die Waren der Anmeldung nicht unmittelbar beschreiben, die Unterscheidungskraft fehlen kann, denn von mangelnder Unterscheidungskraft kann auch bei nicht beschreibenden Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art auszugehen sein (vgl. BGH GRUR 2001, 1043, 1044 f. "Gute Zeiten - Schlechte Zeiten"; BGH GRUR 2002, 1070, 1071 "Bar jeder Vernunft"; vgl. auch EuGH GRUR Int 2004, 410, 412 (Nr. 19) "BIOMILD"; GRUR Int 2004, 500, 505 f (Nr. 69, 70, 86) "Postkantoor"). Jedoch ist die Unterscheidungskraft einer Marke stets zum einen in bezug auf die Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung der Marke beantragt worden ist, und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrskreise zu beurteilen, die sich aus den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern dieser Waren oder Empfängern dieser Dienstleistungen zusammensetzen (vgl. dazu etwa BGH aaO. "Gute Zeiten - Schlechte Zeiten"; aaO. "Cityservice"; EuGH GRUR Int 2004, 500, 504 f (Nr. 33, 71, 73) "Postkantoor"; EuGH GRUR 2004, 943, 944 (Nr. 23, 24) "SAT.2"; EuGH GRUR 2004, 1027, 1029 (Nr. 43) "DAS PRINZIP DER BEQUEMLICHKEIT"; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 8 Rn. 80, 90).

Es trifft zwar zu, daß auf vielen Waren- und Dienstleistungsgebieten - etwa bei Parfümerien, Kosmetika, Textilwaren usw. - mit der erotisierenden Wirkung der Produkte geworben wird und daß die Werbung häufig gezielt Assoziationen in Verbindung mit Luxus, beruflichem und privatem Erfolg, Schönheit, Jugend und sexueller Attraktivität hervorruft.

Für die beanspruchten Waren hält der Senat jedoch die angemeldete Marke "EROTIK" für hinreichend unterscheidungskräftig. "Ansatzstücke für Gasbrenner" und "Trinkwasserfilter" stellen technische Teile dar, die keinerlei erotische Eigenschaften aufweisen und die in keinerlei Zusammenhang mit dem Bereich der Sexualität und Erotik stehen. Bei diesen Waren kommt es den durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchern allein auf die technischen Funktionen und Eigenschaften an, von denen es abhängt, ob etwa Abmessungen, Gewinde, Druckfestigkeit, Durchlaßfähigkeit, Feinheit der Filterporen, Haltbarkeit zu den Geräten passen, an die die Teile angeschraubt oder in die sie eingefügt werden sollen. Die hier angemeldeten Waren werden darum ausschließlich nach technischen Gesichtspunkten ausgewählt und beworben. Assoziationen mit Erotik sind bereits in der Werbung für die Gerätegesamtheiten, für die die Ansatzstücke und Filter bestimmt sind, kaum vorstellbar. In Verbindung mit den von der Anmeldung betroffenen speziellen Einzelteilen gibt es hierfür überhaupt keinen Anhaltspunkt. Damit ist hier die Ausgangslage anders als im Fall BPatG 29 W (pat) 29/01, wo ein - teilweise entfernterer - Zusammenhang der Waren und Dienstleistungen mit "Erotik" nicht auszuschließen war und der zuständige Senat in seinem Beschluß zwar nicht von einer beschreibenden Bedeutung, aber doch vom Verständnis dieses Begriffs im Sinne eines Sachhinweises ausgegangen war.

Weiterhin sind die rechtspolitischen Grundlagen des Eintragungshindernisses der fehlenden Unterscheidungskraft in die rechtliche Beurteilung einzubeziehen. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind sämtliche absoluten Schutzhindernisse im Lichte des ihnen jeweils zugrundeliegenden Allgemeininteresses auszulegen. Dieser Auslegungsgrundsatz ist auch bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft zu berücksichtigen (vgl zB EuGH GRUR 2003, 604, 607 f (Nr 44-60) "Libertel"; GRUR Int 2004, 631, 634 (Nr 44 - 48) - "Dreidimensionale Tablettenform I"; EuGH GRUR 2004, 943, 944 (Nr. 25) "SAT.2"). Hierbei besteht die rechtspolitische Grundlage der Regelung des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG darin, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopolen zu bewahren (s dazu Hacker, GRUR 2001, 630 ff). Nur soweit ein Zeichen zur Erfüllung der Herkunftsfunktion geeignet ist, besteht eine Rechtfertigung dafür, die allgemeine Wettbewerbsfreiheit dadurch einzuschränken, daß die betreffende Angabe der ungehinderten Verwendung vorenthalten und zugunsten eines einzelnen monopolisiert wird. Wenn eine Marke die Herkunftsfunktion nicht erfüllen kann, darf sie nicht der freien Verwendbarkeit entzogen und Gegenstand eines Ausschließlichkeitsrechts werden (vgl GRUR Int 2004, 631, 634 (Nr 44-48) "Dreidimensionale Tablettenform I"). Insoweit dient auch § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG letztlich einem allgemeinen Freihaltungsinteresse (vgl Hacker, GRUR 2001, 630, 632 ff). Diese Zielrichtung des Gesetzes kann und muß vor allem in Zweifelsfällen bei der Auslegung der Vorschrift beachtet werden (vgl BPatG GRUR 2004, 333, 334 "ZEIG DER WELT DEIN SCHÖNSTES LÄCHELN"). Das bedeutet keine systemwidrige Beeinflussung der gesetzlichen Voraussetzungen und Anforderungen der Unterscheidungskraft und auch keine unzulässige Vermischung der Tatbestände des § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG (vgl hierzu BGH GRUR 2000, 231, 232 "FÜNFER"; GRUR 2002, 64, 65 "INDIVIDUELLE"). Vielmehr handelt es sich um eine an der rechtspolitischen Zielrichtung des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG orientierte Auslegungshilfe bei der Anwendung der betreffenden Vorschrift (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944 (Nr. 25) "SAT.2"). Im vorliegenden Fall bestätigen diese Erwägungen die Annahme der Unterscheidungskraft, weil keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß eine Monopolisierung der Marke "EROTIK" in bezug auf die hier beanspruchten Waren wesentliche Interessen der Allgemeinheit beeinträchtigen könnte.

Aus den dargestellten Gründen kann diese Bezeichnung auch nicht als freihaltungsbedürftige beschreibende Angabe im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG bewertet werden.

Somit ist der Beschwerde der Anmelderin stattzugeben und der angefochtene Beschluß aufzuheben.

Dr. Ströbele Dr. Hacker Guth Bb






BPatG:
Beschluss v. 21.12.2004
Az: 24 W (pat) 15/04


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