Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. April 2007
Aktenzeichen: 27 W (pat) 75/06

(BPatG: Beschluss v. 16.04.2007, Az.: 27 W (pat) 75/06)

Tenor

Der Antrag der Beschwerdegegnerin, der Beschwerdeführerin die Kosten aufzuerlegen, wird zurückgewiesen.

Gründe

I Die Widersprechende hat gegen die am 15. Oktober 1998 veröffentlichte Eintragung der am 20. Juni 1998 angemeldeten, für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 5, 9 und 42 geschützten Marke Nr. 398 34 424 Widerspruch eingelegt aus ihren Marken Nr. 961 440, seit 8. August 1977 eingetragen für Waren der Klasse 9, sowie Nr. 991 567, seit 10. Oktober 1979 eingetragen für Dienstleistungen der Klasse 38.

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit zwei Beschlüssen vom 21. Februar 2002 und 9. Mai 2006, von denen einer im Erinnerungsverfahren erging, die Widersprüche zurückgewiesen.

Die Widersprechende hat ihre hiergegen gerichtete Beschwerde, mit der sie sich vorrangig gegen die Auffassung der Markenstelle gewandt hat, die Widerspruchsmarken besäßen keine gesteigerte Kennzeichnungskraft und die gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen seien unähnlich, unmittelbar vor dem auf ihren Hilfsantrag anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung am 27. März 2007 zurückgenommen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat im Beschwerdeverfahren um Kostenauferlegung mit der Begründung gebeten, dass die Widersprechende bis heute die von ihr behauptete erhöhte Kennzeichnungskraft nicht nachgewiesen und seit 1999 versucht habe, das Verfahren zu verzögern.

Sie beantragt, der Beschwerdeführerin die Kosten aufzuerlegen.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den Antrag auf Kostenauferlegung zurückzuweisen.

II Der Antrag der Inhaberin der angegriffenen Marke auf Kostenauferlegung, über den nach Rücknahme der Widersprüche gem. § 71 Abs. 1 und 3 MarkenG zu befinden ist, ist unbegründet. Dies kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, nachdem lediglich die Widersprechende einen Hilfsantrag auf Anberaumung derselben gestellt hat.

Nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG, der auch im Falle einer Widerspruchs- oder Beschwerderücknahme anzuwenden ist (§ 71 Abs. 3 MarkenG), können einem Beteiligten die Verfahrenskosten nur auferlegt werden, wenn dies der Billigkeit entspricht. Ein Billigkeitsgrund besteht dabei nur, wenn besondere Umstände ein Abweichen von der gesetzgeberischen Grundentscheidung des § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG, demzufolge die Beteiligten die ihnen erwachsenen Kosten selbst tragen, rechtfertigen. Solche besonderen Umstände bestehen vorliegend nicht.

Die für eine Billigkeitsentscheidung erforderlichen Umstände liegen dabei selbst dann nicht vor, wenn ein Rechtsmittel keinen Erfolg hatte (vgl. BGH GRUR 1972, 600, 601 - Lewapur). Eine Beurteilung dieser Frage ist hier schon deshalb nicht möglich, weil die Widersprechende ihre Widersprüche zurückgenommen hat und so einer Sachentscheidung den Boden entzogen hat. Es verbietet sich aber auch eine Beurteilung der Rechtslage nur im Rahmen einer bloßen Kostenentscheidung, weil dies der Rechtsfolge der Rücknahme des Widerspruchs oder der Beschwerde zuwiderlaufen würde.

Ungeachtet dessen käme auch in einem solchen Fall eine Kostenauferlegung nur in Betracht, sofern ein Beteiligter gegen seine prozessualen Sorgfaltspflichten verstößt, etwa indem er versucht, in einer nach allgemein anerkannten Beurteilungsgrundsätzen aussichtslosen Situation sein Interesse an dem Erhalt oder dem Erlöschen des Markenschutzes durchzusetzen (vgl. BPatGE 12, 238, 240 - Valsette/Garsette). Die gesetzliche Grundregel beansprucht auch für Verfahren mit unsicherem Verfahrensausgang Geltung und darf nicht durch eine rückblickende Aussichtenprüfung zu weit relativiert werden (so zutr. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 71 Rn. 16), zumal es dem grundgesetzlich verbürgten Recht jedes Beteiligten auf gerichtliche Kontrolle (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) entspricht, auch bislang anerkannte Rechtsprechungsgrundsätze zur erneuten gerichtlichen Überprüfung zu stellen. Ein Verstoß gegen prozessuale Sorgfaltspflichten liegt also nur vor, wenn der Schluss naheliegt, dass ein Beteiligter mit seinem Verhalten verfahrensfremde Ziele, wie Verzögerung einer Entscheidung oder Behinderung der Gegenseite, verfolgt; dies gilt auch bei einer nach bisherigen Rechtsgrundsätzen aussichtslosen Beschwerde oder Verteidigung der angegriffenen Marke (vgl. Ingerl/Rohnke, a. a. O.).

Dass die Widersprechende mit ihrer Rechtsverfolgung verfahrensfremde Ziele verfolgt habe, hat jedoch weder die Inhaberin der angegriffenen Marke vorgetragen noch ist dies anderweitig ersichtlich. Der bloße Hinweis der Inhaberin der angegriffenen Marke auf eine (angeblich) infolge zahlreicher Fristverlängerungsgesuche bewirkte Verfahrensverzögerung rechtfertigt eine Kostenüberbürdung nicht, zumal keine Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass die Widersprechende solche Fristverlängerungen nur in bloßer Behinderungsabsicht gestellt hat; vielmehr ergibt sich aus den Verlängerungsgesuchen selbst und auch aus der Begründung der Widersprechenden bei ihrer Widerspruchsrücknahme, dass dies vorrangig mit dem Ziel erfolgte, eine einvernehmliche Lösung, auch im Hinblick auf bedeutend kostenträchtigere Verfahren vor anderen Foren, zu erreichen; ein solcher Versuch ist aber als solches keinesfalls verfahrensfremd.

Da auch sonstige Gründe für eine Billigkeitsentscheidung nach § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG nicht erkennbar sind, war der Antrag des Beschwerdegegners zurückzuweisen.






BPatG:
Beschluss v. 16.04.2007
Az: 27 W (pat) 75/06


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