Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 18. Februar 2010
Aktenzeichen: 4 U 158/09

(OLG Hamm: Urteil v. 18.02.2010, Az.: 4 U 158/09)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25. Juni 2009 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

A.

Der Kläger macht gegen die Beklagte Kosten für die Rechtsverteidigung gegen eine Abmahnung in Höhe von 911,80 € geltend.

Mit Abmahnung vom 09.07.2008 mahnte die Beklagte den Kläger ohne anwaltliche Vertretung wegen ihrer Ansicht nach irreführender und behindernder Werbung auf einem Werbebanner an der Außenfassade des Gebäudes "B" und auf Einkaufstüten ("T") ab.

Wegen der Einzelheiten dieser Darstellungen wird auf die vorgelegten Kopien Anl . B 1 und K 5 Bezug genommen.

Nach einem Gespräch zwischen den Parteien und nach dem Ausbleiben einer Stellungnahme der Beklagten mahnte der Kläger die Beklagte ohne die Beanspruchung eines Anwalts mit Schreiben vom 18.07.2008 erneut ab. Hierauf reagierte der Kläger mit anwaltlichen Schreiben vom 23.07.2008 und 25.07.2008. Ein wettbewerbswidriges Verhalten stellte er in Abrede. Die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung wurde verweigert. Nach weiterer Korrespondenz ließ die Beklagte den Kläger nunmehr durch Schreiben vom 01.08.2008 anwaltlich abmahnen und stellte ihr insoweit Anwaltsgebühren von netto 911,80 € in Rechnung. In der Folgezeit wurden die von der Beklagten reklamierten Unterlassungsansprüche nicht weiter verfolgt.

Mit Schreiben vom 08.09.2008 forderte der Kläger die Beklagte wegen der Inanspruchnahme seines Anwalts zur Kostenerstattung in Höhe von 911,80 € auf. Die Beklagte wies die Forderung mit Schreiben vom 16.09.2008 zurück.

Der Kläger hat gemeint, die Abmahnung der Beklagten sei unberechtigt gewesen. Deshalb könne er Ersatz der ihm entstandenen Anwaltskosten sowie weitere 130,50 € für eine außergerichtliche Erstattungsaufforderung beanspruchen. Die von der Beklagten erhobenen Vorwürfe eines wettbewerbswidrigen Verhaltens seinen unbegründet gewesen.

Die Beklagte hat die Zahlung der in Rechnung gestellten Gebühren durch den Kläger an seine Anwälte bestritten und gemeint, dass die geltend gemachten Verteidigungskosten in Bezug auf die Abmahnung nicht erstattungsfähig seien. Es bestehe kein solcher Anspruch. Diese Aufwendungen seien auch nicht erforderlich gewesen. Die Beklagte hat ferner Einrede der Verjährung erhoben und hilfsweise gegen die Klageforderung die Aufrechnung mit den ihr durch die Abmahnung entstandenen Anwaltskosten erklärt, letzteres mit der Begründung, der Kläger habe sich gemäß §§ 3; 4 Nrn. 7, 8 und 10; 5 II Nr. 3 UWG wettbewerbswidrig verhalten.

Das Landgericht hat die Beklagte aus § 678 BGB zur Zahlung der geltend gemachten Anwaltskosten von 911,80 € sowie der Kosten von 130,50 € für die vorprozessuale Erstattungsaufforderung verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Beklagte habe mit der Abmahnung ein fremdes Geschäft ohne Auftrag für den Kläger besorgt. Die Abmahnung habe mit dem mutmaßlichen Willen des Klägers als Geschäftsherrn in Widerspruch gestanden, da sie unbegründet gewesen sei. Dies habe die anwaltlich vertretene Beklagte erkennen können. Der Beklagten habe ein Unterlassungsanspruch nicht zugestanden. Der Kläger habe nicht unlauter gehandelt. Die Beauftragung seines Anwalts sei zur Rechtsverteidigung gegen die Abmahnung erforderlich gewesen. Der Kläger habe sich aufgrund der Schreiben der Gegenseite herausgefordert fühlen dürfen, selbst aus Gründen der Waffengleichheit ebenfalls anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Der Klageanspruch sei auch durchsetzbar und nicht nach § 11 UWG verjährt. § 678 BGB sei eine eigenständige tatbestandliche Regelung, für die die §§ 195, 199 BGB gelten würden. Die dreijährige Verjährungsfrist sei noch nicht abgelaufen gewesen. Da der Beklagten kein Anspruch im Sinne der Abmahnung zugestanden habe, sei der Klageanspruch nicht durch die von der Beklagten hilfsweise erklärte Aufrechnung mit einem Erstattungsanspruch aus § 12 I 2 UWG erloschen.

Wegen des Sachverhalts in erster Instanz und der näheren Begründung wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, den Berichtigungsbeschluss vom 15.10.2009 und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Die Beklagte wehrt sich hiergegen mit der von ihr eingelegten Berufung. Sie weist darauf hin, dass sie - insoweit unstreitig - zunächst anwaltlich noch nicht vertreten gewesen sei und der Kläger auf ihr Schreiben vom 18.07.2008 erstmals mit anwaltlichem Schreiben vom 23.07.2008 reagiert habe. Die Beklagte rügt insoweit, dass das Landgericht bei der Entscheidung von einem falschen Sachverhalt ausgegangen sei. Sie macht alsdann geltend, dass dem Kläger kein Schaden entstanden sei, dass das Verhalten des Klägers entgegen der Annahme des Landgerichts wettbewerbswidrig gewesen sei, ferner, dass keine Anspruchsgrundlage für geltend gemachten Schadensersatzanspruch für die (Gegen-) Abmahnung existiere, die entsprechenden Anspruchsvoraussetzungen nicht vorlägen und dass jeglicher Anspruch des Klägers jedenfalls nach § 11 UWG verjährt wäre.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist darauf, dass dem anwaltlichen Abmahnschreiben vom 01.08.2008 eine umfangreichere Unterlassungserklärung beigefügt worden sei als dem früheren Schreiben der Beklagten vom 09.07.2008, dem dann auch die anwaltliche Gebührenrechnung beigefügt gewesen sei. Hierauf habe er dann nochmals reagieren müssen. In Anbetracht dieser Geschehensabläufe habe die Beklagte durch ihr Verhalten veranlasst, dass er, der Kläger, zulässigerweise anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen habe. Da das Begehren der Beklagten auf Unterlassung und Zahlung unberechtigt gewesen sei, habe sie ihm die ihm entstandenen Rechtsanwaltskosten zu ersetzen. Die dem Kläger entstandenen Anwaltskosten seien tatsächlich auch gezahlt worden. Entsprechender Kontoauszug wird vom Kläger als Anl. BB 3 vorgelegt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

Der Kläger kann von ihr weder aus § 678 BGB noch aus anderen Rechtsgründen.

die Zahlung der streitgegenständlichen Verteidigungskosten verlangen.

Anders als vom Landgericht angenommen gibt es hierfür keine Anspruchsgrundlage, deren Voraussetzungen erfüllt wären. Jedenfalls ist der Klageanspruch in Bezug auf die Hauptforderung verjährt. Auf die Hilfsaufrechnung kommt es nicht mehr an.

I.

§ 12 I 2 UWG ist nach einhelliger Auffassung auf die Kosten für die Verteidigung nicht und auch nicht entsprechend anwendbar, selbst wenn sich die Abmahnung als unberechtigt darstellt (Senat, Urt. v. 03.12.2009, Az. 4 U 149/09). Der Abgemahnte ist dabei auch zur Vermeidung von Kostenrisiken in der Regel nicht verpflichtet, eine solche Verteidigung oder Gegenabmahnung vorzunehmen (BGH GRUR 2004, 790, 792 - Gegenabmahnung). Er kann zur Klärung gegen eine unberechtigte Abmahnung vielmehr grundsätzlich sofort im Wege der Feststellungsklage vorgehen, ohne mit der Kostenfolge aus § 93 ZPO belastet zu werden (vgl. Ahrens/Achilles, 6. Aufl. 2009, Kap. 5 Rn. 6). Zudem besteht gerade auch im Fall einer unberechtigten Abmahnung keine Antwortpflicht des Abmahnten (BGH GRUR 1990, 381 - Antwortpflicht des Abgemahnten). Spricht der Abgemahnte als Antwort eine Gegenabmahnung aus oder verteidigt er sich entsprechend, obwohl er hierzu nicht verpflichtet ist, kann er dafür regelmäßig auch aus allgemeinen Billigkeitserwägungen keine Kostenerstattung verlangen.

Auch kommt eine Erstattung der Kosten unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag nach §§ 683, 670 BGB nicht in Betracht. Denn jedenfalls die bloße Verteidigung gegen die Abmahnung entsprach in keiner Weise dem mutmaßlichen Willen des Abmahnenden und auch nicht seinem Interesse (vgl. hierzu BGH GRUR 2004, 790, 792 - Gegenabmahnung). Insbesondere beruhte die Abmahnung im Streitfall in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht nicht auf offensichtlich unzutreffenden Annahmen, bei deren Richtigstellung mit einer Änderung der Auffassung des vermeintlich Verletzten gerechnet werden konnte. Vielmehr gab es nur abweichende Beurteilungen in der Sache. Die Beklagte sah sich durch die beanstandeten Werbebanner und Einkaufstüten in ihren Rechten beeinträchtigt.

Ebenfalls kann eine gezielte Behinderung i.S.v. § 4 Nr. 10 UWG, die einen Schadensersatzanspruch nach § 9 UWG auslösen könnte, im Streitfall nicht angenommen werden, ebenso wenig ein Eingriff in den Gewerbebetrieb nach § 823 I BGB.

Soweit das Landgericht einen Anspruch nach § 678 BGB bejaht hat, ist dieser Rückgriff schon dem Grunde nach zweifelhaft, weil § 12 I 2 UWG grundsätzlich eine abschließende Regelung darstellt und die bloße Verteidigung gegen eine Abmahnung nicht erfasst. Außerdem sind jedenfalls die Anspruchsvoraussetzungen nicht erfüllt. Ein solcher Anspruch käme allenfalls bei dem Vorliegen der Erkennbarkeit der Unbegründetheit der Abmahnung in Betracht (vgl. Bornkamm, in: Hefermehl/Köhler/Bornkamm, UWG, § 12 Rn. 1.73). Dabei ist vorliegend zu berücksichtigen, dass für die anwaltlich gerade noch nicht vertretene Beklagte ein entgegenstehender Wille des Klägers, selbst wenn die Abmahnung letztlich doch nicht berechtigt gewesen sein sollte (was dahinstehen kann), nicht ohne weiteres erkennbar war. Die Beklagte hat mit der Abmahnung vielmehr ihre damalige Rechtsansicht zum Ausdruck gebracht, dass nämlich durch die angegriffenen Bewerbungen der Eindruck vermittelt werde, sie sei vor Ort nicht oder nicht mehr geschäftsansässig. Außerdem waren insbesondere die Werbebanner des Klägers unmittelbar vor die Räumlichkeiten der Beklagten gehängt, was durchaus behindernden Charakter hatte. Von einer unredlichen Abmahnung kann insofern keine Rede sein. Wie im Fall der gezielten Behinderung reicht es in diesem Zusammenhang noch nicht aus, wenn der Abmahnende gegebenenfalls nur Zweifel an seiner Abmahnberechtigung gehabt haben sollte. Die Unredlichkeit der Abmahnung folgt eben noch nicht daraus, dass eine Abmahnung allein ungerechtfertigt ist. Hinzutreten müsste vielmehr das subjektive Wissen um die mangelnde Rechtfertigung der ausgesprochenen Abmahnung bzw. ein wissensgleiches bewusstes Sichverschließen gegenüber einer solchen Erkenntnis (vgl. Ahrens/Achilles, Kap. 3 Rn. 8 m.w.N.). Das war vorliegend nicht der Fall und ist vom Kläger so selbst nicht vorgetragen. Zudem ist vorliegend auch der Gesichtspunkt der Waffengleichheit insofern unzutreffend, als die Beklagte selbst gerade noch nicht anwaltlich vertreten war, als der Kläger nunmehr anwaltliche Vertretung zwecks Verteidigung in Anspruch nahm und hierdurch entsprechende Kosten bereits verursachte.

II.

Selbst wenn ein Anspruch auf Erstattung der Verteidigungskosten bestehen würde, wäre dieser nach § 11 I UWG verjährt. Unstreitig hatte der Kläger sich mit den Schriftsätzen vom 23. und 25.07.2008 anwaltlich verteidigt. Die Anwälte waren beauftragt, die Kosten entstanden. Die Klage wurde indes erst am 16.02.2009 bei Gericht eingereicht, sprich nach Ablauf der sechsmonatigen Verjährungsfrist. Bei Ansprüchen aus dem Abmahnverhältnis findet § 11 UWG entsprechende Anwendung (vgl. Köhler, a.a.O., § 11 Rn. 1.16 m.w.N.; Schulz, in: Harte-Bavendamm/Henning-Bodewig, UWG, § 11 Rn. 18). Hierzu wären ebenfalls die Ansprüche wegen der Verteidigungskosten zu zählen. Der von Seiten der Beklagten abgemahnte Rechtsverstoß findet seine Rechtsgrundlage im UWG, die Rechtsverteidigung hiergegen ebenfalls. Es liegt kein Fall vor, in dem - wie etwa bei Ansprüchen aus § 826 BGB - schon ein besonderer Unwertgehalt eine abweichende Betrachtung erfordert. Es handelt sich vorliegend vielmehr um einen typischen Streit der Wettbewerber über die Berechtigung der Abmahnung. Um sog. Waffengleichheit zu erzielen, bedarf der Abgemahnte hinsichtlich seiner Kosten auch keiner längeren Verjährungsfrist als der Abmahner für die Abmahnkosten. Nichts anderes würde etwa gelten, wenn beispielsweise die Gegenabmahnung ihrerseits auf einen Wettbewerbsverstoß durch die Abmahnung (so § 4 Nr. 10 UWG) gestützt würde.

Ein Fall der Geschäftsanmaßung, der eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte (vgl. hierzu Köhler, a.a.O., § 11 Rn. 1.14), liegt nicht vor.

III.

Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91 I, 708 Nr. 10 ZPO.

Die Zulassung der Revision ist nicht veranlasst, § 543 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 18.02.2010
Az: 4 U 158/09


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