Bundespatentgericht:
Beschluss vom 23. Juli 2004
Aktenzeichen: 14 W (pat) 345/03

(BPatG: Beschluss v. 23.07.2004, Az.: 14 W (pat) 345/03)

Tenor

Das Patent wird in vollem Umfang aufrechterhalten.

Gründe

I Die Erteilung des Patents 101 64 011 mit der Bezeichnung

"Verfahren zum Graphitieren von Kathodenblöcken"

ist am 8. Mai 2003 veröffentlicht worden.

Gegen dieses Patent ist am 8. August 2003 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand des Streitpatents beruhe gegenüber dem durch die Entgegenhaltungen D1 WO 00/46426 A1 und D2 Taschenbuch der Physik, 6. Auflage, 1984, Verlag Harri Deutsch, Thun und Frankfurt am Main, S 627, Tab 43 belegten Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit. Ferner sei das Verfahren mangels unzureichender Offenbarung nicht ausführbar.

Patentanspruch 1 enthalte keine Angaben hinsichtlich der Größe und/oder Länge der Kathodenblöcke und der leitfähigen Körper, so dass patentgemäß unter Berücksichtigung der im Anspruch 3 des Streitpatents enthaltenen Prozentangaben bezüglich der Überlappung der Kathodenblöcke und leitfähigen Körper auch Kathodenblöcke erhalten würden, die nach der von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Skizze vollständig durchgraphitiert seien. Ferner mangele es an Hinweisen zum Verlauf des Stromdurchgangs, der sich mit fortschreitender Graphitierung ändere und Einfluss auf den über die Länge variierenden elektrischen Widerstand der fertigen Blöcke habe. Auch das Fehlen einer Beschreibung des Ofenaufbaus moniert die Einsprechende. Auf Grund der patentgemäßen Anordnung der Kathoden sei nämlich ersichtlich eine andere Ofengeometrie als die bekannte erforderlich. Ebenso mache der Anspruch 1 keine Angaben über die Wärmeableitung bei der Durchführung des Verfahrens, die aber notwendig sei, um die im Streitpatent genannten Temperaturunterschiede von 500¡C erreichen zu können (Sp 2 Z 1 bis 6 iVm 32 bis 35).

Im Ergebnis sei es nur unter Heranziehung der Beschreibung sowie der Zeichnung, erheblicher eigener Überlegungen und erst nach Durchführung unzumutbar vieler orientierender Versuche möglich, die beanspruchte Lehre nachzuarbeiten.

Darüber hinaus stelle das Verfahren zum Graphitieren von Kathodenblöcken nach Anspruch 1 keine Bereicherung des Standes der Technik dar; in den bekannten Öfen könne nämlich mit der vorliegend beanspruchten Anordnung der Kathodenblöcke nur eine unzureichende Packungsdichte erzielt werden, was unwirtschaftlich sei.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin beantragt, das Patent in vollem Umfang aufrecht zu erhalten.

Sie tritt dem Vorbringen der Einsprechenden in allen Punkten entgegen. Patentanspruch 1 richte sich an einen Fachmann, dem der Aufbau der seit über 100 Jahren bekannten CastnerÖfen bekannt sei und dem auch geläufig sei, dass die Elektrolysezellen für die Aluminiumgewinnung 4 bis 6, gelegentlich sogar 10 Meter Länge aufwiesen. Im Übrigen sei es auch ein Ziel der Erfindung, das Verfahren nach Anspruch 1 des Streitpatents in einem standardgemäßen Ofen mit ansonsten üblichen Abmessungen der Kathodenblöcke durchzuführen.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

"Verfahren zum Graphitieren von Kathodenblöcken für die elektrolytische Gewinnung von Aluminium nach der Methode der Längsgraphitierung, dadurch gekennzeichnet, dass in einem Längsgraphitierungsofen die Kathodenblöcke so angeordnet sind, dass sie sich in der Länge um mindestens 500 mm überlappen, wobei ein Mindestabstand zwischen den längsgerichteten Oberflächen der Kathodenblöcke von 5 mm eingehalten wird, dass der Stromübergang zwischen den einzelnen Kathodenblöcken durch leitfähige Körper vermittelt wird, und dass die Kathodenblöcke und die leitfähigen Körper derart aufeinanderliegen, dass der Kontakt zwischen den Kathodenblöcken und den leitfähigen Körpern durch die auf die Kathodenblöcke wirkende Gewichtskraft vermittelt wird."

Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere zum Wortlaut der Ansprüche 2 bis 9, welche besondere Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 1 betreffen, wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II 1. Über den Einspruch ist gemäß § 147 Abs 3 Satz 1 Ziff 1 PatG durch den Beschwerdesenat des Bundespatentgerichts zu entscheiden.

2. Der Einspruch ist frist- und formgerecht erhoben und mit Gründen versehen, somit zulässig. Er hat jedoch keinen Erfolg.

3. Bezüglich der Offenbarung der geltenden Ansprüche 1 bis 9 bestehen keine Bedenken; sie entsprechen den ursprünglich eingereichten und erteilten Ansprüchen 1 bis 9.

4. Das Verfahren nach Anspruch 1 ist so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann es ausführen kann.

Als Fachmann ist ein Ingenieur mit Fachhochschulabschluss und mehrjähriger Berufserfahrung in der theoretischen und praktischen Weiterentwicklung von Elektroden für die elektrolytische Gewinnung von Aluminium anzusehen.

Der Patentanspruch 1 enthält zwar keine Angaben hinsichtlich der Größe und/oder Länge der Kathodenblöcke und der leitfähigen Körper. Die Darstellung einer technischen Lehre ist indessen im Patentanspruch nach ständiger Rechtsprechung nicht in allen Einzelheiten erforderlich (Schulte PatG 6. Aufl, § 34 Rn 301). Fehlende Angaben zur Länge der Kathodenblöcke und zum Ofenaufbau kann der Fachmann, nachdem es sich bei der Längsgraphitierung um ein lange bekanntes Verfahren handelt, auf Grund seines allgemeinen Fachwissen ohne Weiteres ergänzen (vgl gutachtlich Ullmann 6. Aufl, Vol 2, S 234, li Sp iVm D1). Unter Zuhilfenahme der Angaben zur Überlappung der Blöcke in der Beschreibung des Streitpatents kann er auf Größe und Länge der zu graphitierenden Blöcke und leitfähigen Körper schließen [0014]. Der geltende Anspruch 1 enthält unmissverständliche Angaben über die Anordnung der Kathodenblöcke während der Durchführung des Verfahrens. Diese überlappen sich in ihrer Länge um mindestens 500 mm und zwischen den längsgerichteten Oberflächen der Blöcke wird ein Mindestabstand von 5 mm unter Zwischenanordnung von leitfähigen Körpern eingehalten (Ansp 1). Der Kontakt zwischen den Kathodenblöcken und den leitfähigen Körpern wird dabei durch die auf die Blöcke wirkende Gewichtskraft vermittelt. Der geltende Anspruch 1 gibt somit dem Fachmann - erläutert durch die Beschreibung und die Zeichnung - die entscheidende Richtung an, in die er vorgehen muss, um die patentgemäße Lehre nacharbeiten zu können.

Entgegen der von der Einsprechenden vorgelegten Skizze wird zudem in der Beschreibung und in der einzigen Figur des Streitpatents ein gangbarer Weg aufgezeigt, das Verfahren durchzuführen. Dies genügt nach ständiger Rechtsprechung unter Ausführungsgesichtspunkten (BGH GRUR 2001, 813 (IV) - Taxol, mwN). Aus der Figur und der Beschreibung des Streitpatents ist auch der Verlauf der Stromführung ersichtlich (Sp 3 Z 9 bis 22). Die Figur zeigt nämlich, dass die Enden der Kathodenblöcke bei der dargestellten Anordnung nicht stromdurchflossen sind. Durch die resultierende mäanderförmige Stromführung erfolgt die Erwärmung der Enden lediglich durch Wärmeleitung innerhalb des Materials und nicht zusätzlich auf Grund des Stromdurchgangs; infolgedessen ist die Temperatur während der Graphitierung dort niedriger als im Zentrum der Kathodenblöcke, was im fertigen Block zu Abschnitten höheren elektrischen Widerstands an den Enden der Blöcke führt. Zum Erhalt eines solchermaßen strukturierten Kathodenblockes ist es nicht zwingend erforderlich, wie die Einsprechende vorgetragen hat, weitere Maßnahmen zur Wärmeableitung bei der Durchführung des Verfahrens anzugeben.

5. Das Verfahren gemäß Anspruch 1 ist -unbestritten- neu, da keine der Entgegenhaltungen alle Merkmale des Verfahrens nach Anspruch 1 offenbart, wie die nachfolgende Erörterung zeigt.

6. Das Verfahren zum Graphitieren von Kathodenblöcken nach Patentanspruch 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aufgabe des Streitpatents ist es, ein praktikables Verfahren zur Herstellung von Kathoden Verfügung zu stellen, die über ihre Länge eine unterschiedliche elektrische Leitfähigkeit aufweisen [0010].

Gelöst wird die Aufgabe im vorliegenden Fall durch folgende Maßnahmen:

1. In einem Längsgraphitierungsofen werden die Kathodenblöcke so angeordnet, dass sie sich in der Länge um mindestens 500 mm überlappen, 2. wobei ein Mindestabstand zwischen den längsgerichteten Oberflächen der Kathodenblöcke von 5 mm eingehalten wird;

3. der Stromübergang zwischen den einzelnen Kathodenblöcken wird durch leitfähige Körper vermittelt;

4. die Kathodenblöcke und die leitfähigen Körper liegen derart aufeinander, dass der Kontakt zwischen den Kathodenblöcken und den leitfähigen Körpern durch die auf die Kathodenblöcke wirkende Gewichtskraft vermittelt wird.

Für diese Verfahrensweise findet der Fachmann im nächst liegenden Stand der Technik (D1) keine Anregung.

In D1 sind die seit langer Zeit bekannten Verfahren zur Herstellung von Kathodenblöcken nach der Quer- und Längsgraphitierung für die elektrolytische Herstellung von Aluminium beschrieben (S 5 Z 5 bis 29). Im Fall der Längsgraphitierung sind die Kathodenblöcke in Reihe und in einer Ebene aufeinander folgend unter Zwischenschaltung von leitfähigen Körpern angeordnet (Fig 5 u 7 iVm S 5 Z 21 bis 29). Wärmeableitendes Material umgibt die Kathodenenden, eine wärmedämmende Isolierung das Zentrum der Kathodenblöcke. Mittels dieser Maßnahmen wird eine Temperaturführung während der Graphitierung bewirkt, die Kathodenblöcke mit einem über ihre Länge variierenden elektrischen Widerstand erzeugt (S 5/6 Brückenabsatz).

Der Entgegenhaltung lassen sich indessen keine Anregungen dahingehend entnehmen, die Kathodenblöcke unter Einhaltung der Maßnahmen 1 bis 4 zu stapeln oder dass eine derartige Vorgehensweise Vorteile bieten könnte. In Kenntnis von (D1) war jedenfalls nicht vorhersehbar, dass durch die vorliegend beanspruchte Anordnung der Kathodenblöcke auf eine Wärmeableitung verzichtet werden kann.

Entgegenhaltung D2 bezieht sich lediglich auf den elektrischen Widerstand von Graphit und legt die patentgemäße Lehre ebenfalls nicht nahe.

Nach alledem ist der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 neu und beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit, so dass dieser Anspruch Bestand hat.

Das Gleiche gilt für die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 9, die weitere, über platte Selbstverständlichkeiten hinausgehende Ausführungsformen betreffen.

Schröder Klante Gerster Schuster Na






BPatG:
Beschluss v. 23.07.2004
Az: 14 W (pat) 345/03


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