Bundespatentgericht:
Urteil vom 26. Oktober 2005
Aktenzeichen: 3 Ni 4/04

(BPatG: Urteil v. 26.10.2005, Az.: 3 Ni 4/04)

Tenor

I. Das Patent EP 0 226 984 wird für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass seine Patentansprüche 1 bis 9 folgende Fassung erhalten:

"1. Antimykotisch wirksamer Nagellack, der nach dem Trocknen der Zubereitung einen wasserunlöslichen Film auf dem Nagel bildet, enthaltenda) ein 1-Hydroxy-2-pyridon der allgemeinen Formel I

(I)

in der R1 einen gesättigten Kohlenwasserstoffrest mit 6-9 Kohlenstoffatomen, einer der Reste R2 und R4 ein Wasserstoffatom und der andere Wasserstoff, Methyl oder Ethyl und R3 einen Alkylrest mit 1 oder 2 C-Atomen bedeutet, in freier oder in Salz-Form als antimykotisch wirksamen Stoff, b) einen wasserunlöslichen Filmbildner aus der Gruppe Mischpolymerisat aus Methylvinylether und Maleinsäuremonobutylester, Cellulosenitrat, Polyvinylbutyral und Polyvinylacetat, c) ein physiologisch unbedenkliches Lösemittel, sowie gegebenenfallsd) in Kosmetika gebräuchliche Zusätze.

2. Nagellack gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass der Wirkstoff in den Positionen R2 und R4 Wasserstoff enthält.

3. Nagellack gemäß Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Wirkstoff in der Position R1 einen cyclischen Rest enthält.

4. Nagellack gemäß Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, dass R1 vorzugsweise ein Cyclohexylrest ist.

5. Nagellack gemäß Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, dass der Wirkstoff in der Position R1 einen Octylrest, insbesondere der Formel -CH2-CH(CH3)ÑCH2-C(CH3)3 enthält.

6. Nagellack gemäß einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass der Wirkstoff in einer Menge von 2 bis 80, vorzugsweise von 10 bis 60 und insbesondere von 20 bis 40 Gew.-%, bezogen auf die Menge der nichtflüchtigen Bestandteile, enthalten ist.

7. Nagellack gemäß einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, dass er den Wirkstoff in einer Menge von 0,5 bis 20, vorzugsweise von 2 bis 15 Gew.-%, bezogen auf die Menge der flüchtigen und der nichtflüchtigen Bestandteile, enthält.

8. Verfahren zur Herstellung eines Nagellacks gemäß den Ansprüchen 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, dass man die Komponenten a) bis c) sowie ggf. andere für die Herstellung von Nagellack übliche Komponenten vermischt.

9. Verwendung einer oder mehrerer Verbindungen der Formel I, wie in Anspruch 1 definiert, als Zusatzmittel in Nagellack(en), der nach dem Trocknen der Zubereitung einen wasserunlöslichen Film auf dem Nagel bildet, enthaltend einen wasserunlöslichen Filmbildner aus der Gruppe Mischpolymerisat aus Methylvinylether und Maleinsäuremonobutylester, Cellulosenitrat, Polyvinylbutyral und Polyvinylacetat, ein physiologisch unbedenkliches Lösemittel sowie gegebenenfalls in Kosmetika gebräuchliche Zusätze."

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 13. Dezember 1986 unter Inanspruchnahme der Priorität der deutschen Patentanmeldung DE 35 44 983 vom 19. Dezember 1985 beim Europäischen Patentamt angemeldeten und ua mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland in der Verfahrenssprache Deutsch erteilten europäischen Patents EP 0 226 984 (Streitpatent), das vom Deutschen Patent- und Markenamt unter dem Aktenzeichen DE 36 71 699 geführt wird. Das Patent betrifft einen "antimykotisch wirksamen Nagellack" und umfasst für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland 9 Patentansprüche, die wie folgt lauten:

"1. Antimykotisch wirksamer Nagellack, enthaltenda) ein 1-Hydroxy-2-pyridon der allgemeinen Formel I In der R1 einen gesättigten Kohlenwasserstoffrest mit 6-9 Kohlenstoffatomen, einer der Reste R2 und R4 ein Wasserstoffatom und der andere Wasserstoff, Methyl oder Ethyl und R3 einen Alkylrest mit 1 oder 2 C-Atomen bedeutet, in freier oder in Salz-Form als antimykotisch wirksamen Stoff, b) einen wasserunlöslichen Filmbildner, c) ein physiologisch unbedenkliches Lösemittel, sowie gegebenenfallsd) in Kosmetika gebräuchliche Zusätze.

2. Nagellack gemäß Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der Wirkstoff in den Positionen R2 und R4 Wasserstoff enthält.

3. Nagellack gemäß Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß der Wirkstoff in der Position R1 einen cyclischen Rest enthält.

4. Nagellack gemäß Anspruch 3, dadurch gekennzeichnet, daß R1 vorzugsweise ein Cyclohexylrest ist.

5. Nagellack gemäß Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß der Wirkstoff in der Position R1 einen Octylrest, insbesondere der Formel -CH2-CH(CH3)ÑCH2-C(CH3)3 enthält.

6. Nagellack gemäß einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, daß der Wirkstoff in einer Menge von 2 bis 80, vorzugsweise von 10 bis 60 und insbesondere von 20 bis 40 Gew.-%, bezogen auf die Menge der nichtflüchtigen Bestandteile enthalten ist.

7. Nagellack gemäß einem oder mehreren der Ansprüche 1 bis 6, dadurch gekennzeichnet, daß er den Wirkstoff in einer Menge von 0,5 bis 20, vorzugsweise von 2 bis 15 Gew.-%, bezogen auf die Menge der flüchtigen und der nichtflüchtigen Bestandteile, enthält.

8. Verfahren zur Herstellung eines Nagellacks mit einem Gehalt an einem wasserunlöslichen Filmbildner und einem antimykotisch wirksamen Stoff gemäß den Ansprüchen 1 bis 7, dadurch gekennzeichnet, daß man einen wasserunlöslichen Filmbildner mit einem antimykotisch wirksamen Stoff der Formel I (wie in Anspruch 1 definiert) sowie ggf. mit anderen für die Herstellung von Nagellack üblichen Komponenten vermischt.

9. Verwendung einer oder mehrerer Verbindungen der Formel I, wie in Anspruch 1 definiert, als Zusatzmittel in Nagellack(en)."

Die Klägerin macht geltend, das Streitpatent sei nicht patentfähig, weil sein Gegenstand nicht neu sei und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Zur Begründung beruft sie sich auf folgende Unterlagen:

N3: WO 87/02580 A1 N3-1: Prioritätsdokument zur Anlage N3 N3-2: Registerauszug des DPMA zur Anlage N3 N4: DE 31 40 954 A1 N5: EP 0 055 397 A1 N6: US 4 250 164 A N7: Kellner et al, Arzneimittelforschung 1981, 31(88), 1337 bis 53 (nur Abstract).

Die Klägerin beantragt, das europäische Patent EP 0 226 984 B1 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen der Klägerin entgegen und hält das Streitpatent für patentfähig. Hilfsweise verteidigt sie das Streitpatent mit den Patentansprüchen 1 bis 9 gemäß der in der mündlichen Verhandlung vom 26. Oktober 2005 vorgelegten Fassung des 1. Hilfsantrags. Wegen des Wortlauts dieser Patentansprüche wird auf den Tenor verwiesen und Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage erweist sich als teilweise begründet.

Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund der fehlenden Patentfähigkeit führt zur Nichtigerklärung des Streitpatents mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland, soweit es der erteilten Fassung der Patentansprüche 1 bis 9 gemäß dem Hauptantrag entspricht (Art II § 6 Abs 1 Nr 1 IntPatÜG, Art 138 Abs 1 lit a EPÜ).

I.

1. Das Streitpatent betrifft in der erteilten Fassung einen antimykotisch wirksamen Nagellack, ein Verfahren zu dessen Herstellung und die Verwendung einer oder mehrerer Verbindungen der im Patentanspruch 1 angegebenen allgemeinen Formel (I) als Zusatzmittel in Nagellack(en).

Nach den Angaben der Streitpatentschrift sind Nagelmykosen langwierige und schwer zu behandelnde Erkrankungen. Mit dem in der europäischen Patentschrift 55 397 (N5) geschilderten Verfahren (vgl Streitpatent S 4 Z 3 bis 16) wird versucht, die für die Betroffenen belastende Behandlung mittels eines mit Wirkstoffen versehenen wasserlöslichen Films, der auf die Nägel aufgebracht wird, zu erleichtern. Die Verwendung wasserlöslicher Bindemittel führt jedoch dazu, daß das aufgetragene Mittel bei jedem Kontakt mit Wasser mehr oder weniger entfernt wird, so dass keine ausreichend hohe Wirkstoffkonzentration auf dem Nagel mehr vorhanden ist. Im Zusammenhang mit der Verwendung eines wasserunlöslichen Polymers als Filmbildner zB in Form von Methacrylaten wird dabei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass dies zu einer Verschlimmerung der Mykose beitrage.

2. Nach den Angaben der Beklagten im Schriftsatz vom 13. Dezember 2004, S 2, 2. Abs (Bl 64 dA) ist es Aufgabe des Streitpatents einen außerordentlich durchgreifenden und lang anhaltenden antimykotischen Effekt mit optimaler Patienten-Compliance durch die Kombination des an sich bekannten Wirkstoffes, dh einer Pyridon-Verbindung, mit dazu geeigneten Filmbildnern zu einem Nagellack zur Verfügung zu stellen.

3. Diese Aufgabe wird gemäß Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung gelöst durch die Bereitstellung einesantimykotisch wirksamen Nagellacks, der zwingend enthält:

a) ein 1-Hydroxy-2-pyridon der im Streitpatent angegebenen allgemeinen Formel (I), b) einen wasserunlöslichen Filmbildner sowiec) ein physiologisch unbedenkliches Lösungsmittel.

II.

1. Die Klage hat im Umfang des Hauptantrages Erfolg, weil sich der Gegenstand des Patentanspruches 1 in der erteilten Fassung im Hinblick auf die Druckschrift WO 87/025 80 A1 (N3) mit älterem Zeitrang mangels Neuheit als nicht bestandsfähig erweist.

1.1. Die internationale Patentanmeldung N3 beschreibt pharmazeutische Zubereitungen, die insbesondere zur Behandlung von Onychomykosen, dh Pilzerkrankungen der Nägel, geeignet sind. Als wesentliche Bestandteile enthalten diese neben einem antimykotischen Wirkstoff, bei dem es sich um Ciclopirox, dh 1-Hydroxy-4-methyl-6-cyclohexyl-2-pyridon (vgl dazu Klageschriftsatz vom 10. Februar 2004 S 8 Abs 2), handeln kann, und einem pharmazeutisch akzeptablen, somit physiologisch unbedenklichen Lösungsmittel ein hydrophiles, filmbildendes Harz (vgl Patentansprüche 1, 9, 12 und 13 iVm Beschreibung S 1 Abs 1, S 5 "Summary of the Invention" und S 13 Abs 3). Auch der Nagellack gemäß Streitpatent weist als zwingende Bestandteile einen antimykotischen Wirkstoff auf, bei dem es sich gleichfalls um 1-Hydroxy-4-methyl-6-cyclohexyl-2-pyridon handeln kann, und ein physiologisch unbedenkliches Lösungsmittel - entsprechend den Merkmalen a) und c) gemäß Patentanspruch 1 - (vgl Patentanspruch 1 iVm Beschreibung S 3 Z 22 bis 32, insbes Z 28/29). Als Komponente b) ist gemäß Streitpatent ein wasserunlöslicher Filmbildner vorgesehen, während - wie vorstehend dargelegt - die ebenfalls zum Auftrag auf die Nägel bestimmte pharmazeutische Zusammensetzung nach der Entgegenhaltung N3 einen als hydrophil bezeichneten Filmbildner enthält. Dieser sprachliche Unterschied in der Charakterisierung der filmbildenden Polymeren ist indessen zur Abgrenzung des patentgemäßen Nagellackes vom Inhalt der Druckschrift N3 nicht geeignet.

Der Auffassung der Beklagten, die Bezeichnung "hydrophile Polymere" sei in dem Sinne zu verstehen, dass es sich bei den im Dokument genannten filmbildenden Harzen ausschließlich um wasserlösliche Polymere handeln könne, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Nach ständiger Rechtsprechung ist zur Auslegung von Patentansprüchen auch die Beschreibung der Patentschrift heranzuziehen, wobei auf den technischen Sinn der dort benutzten Worte und Begriffe abzustellen ist. Eine Patentschrift stellt somit im Hinblick auf die dort gebrauchten Begriffe ihr eigenes Lexikon dar, weshalb letztlich nur der aus der Patentschrift sich ergebende Begriffsinhalt maßgeblich ist (vgl GRUR 1999, 909, 911 II. sowie III. 3 a) und 912 III. 3 c) - Spannschraube). Von diesen Grundsätzen ausgehend, werden von der in der Druckschrift N3 verwendeten Bezeichnung "hydrophile Harze" daher auch Polymere umfasst, die wasserunlöslich sind. Wie im Beschreibungsteil dieses Dokumentes ausgeführt wird, handelt es sich bei den dort genannten hydrophilen Filmbildnern nämlich um solche Polymere, die zumindest teilweise in Wasser und/oder polaren Lösungsmitteln löslich sind bzw eine Affinität zu Wasser besitzen und durch Wasser benetzbar, dh in Wasser quellbar, sind. Als polare Lösungsmittel werden in diesem Zusammenhang ua die halogenierten Kohlenwasserstoffe Chloroform und Methylenchlorid genannt (vgl Beschreibung S 5/6 übergreifender Absatz), welche bekanntlich mit Wasser nicht mischbar sind. Demnach sind unter die Bezeichnung "hydrophile Harze" ua Polymere zu subsumieren, die zwar in Wasser quellbar sein mögen, jedoch nur in Chloroform oder Methylenchlorid löslich und damit als wasserunlöslich einzuordnen sind. Bestätigt wird diese Auslegung dadurch, dass für beide in Rede stehende Zubereitungen Polymere mit der gleichen Monomeren-Zusammensetzung als in Betracht zu ziehende Filmbildner beschrieben werden. So kann es sich bei der in Rede stehenden Komponente nach der Entgegenhaltung N3 nicht nur allgemein um Polyacrylate handeln, sondern auch um die gemäß Streitpatentschrift ebenfalls für geeignet erachteten Mischpolymerisate aus Acrylsäure und Methacrylsäure (vgl N3 Beschreibung S 6 Abs 4 sowie Streitpatent S 3 Z 36 bis 43, insbes 44/45). Damit werden aber Zubereitungen, wie sie mit dem erteilten Patentanspruch 1 gemäß Streitpatent beansprucht werden, so auch in der internationalen Patentanmeldung N3 angegeben.

Das Argument der Beklagten, im Gegensatz zu den Formulierungen gemäß der Druckschrift N3 handle es sich bei dem Gegenstand gemäß Streitpatentschrift um einen Wirkstoffenthaltenden Nagellack, der Eigenschaften aufweise, die der Lehre dieser Entgegenhaltung folgend, dort erst mit dem Auftrag einer zweiten Schicht in Form eines reinen Nagellackes auf eine erste, den Wirkstoff und das hydrophile Harz enthaltende, lediglich einen Film bildende Schicht, erzielt würden, kann zu keiner anderen Beurteilung der Sachlage führen.

Entgegen der Auffassung der Streitpatentinhaberin ist der Auftrag einer zweiten Schicht nach den Ausführungen im Dokument N3 nicht von vornherein erforderlich. Vielmehr wird die Anwendung dieser Maßnahme insbesondere für den Fall empfohlen, in dem eine Zubereitung mit einer höheren Wirkstoff-Konzentration vorliegt. Dieses kann in der Folge sodann zu einer Veränderung der Hydratationseigenschaften der aufgetragenen Schicht führen, dh die Tendenz des filmbildenden Trägers, sich in Wasser zu lösen, kann in diesem Zusammenhang zunehmen. Um der damit verbundenen Zerstörung des Filmes zu begegnen, wird daher vorgeschlagen, zusätzlich eine bevorzugt wasserfeste Schutzschicht aufzutragen. Als dafür geeignet wird im folgenden jedoch nicht nur ein kommerzieller Nagellack erachtet, sondern alternativ auch das Aufbringen einer zweiten Schicht aus den in der Entgegenhaltung N3 genannten filmbildenden Trägern (vgl Beschreibung S 10 letzter Absatz bis S 11 Abs 4). Dieser spezielle Sachverhalt vermittelt dem Fachmann daher gleichfalls die Lehre, dass gemäß dieser Druckschrift vorgeschlagene pharmazeutische Zubereitungen - wie der Nagellack gemäß Streitpatent - unter den für beide Zusammensetzungen geltenden üblichen Bedingungen (vgl dazu insbesondere N3 Beschreibung S 13 Abs 4 und Streitpatent Patentanspruch 7 iVm Beschreibung S 3 Z 13 bis 17) die Eigenschaft der Wasserunlöslichkeit aufweisen. Insbesondere erhält der Fachmann damit aber auch eine Bestätigung dafür, dass es sich bei den in dieser Schrift vorgeschlagenen hydrophilen, filmbildenden Harzen um solche handeln kann, die wasserfest sind. Die unterschiedliche Benennung der beiden in Rede stehenden Formulierungen - einmal als antimykotisch wirksamer Nagellack, das andere Mal als pharmazeutische Zusammensetzung - ist daher nicht dazu geeignet, als Indiz dafür zu dienen, dass es sich dabei um Zubereitungen mit jeweils unterschiedlicher Beschaffenheit handle.

Der Gegenstand des erteilten Patentanspruches 1 (Hauptantrag) ist damit durch die Lehre der PCT-Anmeldung WO 87/02580 A1 (N3) vorbeschrieben und somit nicht mehr neu.

1.2. Bezüglich der sich anschließenden Patentansprüche 2 bis 9 hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass ihnen ein eigenständig patentfähiger Gehalt zukäme. Dies ist auch für den Senat nicht ersichtlich.

Die Patentansprüche 2 bis 9, deren Neuheit bzw selbständiger erfinderischer Gehalt von der Klägerin schriftsätzlich unter Angabe von Gründen in Abrede gestellt wurde, fallen daher ebenfalls der Nichtigkeit anheim.

2. Die von der Beklagten hilfsweise verteidigte Fassung der Patentansprüche 1 bis 9 gemäß 1. Hilfsantrag erweist sich dagegen als bestandsfähig.

2.1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach 1. Hilfsantrag basiert auf dem erteilten Patentanspruch 1 iVm Streitpatent-Beschreibung S 3 Z 33 bis 48, insbesondere Z 36, 38, 41/42 und 45/46 sowie S 5 Beispiele 11 bis 13. Die Patentansprüche 2 bis 7 entsprechen den erteilten Patentansprüchen 2 bis 7. Die Patentansprüche 8 und 9 gehen auf die erteilten Patentansprüche 8 und 9 iVm Streitpatent-Beschreibung S 3 Z 33 bis 48 sowie S 5 Beispiele 11 bis 13 zurück. Das Patentbegehren nach 1. Hilfsantrag hält sich im Umfang der ursprünglichen Offenbarung. Weder der Patentgegenstand noch der Schutzbereich des Streitpatentes sind hierdurch erweitert worden, die Beschränkungen sind somit zulässig.

2.2. Der Gegenstand des Patentanspruches 1 erweist sich gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik als neu.

Von den mit der internationalen Patentanmeldung N3 mit älterem Zeitrang angegebenen pharmazeutischen Zusammensetzungen unterscheidet sich der antimykotisch wirksame Nagellack des Patentanspruchs 1 gemäß 1. Hilfsantrag durch die als Komponente b) angegebenen filmbildenden Polymeren. Zwar sind die streitpatentgemäß explizit genannten Filmbildner aus der Gruppe Mischpolymerisat aus Methylvinylether und Maleinsäuremonobutylester, Cellulosenitrat, Polyvinylbutyral und Polyvinylacetat den in der Entgegenhaltung N3 beschriebenen allgemeinen Stoffgruppen wie zB Cellulose-Harze oder Vinylharze zuordenbar (vgl N3 Beschreibung S 6 Abs 1). Die Offenbarung eines allgemeinen Begriffes schließt die neuheitsschädliche Vorwegnahme eines speziellen Begriffes jedoch grundsätzlich nicht ein (vgl Benkard PatG 9. Aufl § 3 Rdn 31). So betrifft von den in der Druckschrift N3 nachfolgend explizit als geeignet aufgezählten Polymeren auch keines einen der hilfsweise im verteidigten Patentanspruch 1 angegebenen Filmbildner (vgl N3 Beschreibung S 6 Abs 2 bis 6).

Die deutsche Offenlegungsschrift DE 31 40 954 A1 (N4) nennt kosmetische und dermatologische Zubereitungen zur Behandlung von Akne, dh Formulierungen, die auf der Haut aufgetragen werden (vgl Patentanspruch 4 iVm Beschreibung S 10 Z 36 bis S 11 Z 14). Auch wenn diese als filmbildende Zubereitungen formuliert sein können (vgl Beschreibung S 9 Abs 3), so sind der Schrift doch an keiner Stelle Hinweise dahingehend zu entnehmen, dass es sich dabei ua um Zubereitungen handeln könnte, die wasserunlösliche Filme auf Nägeln bilden, welche nur mit polaren, organischen Lösungsmitteln wieder entfernbar sind. Diese Entgegenhaltung kann die Neuheit daher ebenfalls nicht in Frage stellen.

Die europäische Patentanmeldung 0 055 937 A1 (N5) hat elastische Flüssig-Pflaster zum Gegenstand (vgl Patentanspruch 1 iVm Beschreibung S 2 Z 24 bis 30). Filmbildende Polymere, wie sie im verteidigten Patentanspruch 1 angegeben werden, werden in diesem Zusammenhang nicht genannt (vgl Beschreibung S 5 Z 22 bis S 6 Z 3).

Auch die US-Patentschrift US 4250164 (N6) kann die Neuheit nicht in Frage stellen, nachdem sie die Behandlung von Nägeln zum Thema hat, die als Folge von Psoriasis eine Schädigung aufweisen. Dabei kommen jedoch alleine schon andere Wirkstoffe zum Einsatz als im Fall einer Behandlung von Pilzinfektionen (vgl Patentansprüche 1 und 2).

Das als Entgegenhaltung N7 vorgelegte Abstract CA, 1981, 95: 22 55 47 steht dem beanspruchten Nagellack gleichfalls nicht neuheitsschädlich entgegen, nennt es doch nur Ciclopirox enthaltende Crèmes.

2.3. Die Bereitstellung des beanspruchten Nagellackes nach Patentanspruch 1 des 1. Hilfsantrags beruht gegenüber den vorveröffentlichten Entgegenhaltungen N4 bis N7 auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Aus dem Dokument N7 ist es zwar bekannt, dass es sich bei 1-Hydroxy-4-methyl-6-cyclohexyl-2-pyridon um einen Wirkstoff mit hoher antimykotischer Aktivität handelt. Appliziert wird er dort jedoch als Bestandteil einer Crème.

Diese Entgegenhaltung vermittelt dem Fachmann daher keine Anregung, diesen Wirkstoff - wie es streitpatentgemäß vorgeschlagen wird - in einem wasserunlöslichen Nagellack zu verabreichen. Entsprechende Hinweise erhält der Fachmann aber auch nicht in einer Zusammenschau dieses Dokumentes mit den weiteren im Verfahren genannten Druckschriften.

So wird dem Fachmann mit der Entgegenhaltung N5, die elastische Flüssig-Pflaster betrifft, sogar die Lehre vermittelt, von der Verwendung wasserunlöslicher Polymere bei der Herstellung filmbildender, antimykotisch wirksamer Zubereitungen abzusehen, weil sich in diesem Fall die Mykose verschlimmere (vgl Patentanspruch 1 iVm Beschreibung S 1 Abs 1, S 2 Abs 2 sowie S 9 Abs 3 und 4).

Im Dokument N6 werden zwar Wirkstoffenthaltende Nagellack-Zubereitungen beschrieben. Verwendet werden diese aber zur Behandlung von Nägeln, die in Folge einer Erkrankung an Psoriasis geschädigt worden sind. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine Infektionskrankheit, sondern um eine Hauterkrankung, der ein genetischer Defekt zugrunde liegt und die ua auch zu krankhaften Veränderungen der Nagelplatte führen kann (vgl Beschreibung Sp 1 Z 6 bis 12). Im Zusammenhang damit mögen sich somit auch Veränderungen des Nagelbildes zeigen, die ähnlich einer Pilzinfektion sind, die zur Behandlung jeweils eingesetzten Wirkstoffe unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Struktur jedoch grundlegend vgl Patentanspruch 1). Nachdem aber die Abgabe eines Wirkstoffes - wie zB anhand der Entgegenhaltung N5 zu ersehen ist (vgl Beschreibung S 9 Abs 3 und 4) - ua auch stark von der Struktur des Trägers abhängig ist, wird der Fachmann die mit dem Dokument N6 vermittelte Lehre nicht ohne weiteres auf andere Wirkstoffe übertragen.

Die von der Klägerin ferner genannte Entgegenhaltung N4 betrifft die Bereitstellung von auf die Haut aufzutragende Zubereitungen zur Behandlung von Akne und liegt dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 gemäß 1. Hilfsantrag noch ferner.

Angesichts dieses Standes der Technik musste der Fachmann somit erfinderisch tätig werden, um den mit dem hilfsweise verteidigten Patentanspruch 1 beanspruchten antimykotisch wirksamen Nagellack bereitzustellen. Der Gegenstand des Patentanspruches 1 wird daher vom Stand der Technik nicht nahe gelegt.

2.4. Nach alledem ist der Patentanspruch 1 in der hilfsweise verteidigten Fassung rechtsbeständig.

Die hierauf rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 7 haben mit dem Patentanspruch 1 Bestand.

Die Patentfähigkeit des Verfahrens gemäß Patentanspruch 8 gemäß Hilfsantrag und der mit Patentanspruch 9 angegebenen Verwendung einer oder mehrerer Verbindungen der Formel I, wie in Patentanspruch 1 definiert, wird von den zum Patentanspruch 1 ausgeführten Gründen getragen.

Soweit die Beklagte das Streitpatent mit den Patentansprüchen 1 bis 9 gemäß dem 1. Hilfsantrag beschränkt verteidigt, steht dieser Fassung der Nichtigkeitsgrund fehlender Patentfähigkeit im Sinne der Art II § 6 Abs 1 Nr 1 IntPatÜG, Art 138 Abs 1 lit a EPÜ daher nicht entgegen. Insoweit war die Klage abzuweisen.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 84 Abs 2 PatG iVm § 92 ZPO.

Dr. Schermer Dr. Wagner Sredl Dr. Proksch-Ledig Dr. Gerster Pr






BPatG:
Urteil v. 26.10.2005
Az: 3 Ni 4/04


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