Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 26. Februar 2013
Aktenzeichen: KRB 20/12
(BGH: Beschluss v. 26.02.2013, Az.: KRB 20/12)
Tenor
Die Rechtsbeschwerden der Nebenbetroffenen zu 1, 3, 4 und 6 sowie des Betroffenen zu 5 gegen das Urteil des 2a. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 26. Juni 2009 werden mit der Maßgabe (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 349 Abs. 4 StPO), dass von den (Gesamt-)Geldbußen beider Nebenbetroffenen zu 1 ein Teilbetrag von 730.000 €, der Nebenbetroffenen zu 3 ein Teilbetrag von 8.495.000 €, der Nebenbetroffenen zu 4 ein Teilbetrag von 1.200.250 €, dem Betroffenen zu 5 ein Teilbetrag von 10.000 € undder Nebenbetroffenen zu 6 ein Teilbetrag von 3.500.000 € als vollstreckt gelten, gemäß § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG als unbegründet auf ihre Kosten verworfen.
Gründe
Das Oberlandesgericht hat den Betroffenen Ed. Sch. (Betroffenen zu 5) wegen eines Verstoßes gegen das Kartellverbot zu einer Geldbuße von 200.000 € verurteilt. Es hat gegen die Nebenbetroffene zu 1 (Holcim Deutschland AG - nachfolgend Holcim AG) Geldbußen von insgesamt 14.600.000 €, gegen die Nebenbetroffene zu 3 (HeidelbergCement AG) Geldbußen von insgesamt knapp 170.000.000 €, gegen die Nebenbetroffene zu 4 (Lafarge Zement GmbH - nachfolgend Lafarge GmbH) Geldbußen von insgesamt 24.000.000 € 1 und gegen die Nebenbetroffene zu 6 (Schwenk Zement KG - nachfolgend Schwenk KG) Geldbußen von insgesamt 70.000.000 € verhängt. In Teilen wurden der Betroffene Ed. Sch. und die Nebenbetroffenen freigesprochen. Mit Ausnahme der Nebenbetroffenen zu 2 (Dyckerhoff AG) wenden sich die Nebenbetroffenen und der Betroffene Ed. Sch. mit der Rechtsbeschwerde gegen ihre Verurteilung. Sie machen Verfahrenshindernisse geltend und erheben sachlich- sowie verfahrensrechtliche Beanstandungen. Ihre Rechtsbeschwerden haben nur insofern Erfolg, als die nach Urteilserlass eingetretene rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung durch Herabsetzung der Geldbußen zu kompensieren ist.
A.
Das Oberlandesgericht hat die Verurteilung des Betroffenen und der Nebenbetroffenen wegen verbotener Kartellabsprachen wie folgt begründet:
I. Nach den Feststellungen zählen die Nebenbetroffenen - sowie mit der Readymix AG (heute CEMEX Deutschland AG) ein weiteres Unternehmen - zu den führenden Herstellern von Grauzement in Deutschland. Wegen der hohen Transportkosten hat sich eine regionale Industriestruktur mit einem Lieferradius von höchstens 300 km rund um ein Werk gebildet. Da Grauzement ein homogenes Gut ist, wird die Nachfrage im Wesentlichen durch den Preis bestimmt. Für die Verbrauchsmenge ist in erster Linie die Baukonjunktur maßgeblich, weil der Zement als Werkstoff nur einen unmaßgeblichen Teil der Baukosten ausmacht. Das Gebiet der alten Bundesländer war in drei große Märkte unterteilt mit jeweils unterschiedlichen Marktführern, die sich für ihren Markt in besonderer Weise verantwortlich fühlten. Während im Norden die Holcim AG Marktführer war, dominierten im Westen die Dyckerhoff AG und im Süden die HeidelbergCement AG. Für die neuen Bundesländer galten Sonderbedingungen. 2 Nachdem das Bundeskartellamt 1987 ein vor allem in Süddeutschland tätiges Zementkartell aufgedeckt und die beteiligten Unternehmen mit erheblichen Geldbußen belegt hatte, fürchtete die Branche einen Preisverfall. Auf Initiative des damaligen Vorstandsvorsitzenden der Dyckerhoff AG einigten sich die Vertreter der Nebenbetroffenen auf einer Sitzung des Präsidiums des Bundes der Deutschen Zementindustrie e.V. (BDZ) am 13. März 1990 darauf, dass die Unternehmen sich lediglich auf die Erhaltung des eigenen Marktanteils beschränken und auf "vorstoßenden" Wettbewerb verzichten sollten. Bei Marktanteilsverlusten sollte zunächst telefoniert und eine Verständigung gesucht werden. Dies wurde auf den großen Märkten in der Folgezeit im Wesentlichen umgesetzt. Es kam zu folgenden Absprachen:
- Im Norden wurden zunächst die von den Rechtsvorgängerinnen der Holcim AG und der Dyckerhoff AG früher praktizierten Absprachen spätestens ab dem 1. Januar 1991 für die Teilmärkte links der Weser, Bremen und Unterelbe wieder aufgenommen. Entsprechend den damals ausgehandelten Marktanteilsquoten wurde auch bis Ende 2001 verfahren.
- Nachdem westfälische Zementhersteller in die Gebiete südliches Niedersachsen und Unterelbe eingeliefert hatten, waren von den Rechtsvorgängerinnen der Holcim AG bereits seit Ende der siebziger Jahre Einigungen über die Absatzmengen erzielt und sogenannte "Parkmengen" festgelegt worden. Diese Verabredungen wurden spätestens 1991 erneuert und bis Anfang 2001 weiterverfolgt, obwohl Wettbewerber immer wieder ausscherten.
- Zwischen einer Rechtsvorgängerin der Holcim AG, der Nordcement AG, und der Teutonia Zementwerk AG waren seit den achtziger Jahren Quotenabsprachen für die Werke in Hannover, Höver und Hardegsen getroffen worden. Diese wurden spätestens Anfang 1991 wieder aufgenommen und auch durch die Holcim AG bis Ende 2000 fortgesetzt. 4
- In der Region West hatten seit den siebziger Jahren Quotenabsprachen bestanden, die engmaschig überwacht worden waren. Nach der 1990 getroffenen Grundentscheidung wurde in der Folge versucht, die vereinbarte Quotenregelung weiterzuführen. Die Dyckerhoff AG als Marktführerin versuchte dies durchzusetzen, was ihr allerdings nur teilweise gelang. Nachdem die Lafarge GmbH ein Werk in der Region erworben hatte, beteiligte sie sich ab 1998 ebenfalls an einer dann getroffenen Absprache fester Quoten (diese Absprache ist nach Rücknahme der Einsprüche nicht mehr Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens).
- In der Region Süddeutschland kam es nach der grundlegenden Einigung gleichfalls zur Erneuerung von Absprachen, die in diesem Gebiet bereits vorher bestanden hatten. Beteiligt waren hieran die Dyckerhoff AG, die HeidelbergCement AG und die Schwenk KG. Dabei wurden im Wesentlichen die im gesamten süddeutschen Raum bestehenden Marktanteile zugrunde gelegt. Insbesondere diese Nebenbetroffenen, die als die "Großen Drei" galten, bemühten sich, die Marktanteile stabil zu halten. Später wurde die Lafarge GmbH einbezogen, wobei sich allerdings insoweit nur feststellen ließ, dass für diese Nebenbetroffene eine ihr zugedachte Quote von 4% akzeptiert wurde. Das Kartell, das immer wieder wegen billiger Einfuhren aus Osteuropa interne Ausgleichsregelungen traf, endete 2002.
- In der Region Ost waren die Marktverhältnisse nach der Wiedervereinigung unklar. Zunächst wurden zwischen den großen Herstellern (Readymix sowie Dyckerhoff, Lafarge und Schwenk, den "Großen Vier") die alten Quoten aus der DDR-Zeit fortgeschrieben. In der Folgezeit trafen sich die Vertreter dieser Unternehmen zu Besprechungen und überwachten die Einhaltung der Quoten, wobei bei der Dyckerhoff AG eine Gesamtliste über die Marktstruktur geführt wurde. Diese Treffen endeten 2001. Die Holcim AG wurde 1992 einbezogen und erhielt von den "Großen Vier" rückwirkend eine Quote zugeteilt. Glei-8 ches galt für die HeidelbergCement AG, nachdem sie von einem in Tschechien erworbenen Werk aus und aus Bayern in den regionalen Markt Ost einlieferte. Ebenso wurde mit den mittelständischen Unternehmen eine entsprechende Vereinbarung gesucht. Es gelang in der Folgezeit jedoch nur eingeschränkt, diese in das Quotensystem einzubeziehen. Die Readymix AG verschwieg zwischen 1993 und 1997 erhebliche Mengen, die sie nicht zu den geführten Gesamtlisten anmeldete. In der Folgezeit kam es darauf zu Gesprächen mit dem Ziel, Readymix zu bewegen, wieder zu den vereinbarten Quoten zurückzukehren und eventuell Ausgleichsleistungen zu erbringen. An diesen Gesprächen nahm auch der Betroffene Ed. Sch. als persönlich haftender Gesellschafter der Schwenk KG teil.
II. Das Oberlandesgericht hat das Verhalten des Betroffenen sowie der für die Nebenbetroffenen handelnden Leitungspersonen als Ordnungswidrigkeiten gemäß § 38 Abs. 1 Nr. 1, § 1 GWB 1990 und ab 1. Januar 1999 nach § 81 Abs. 1 Nr. 1, § 1 GWB 1999 angesehen. Die Quoten- und Kartellabsprachen und ihre (jedenfalls weitgehende) Vollziehung erfüllten den Tatbestand beider Bußgeldvorschriften und seien den Nebenbetroffenen nach § 30 OWiG zuzurechnen. Hinsichtlich der Holcim AG könne eine Geldbuße auch für das Tätigwerden ihrer Rechtsvorgängerinnen festgesetzt werden, weil sie insoweit eine Gesamtrechtsnachfolge angetreten habe. Gegen die Schwenk KG dürfe eine Geldbuße ungeachtet dessen verhängt werden, dass der persönlich haftende Gesellschafter (Dr. Eb. Sch.) zunächst dauernd verhandlungsunfähig gewe- sen und schließlich verstorben sei. Keine der beiden Ursachen stelle einen rechtlichen Grund nach § 30 Abs. 4 Satz 3 OWiG dar, der die Verhängung eines Bußgeldes ausschlösse.
Die Einzelabsprachen seien zu einer Bewertungseinheit zusammenzufassen, soweit sie die Durchführung derselben Kartellabsprache beträfen. Insoweit habe zwar kein bundesweites Kartell bestanden, weil die Grundabrede bei 11 dem Spitzengespräch im Präsidium des Bundes der Deutschen Zementindustrie am 13. März 1990 zu vage geblieben sei. Mit Ausnahme des Nordmarktes, der in regionale Teilkartelle unterteilt und durch die Sonderabsprache geprägt gewesen sei, hätten aber für die übrigen Märkte Süd, Ost und West einheitliche Kartellabsprachen bestanden. Etwas anderes gelte nur hinsichtlich der immer neu zu organisierenden Abwehr von Drittanlieferungen, die als jeweils eigenständige Tat zu behandeln sei. Zwar habe das Bundeskartellamt seinen Bußgeldbescheiden eine andere Sicht zugrunde gelegt, weil es von einem wesentlich engeren Tatbegriff ausgegangen sei. Dies hindere aber nicht, innerhalb der Bewertungseinheit den Sachverhalt umfassend zu prüfen, selbst wenn für einzelne - vom Bundeskartellamt zu Unrecht als selbständig angesehene - Taten der Einspruch mittlerweile zurückgenommen sei. Die Rücknahme des Einspruchs sei in diesem Umfang unwirksam. Insoweit komme es auf die Sicht des entscheidenden Gerichts an.
Zur Bemessung der Bußgelder hat das Oberlandesgericht ausgeführt, dass die Bußgelder lediglich Ahndungszwecken dienten und keinen Abschöpfungsanteil enthielten. Von der Abschöpfung eines kartellbedingten Mehrerlöses sei schon deshalb abzusehen, weil unklar sei, in welchem Umfang Dritte Schadensersatzansprüche geltend machen würden. Gleichwohl sei die Ermittlung des Mehrerlöses geboten, weil er für die Bestimmung des Bußgeldrahmens nach § 81 Abs. 2 GWB 1999 maßgebend sei. Dass durch die jeweiligen Kartelle ein Mehrerlös entstanden sei, stehe außer Frage. Hierfür spreche ein wirtschaftlicher Erfahrungssatz; aufgrund ihrer langen Laufzeit und ihrer flächendeckenden Durchführung lasse sich ausschließen, dass die Kartelle ohne Rendite praktiziert worden seien.
Die Höhe der Mehrerlöse hat das Oberlandesgericht nach sachverständiger Beratung geschätzt. Nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen könne kein Vergleich mit anderen räumlichen Märkten vorgenom-13 men werden, weil kartellfreie Vergleichsmärkte nicht hinreichend sicher identifizierbar gewesen seien. Vorzugswürdig sei deshalb eine Zeitreihenanalyse als Grundlage für die Mehrerlösschätzung. Dabei müsse an die kartellfreie Zeit ab 2001 angeknüpft werden, wobei allerdings zu berücksichtigen sei, dass das Preisniveau zunächst noch durch die Kartelle beeinflusst gewesen sei. Der sich anschließende Preiskrieg könne als Sonderentwicklung ebenfalls keine Berücksichtigung finden. Zudem müssten regionale Unterschiede berücksichtigt werden, die auf Sonderfaktoren (wie Marktdichte, Produktivität oder Billigimporte aus dem Osten) zurückzuführen seien. Von den so ermittelten Zahlen, die einen kartellbedingten Preiseffekt von knapp 10% erbrächten, sei noch ein Sicherheitsabschlag in Höhe von 25% vorzunehmen. Für die Gebiete Bremen, Niedersachsen und Hamburg ergebe sich kein Mehrerlös. Im Übrigen hat das Oberlandesgericht den kartellbedingten Mehrerlös pro Tonne mit den abgesetzten Mengen multipliziert, wobei es mit Rücksicht auf kartellbedingte Mengeneffekte, die sich auch bei dem an sich wenig preiselastischen Gut Zement einstellten, einen Abzugsfaktor berücksichtigt hat.
Das Oberlandesgericht hat jeweils geprüft, ob der Bußgeldrahmen des § 81 Abs. 4 GWB 2005 als milderes Gesetz anzuwenden ist. Auch nach diesem Gesetz seien die Kartellabsprachen mit Bußgeld bedroht. Die 7. GWB-Novelle sei zwar nach ihrem Wortlaut am 1. Juli 2005 in Kraft gesetzt worden, obwohl sie erst am 12. Juli 2005 verkündet worden sei. Dies führe aber nur dazu, dass die Novelle am Tag nach ihrer Verkündung in Kraft getreten sei, nicht dagegen zu einem gänzlich bußgeldfreien Zustand. Das Änderungsgesetz sei auch nicht wegen fehlender Bestimmtheit verfassungswidrig. Abgesehen davon, dass ein solcher Mangel nur zu einer Fortgeltung des alten Rechts führen würde, sei die an den Gesamtumsätzen des Unternehmens orientierte Bußgeldbemessung inhaltlich hinreichend bestimmt; sie ermögliche eine ausreichende Berücksichtigung der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens. 15 Der Bußgeldrahmen des § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB 2005 sei aber als milderes Recht nur hinsichtlich der Schwenk KG im Hinblick auf die Kartellabsprachen in den südlichen Bundesländern anzuwenden. Im Übrigen stelle § 81 Abs. 2 Satz 1 GWB 1999 bzw. § 38 Abs. 4 Satz 1 GWB 1990 das mildere Recht dar, das daher für die Bußgeldbemessung maßgeblich sei. Da für jede Ordnungswidrigkeit eine gesonderte Geldbuße festzusetzen sei und die Einzelgeldbußen addiert werden müssten, seien die Belastungen, die durch das Additionsgebot entstünden, zugunsten der Nebenbetroffenen berücksichtigt worden. Ebenso habe es sich mildernd ausgewirkt, dass die Nebenbetroffenen teilweise Aufklärungshilfe geleistet hätten und sich das Verfahren so lange hingezogen habe. Eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung bestehe allerdings nur für einige Monate während des gerichtlichen Verfahrens. Hierfür bedürfe es keiner Kompensation.
B.
Die Rechtsbeschwerden haben nur insoweit Erfolg, als die nach Erlass des angefochtenen Urteils eingetretenen Verfahrensverzögerungen durch eine Herabsetzung der Geldbußen kompensiert werden müssen.
I. Es liegen keine Verfahrenshindernisse vor, die dem Oberlandesgericht eine Ahndung der Taten in dem von ihm vorgenommenen Umfang verwehrt hätten.
1. Ein Verfahrenshindernis des (teilweisen) Ahndungsverbrauchs liegt nicht vor.
Die Rechtsbeschwerden machen geltend, es bestehe ein aus dem Verbot der Doppelbestrafung gemäß Art. 103 Abs. 3 GG (ne bis in idem) abzuleitendes Verfahrenshindernis. Das Oberlandesgericht habe Sachverhalte in die 16 Ahndung einbezogen, die nach Einspruchsrücknahme Gegenstand einer bestandskräftigen Bußgeldfestsetzung seien. Damit dringen die Rechtsbeschwerden nicht durch. Das Oberlandesgericht hat die Rücknahme der Einsprüche gegen die Bußgeldfestsetzungen zu Recht als teilweise unwirksam angesehen.
a) Das Oberlandesgericht hat die prozessuale Tat im Sinne des § 264 StPO, die im Ordnungswidrigkeitenverfahren der Bußgeldbescheid ebenso wie im Strafprozess die Anklageschrift hinreichend konkret beschreiben muss (BGH, Beschluss vom 8. Oktober 1970 - 4 StR 190/70, BGHSt 23, 336, 339), zutreffend unabhängig von der Beurteilung des Bundeskartellamts bestimmt. Eine einheitliche prozessuale Tat unterliegt der umfassenden richterlichen Kognition. Solange die Entscheidung über eine einheitliche Tat nicht hinsichtlich aller Teilakte bestandskräftig geworden ist, ist die Rücknahme des Einspruchs gegen einzelne Bußgeldfestsetzungen, die solche Einzelhandlungen ahnden, unwirksam. Dies folgt - wie das Oberlandesgericht zutreffend ausgeführt hat - aus dem Grundsatz, dass eine Rechtsmittelbeschränkung nur zulässig ist, soweit der abgetrennte Teil noch selbständig überprüfbar bleibt.
Bei einer einheitlichen Tat kann das Rechtsmittel nicht auf die rechtliche Bewertung einzelner Geschehnisse beschränkt werden (BGH, Urteil vom 17. Oktober 1995 - 1 StR 372/95, NStZ 1996, 203; Beschluss vom 17. April 1984 - 2 StR 63/84, NStZ 1984, 566). Dieser Grundsatz findet auch im Bußgeldverfahren Anwendung (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 1988 - KRB 1/88, BGHR OWiG § 85 Abs. 1 Zulässigkeit 1). Die Regelung des § 67 Abs. 2 OWiG, der zufolge der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden kann, setzt gleichfalls voraus, dass die einzelnen Beschwerdepunkte trennbar sind (Seitz in Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 67 Rn. 34d, 34f). Bei der hier vorliegenden Fallkonstellation, dass zunächst gegen sämtliche Bußgeldfestsetzungen Einspruch eingelegt wird, dieser dann aber teilweise wieder zurückgenommen wird, ist deshalb zu prüfen, ob selb-21 ständige, gesondert anfechtbare Taten vorliegen. Nur soweit die Einspruchsrücknahme materiellrechtlich selbständige Taten betrifft, ist sie wirksam. Denn der in Art. 103 Abs. 3 GG niedergelegte Grundsatz der Einmaligkeit des Strafverfahrens steht der Verfolgung nur bei einem vollständigen Abschluss des Bußgeldverfahrens entgegen (zur Anwendbarkeit auf Ordnungswidrigkeiten vgl. Degenhart in Sachs, GG, 6. Aufl., Art. 103 Rn. 80 mwN). Daran fehlt es, wenn über die Tat noch nicht abschließend entschieden worden und das Gericht seiner Kognitionspflicht noch nicht umfassend nachgekommen ist (vgl. BGH, Urteil vom 30. August 1978 - 2 StR 323/78, BGHSt 28, 119, 121).
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs begründen Einzelabsprachen, die lediglich eine kartellrechtswidrige Grundabsprache konkretisieren, regelmäßig keine selbständigen Taten. Solche Einzelabsprachen stellen keine mehrfache Verletzung desselben Tatbestandes dar; vielmehr werden sie schon vom gesetzlichen Tatbestand zu einer Bewertungseinheit verbunden (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 1995 - KRB 33/95, BGHSt 41, 385, 394). Die konkretisierenden Folgeabsprachen erfüllen den Tatbestand des Sichhinwegsetzens nach § 38 Abs. 1 Nr. 1 GWB 1990 und stehen sämtlich in Beziehung zu der unwirksamen - gegen § 1 GWB 1990 verstoßenden - Vereinbarung, wodurch sie mit dieser zu einer Bewertungseinheit verbunden werden (vgl. BGH, Beschluss vom 4. November 2003 - KRB 20/03, WuW/E DE-R 1233, 1234 - Frankfurter Kabelkartell). Auch der Wegfall des zusätzlichen Tatbestandsmerkmals des Sichhinwegsetzens in § 81 Abs. 1 Nr. 1 GWB 1999 hat nichts daran geändert, dass die kartellbegründende Vereinbarung und die darauf bezogenen Abreden zu einer einheitlichen bußgeldrechtlichen Bewertung verbunden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juni 2005 - KRB 2/05, WuW/E DE-R 1567, 1568 - Berliner Transportbeton I). Mithin gilt, dass Einzelabsprachen, die sich auf eine kartellrechtswidrige Grundabsprache beziehen, sowohl unter Geltung des § 38 Abs. 1 Nr. 1, § 1 GWB 1990 als auch unter der des § 81 Abs. 1 Nr. 1 GWB 1999 eine Bewertungseinheit bilden, wobei hiervon auch Ab-23 sprachen umfasst sind, durch die neue Mitglieder in das Kartell einbezogen werden (BGH ebd.).
c) Maßgeblich für die Überprüfung in der Rechtsbeschwerdeinstanz ist, ob das Oberlandesgericht die Selbständigkeit der Handlungen, die den einzelnen Bußgeldfestsetzungen zugrunde liegen, rechtsfehlerfrei beurteilt hat. Hierbei steht dem Tatrichter - wie generell bei der Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse - ein gewisser Beurteilungsspielraum zu (BGH, Urteil vom 19. April 2007 - 4 StR 572/06, NStZ-RR 2007, 235; Urteil vom 25. September 1997 - 1 StR 481/97, NStZ-RR 1998, 68, 69). Dies gilt in besonderem Maße für die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Einzelhandlungen im Rechtssinne zu einer natürlichen Handlungseinheit oder einer Bewertungseinheit verknüpft sind.
Unter Berücksichtigung dieses Maßstabs ist die vom Oberlandesgericht vorgenommene Bestimmung der jeweils einheitlichen Taten im Sinne des § 264 StPO aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.
aa) Das Oberlandesgericht hat rechtsfehlerfrei die Übereinkunft in der Präsidiumssitzung des Bundes der Deutschen Zementindustrie vom 13. März 1990 noch nicht als bundesweit wirkende Grundabsprache angesehen. Als solche war sie inhaltlich nicht ausreichend konkret und vor allem nicht auf die relevanten Regionalmärkte bezogen, die neben den Absatzstrukturen und der historischen Entwicklung die Wettbewerbsbedingungen maßgeblich bestimmten. Deshalb bilden die jeweils auf die Regionalmärkte Ost, West und Süd bezogenen Kartellabsprachen - wie das Oberlandesgericht zutreffend ausführt - einheitliche prozessuale Taten im Sinne des § 264 StPO, die auf die für dieses Gebiet maßgebende Grundabsprache zurückgehen. Sämtliche weiteren Absprachen, Kontrollmaßnahmen zur Einhaltung des Kartells und Ausgleichsvereinbarungen erfolgten im Vollzug der Grundsatzabrede und bilden daher mit 24 dieser eine Bewertungseinheit. Anderes gilt nur für die Region Nord. Dort hat das Oberlandesgericht kein flächendeckendes Kartell festgestellt. Es hat lediglich für die Gebiete Unterelbe, Bremen und links der Weser sowie - im Blick auf die einliefernden westfälischen Mittelständler - für das Gebiet südliches Niedersachsen gesonderte Kartellvereinbarungen angenommen und wie die Quotenabsprache zwischen Teutonia und Nordcement als selbständige Handlungen angesehen. Diese vom Oberlandesgericht vorgenommene differenzierte Betrachtung des Regionalmarktes Nord lässt ebenfalls keinen Rechtsfehler erkennen.
bb) Auch die weitere vom Oberlandesgericht vorgenommene Unterscheidung der verschiedenen Sachverhaltskomplexe hält der rechtlichen Kontrolle stand. Das Oberlandesgericht hat eine Bewertungseinheit auch insoweit verneint, als einzelne Kartellteilnehmer Einlieferungen in den kartellierten Markt unterbinden sollten. Solche Abwehrmaßnahmen gegen unvorhergesehene "Störungen" der Quotenaufteilung hat das Oberlandesgericht als selbständige Handlungen qualifiziert, weil in diesen Fällen jeweils neu habe entschieden werden müssen, wer in welcher Form eingreife und wie anfallende Kosten aufzuteilen seien. Zwar ließen sich auch solche Abwehrabsprachen gegen Drittanbieter noch als Bestandteil der Grundabsprache verstehen und damit als unselbständige Einzelhandlungen im Rahmen der Bewertungseinheit einordnen, zumal in Gestalt des von den Kartellteilnehmern so bezeichneten "Moneykarussells" ein verabredeter Ausgleichsmechanismus existierte. Die Auffassung des Oberlandesgerichts hält sich aber noch im Bereich des dem Tatrichter zuzubilligenden Beurteilungsspielraums. Für diese Würdigung durch das Oberlandesgericht spricht immerhin, dass die Grundabsprachen eher defensiv ausgerichtet waren, weil grundsätzlich zunächst nur auf "vorstoßenden Wettbewerb" verzichtet werden sollte und die tradierten Marktanteile fortgeschrieben werden sollten. Unter diesem Gesichtspunkt ist es jedenfalls vertretbar, dass das Oberlandesgericht Maßnahmen gegen Drittanbieter als eigenständige Handlungen und in-27 soweit auch die Rücknahme der Einsprüche als wirksam angesehen hat. Soweit die Rechtsbeschwerden die tatrichterlichen Feststellungen angreifen, die dieser Würdigung des Oberlandesgerichts zugrunde liegen, sind die Beanstandungen unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2. Die Taten sind nicht - auch nicht teilweise - verjährt. Für die Prüfung der Verjährung ist die jeweilige Bewertungseinheit maßgeblich. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerden kommt es nicht auf die einzelnen Handlungen des Organs an, die der jeweiligen Nebenbetroffenen zugerechnet werden. Maßgeblich ist vielmehr die Beendigung der Tat insgesamt (vgl. BGH, WuW/E DE-R 1567, 1568 - Berliner Transportbeton I). Ist die Verjährung jedenfalls hinsichtlich nur eines Betroffenen, dessen Verstoß der Nebenbetroffenen zugerechnet wird, rechtzeitig unterbrochen, erfasst diese Unterbrechung die gesamte Tat (BGH ebd.; vgl. auch BGH, Beschluss vom 5. Juli 1995 - KRB 10/95, WuW/E BGH 3015, 3016 - Unternehmensgeldbuße). Da sich die Bußgeldbescheide jeweils auch gegen die nach § 30 OWiG verantwortlichen Organwalter der Nebenbetroffenen richten, sind die Taten nicht verjährt, weil die entsprechenden Bußgeldbescheide die Verjährung unterbrochen haben.
3. Kein Verfahrenshindernis besteht auch in Bezug auf die Schwenk KG, deren persönlich haftender Gesellschafter Dr. Eb. Sch. im Laufe des Verfahrens verstorben ist, nachdem er zuvor bereits dauernd verhandlungsunfähig war. Das Oberlandesgericht hat darin zu Recht keine rechtliche Unmöglichkeit einer Bußgeldfestsetzung nach § 30 Abs. 4 Satz 3 OWiG gesehen.
Weder der Tod noch die dauernde Verhandlungsunfähigkeit stellen einen Unmöglichkeitsgrund im Sinne dieser Bestimmung dar. Es handelt sich dabei vielmehr um tatsächliche Umstände, die eine Fortführung des Verfahrens nicht erlauben und an die lediglich die rechtliche Folge der Verfahrensbeendigung 28 geknüpft ist (Lemke in Lemke/Mosbacher, OWiG, 2. Aufl., § 30 Rn. 71; Rogall in KK OWiG, 3. Aufl., § 30 Rn. 169; Gürtler in Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 27 Rn. 6 und § 30 Rn. 42). Dies entspricht dem Sinn des Ausnahmetatbestands, der eine Verfolgung der hinter dem Täter stehenden juristischen Person dann ausschließen soll, wenn die Rechtsordnung die Ahndung des Täters nicht mehr zulässt und ihm letztlich auch die Vorteile aus der Ordnungswidrigkeit belässt. Diese Voraussetzung liegt bei tatsächlichen Umständen, die in der Person des Betroffenen liegen, nicht vor. Sie legitimieren mit Blick auf die dahinterstehende juristische Person nicht nachträglich den verbleibenden Nutzen aus der Ordnungswidrigkeit.
II. Die Verfahrensrügen sind aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts erfolglos im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Der Erörterung bedarf lediglich die Rüge der HeidelbergCement AG, ihr Anspruch auf rechtliches Gehör sei durch die Verwertung des Memorandums des gerichtlichen Gutachters vom 11. Juni 2009 in den Urteilsgründen verletzt worden, da dieses nicht in die Hauptverhandlung eingeführt worden sei. Diese Rüge ist nicht in der gebotenen Form ausgeführt (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
1. Nach der Bestimmung des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, die gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG auch im Rechtsbeschwerdeverfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz gilt, müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen in der Rechtsbeschwerdebegründung angegeben werden. Sie müssen vollständig und so genau vorgetragen werden, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt. Dabei folgt aus dem Gebot vollständigen Vortrags ebenfalls, dass es erforderlich sein kann, auch Tatsachen vorzutragen, die dem Erfolg der Rüge (möglicherweise) entgegenstehen (Cirener, NStZ-RR 2013, 1, 4; vgl. auch BGH, Beschluss vom 12. August 1999 - 3 StR 277/99, NStZ 2000, 49, 50). 31 2. Der Vortrag der Rechtsbeschwerde zu dieser Verfahrensrüge ist nicht vollständig. Die Rechtsbeschwerde, die schon den vorherigen Verfahrensgang mit der Gutachtenerstellung einschließlich der ergänzenden Berechnungen des Sachverständigen und seiner mündlichen Anhörung nur bruchstückhaft wiedergibt, teilt nicht mit, dass der Nebenbetroffenen das Zahlenwerk am 12. Juni 2009 per E-Mail samt einer Erklärung zugeleitet worden ist, worin die Änderungen bestanden. Sie hat zwar ihrer Rechtsbeschwerdebegründung ein Anlagenverzeichnis beigefügt, in dem vermerkt ist, dass diese Anlage ihr per E-Mail am 12. Juni 2009 zugesandt worden ist. Auf dieses Anlagenverzeichnis ist in dem Rügevorbringen aber weder verwiesen noch wird der erklärende Begleittext erwähnt, der dem Memorandum beigefügt war.
Die Rechtsbeschwerdeführerin verschweigt weiter, dass dieses Memorandum auch insoweit Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 19. Juni 2009 war, als Rechtsanwalt Dr. D. dort eine Erklärung für die Heidelberg- Cement AG abgegeben hat, die sich auf die Daten aus dem Memorandum bezog. Hierzu hätte mit der Rechtsbeschwerde vorgetragen werden müssen; denn der Umstand, dass die Nebenbetroffene dieses Zahlenwerk erhalten und hierzu in der mündlichen Verhandlung Stellung genommen hat, ist für die Frage von Bedeutung, ob ihr in ausreichendem Maße rechtliches Gehör gewährt worden ist.
3. Das Rügevorbringen der HeidelbergCement AG ist aber auch dann nicht ausreichend, wenn man diese Beanstandung zugleich als Rüge einer Verletzung des § 261 StPO auslegt, mit der geltend gemacht wird, es sei ein nicht ordnungsgemäß in die Hauptverhandlung eingeführtes Beweismittel zum Gegenstand der Urteilsfindung gemacht worden. Ob eine solche Umdeutung der Rüge überhaupt möglich ist, erscheint zweifelhaft, weil die Rechtsbeschwerde innerhalb der Rechtsbeschwerdefrist deutlich machen muss, welchen Verfahrensmangel sie geltend macht, wenn mehrere Verfahrensfehler in Betracht 33 kommen (BGH, Beschluss vom 14. Juni 1998 - 4 StR 253/98, NStZ 1998, 636). Hier hat die Nebenbetroffene die Verwertung des Memorandums unter dem Gesichtspunkt der Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör gerügt. Aber auch bei Annahme einer Beanstandung des § 261 StPO wäre der bisherige Verfahrensgang des Sachverständigenbeweises eine für das Rechtsbeschwerdegericht notwendige Beurteilungsgrundlage gewesen, um das Memorandum richtig einordnen zu können. Gleiches gilt für das Begleitschreiben zum Memorandum vom 11. Juni 2009.
Im Bußgeldverfahren ist die Verwertung von Schriftstücken gegenüber dem Strafverfahren erleichtert. So reicht es nach § 78 Abs. 1 Satz 2 OWiG aus, wenn die Verfahrensbeteiligten Kenntnis von einem Schriftstück genommen haben, was im Protokoll festzustellen ist. Deshalb hätte die Rechtsbeschwerde - um dem Rechtsbeschwerdegericht eine umfassende Prüfung der Rüge auch unter dem Gesichtspunkt der Nichteinführung einer in den Urteilsgründen verwerteten Urkunde zu ermöglichen - auf die Geschehnisse in der mündlichen Verhandlung vom 19. Juni 2009 eingehen müssen. Dabei hätte nicht nur die eigene Stellungnahme mitgeteilt, sondern auch dargelegt werden müssen, ob und wie sich gegebenenfalls andere Verfahrensbeteiligte zu dem ausweislich des Akteninhalts allen Verfahrensbeteiligten per E-Mail zugeleiteten Zahlenwerk eingelassen haben. Da es sich um ersichtlich geringfügige Korrekturen handelte, die sich überdies zugunsten der HeidelbergCement AG auswirkten, liegt es nahe, dass über diese Korrekturen Einverständnis erzielt worden ist, was eine förmliche Einführung des Schriftstücks entbehrlich gemacht hätte. Deshalb hätte auch hierzu vorgetragen werden müssen.
4. Im Übrigen würde das Urteil - selbst wenn ein entsprechender Verfahrensfehler vorläge - nicht darauf beruhen. Das Memorandum vollzieht lediglich rechnerisch die in der Anhörung des Sachverständigen herausgearbeiteten Grundannahmen nach. Dieses Zahlenwerk bildete für die Mehrerlösfeststellung 36 die Schätzungsgrundlage. Dass die Schätzung hiervon beeinflusst gewesen sein könnte, lässt sich ausschließen. Die geringfügigen Rechenkorrekturen hätten ohnehin aufgrund des bestehenden Zahlenwerks nachvollzogen werden können. Sie haben die HeidelbergCement AG im Übrigen begünstigt; dass sie unrichtig wären, legt sie selbst nicht dar.
5. Soweit die Holcim AG und die Lafarge GmbH die Verwertung des Memorandums vom 11. Juni 2009 gleichfalls gerügt haben, sind diese Rügen bereits deshalb im Sinne des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig, weil sie den Inhalt des Memorandums nicht mitgeteilt haben.
III. Die Rechtsbeschwerden zeigen mit ihren sachlichrechtlichen Beanstandungen ebenfalls keinen Rechtsfehler auf.
1. Die Schuldsprüche und die ihnen zugrundeliegende Beweiswürdigung halten rechtlicher Überprüfung stand.
a) Allerdings ist die Darstellung in den Urteilsgründen hierzu insoweit mängelbehaftet, als das Oberlandesgericht an einer Vielzahl von Stellen auf den Akteninhalt und die darin befindlichen Beweismittelordner verweist. Derartige Verweisungen sind - mit Ausnahme des Verweises auf Abbildungen (§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO) - nicht nur im Strafurteil (vgl. BGH, Urteile vom 25. Februar 1987 - 3 StR 552/86, NStZ 1987, 374 und vom 2. Dezember 2005 - 5 StR 268/05, NStZ-RR 2007, 22), sondern auch im Urteil im Bußgeldverfahren unzulässig (Seitz in Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 71 Rn. 42). Ein Verstoß hiergegen gefährdet den Bestand des Urteils. Im vorliegenden Fall kann der Senat aber bei Außerachtlassen der Verweisungen die Erwägungen des Oberlandesgerichts noch hinreichend nachvollziehen, so dass das Urteil auch ohne die Verweisungen aus sich heraus verständlich ist. 38 b) Die Urteilsgründe sind - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerden - nicht deshalb lückenhaft, weil nicht jede einzelne Absprache näher konkretisiert worden ist. Entscheidend ist allein, dass die Urteilsgründe eine umfassende Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 29. November 2007 - 4 StR 386/07, NStZ-RR 2008, 83, 84). Dies ist hier der Fall.
Hierfür ist ausreichend, dass die Urteilsgründe die die Verurteilung tragenden Tatsachen mitteilen. Da das Oberlandesgericht - wie dargestellt (s. oben Rn. 25 ff.) - rechtsfehlerfrei von einer Bewertungseinheit ausgegangen ist, genügte es insoweit, die die jeweilige Tat konkretisierende Grundabrede, die Dauer des Kartells und seine Handhabung durch die Kartellbeteiligten mitzuteilen. Soweit Taten vor dem Inkrafttreten der 7. GWB-Novelle betroffen sind, musste der Tatrichter weiter mitteilen, worin er die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des Sichhinwegsetzens sieht. Die hierfür notwendigen Feststellungen sind der Urteilsurkunde zu entnehmen.
c) Die übrigen Beanstandungen der Rechtsbeschwerden zur Urteilsabfassung und Beweiswürdigung sind offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2. Die Festlegung des jeweils anzuwendenden Bußgeldrahmens für die Ahndung der Nebenbetroffenen hält rechtlicher Überprüfung stand. Das Oberlandesgericht hat zunächst die absprachebedingt entstandenen - für den Bußgeldrahmen maßgeblichen - Mehrerlöse bestimmt und sodann - für jede der den Nebenbetroffenen zugerechneten Ordnungswidrigkeiten getrennt - den nach § 4 Abs. 3 OWiG für die Nebenbetroffenen günstigsten Bußgeldrahmen ermittelt. Es hat hierzu die Bußgeldrahmen nach § 81 Abs. 2 GWB 1999 mit denen nach § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB 2005 verglichen und ist dabei zutreffend davon ausgegangen, dass die gesetzlichen Regelungen der 7. GWB-Novelle 42 über die Bußgeldbemessung nicht wegen Verfassungswidrigkeit nichtig sind (vgl. inzident von der Verfassungsmäßigkeit der Norm ausgehend BGH, Beschlüsse vom 19. Juni 2007 - KRB 12/07, BGHSt 52, 1 Rn. 24 ff. - Papiergroßhandel und vom 10. August 2011 - KRB 2/10, wistra 2012, 152 Rn. 26 ff. - Transportbeton II; offengelassen in BVerfG, Beschluss vom 19. Dezember 2012 - 1 BvL 18/11, WuW/E DE-R 3765 Rn. 95). Sie verstoßen weder wegen der nach ihrem Wortlaut rückwirkenden Inkraftsetzung noch wegen mangelnder Bestimmtheit gegen das Grundgesetz. Damit kann offenbleiben, ob - wie das Oberlandesgericht hervorhebt - eine angenommene Verfassungswidrigkeit der Neuregelung zu einem gänzlichen Wegfall der Zumessungsnormen führte oder stattdessen das alte Recht fortbestünde.
a) Das Rückwirkungsverbot ist nicht verletzt. Allerdings trifft es zu, dass die 7. GWB-Novelle, die in § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB die umsatzabhängige Bußgeldobergrenze eingeführt hat, in der Fassung vom 7. Juli 2005, verkündet im Bundesgesetzblatt am 12. Juli 2005, insgesamt die rückwirkende Geltung der Novelle zum 1. Juli 2005 angeordnet hat (BGBl. I S. 1954). Da wegen des verfassungsrechtlich normierten Rückwirkungsverbots (Art. 103 Abs. 2 GG) die rückwirkende Inkraftsetzung eines Bußgeldtatbestands verfassungsrechtlich unzulässig ist, wird von Teilen der Literatur (Thomas, ZWeR 2010, 138 ff.; vgl. auch Bechtold, GWB, 6. Aufl., § 81 Rn. 2 und 5. Aufl., § 81 Rn. 1a; Wegner, NJW 2008, 3271) vertreten, dass mit Verkündung - jedenfalls bis zur Neubekanntmachung der Norm im Rahmen der zum 22. Dezember 2007 in Kraft getretenen Preismissbrauchsnovelle (BGBl. I S. 2966) - ein sanktionsloser Zustand bestanden habe.
Diesem Ansatz ist das Oberlandesgericht zu Recht nicht gefolgt (ebenso Dannecker/Biermann in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: GWB, 4. Aufl., § 81 Rn. 3; Raum in Langen/Bunte, Kartellrecht, 11. Aufl., § 81 GWB Rn. 4). Dabei kann dahinstehen, ob ein zwischenzeitlich sanktionsloser Zustand 46 überhaupt die bußgeldrechtliche Ahndung auszuschließen vermag, wenn die Tat sowohl bei Begehung geahndet werden konnte als auch zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geahndet werden kann (vgl. BVerfGE 81, 132 ff.). Denn Art. 4 des Siebten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen ist verfassungskonform dahin auszulegen, dass jedenfalls die Neufassung des § 81 GWB nicht vor Verkündung des Gesetzes und damit nicht rückwirkend in Kraft getreten ist.
Zweifel im Hinblick auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens eines Gesetzes sind für sich genommen grundsätzlich nicht geeignet, dessen Gültigkeit in Frage zu stellen. Auch insoweit kommen die allgemeinen Auslegungsgrundsätze zur Anwendung. Danach genügt es, wenn sich der Termin des Inkrafttretens hiernach ermitteln lässt (BVerfGE 42, 263, 285 f.).
Der erkennbare Wille des Gesetzgebers ging nicht dahin, die Bußgeldvorschrift rückwirkend in Kraft zu setzen. Vor dem Hintergrund des vorzeitigen Endes der Legislaturperiode und der Notwendigkeit eines Vermittlungsverfahrens bestand erheblicher terminlicher Druck. Der Bundestag und der Bundesrat nahmen die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses am 16. und 17. Juni 2005 an (vgl. Bunte in Langen/Bunte, Kartellrecht, 11. Aufl., Einführung zum GWB Rn. 26). Damit war der gesetzgeberische Entscheidungsprozess beendet. Daran schloss sich die Ausfertigung des Gesetzes an. Im Laufe dieses Prozesses ist der im Gesetzgebungsverfahren vorgesehene Zeitpunkt für das Inkrafttreten - der 1. Juli 2005 - verstrichen. Angesichts dieses Ablaufs besteht kein Zweifel daran, dass mit dem geänderten Bußgeldtatbestand (der als Blankettnorm auch die in Bezug genommenen Bestimmungen erfasst) das bestehende Kartellbußgeldrecht alsbald, aber nicht rückwirkend reformiert werden sollte. Die gesetzliche Neuregelung kann deshalb nicht - wie das Oberlandesgericht zutreffend ausführt - in einen (wirksamen) Teil der Aufhebung des Altrechts und einen (unwirksamen) Teil der Einführung des Neurechts aufgespal-48 ten werden. Vielmehr ergibt die Auslegung des Willens des Gesetzgebers, dass die Norm baldmöglichst in Kraft gesetzt werden und mit ihrem Inkrafttreten die Altregelung ablösen sollte. Ob dies am Tag nach der Verkündung oder gemäß Art. 82 Abs. 2 Satz 2 GG vierzehn Tage später geschah, ist im Streitfall für die Entscheidung ohne Bedeutung, weil in beiden Fällen § 81 GWB 2005 die Vorgängerbestimmung des § 81 GWB 1999 - entsprechend dem Willen des Gesetzgebers - ohne zeitliche Lücke ersetzt hat.
b) Die Neuregelung ist auch nicht wegen fehlender Bestimmtheit unwirksam.
Die Einführung einer umsatzbezogenen Begrenzung der Geldbuße verstößt nicht gegen Art. 103 Abs. 2 GG, der auch für das Bußgeldverfahren gilt. Von Teilen der Literatur wird § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB 2005 unter Bezugnahme auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit der Vermögensstrafe (§ 43a StGB) vom 20. März 2002 (BVerfGE 105, 135) als zu unbestimmt erachtet (Achenbach in FK, GWB 2005 § 81 Rn. 246 ff.; Hassemer/Dallmeyer, Gesetzliche Orientierung im deutschen Recht der Kartellbußen und das Grundgesetz, S. 16 ff.; Dannecker/Biermann in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: GWB, 4. Aufl., § 81 Rn. 346 ff.; Bechtold, GWB, 6. Aufl., § 81 Rn. 26; Gürtler in Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 17 Rn. 48c). Dies trifft jedoch nicht zu (Vollmer in MünchKomm.GWB, § 81 Rn. 97 ff.; Raum in Langen/Bunte, Kartellrecht, 11. Aufl., § 81 GWB Rn. 150; Mundt, WuW 2007, 458, 465; Müller-Gugenberger in Müller-Gugenberger/Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, 5. Aufl., § 57 Rn. 150). Eine verfassungskonforme Auslegung der Bestimmung ist möglich, nach der § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB 2005 die Obergrenze des gesetzlichen Bußgeldrahmens hinreichend bestimmt definiert und damit das Bestimmtheitserfordernis des Art. 103 Abs. 2 GG wahrt. 50 aa) Mit Einführung einer umsatzbezogenen Höchstgrenze bei Geldbußen gegen Unternehmen wollte der Gesetzgeber eine Angleichung an den europäischen Rechtszustand erreichen (BT-Drucks. 15/5049, S. 50). Die Regelung ist in wesentlichen Teilen der Vorschrift des Art. 23 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1/2003 nachgebildet (zur hinreichenden Bestimmtheit aus Sicht des Unionsrechts vgl. EuGH, Urteil vom 22. Mai 2008 - C-266/06, WuW/E EU-R 1451 ff. - Evonik Degussa). Im Unionsrecht wird der gemäß Art. 23 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1/2003 zu ermittelnde Höchstbetrag als eine Kappungsgrenze verstanden, die bei der Festlegung der Bußgelder gegen Unternehmen nicht überschritten werden darf (vgl. Dannecker/Biermann in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: EU, 5. Aufl., Art. 23 VO (EG) Nr. 1/2003 Rn. 115; Sura in Langen/Bunte, Kartellrecht, 11. Aufl., Art. 23 VO (EG) Nr. 1/2003 Rn. 34 ff.). Das im Einzelfall zu verhängende Bußgeld bestimmt die Kommission. Sie wendet hierbei von ihr erlassene Richtlinien an, die eine Bewertung des Verstoßes ermöglichen sollen. Übersteigt das nach diesem System zu verhängende Bußgeld die errechnete Grenze von 10% des Gesamtjahresumsatzes des Unternehmens, wird das Bußgeld auf diesen Höchstbetrag gekürzt. Die gerichtliche Kontrolle der Höhe der Bußgelder ermöglicht zwar gemäß Art. 31 VO (EG) Nr. 1/2003 eine uneingeschränkte Nachprüfung der Bußgeldentscheidung durch den Gerichtshof. Nach der Rechtsprechungspraxis beschränkt sich seine Überprüfung der Würdigung komplexer wirtschaftlicher Gegebenheiten durch die Kommission aber notwendig auf die Fragen, ob die Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, ob die Begründung ausreichend ist, ob der Sachverhalt zutreffend festgestellt wurde und ob kein offensichtlicher Beurteilungsfehler und kein Ermessensmissbrauch vorliegen (EuGH, Urteil vom 28. Mai 1998 - C-7/95, Slg. 1998, I-3111 = WuW/E EU-R 75 Rn. 34 - Deere; EuG, Urteil vom 26. April 2007 - T-109/02, Slg. 2007, II-947 Rn. 664 - Ballore).
bb) In welchem Umfang der Gesetzgeber bei der Novellierung des § 81 Abs. 4 GWB die Grundsätze des Unionsrechts zur Bußgeldbemessung über-52 nehmen wollte, bleibt unklar. Der Wortlaut des § 81 Abs. 4 GWB 2005 gibt hierüber keinen eindeutigen Aufschluss. Zwar ermächtigt § 81 Abs. 7 GWB 2005 das Bundeskartellamt, allgemeine Verwaltungsgrundsätze über die Ausübung seines Ermessens bei der Bemessung der Geldbuße, insbesondere für die Feststellung der Bußgeldhöhe, festzulegen. Der Begriff der "Kappungsgrenze" wird aber nur in den Gesetzesmaterialien verwandt. Zur gerichtlichen Kontrolle von Bußgeldentscheidungen auf der Grundlage von § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB 2005 finden sich weder in der gesetzlichen Regelung Anhaltspunkte noch Ausführungen in den Gesetzesmaterialien.
Sowohl im Straf- als auch im Ordnungswidrigkeitenrecht ist als Grundsatz der Sanktionszumessung und wesentliches rechtsstaatliches Element anerkannt, dass der Richter innerhalb eines vom Gesetz vorgegebenen Rahmens seine Zumessungsentscheidung eigenständig nach Maßgabe der durch das Gesetz selbst festgelegten Zumessungskriterien trifft. Hätte der Gesetzgeber für den Bereich der Kartellordnungswidrigkeiten bei der Sanktionierung von Unternehmen eine andere gesetzliche Regelung einführen wollen, hätte eine ausdrückliche Normierung nahegelegen, aus der sich der normative Paradigmenwechsel bei der Bußgeldbemessung zweifelsfrei ergeben hätte (zu den Bedenken gegen die Annahme einer Kappungsgrenze vgl. auch Achenbach in FK, GWB 2005, § 81 Rn. 246 ff.; Gürtler in Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 17 Rn. 48c). Ein eindeutiger Niederschlag fehlt im Normtext indessen ebenso wie die Festlegung, in welcher Form eine nicht mehr an einen Rahmen gebundene Bußgeldbemessung erfolgen sollte.
cc) Der Senat kann offenlassen, ob der Gesetzgeber im Rahmen der 7. GWB-Novelle tatsächlich ein sich mit dem Gemeinschaftsrecht deckendes Regelungssystem einführen wollte. Jedenfalls ergibt eine verfassungskonforme Auslegung, dass § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB nicht als Kappungsgrenze, sondern als Obergrenze eines Bußgeldrahmens zu verstehen ist. 54
(1) Die Festlegung einer Unter- und Obergrenze des Sanktionsrahmens schafft die Fixpunkte für die tatrichterliche Entscheidung im konkreten Einzelfall. Sie stellt den unverzichtbaren Orientierungsrahmen für die richterliche Abwägung dar (BVerfGE 105, 135, 156). Dieses Erfordernis erfüllt eine bloße Kappungsgrenze nicht. Sie entspricht nämlich nicht einmal annähernd dem denkbar schwersten Fall, für den allein - wie auch im Strafrecht (Fischer, StGB, 60. Aufl., § 46 Rn. 16; vgl. auch BGH, Beschluss vom 30. August 1983 - 5 StR 587/83, StV 1984, 152) - grundsätzlich die höchste Sanktion verhängt werden darf.
Es kommt hinzu, dass mangels gesetzlicher Vorschriften zu den Kriterien einer von einem festen Sanktionsrahmen unabhängigen Bußgeldzumessung und deren konkreter Bewertung auch sonst jeder gesetzliche Maßstab fehlte, an dem sich die Bußgeldbemessung im Einzelfall orientieren könnte. Es ist jedoch Aufgabe des Gesetzgebers, über die allgemeinen Kriterien zu befinden, die den konkreten Ahndungsvorgang leiten (BVerfGE 105, 135, 155). Ein solcher gesetzlicher Maßstab kann auch nicht durch Leitlinien des Bundeskartellamts oder der Europäischen Kommission ersetzt werden, an deren Leitlinien sich das Bundeskartellamt weitgehend angelehnt hat. Würde die Bußgeldobergrenze als Kappungsgrenze verstanden, wäre die - mangels eines zur Orientierung dienenden Ahndungsrahmens noch dringender notwendige - normative Vorprägung des richterlichen Ahndungsprozesses nicht gewährleistet. Zwar bestimmt § 81 Abs. 4 Satz 4 GWB 2005, dass bei der Festsetzung der Höhe der Geldbuße sowohl die Schwere der Zuwiderhandlung als auch deren Dauer zu berücksichtigen sind. Ist aber kein fester Ahndungsrahmen vorhanden, fehlt auch diesen Zumessungskriterien das sie einordnende Bezugssystem. Dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot ist deshalb nur genügt, wenn die Regelung des § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB 2005 als umsatzabhängige Obergrenze verstanden wird. Nur dann besteht für die Bußgeldzumessung ein hinreichend bestimmter Rahmen, innerhalb dessen anhand der allgemeinen Zumessungskriterien das zu verhängende Bußgeld im Einzelfall festgelegt werden kann. Die 56 Leitlinien des Bundeskartellamts, die kein materielles Gesetz darstellen und an die das Gericht nicht gebunden ist, können den gebotenen normativen Rahmen nicht ersetzen.
Für das gerichtliche Bußgeldverfahren - ebenso wie für das Strafverfahren - gilt vielmehr, dass der Richter die Sanktion selbständig innerhalb des vom Gesetz vorgegebenen Rahmens zu finden hat. Dabei hat er die schärfenden und mildernden Faktoren gegeneinander abzuwägen und anhand der gesetzlich vorgegebenen Bemessungskriterien gemäß § 17 Abs. 3 OWiG das Bußgeld festzusetzen. Dies stellt einen eigenständigen Erkenntnisakt des zur Entscheidung berufenen Gerichts dar, das nicht nur den Bußgeldbescheid auf seine Angemessenheit zu überprüfen hat. Dies folgt schon daraus, dass die gerichtliche Hauptverhandlung im Bußgeldverfahren nicht etwa lediglich eine Verhandlung über die im Bußgeldbescheid enthaltenen tatsächlichen (und rechtlichen) Angaben ist. Sie dient vielmehr der eigentlichen Untersuchung des ordnungswidrigen Verhaltens des Betroffenen und der Aufklärung der wahren Beschaffenheit der Tat (BGHSt 23, 336, 341). Dies schließt auch deren Ahndung ein. Um dem Richter eine eigenständige Ahndung zu ermöglichen, bedarf es neben einer Untergrenze einer festen, wenngleich auch erst über den Umsatz zu bestimmenden Obergrenze. Als solche ist in verfassungskonformer Auslegung § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB 2005 zu verstehen.
(2) Mit einer solchen umsatzabhängigen Obergrenze verstößt der Bußgeldrahmen nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG. Er widerspricht insbesondere nicht den Grundsätzen, die das Bundesverfassungsgericht zur Vermögensstrafe nach § 43a StGB aufgestellt hat. Dort hat das Bundesverfassungsgericht die Festlegung eines Rahmens verlangt, dem sowohl grundsätzlich das Mindestmaß einer Strafe als auch eine Sanktionsobergrenze zu entnehmen sein müsse (BVerfGE 105, 135, 156). 58 Die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts lassen sich wegen der Unterschiedlichkeit der Rechtsinstitute nicht ohne weiteres auf die Geldbuße gegen Unternehmen übertragen. Während die Vermögensstrafe als zusätzliche Sanktionsform neben das tradierte System der (Haupt-) Strafen treten sollte, ist die Verhängung von Bußgeldern die zentrale Sanktion bei Ordnungswidrigkeiten. Für den Fall der Kartellordnungswidrigkeit tritt als Besonderheit hinzu, dass der wirtschaftliche Vorteil bei Kartellverstößen, die häufig das marktwirtschaftliche Gefüge in ganz erheblichem Umfang stören und große volkswirtschaftliche Schäden verursachen können, in der Regel bei dem Unternehmen eintritt. Es bedarf deshalb der Androhung einer auch für Großunternehmen empfindlichen Geldbuße.
Damit ist von vornherein ein weiter Rahmen notwendig, wenn die Geldbuße sowohl kleine als auch weltweit tätige Unternehmen erfassen und Zuwiderhandlungen gegen das Kartellverbot nach ihrer jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ahnden soll. Die Anknüpfung an Indikatoren, die eine gewisse Aussagekraft hinsichtlich der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Unternehmens aufweisen, ist deshalb unumgänglich, wenn der Gesetzgeber die gleichermaßen der Verfassung zu entnehmenden Gebote des angemessenen Sanktionierens und der Wahrung der Einzelfallgerechtigkeit umsetzen will.
Dass der Gesetzgeber - insoweit in Anlehnung an das Gemeinschaftsrecht (Art. 23 VO (EG) Nr. 1/2003) - die Umsatzzahlen als maßgebliche Bezugsgröße bestimmt hat, begegnet vor diesem Hintergrund keinen Bedenken. Die Umsatzzahlen sind aussagekräftig im Hinblick auf die Größe des Unternehmens. Aus ihnen lassen sich Rückschlüsse auf seine Stellung am Markt und seine Möglichkeiten ziehen, durch ein gegen die Bußgeldnormen des Kartellrechts verstoßendes Verhalten rechtswidrige Vorteile im Wettbewerb zu erzielen. Zudem sind die Umsatzzahlen Werte, die sich aufgrund der betrieblichen Finanzbuchhaltung relativ leicht feststellen lassen, zumal die in Betracht kom-60 menden Unternehmen im Regelfall publizitätspflichtig sein werden (§ 325 HGB). Da zu dem zu veröffentlichenden Jahresabschluss auch eine Gewinn- und Verlustrechnung zählt (§ 264 HGB), die auf den Umsatzerlösen aufbaut (§ 275 HGB; für den Konzern § 313 HGB), werden die notwendigen Daten ohne große Schwierigkeiten zu erheben sein. Für die betroffenen Unternehmen sind diese aus ihrer Sphäre stammenden Angaben ebenfalls transparent; mithin ist das Höchstmaß der in Betracht kommenden Geldbuße berechenbar. Für die möglicherweise von der Geldbuße betroffenen Unternehmen ist das Höchstmaß zudem deutlich leichter als der Mehrerlös nach § 81 Abs. 2 GWB 1999 zu ermitteln, dessen dreifache Höhe nach dem früheren Rechtszustand die Obergrenze bildete. Die umsatzabhängig zu bestimmende Obergrenze ist damit auch in einem weit höheren Umfang vorhersehbar.
Die umsatzabhängig zu bestimmende Obergrenze erlaubt deshalb innerhalb eines transparenten Berechnungsrahmens eine auf die Finanzausstattung und wirtschaftliche Potenz des Unternehmens wesentlich besser zugeschnittene Ahndung, als dies die frühere Regelung oder ein starres Bußgeldsystem mit betragsmäßig bestimmten Obergrenzen ermöglichte. Starre Obergrenzen, wenn sie noch eine angemessene Ahndung auch für sehr große Unternehmen gewährleisten sollen, müssten nämlich aus der Sicht kleinerer Unternehmen sehr weite Bußgeldrahmen zur Folge haben. Zudem führte ein solcher notwendigerweise sehr weiter Rahmen dazu, dass für kleinere und mittlere Unternehmen die Vorhersehbarkeit einer möglichen zukünftigen Ahndung deutlich geringer wäre, weil die Obergrenze sich in Bereichen bewegte, die in keinem Zusammenhang mehr mit der eigenen Finanz- und Wirtschaftskraft stünden (zutreffend Mundt, WuW 2007, 458, 465).
Gleiches würde im Übrigen gelten, wenn neben der umsatzbezogenen Obergrenze eine zweite zu beachtende betragsmäßig feststehende Grenze eingeführt würde (vergleichbar der Tagessatzhöhe bei der Geldstrafe gemäß 63 § 40 Abs. 2 Satz 3 StGB). Diese müsste so hoch sein, dass ihr allenfalls noch Alibicharakter zukäme. Wäre sie niedriger, kämen wiederum nur sehr große Unternehmen in den Genuss einer zusätzlichen Deckelung. Dass dies unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots nach Art. 103 Abs. 2 GG erforderlich sein sollte (so aber wohl Hassemer/Dallmeyer aaO S. 42), ist nicht erkennbar.
Ebenso wenig ist es aus verfassungsrechtlichen Gründen zu beanstanden, dass nicht an die Umsatzzahlen zur Tatzeit angeknüpft wird. Die Zulässigkeit einer solchen Regelung ergibt sich schon aus dem allgemeinen Grundsatz, dass für die Ahndung die der Entscheidung sachnächsten Zahlen zugrunde zu legen sind (vgl. zur Geldstrafe BGH, Beschluss vom 27. März 1979 - 1 StR 503/78, BGHSt 28, 360, 362). Ein Verstoß gegen den Schuldgrundsatz oder das Bestimmtheitsgebot ist hierin nicht zu sehen (so aber wohl Gürtler in Göhler, OWiG, 16. Aufl., § 17 Rn. 48c).
c) Ohne Rechtsverstoß hat das Oberlandesgericht bei der Berechnung der umsatzabhängigen Obergrenze nicht nur den Umsatz der jeweiligen Nebenbetroffenen, sondern des Konzerns zugrunde gelegt, indem es sämtliche Umsätze der im Sinne des § 36 Abs. 2 GWB verbundenen Unternehmen einbezogen hat.
Allerdings bestimmte § 81 Abs. 4 Satz 2 GWB 2005 in der bis zum 21. Dezember 2007 geltenden Fassung, dass das Bußgeld für "jedes an der Zuwiderhandlung beteiligte Unternehmen oder jede beteiligte Unternehmensvereinigung über Satz 1 hinaus 10 vom Hundert seines bzw. ihres jeweiligen im vorausgegangenen Geschäftsjahr erzielten Gesamtumsatzes nicht übersteigen" darf. Erst durch die Preismissbrauchsnovelle vom 18. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2966) wurde (mit Wirkung zum 22. Dezember 2007) ein Satz 3 eingefügt, wonach bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes der weltweite Umsatz aller na-65 türlichen und juristischen Personen zugrunde zu legen ist, die als wirtschaftliche Einheit operieren. Hierdurch sollte - so die Materialien zur Preismissbrauchsnovelle (BT-Drucks. 16/7156, S. 11) - nur klargestellt werden, dass eine solche Umsatzzurechnung im Konzern auch im Rahmen der "Kappungsgrenze" des § 81 Abs. 4 GWB 2005 zu erfolgen hat und hierzu entsprechend der europäischen Rechtslage auf den Begriff der wirtschaftlichen Einheit abzustellen ist.
Aus dieser Gesetzesänderung folgt nicht, dass zuvor ein anderer Bezugsmaßstab gegolten hat. Vielmehr wollte der Gesetzgeber - wie der Begriff "Klarstellung" verdeutlicht - vor dem Hintergrund des Streits in der Literatur (vgl. Dannecker/Biermann in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht: GWB, 4. Aufl., § 81 Rn. 342 mwN) seinen ursprünglichen gesetzgeberischen Willen weiter präzisieren, um Missverständnisse auszuräumen. Dieses Normverständnis hat auch im Wortlaut des Gesetzes Ausdruck gefunden.
Sowohl aus dem Begriff "Unternehmen" als auch aus dem Merkmal "Gesamtumsatz" lässt sich schließen, dass eine Bezugseinheit angesprochen sein sollte, die über die Rechtsfigur der juristischen Person hinausgreift, die für die Begründung der bußgeldrechtlichen Verantwortlichkeit maßgebend ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10. August 2011 - KRB 55/10, BGHSt 57, 193 = WuW/E DE-R 3455 - Versicherungsfusion). Der Begriff des Unternehmens impliziert vielmehr im Gegensatz hierzu die wirtschaftliche Einheit, zu der die verbundenen Unternehmen hinzuzurechnen sind, die in einem Konzernverbund (§ 18 AktG) unter einheitlicher Leitung stehen. Bestätigt wird dieses Ergebnis durch das weitere Merkmal des Gesamtumsatzes. Dieses impliziert notwendigerweise die rechnerische Zusammenfassung von Umsätzen. Das deutet darauf hin, dass neben dem Jahresumsatz der originär verantwortlichen juristischen Person auch weitere Umsätze - naheliegend die Umsätze der zu ihr im Konzernverbund stehenden Gesellschaften - hinzugerechnet werden müssen. 68 Dieses Auslegungsergebnis entspricht auch dem Gesetzeszweck, eine Ahndung in Abhängigkeit zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sicherzustellen. Er verlangt eine Anknüpfung an wirtschaftliche Indikatoren, die in den Begriffen "Unternehmen" und "Gesamtumsatz" zum Ausdruck kommen. Da es für die wirtschaftliche Bewertung entscheidend auf das Unternehmen als wirtschaftliche Einheit ankommt, muss auch dessen Gesamtumsatz den Bezugspunkt bilden. Die Ahndungsempfindlichkeit und der sich hieraus ergebende Abschreckungseffekt bestimmen sich nämlich nicht nach den wirtschaftlichen Daten der juristischen Person, für die gehandelt wurde, sondern nach denjenigen des Gesamtunternehmens. Im Übrigen kann nur so wirksam Vermögensverschiebungen innerhalb des Gesamtkonzerns entgegengewirkt werden (BT-Drucks. 16/7156, S. 11).
Der vorliegende Fall nötigt nicht zu einer vertieften Betrachtung, welche Grenzen für eine Umsatzzurechnung nach § 81 Abs. 4 GWB 2005 bestehen. Nach den Urteilsfeststellungen handelt es sich bei den zur wirtschaftlichen Einheit gezählten Töchtern jeweils um 100-prozentige Beteiligungen. Lediglich hinsichtlich der Holcim AG hat das Oberlandesgericht auch eine nur 89-prozentige Beteiligung der Holcim Beteiligungsgesellschaft mbH, die wiederum eine 100-prozentige Tochter der Holcim Schweiz ist, als ausreichend angesehen. Dies begegnet angesichts dessen, dass zwischen der Holcim AG und der Holcim Beteiligungsgesellschaft mbH ein Gewinnabführungsvertrag besteht und sämtliche Holcim Gesellschaften durch die Mitglieder der Geschäftsleitung der Schweizer Holding unter regionaler Aufteilung der Zuständigkeiten einheitlich geführt werden, keinen Bedenken.
d) Nicht zu beanstanden ist schließlich, dass das Oberlandesgericht als maßgebliches Jahr für die Feststellung des Umsatzes das Jahr vor der Bußgeldentscheidung angesehen hat. 70 Diese Regelung wurde zwar erst durch die Preismissbrauchsnovelle vom 18. Dezember 2007 eingeführt. Sie war auch - anders als die Konkretisierung der zugrundezulegenden Umsätze - nicht nur klarstellender Natur (vgl. auch BT-Drucks. 16/7156, S. 11); zuvor galt - wie bereits oben ausgeführt (Rn. 65) - der allgemeine Grundsatz, dass es für die Feststellung der Umstände, die für die Ahndungshöhe relevant sind, grundsätzlich auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ankommt. Es beschwert aber die Nebenbetroffenen nicht, dass das Oberlandesgericht von dem Geschäftsjahr vor Erlass des Bußgeldbescheids ausgegangen ist. Nach den Feststellungen waren die Umsätze in diesem Jahr bei allen Nebenbetroffenen niedriger. Insoweit war die Fassung des § 81 Abs. 4 GWB 2007 für die Nebenbetroffenen das mildere Gesetz (§ 4 Abs. 3 OWiG).
e) Die nach dem Bußgeldrahmen des § 81 Abs. 2 GWB vorgenommene Feststellung des Mehrerlöses hat das Oberlandesgericht rechtsfehlerfrei getroffen.
aa) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerden war für die Mehrerlösfeststellung kein zweistufiges Verfahren dergestalt erforderlich, dass zunächst die Frage des Vorliegens eines Mehrerlöses zu klären war und erst danach - in einem zweiten Schritt - die Beauftragung eines Sachverständigen erfolgen durfte, der die für die Schätzung des Mehrerlöses erforderlichen Anknüpfungstatsachen ermitteln sollte.
Nach den Umständen des Streitfalls musste das Oberlandesgericht keine Zweifel am Entstehen eines Mehrerlöses haben. Es konnte vielmehr sogleich in die Prüfung der Höhe der Mehrerlöse eintreten. Wie der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 28. Juni 2005 (KRB 2/05, WuW/E DE-R 1567, 1569 - Berliner Transportbeton I) ausgeführt hat, besteht ein wirtschaftlicher Grundsatz, dass die Gründung eines Kartells grundsätzlich der Steigerung des Gewinns 73 der im Kartell beteiligten Unternehmen dient. Deshalb spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Kartell gebildet und erhalten wird, weil es höhere als am Markt erzielbare Preise erbringt.
Im vorliegenden Fall wird dieser Erfahrungssatz durch die über zehnjährige Dauer des Kartells bestätigt, zumal es aus der Angst vor Preisverfall nach einer kurzen kartellfreien Phase gegründet wurde. Zudem hätten es die Ermittlungen zur Höhe des Mehrerlöses aufgedeckt, wenn tatsächlich kein Mehrerlös entstanden oder dies jedenfalls nicht ausschließbar gewesen wäre. Dementsprechend hat das Oberlandesgericht auf der Grundlage des Befundes des Gutachters für die Gebiete Niedersachsen, Bremen und Hamburg keinen Mehrerlös feststellen können, sondern nur einen durch die kartellbedingte Abschirmung durch die kartellierten Märkte in Norddeutschland bedingten Mehrerlös in Schleswig-Holstein angenommen. Aus dem Umstand, dass für die Entstehung eines Mehrerlöses Gewissheit erforderlich ist (BGH, WuW/E DE-R 1567, 1569 - Berliner Transportbeton I), während die Höhe des Mehrerlöses geschätzt werden darf, folgt nicht, dass sich das Gericht diese volle Gewissheit verschaffen muss, bevor es die Höhe des Mehrerlöses ermittelt.
bb) Die Feststellungen zu den erzielten Mehrerlösen sind rechtsfehlerfrei. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Oberlandesgericht keine tataktuellen Vergleichsmärkte herangezogen hat. Dies ist nämlich nur dann angängig, wenn die in die Vergleichsbetrachtung einzubeziehenden Märkte ihrerseits kartellfrei sind (BGHSt 52, 1 Rn. 19 f. - Papiergroßhandel), was das Oberlandesgericht hinsichtlich der in Betracht gezogenen ausländischen Märkte nicht hat feststellen können. Bei der von ihm vorgenommenen wirtschaftlichen Analyse hat das Oberlandesgericht den Anforderungen des Vergleichsmarktkonzepts Rechnung getragen, indem es die Preisentwicklung auf den später nicht mehr kartellierten Märkten zugrunde gelegt und bewertet hat. Dies ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. 77 cc) Gegen die vom Oberlandesgericht vorgenommene Schätzung, deren Grundlagen und Berechnungsschritte in den Urteilsgründen eingehend dargelegt sind, ist aus Rechtsgründen nichts zu erinnern. Die insoweit vorgebrachten Angriffe, die teilweise auf urteilsfremden Umständen beruhen, sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Dass das Oberlandesgericht sowohl bei den einzelnen Schätzungsgrundlagen als auch bei dem Schätzungsergebnis sehr weitgehende Abschläge vorgenommen hat, beschwert die Nebenbetroffenen nicht (vgl. BGHSt 52, 1 Rn. 22 f. - Papiergroßhandel).
3. Die Bußgeldbemessung hält der Nachprüfung im Rechtsbeschwerdeverfahren stand.
a) Das Oberlandesgericht durfte die von den Rechtsvorgängern der Holcim AG begangenen Kartellabsprachen bußgelderhöhend berücksichtigen. Insoweit setzte es sich nicht in Widerspruch zu den - nach Erlass des angefochtenen Urteils ergangenen - Senatsentscheidungen vom 10. August 2011 (KRB 2/10, wistra 2012, 152 - Transportbeton II; KRB 55/10, BGHSt 57, 193 - Versicherungsfusion).
Danach darf gegen einen Gesamtrechtsnachfolger ein Bußgeld nur dann verhängt werden, wenn zwischen der früheren und der neuen Vermögensverbindung nach wirtschaftlicher Betrachtung nahezu Identität besteht. Vorausgesetzt wird hierfür, dass das Vermögen der ursprünglich haftenden juristischen Person einen wesentlichen Teil des Gesamtvermögens der neuen juristischen Person ausmacht. Eine Fusion unter Gleichen oder nahezu Gleichen erfüllt diese Voraussetzung nicht (BGHSt ebd. Rn. 19).
Feststellungen zu den wirtschaftlichen Größenverhältnissen der aufgenommenen Gesellschaften (Nordcement AG, Alsen-Breitenburg Zement- und Kalkwerk GmbH) und der aufnehmenden Gesellschaft (Alsen AG, die später in 79 die Holcim AG umfirmiert wurde) hat das Oberlandesgericht nicht getroffen. Dies war auch entbehrlich. Der entscheidende Unterschied zu der Fallkonstellation, die den vorgenannten Senatsentscheidungen zugrunde liegt, ist hier, dass die Kartellabsprache von der aufnehmenden Gesellschaft fortgesetzt wurde. Damit hat die aufnehmende Gesellschaft - soweit sie nicht schon vorher in das Absprachengeflecht einbezogen war (wie im Fall der Absprache mit der Teutonia) - durch eigene Leitungsorgane im Sinne des § 30 OWiG den Bußgeldtatbestand verwirklicht. Da die einzelnen Absprachen über die gesamte Zeitdauer des Bestehens des Kartells - wie oben ausgeführt - zu einer Bewertungseinheit verbunden sind, ist hierdurch eine eigenständige bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit der Holcim AG begründet worden. Die vom Senat aus dem Analogieverbot (Art. 103 Abs. 2 GG) abgeleiteten Bedenken gegen eine bußgeldrechtliche Haftung für eine andere Person, die sich auf den engen Wortlaut des § 30 OWiG stützen, der nur eine bußgeldrechtliche Haftung derjenigen juristischen Person erlaubt, für die der Verantwortliche gehandelt hat, bestehen bei dieser Sachverhaltskonstellation nicht.
Dass sich das Verhalten der aufgenommenen Gesellschaften in den festgestellten Mehrerlösen und damit in der Bemessung der Bußgelder niedergeschlagen hat, begegnet keinen Bedenken. Es war - zumal der aufnehmenden Gesellschaft etwaige Renditen und wettbewerbliche Vorteile aus dem Kartell verblieben sind - sogar geboten, dies im Rahmen der Zumessung der Bußgelder zu berücksichtigen. Die Holcim AG als aufnehmende Gesellschaft wird hierdurch auch nicht unbillig belastet. Wenn sie von der Absprachepraxis nicht schon aus eigener Beteiligung Kenntnis hatte, nahm sie diese jedenfalls ab dem Zeitpunkt, zu dem sie die Absprachen fortsetzte, in ihren Willen auf.
Auch hinsichtlich der Lafarge GmbH ist die Zurechnung der Mehrerlöse ihres Tochterunternehmens rechtsfehlerfrei. Das Oberlandesgericht durfte die Mehrerlöse einbeziehen, die bei der Lafarge Zement Karsdorf GmbH seit 1994 84 angefallen waren. Diese Gesellschaft wurde eine 100-prozentige Tochter der Lafarge GmbH, wobei ab dem Jahr 1997 ein Gewinnabführungsvertrag bestand. Insoweit hat das Oberlandesgericht darauf abgestellt, dass die Vorteile aus der rechtswidrigen Praxis bei dem Mutterunternehmen angefallen sind. Dies durfte bei der Bemessung des Bußgelds jedenfalls deshalb zu ihren Lasten berücksichtigt werden, weil die Lafarge GmbH nicht nur Kenntnis von den Absprachen hatte, sondern ihre Tochtergesellschaft ausdrücklich in die Quotenfestlegung einbezog.
b) Auch im Übrigen ist die Bemessung der einzelnen Bußgelder aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Oberlandesgericht hat bei der Festlegung der einzelnen Bußgelder auch die sich aus dem Additionsgrundsatz des § 20 OWiG ergebenden Härten berücksichtigt. Wegen der nicht allzu erheblichen Verzögerung des Verfahrens musste das Oberlandesgericht keine teilweise Anrechnung festlegen, zumal die Nebenbetroffene aus der verspäteten Entscheidung den Vorteil eines weiteren Kapitalnutzens ziehen konnte.
IV. Allerdings ist für eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung eine Kompensation in Gestalt einer Anrechnung auf die verhängten Geldbußen vorzunehmen. Das Verfahren wurde nach Urteilserlass rechtsstaatswidrig verzögert.
Das Urteil des Oberlandesgerichts datiert vom 26. Juni 2009. Die Rechtsbeschwerdebegründungen waren bis Ende 2009 eingegangen; ergänzende Ausführungen zu den erhobenen Sachrügen erfolgten bis April 2010. Dem Generalbundesanwalt wurden die Akten erst im Dezember 2011 vorgelegt. Die Verzögerung beruhte im Wesentlichen darauf, dass die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf und das Bundeskartellamt gemeinsam eine über 800 Seiten umfassende Gegenerklärung ausgearbeitet haben, die erst am 2. Dezember 86 2011 fertiggestellt wurde. Eine derart lange Bearbeitungszeit ist unangemessen und begründet eine rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerung.
Nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 347 Abs. 1 StPO beträgt die für die Gegenerklärung zu beachtende Frist grundsätzlich eine Woche. Werden Verfahrensmängel geltend gemacht, ist die Staatsanwaltschaft gehalten, innerhalb dieser Frist eine Gegenerklärung abzugeben (Nr. 162 Abs. 2 RiStBV), um für das Rechtsbeschwerdegericht die zugrundeliegenden Verfahrensvorgänge aufzubereiten. Dies hat die Generalstaatsanwaltschaft hier in vorbildlicher Weise getan. Nicht erforderlich sind dagegen Stellungnahmen zur Sachrüge (Nr. 162 Abs. 1 RiStBV), insbesondere im hier vorliegenden Umfang. Die Frist von einer Woche mag sich zwar, wenn - wie hier - umfangreiche Verfahrensbeanstandungen vorliegen, verlängern können (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl., § 347 Rn. 2). Eine knapp zweijährige Bearbeitungsdauer für die Gegenerklärung lässt sich jedoch unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtfertigen.
Damit ist das auch im Bußgeldverfahren nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK geltende Beschleunigungsgebot verletzt (vgl. BGH, WuW/E DE-R 1233, 1235 f. - Frankfurter Kabelkartell). Der Senat sieht es hier als erforderlich an, eine Kompensation anzuordnen. Dies hat dadurch zu erfolgen, dass ein Teil der Gesamtgeldbußen als vollstreckt angerechnet wird (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, BGHSt 52, 124).
Über den Umfang der Kompensation kann das Rechtsbeschwerdegericht selbst befinden (BGH, Beschluss vom 27. November 2008 - 5 StR 495/08, NStZ 2010, 94). Der Senat hält im Hinblick auf die Dauer und das Gewicht der Verfahrensverzögerung jeweils eine Anrechnung von 5% der festgelegten Geldbußen für angemessen. Anders als im Strafrecht, wo die Kompensation nur nach der individuellen Belastung des Betroffenen und nicht in Abhängigkeit von Schuldschwere und Strafhöhe zu bestimmen ist (BGH, Urteil vom 27. Au-89 gust 2009 - 3 StR 250/09, BGHSt 54, 135 Rn. 8; Beschluss vom 13. April 2012 - 5 StR 442/11, NJW 2012, 2370 Rn. 12), kann bei Geldbußen gegen Nebenbetroffene ein prozentualer Abschlag vorgenommen werden. Die Belastung von Unternehmen besteht in dem Rückstellungsbedarf für die verhängten Geldbußen, der sich nach ihrer jeweiligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unterschiedlich auswirkt. Da die Höhe der Geldbußen ebenfalls im Wesentlichen durch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der geahndeten Unternehmen beeinflusst ist, erscheint als Kompensation eine entsprechende prozentuale Anrechnung sachgerecht. Hinsichtlich des Betroffenen Ed. Sch. setzt der Senat den als vollstreckt anzurechnenden Betrag auf 10.000 € fest.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 79 Abs. 3 OWiG, § 473 Abs. 1 und 4 StPO. Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels gibt keinen Anlass, von einer vollständigen Überbürdung der Kostenlast auf die Rechtsbeschwerdeführer abzusehen.
Bornkamm Meier-Beck Raum Strohn Deichfuß
Vorinstanz:
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 26.06.2009 - VI-2a Kart 2-6/08 - 92
BGH:
Beschluss v. 26.02.2013
Az: KRB 20/12
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/2393fc19e859/BGH_Beschluss_vom_26-Februar-2013_Az_KRB-20-12