Bundespatentgericht:
Beschluss vom 21. September 2011
Aktenzeichen: 29 W (pat) 40/09

(BPatG: Beschluss v. 21.09.2011, Az.: 29 W (pat) 40/09)

Tenor

1. Der Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patentund Markenamts vom 31. August 2009 wird aufgehoben, soweit der Löschungsantrag zurückgewiesen wurde für die Ware der Klasse 28: Spielzeug.

Insoweit wird das DPMA angewiesen, die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beschwerdegegnerin und Löschungsantragsgegnerin ist Inhaberin des Wortzeichens "Kaleido". Dieses ist am 28. August 2006 angemeldet und unter der Nummer 306 52 708 als Marke in das beim Deutschen Patentund Markenamt (DPMA) geführte Register am 28. Februar 2007 eingetragen worden für die Waren und Dienstleistungen der Klasse 16: Lehrund Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate);

Klasse 28: Spiele, Spielzeug;

Klasse 35: Bestellannahme, Lieferauftragsservice und Rechnungsabwicklung, auch im Rahmen von ecommerce.

Am 21. August 2008 wurde beim DPMA von der Beschwerdeführerin die Löschung der Marke "Kaleido" beantragt. Zur Begründung hat sie angeführt, dass der Marke, die nur für ein Kinderkaleidoskop benutzt werde, sowohl die erforderliche Unterscheidungskraft zum Eintragungszeitpunkt gefehlt habe als auch ein erhebliches Freihaltebedürfnis bestanden habe. Der Begriff "Kaleido" sei eine Abkürzung sowie eine in der Umgangssprache übliche Verkürzung der vollständigen Sachbezeichnung "Kaleidoskop" und daher für die geschützten Waren der Klasse 28, die auch Kaleidoskope umfassten, glatt beschreibend.

Die Beschwerdegegnerin und Markeninhaberin hat dem Löschungsantrag widersprochen und die Auffassung vertreten, bei der Bezeichnung "Kaleido" handele es sich weder um eine übliche Abkürzung, noch um eine charakteristische Verkürzung des Begriffs "Kaleidoskop", sondern vielmehr um eine individualisierende Abweichung von der üblichen Ausdrucksweise.

Das DPMA hat mit Beschluss der Markenabteilung 3.4 vom 31. August 2009 den Löschungsantrag mit der Begründung zurückgewiesen, die Bezeichnung "Kaleido" sei ungewöhnlich und beschreibe keine Eigenschaften der angemeldeten Waren und Dienstleistungen. Bei dem Ausdruck "Kaleido" handele es sich nicht um das gängige Kurzwort oder die geläufige Abkürzung von "Kaleidoskop". "Kaleido" sei lexikalisch nicht nachweisbar (Anlagen A 4 u. A 5 zum angefochtenen Beschluss, Bl. S. 36 f. VA) und werde für Kraftfahrzeuge und Uhren, aber auch im Bereich von Spielzeug und Freizeitartikeln kennzeichenmäßig benutzt, wie eine Internetrecherche ergeben habe (Anlagen A 1 -A 3 zum angefochtenen Beschluss, Bl.

S. 33 bis S. 35 VA). Mit "Kaleidoskop" vergleichbar gebildete Wörter, wie z. B. "Endoskop", "Horoskop", "Teleskop" oder "Stethoskop", würden nicht auf "Endo", "Horo", "Tele" oder "Stetho" verkürzt. Vielmehr entstehe durch das Weglassen der Endung "skop" ein eigenständiger Begriff, der sich so deutlich von der jeweiligen Sachangabe abhebe, dass die Abwandlung nicht unbemerkt bleibe. Dementsprechend habe das Bundespatentgericht den Bezeichnungen "EUROP" als Abwandlung von "europäisch" (27 W (pat) 7/01), "Flexo" als Abwandlung von "flexibel" (28 W (pat) 53/04) oder "TRENDSET" als Abwandlung von "Trendsetter" (33 W (pat) 268/01) eine hinreichende Unterscheidungskraft zugebilligt. "Kaleido" werde daher überwiegend als Kunstwort aufgefasst. Um es als einen Hinweis auf ein "Kaleidoskop" aufzufassen, sei eine gewisse gedankliche Übertragungsleistung erforderlich. Wegen der Interpretationsbedürftigkeit und der phantasievollen Wortbildung bestehe ungeachtet der beschreibenden Anklänge auch kein Freihaltungsbedürfnis.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Löschungsantragstellerin, mit der sie sinngemäß beantragt, den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des DPMA vom 31. August 2009 aufzuheben, soweit der Löschungsantrag für die Ware "Spielzeug" in Klasse 28 zurückgewiesen wurde.

Mit ihrer Beschwerde verfolgt sie ihren Löschungsantrag in Bezug auf die in Klasse 28 enthaltenen Kinderkaleidoskope, die unter den Oberbegriff "Spielzeug" fallen, weiter. Sie ist der Ansicht, es reiche nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG aus, dass das Kurzwort "Kaleido" als Bezeichnung für Kaleidoskope dienen könne. Solche Verkürzungen seien umgangssprachlich üblich, ohne lexikalisch nachweisbar zu sein, wie zahlreiche Beispiele zeigten ("Foto" für "Fotoapparat", "Tele" für "Teleobjektiv", "Makro" für "Makroobjektiv", "Schoko" für "Schokolade" und "Mikro" für "Mikrofon", Anlagen AS 1 -AS 8, Bl. 35 -45 GA). Sie bestreitet, dass die Bezeichnung "Kaleido" umfangreich für Kraftfahrzeuge und Uhren, aber auch im Bereich von Spielzeug und Freizeitartikeln benutzt werde. Zudem erfolge eine kennzeichenmäßige Benutzung für Kraftfahrzeuge und Uhren gerade deshalb, weil der Begriff in diesem Bereich gerade nicht glatt beschreibend sei. Für die Ware "Kaleidoskop" sei die Bezeichnung aber ein reiner, nicht markenfähiger Sachbegriff.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertritt die Auffassung, "Kaleido" sei kein umgangssprachlich gebräuchliches Kurzwort für "Kaleidoskop". "Tele" sei zwar die Abkürzung für "Teleobjektiv", aber nicht für "Teleskop". "Mikro" sei zwar die Verkürzung von "Mikrofon", aber nicht von "Mikroskop". Abkürzungen würden also nicht mit "skop" ergänzt und Begriffe mit der Endung "skop" würden nicht abgekürzt.

Nach der mündlichen Verhandlung vom 25. Mai 2011 -insoweit wiederum im schriftlichen Verfahren -wurden der Beschwerdegegnerin mit Schreiben des Senats vom 8. Juli 2011 Unterlagen aus der Linguistik sowie entsprechende Fundstellen dazu mitgeteilt, dass die Auffassung der Sprachteilnehmer beim Wahrnehmen eines nicht ganz vollständigen oder unrichtig geschriebenen Wortes jederzeit dahin gehe, diejenige Ergänzung des Wortes vorzunehmen, die in Bezug auf das angesprochene Thema wegen der Häufigkeit seines Vorkommens in der Sprache nahe liege (Bl. 123, 124 GA). Der Senat teilte mit, dass er auf dieser Grundlage an der Schutzfähigkeit der Marke zweifle.

Darauf nahm die Beschwerdegegnerin mit Schriftsatz vom 1. September 2011 erneut Stellung und beantragte über den bisher gestellten Antrag der Zurückweisung der Beschwerde hinaus die Zulassung der Rechtsbeschwerde. Sie verweist auf die umfangreiche Verwendung von "Kaleido" in kennzeichenmäßiger Art, zweifelt ander Bekanntheit der englischen Abkürzung "kaleido" für "kaleidoscope" und beziehtsich auf bereits erfolgte Eintragungen in England vonund "KALEIDO CUBE".

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die angegriffene Marke ist entgegen der Ansicht der Markenabteilung 3.4. für die noch beschwerdegegenständliche Ware "Spielzeug" in Klasse 28 zu löschen, weil sie insoweit entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG eingetragen worden ist und das Schutzhindernis auch heute noch besteht.

1. Nach § 50 Abs. 1 MarkenG ist eine Marke zu löschen, wenn sie entgegen §§ 3, 7 oder 8 MarkenG eingetragen worden ist. Im Falle eines Eintragungshindernisses nach § 3, 7 oder 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 9 MarkenG muss dieses noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde fortbestehen (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG). Ferner kann bei einem Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 oder 3 MarkenG eine Löschung nur erfolgen, wenn der Löschungsantrag, der von jedermann gestellt werden kann (§ 54 Abs. 1 Satz 2 MarkenG), innerhalb von 10 Jahren seit dem Tag der Eintragung gestellt worden ist (§ 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG).

a) Der am 21. August 2008 beim DPMA eingegangene Löschungsantrag ist innerhalb der seit dem 28. Februar 2007 laufenden Zehnjahresfrist gestellt worden.

b) Die Antragsgegnerin hat dem ihr am 10. September 2008 per Einschreiben übersandten Löschungsantrag fristgerecht mit am 8. Oktober 2008 beim DPMA eingegangenen Schriftsatz widersprochen.

2. Die Löschung ist wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß §§ 54, 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG geboten.

a) Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Waren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (EuGH GRUR 2008, 608, 611 Rdnr. 66 f. -EUROHYPO; BGH GRUR 2010, 825, 826 Rdnr. 13 -Marlene-Dietrich-Bildnis II; 935 Rdnr. 8 -Die Vision; GRUR 2006, 850, 854 Rdnr. 18 -FUSSBALL WM 2006). Denn die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2006, 233, 235 Rdnr. 45 -Standbeutel; 229, 230 Rdnr. 27 -BiolD; a. a. O. Rdnr. 66 -EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710 Rdnr. 12 -VISAGE; GRUR 2009, 949 Rdnr. 10 -My World; a. a. O. -FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 -BerlinCard;). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu überwinden (BGH a. a. O. -Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2009, 411 Rdnr. 8 -STREETBALL; 778, 779 Rdnr. 11 -Willkommen im Leben; 949 f. Rdnr. 10 -My World; a. a. O. -FUSSBALL WM 2006). Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der beteiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen ist (EuGH GRUR 2006, 411, 412 Rdnr. 24 -Matratzen Concord/Hukla; GRUR 2004, 943, 944 Rdnr. 24 -SAT 2; BGH a. a. O. -FUSSBALL WM 2006). Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004, 428, 431 Rdnr. 53 -Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 -marktfrisch; MarkenR 2000, 420, 421 -RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Ausgehend hiervon besitzen Wortmarken dann keine Unterscheidungskraft, wenn ihnen die maßgeblichen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, 678 Rdnr. 86 -Postkantoor; BGH GRUR 2009, 952, 953 Rdnr. 10 -DeutschlandCard; a. a. O. 854 Rdnr. 19 -FUSSBALL WM 2006; GRUR 2005, 417, 418 -BerlinCard; a. a. O. -marktfrisch; GRUR 2001, 1153 -anti KALK) oder wenn diese aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer geläufigen Fremdsprache bestehen, die -etwa wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung oder in den Medien -stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden (vgl. u. a. BGH a.

a. O. -FUSSBALL WM 2006; GRUR 2003, 1050, 1051 -Cityservice; GRUR 2001, 1043, 1044 -Gute Zeiten -Schlechte Zeiten). Darüber hinaus besitzen keine Unterscheidungskraft vor allem auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH a.

a. O. 855 Rdnr. 28 f. -FUSSBALL WM 2006). Dabei gilt, dass je bekannter der beschreibende Begriffsgehalt für die Waren oder Dienstleistung ist, desto eher wird er auch nur als solcher erfasst, wenn er im Zusammenhang mit der Kennzeichnung der Ware oder Dienstleistung in Erscheinung tritt (BPatG GRUR 2007, 58, 60 -BuchPartner). Hierfür reicht es aus, dass ein Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR 2004, 146, 147 f. Rdnr. 32 -DOUBLE MINT; 674, 678 Rdnr. 97 -Postkantoor; 680, 681 Rdnr. 38 -BIOMILD; GRUR 2003, 58, 59 Rdnr. 21 -Companyline).

b) Die angegriffene Marke hat für die von dem in Klasse 28 eingetragenen Oberbegriff "Spielzeug" umfassten "Kaleidoskope" nur einen im Vordergrund stehenden, beschreibenden Begriffsinhalt.

aa) Der Begriff "Kaleido" ist in der deutschen Sprache weder als Wort noch als Abkürzung lexikalisch nachweisbar (Anlagen A 4 u. A 5 zum angefochtenen Beschluss, Bl. S. 36 f. VA; http://wortschatz.unileipziq.de; http://www.zeit.de). Er ist aus den griechischen Wörtern "kal—s" für "schön, gut" und "eidos" für "Aussehen, Form, Gestalt, Bild" zusammengesetzt (Duden -Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM]; Kytzler/Redemund/Eberl, Unser tägliches GRIECHISCH, 2002, S. 470) und bedeutet "schöne Form, schöne Gestalt oder schönes Bild". Die Bedeutung dieser Bezeichnung ist in ihrer Alleinstellung nicht sehr bekannt.

bb) Aber in Bezug auf die Ware "Kaleidoskop" werden die angesprochenen breiten Verkehrskreise die Kennzeichnung "Kaleido" nur als verkürzte Beschreibung der Ware selbst verstehen. Das aus dem Griechischen stammende Wort "Kaleidoskop", bei dem "Kaleido" um "skop" von "skopos" für "jemand, der genau hinschaut; Aufseher, Späher" ergänzt wird, bedeutet "Schönbildschauer" und ist ein fernrohrähnliches Spielzeug, bei welchem sich beim Drehen bunte Glassteinchen zu verschiedenen Mustern und Bildern anordnen (Kytzler/Redemund/Eberl, a. a. O.; Duden -Deutsches Universalwörterbuch, a. a. O.; http://de.wikipedia.org/wiki/Kaleidoskop; Duden -Das Fremdwörterbuch, 9. Aufl. 2007 CD-ROM]). Dieses optische Gerät ist fast allen Menschen aus der Kindheit bekannt. Da "Kaleido" in der deutschen Sprache ausschließlich im Begriff "Kaleidoskop" vorkommt (PONS -Die deutsche Rechtschreibung, 2009, S. 525; Duden -Deutsches Universallexikon, 6. Aufl. 2006, S. 918; WAHRIG -Deutsches Wörterbuch, 8. Aufl. 2006, S. 802), wird demgemäß zur Überzeugung des Senats von den angesprochenen Verkehrskreisen mit dem Wort "Kaleido" ausschließlich ein "Kaleidoskop" in Verbindung gebracht. Hinzu kommt, dass der fast gleich lautende und fast gleich geschriebene englischsprachige Begriff "kaleidoscope" mit "kaleido" abgekürzt wird (Stahl/Kerchelich, Abbreviations Dictionary, 2001, S. 573; http://www.kaleidoscopestudios.com/kits_kaleidoglass.php) und dass diese Abkürzung auch im deutschen Sprachraum tatsächlich für Kaleidoskope bzw. dessen spezifische Eigenschaften benutzt wird. So wird mit "Kaleido" ein Programm (sog. App) mit einem digitalen Kaleidoskop für Smartphones bezeichnet (http://www.3gapps.de/kaleido). Geräte, die einen Kaleidoskop-Effekt mit bewegenden Mustern projizieren, werden mit dem Zusatz "Kaleido" benannt (JBSYSTEMS MINI KALEIDO oder JBSYSTEMS KALEIDO, http://www.musiktirol.com/kaleido). Auch zur Bezeichnung eines Kaleidoskops wird der Begriff "Kaleido" benutzt (Circus Kaleido, http://www.imaqinarium.de/49895/ecommerce 1/49895; http://www.kaleidoskopiashop.com). Bei "Kaleido" handelt es sich also um eine Abwandlung, die zwar als solche wahrgenommen wird, in welcher der Verkehr aber ohne weiteres die ihm geläufige sachbezogene oder werbeübliche Angabe für "Kaleidoskop" wiedererkennt (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 8 Rdnr. 115), zumal die Abwandlung nur geringfügig ist (Fezer, Markenrecht, 4. Aufl., § 8 Rdnr. 68). "Kaleido" kann sich in der deutschen Sprache stets nur auf "Kaleidoskop" beziehen. Wenn also ein solches optisches Gerät mit diesem Kurzwort bezeichnet wird, wird der Verkehr diese Bezeichnung nicht als Herkunftshinweis, sondern nur als verkürzte Sachangabe verstehen. Der Verkehr muss dazu keine Interpretationsbemühungen anstellen. Das Fehlen der Endsilbe "-skop" schaltet weder den allgemein bekannten warenbeschreibenden Charakter von "Kaleidoskop" aus, noch kommt der Verkürzung eine ungewöhnliche Eigenart zu. Diese Ansicht des Senats wird auch gestützt durch die Erkenntnisse der Linguistik im Rahmen der sog. Assoziationstheorie, wonach der Wahrnehmungsund Verständnishorizont der Hörenden und Sehenden bei Fehlern des Wortes, aber auch bei Fehlen von Wortteilen darauf ausgerichtet ist, das Wort in der Weise zu ergänzen, wie es sehr häufig in der Allgemeinsprache vorkommt und in Bezug auf den im Kontext vorgegebenen Sinn -hier in Bezug auf die beanspruchte Ware "Spielzeug" -bekannt ist. Diese linguistischen Erkenntnisse der sog. Assoziationstheorie oder Prototypentheorie bestanden auch schon zum Zeitpunkt der Anmeldung und Eintragung der Marke in den Jahren 2006 und 2007.

Demgegenüber rechtfertigt der Umstand, dass die ebenfalls mit der Endung "skop" gebildeten Wörter "Endoskop", "Horoskop", "Teleskop" oder "Stethoskop" in der Umgangssprache nicht auf "Endo", "Horo", "Tele" oder "Stetho" verkürzt werden, keine andere Beurteilung. Denn entweder können die Kurzworte im Gegensatz zu "Kaleido" für mehrere mögliche Begriffe stehen, wie z. B. "Endo" auch für "Endocarditis", "Endodermis" "Endokrinologe", "Endomorphose" oder "Endoplasma" sowie "Tele" für "Teleobjektiv". Die Sachlage kann aber auch mit derjenigen bei "Kaleido" vergleichbar sein, wie bei den Begriffen "Horoskop" und "Stethoskop". Denn "Horo" und "Stetho" kommen in der deutschen Sprache ausschließlich in den Begriffen "Horoskop" und "Stethoskop" vor (PONS -Die deutsche Rechtschreibung, a. a. O., S. 492 u. 895; Duden -Deutsches Universallexikon, a. a. O., S. 850 u. 1613). Der fast identische englischsprachige Begriff "horoscope" wird sogar mit "horo" abgekürzt (Stahl/Kerchelich, a. a. O., S. 486).

Zu einer anderen Entscheidung sieht sich der Senat mangels Vergleichbarkeit auch nicht durch die vom DPMA angeführten Entscheidungen des Bundespatentgerichts veranlasst. Für die beanspruchten Waren aus dem Bodenbelagsbereich konnte das angemeldete Zeichen "TRENDSET" als noch ausreichend phantasievolle Abwandlung des Ausdrucks "Trendsetter" angesehen werden (BPatG 33 W (pat) 268/01 -TRENDSET), während "Kaleido" für Kaleidoskope keine originelle Abkürzung darstellt. Im Gegensatz zu "Kaleido" für Kaleidoskope fehlt es bei der Wortmarke "EU-ROP" an einer hinreichend eindeutigen Bedeutung im Sinne von "europäisch" oder "Europa" (BPatG 27 W (pat) 7/01 -EUROP). Die Wortmarke "Flexo" unterscheidet sich von der beschreibenden Sachangabe "flexibel" und dessen Abkürzung "flex." durch das markante "o" (BPatG 28 W (pat) 53/04 -Flexo), während bei "Kaleido" eine solche Verfremdung nicht vorliegt.

Die angemeldete Bezeichnung enthält daher in Bezug auf Kaleidoskope lediglich einen beschreibenden Sachhinweis auf die Ware selbst und ist daher als Herkunftshinweis nicht geeignet.

c) Die beiden Voreintragungen im englischen Register sind nicht geeignet, das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG auszuräumen. Die Wort-Bildmarkeist schon deshalb nicht vergleichbar, weil sich ihre Unterscheidungskraft bereits aus der grafischen Ausgestaltung ableiten lässt. Aber selbst wenn diese und die Wortmarke "KALEIDO CUBE" vergleichbar wären, könnten daraus keine Schlussfolgerungen gezogen werden. Denn weder die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union auf der Grundlage des harmonisierten Markenrechts noch die vom Harmonisierungsamt aufgrund der Gemeinschaftsmarkenverordnung getroffenen Entscheidungen über absolute Eintragungshindernisse sind für nachfolgende Verfahren in anderen Mitgliedstaaten verbindlich (EuGH GRUR 2004, 428, 432, Nr. 63 -Henkel; GRUR 2004, 674 Rdnr. 43 f. -Postkantoor). Sie vermögen nicht einmal eine Indizwirkung zu entfalten (BGH GRUR 2009, 778, 779 Rdnr. 18 -Willkommen im Leben).

d) Da dem Anmeldezeichen für "Kaleidoskope" die erforderliche Unterscheidungskraft fehlt und "Kaleidoskope" unter den eingetragenen Warenoberbegriff "Spielzeug" fallen, ist dieser insgesamt zu löschen. Denn die Eintragung eines Zeichens für einen beanspruchten Oberbegriff ist bereits dann zu löschen, wenn sich auch nur für eine spezielle, unter den Oberbegriff fallende Ware ein Eintragungshindernis ergibt (vgl. BGH WRP 2002, 91, 92 f. -AC).

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen entsprechend dem Antrag der Beschwerdegegnerin auf der Grundlage von § 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Die Einbeziehung von linguistischen Erkenntnissen in die Sachverhaltsermittlung des Senats ist eine grundsätzliche Rechtsfrage.

Grabrucker Kortge Dorn Cl






BPatG:
Beschluss v. 21.09.2011
Az: 29 W (pat) 40/09


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