Bundespatentgericht:
Beschluss vom 7. Juli 2004
Aktenzeichen: 32 W (pat) 123/03

(BPatG: Beschluss v. 07.07.2004, Az.: 32 W (pat) 123/03)

Tenor

1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 41 - vom 16. Januar 2003 aufgehoben.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

Die für die Dienstleistungen Schulungsveranstaltungen für Führungskräfte; Beherbergung und Verpflegung von Gästenangemeldete Wortmarke LEADERS CAMP hat die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts mit Beschluss einer Beamtin des gehobenen Dienstes vom 16. Januar 2003 wegen fehlender Unterscheidungskraft zurückgewiesen, weil die Marke aus einfachen, den beteiligten Verkehrskreisen bekannten Wörtern des englischen Grundwortschatzes zusammengesetzt sei. CAMP sei auch bereits in den deutschen Sprachgebrauch eingegangen (unter Hinweis auf Belegstellen in Wörterbüchern sowie Ermittlungen im Internet). Die angesprochenen inländischen Verkehrskreise würden daher, ohne dass eine zergliedernde oder analysierende Betrachtungsweise notwendig wäre, die angemeldete Bezeichnung lediglich als Sachhinweis auf Schulungsveranstaltungen für Führungskräfte, die in einem Camp durchgeführt bzw. angeboten werden, verstehen. Die Dienstleistungen Beherbergung und Verpflegung von Gästen könnten im Rahmen eines solchen Camps erbracht werden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.

Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

Die Marke LEADERS CAMP erfülle in ihrer Gesamtheit die Anforderungen an die Unterscheidungskraft. Die seitens der Markenstelle vorgelegten Nachweise bezögen sich nicht auf die angemeldete Wortmarke und seien daher ungeeignet, ein Freihaltungsinteresse zu begründen.

Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr sei angezeigt, weil das Verfahren vor dem Patentamt an einem schweren Mangel gelitten habe. Das Amt habe ihren Anspruch auf Gewährung des rechtlichen Gehörs verletzt, indem es seine Entscheidung auf Tatsachen (Internetauszüge) gestützt habe, zu denen sie vor Beschlussfassung keine Stellungnahme habe abgeben können, da ihr die Unterlagen erstmals mit dem Beschluss zur Kenntnis gebracht worden seien.

II.

Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und begründet.

1. Es kann nicht festgestellt werden, dass der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlt. Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Denn Hauptfunktion der Marke ist es, die Ursprungsidentität der so gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um gebräuchliche Wörter der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, die vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden werden, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr jegliche Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (st. Rspr.; BGH BlPMZ 2002, 85 - INDIVIDUELLE).

Die angemeldete Wortmarke besteht aus zwei englischsprachigen Wörtern.

Soweit leader für Personen verwendet wird, bezeichnet dieses Wort einen Führer i.S. eines Anführers von Gruppen (Gruppenleiter, Chorleiter, Pfadfinderführer, Kolonnenführer, Vormann), nicht aber Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft. Diese werden im Englischen als manager oder executives bezeichnet.

Unter Camp ist ein Lager zu verstehen, insbesondere ein Zeltlager, Feldlager, Massenlager oder Barackenlager. In diesem Sinne ist das Wort Camp auch in die deutsche Sprache eingegangen. Da derart primitive Unterkünfte den Ansprüchen von Führungskräften im Rahmen ihrer Aus- und Fortbildung, die auch in technischer Hinsicht eine gehobene Ausstattung erfordern, nicht genügen, kommen Camps für Schulungsveranstaltungen für Führungskräfte nicht ernsthaft in Betracht. Der Gesamtbegriff, der mit (Zelt-)Lager bzw. Camp für (Gruppen-)Führer wiedergegeben werden kann, stellt im Hinblick auf die beanspruchten Schulungs-Dienstleistungen daher keine im Vordergrund stehende Sachangabe dar, sondern sie ist für die hier angesprochenen, sprachkundigen Führungskräfte eine eher ironische Umschreibung einer Schulungsstätte für Führungskräfte und damit von betriebskennzeichnender Hinweiskraft. Diese Beurteilung wird dadurch gestützt - wie die Auswertung einschlägiger Internet-Seiten ergab -, dass die Bezeichnung Leader's Camp im angloamerikanischen Bereich durchweg und ausschließlich für Schulungslager der Pfadfinder (Scouts) verwendet wird. Für die Ausbildung von Pfadfindern und -leiter sind keine Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft gefragt, sondern ältere Jugendliche oder junge Erwachsene, die ohne besondere Ausbildung, bestenfalls Erzieher sind.

Auch für die Dienstleistung Beherbung und Verpflegung von Gästen kann nicht verlässlich festgestellt werden, dass der Marke jegliche Unterscheidungskraft fehlt.

Da im Geltungsgebiet des Markengesetzes eine solche Bezeichnung nicht als Sachangabe dafür ermittelbar war und hier alle Bevölkerungskreise von der Marke angesprochen werden, also auch solche, die der englischen Sprache nicht mächtig sind, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Marke auch für diese Dienstleistungen einen betrieblichen Hinweischarakter hat.

2. Die Marke LEADERS CAMP ist auch nicht gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen, denn sie ist nicht geeignet, im Verkehr zur unmissverständlichen Bezeichnung eines Merkmals der beanspruchten Dienstleistungen zu dienen.

Wie oben dargelegt, war nicht ermittelbar, dass die Marke gegenwärtig als Produktmerkmalsbezeichnung verwendet wird. Anhaltspunkte dafür, dass die Bezeichnung LEADERS CAMP künftig für Schulungsveranstaltungen für Führungskräfte und Beherbergung und Verpflegung von Gästen als beschreibende Bezeichnung dienen könnte, sind nicht vorhanden.

3. Die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr folgt aus § 71 Abs. 3 MarkenG aus Billigkeitsgründen. Diese ergeben sich aus einem schweren Verfahrensfehler des Amtes, nämlich der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Soll die Entscheidung des Patentamts auf Umstände gestützt werden, die dem Anmelder noch nicht mitgeteilt waren, so ist ihm nach § 59 Abs. 2 MarkenG vorher Gelegenheit zu geben, sich dazu innerhalb einer bestimmten Frist zu äußern. Das Amt hat die Zurückweisung der Anmeldung auf Tatsachen (Internetausdrucke) gestützt, ohne diese der Anmelderin vor Beschlussfassung bekannt gemacht zu haben. Dies erfolgte erst mit der Zustellung des Zurückweisungsbeschlusses.

Die Verletzung des rechtliches Gehörs war auch ursächlich für die Einlegung der Beschwerde. Die Ursächlichkeit des Verfahrensfehlers ist schon dann zu bejahen, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass die Entscheidung des Patentamts anders ausgefallen wäre. Die Rückzahlung kommt erst dann nicht mehr in Betracht, wenn die Beschwerde auch bei fehlerfreier Sachbehandlung eingelegt worden wäre (vgl. Benkard, PatG, 9. Aufl., § 80 Rdnr. 28 m.w.Nachw.). Hier war nicht auszuschließen, dass eine Stellungnahme der Anmelderin erfolgreich gewesen wäre. Diese Beurteilung gilt vor allem deshalb, weil die Ermittlungsergebnisse bei der gebotenen gründlichen Auswertung nicht geeignet waren, eine Zurückweisung der angemeldeten Marke zu rechtfertigen.

Winkler Kruppa Viereck Hu






BPatG:
Beschluss v. 07.07.2004
Az: 32 W (pat) 123/03


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