Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 26. Juni 1998
Aktenzeichen: 6 U 182/97

(OLG Köln: Urteil v. 26.06.1998, Az.: 6 U 182/97)

1. Eine berufsständische oder berufsstandsähnliche Vereinigung i.S. der Ausnahmevorschrift des Art. 1 § 7 RBerG ist nicht gegeben, wenn nach der Satzung der betreffenden Vereinigung (hier: Arbeitsgemeinschaft Forschung, Aus- und Weiterbildung freier und wirtschaftsberatender Berufe e.V.) die Mitgliedschaft in ihr praktisch jedermann mit einer kaufmännischen Berufsausbildung offensteht und mit dieser Maßgabe einen vom angestellten Fachverkäufer über den Bankangestellten bis zum Hochschullehrer für BWL/VWL reichenden Personenkreis anspricht. 2. Der Zusammenschluß einiger weniger Angehöriger einer bestimmten Berufsgruppe genügt nicht, um die Voraussetzungen des Art. 1 § 7 RBerG zu erfüllen; erforderlich ist vielmehr eine Anzahl von Mitgliedern, die repräsentativ sind für die - angeblich - vertretenen Berufsstände. 3. Art. 59, 60 EGV stehen einer Verurteilung zur Unterlassung rechtsbesorgender Tätigkeit (hier: Einziehung von zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen) mit ausschließlich innerstaatlichem Bezug nicht entgegen.

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 25. September 1997 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Köln - 81 O 25/97 - wird zurückgewiesen. 2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Be-klagte zu tragen. 3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. 4. Die mit diesem Urteil für die Beklagte verbunde-ne Beschwer wird auf DM 40.000,00 festgesetzt.

Gründe

Die in formeller Hinsicht bedenkenfreie Berufung der Beklagten ist zwar zulässig. In der Sache hat das Rechtsmittel jedoch keinen Erfolg.

Zu Recht hat das Landgericht in dem angefochtenen erstinstanzlichen Urteil der Beklagten untersagt, die klägerseits beanstandete Einziehung der zu eben diesem Zweck abgetretenen Forderung - wie aus der Gebührenrechnung Nr. 41060/065 des Steuerberaters H.-P. T. (Bl. 3 f. d.A.) ersichtlich - vorzunehmen. Denn es handelt sich bei dieser Tätigkeit der Beklagten um eine mit Art. 1 § 1 Rechtsberatungsgesetz nicht zu vereinbarende unerlaubte geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten. Da es sich bei der Vorschrift des Art. 1 § 1 Rechtsberatungsgesetz um eine unter anderem dem Schutz des rechtssuchenden Publikums vor Beratung durch nicht qualifizierte Personen dienende, mithin wertbezogene Vorschrift handelt, erfüllt deren Verletzung zugleich den Unlauterkeitstatbestand des § 1 UWG, welcher der Klägerin folglich den geltend gemachten Unterlassungsanspruch verschafft.

Daß es sich bei der verfahrensbefangenen Aktivität der Beklagten überhaupt um die geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten im Sinne der erwähnten Bestimmung des Art. 1 § 1 Rechtsberatungsgesetz handelt, kann dabei ohne weiteres bejaht werden und wird auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt. Diese mit der Inkassotätigkeit der Beklagten verbundene geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten ist weiter aber auch unerlaubt. Denn mit dem Landgericht ist davon auszugehen, daß die Rechtsbesorgung, für welche die Beklagte unstreitig keine Erlaubnis der zuständigen Stelle vorweisen kann, der Erlaubnispflicht unterliegt. Auf den Ausnahmetatbestand des Art. 1 § 7 Rechtsberatungsgesetz kann die Beklagte sich nicht mit Erfolg berufen.

Allerdings ist es richtig, daß es gemäß Art. 1 § 7 des Rechtsberatungsgesetzes einer Erlaubnis für die in Art. 1 § 1 Rechtsberatungsgesetz aufgeführten rechtsbesorgenden und rechtsberatenden Tätigkeiten dann nicht bedarf, wenn auf berufsständischer oder ähnlicher Grundlage gebildete Vereinigungen im Rahmen ihres Aufgabenbereiches ihren Mitgliedern Rat und Hilfe in Rechtsangelegenheiten gewähren. Die Voraussetzungen dieser Ausnahmeregelung liegen hier indessen nicht vor. Denn die Beklagte kann weder als eine berufsständische, noch als eine auf "ähnlicher Grundlage" gebildete Vereinigung im Sinne von Art. 1 § 7 Rechtsberatungsgesetz eingeordnet werden.

"Berufsständisch" ist der Zusammenschluß von Angehörigen eines Berufsstands oder Berufs, Berufs- oder Wirtschaftszweigs zur Förderung der spezifischen Gruppeninteressen. Es muß sich dabei um Interessen des Berufsstandes oder dergleichen handeln, also weder um Interessen der Allgemeinheit noch um die einzelne Mitglieder (vgl. Rennen/Caliebe, Rechtsberatungsgesetz, 2. Aufl., Art. 1 § 7 Rdz. 7). Aus den vom Landgericht in dem angefochtenen Urteil (dort S. 7 f. = Bl. 93 f. d.A.) überzeugend dargelegten Gründen, auf die der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 543 Abs. 1 ZPO Bezug nimmt, scheitert hieran die Einordnung der Beklagten als "berufsständische Vereinigung" im Sinne des Ausnahmetatbestandes des Art. 1 § 7 Rechtsberatungsgesetz. Danach ist der in Frage kommende Mitgliederkreis der Beklagten, die gemäß Ziff. 3.1. der Satzung praktisch jedermann mit einer kaufmännischen Berufsausbildung und anschließender mindestens 5-jähriger Berufspraxis offensteht und die mit dieser Maßgabe einen vom angestellten Fleischereifachverkäufer über Bankangestellte bis hin zum Hochschullehrer für BWL/VWL reichenden Personenkreis anspricht, so weit und umfassend umschrieben, daß spezifische Interessen eines Berufsstandes oder Wirtschaftszweigs, dessen Gruppeninteressen gefördert werden sollen, nicht ersichtlich und - was die spezifischen Belange als Gruppe angeht - nicht definierbar bzw. Konturiert sind. Aus eben diesem Grund scheitert auch die Einordnung der Beklagten als "berufsstandsähnliche Vereinigung". Eine berufsstandsähnliche Grundlage hat eine Vereinigung, die zur Wahrnehmung der gleichen oder ganz ähnlichen wirtschaftlichen oder sozialen Interessen ihrer Mitglieder gebildet worden ist. Auch hier dürfen weder Interessen der Allgemeinheit noch Einzelinteressen im Vordergrund stehen, sondern es muß sich um - zudem auf Dauer angelegte - Gruppeninteressen handeln (vgl. Rennen/Caliebe, a.a.O., Rdnr. 8 zu Art. 1 § 7 Rechtsberatungsgesetz m.w.N.). Daß sich die Beklagte zur Wahrnehmung eben solcher Gruppeninteressen gebildet hat, ist hier aber nicht ersichtlich.

Kann die Beklagte daher schon aus den vorbezeichneten Erwägungen nicht als unter den Ausnahmetatbestand des Art. 1 § 7 Rechtsberatungsgesetz fallende "berufsständische" oder "berufsstandsähnliche Vereinigung" angesehen werden, gilt dies zusätzlich weiter aber auch deshalb, weil nicht ersichtlich ist, inwiefern die Beklagte als Verein eine Mindestgröße aufweist, die gewährleistet, daß tatsächlich die Interessen eines wesentlichen Teils der Gruppenangehörigen vertreten werden. Denn der Zusammenschluß einiger weniger Angehöriger eines bestimmten Berufs genügt nicht, um die Voraussetzungen des Art. 1 § 7 Rechtsberatungsgesetz zu erfüllen. Vielmehr muß ein wesentlicher Teil der fraglichen Gruppe in der Vereinigung organisiert sein (vgl. Rennen/Caliebe, a.a.O., Rdnr. 3 zu Art. 1 § 7 Rechtsberatungsgesetz; Altenhoff/Busch/Chemnitz, Rechtsberatungsgesetz, 10. Aufl., Rdnr. 678 zu Art. 1 § 7 Rechtsberatungsgesetz; Henssler/Prütting, BRAGO, Rdnr. 17 zu Art. 1 § 7 Rechtsberatungsgesetz - jeweils mit weiteren Nachweisen). Daß die Beklagte hier eine Anzahl von Mitgliedern vorweisen kann, die repräsentativ für die angeblich vertretenen Berufsstände ist, läßt sich aber weder ihrem Vortrag, noch dem Sachverhalt im übrigen entnehmen. Dabei fällt auch in's Gewicht, daß, je weiter der Kreis der einen bestimmten Berufsstand in seiner Gesamtheit Angehörigen definiert ist, deren Interessen wahrgenommen und gefördert werden sollen, desto größer die Mitgliederzahl sein muß, um die Wahrnehmung ausschließlich von Partikularinteressen einzelner Mitglieder auszuschließen. Da die Beklagte Zahl und Struktur ihrer Mitglieder nicht dargelegt hat, ist folglich nicht erkennbar, inwiefern sie die erforderliche Mindestgröße aufweist, welche die Förderung der Interessen der Gesamtheit der Angehörigen eines bestimmten Berufs und/oder Berufs- bzw. Wirtschaftszweigs gewährleistet.

Liegen infolge dessen die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestandes des Art. 1 § 7 Rechtsberatungsgesetz auf Seiten der Beklagten nicht vor und bedarf sie daher der Erlaubnis im Sinne des Art. 1 § 1 des Rechtsberatungsgesetzes, erweist sich das vom Landgericht ausgesprochene Verbot, die in der angegriffenen Inkassotätigkeit liegende geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten vorzunehmen, als berechtigt.

Dieses Verbot ist schließlich auch nicht etwa wegen Unvereinbarkeit mit den Art. 59, 60 des EG Vertrages unzulässig, weil hierdurch eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Gemeinschaft für Angehörige der Mitgliedstaaten bewirkt würde. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH's sind Vertragsbestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr nicht auf Betätigungen anwendbar, von deren wesentlichen Elementen keines über die Grenzen eines Mitgliedsstaates hinausweist, wobei die Frage, ob es sich im Einzelfall so verhält, von den tatsächlichen Feststellungen abhängt, die das innerstaatliche bzw. nationale Gericht zu treffen hat (vgl. EuGH, Slg. 1994, I-4795 - Rechtssache C 23/93; EuGH Slg. 1997, I-5 Rechtssache C-3/95, vgl. auch Groeben/Boeckh/Thiesing/Ellermann, EWG-Vertrag, 3. Aufl., Rdn. 2, 4 und 6 f, 10 zu Art. 59 EWG-Vertrag). Danach aber ist im Streitfall ein über die innerstaatlichen Grenzen der Bundesrepublik Deutschland hinausreichender gemeinschaftsrechtlicher Bezug der hier in Frage stehenden beklagtenseits vorgenommenen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten nicht ersichtlich. Es handelt sich um eine in einer inländischen Angelegenheit entfaltete Tätigkeit eines inländischen Vereins, die einen inländischen Rechtssachverhalt betrifft. Folglich kann die der Beklagten auferlegte Erlaubnispflicht und die sich hieraus ergebende Beschränkung ihrer Tätigkeit keinerlei Wirkung über die nationalen Grenzen hinaus entfalten und ist der Anwendungsbereich der Art. 59, 60 des EG-Vertrages nicht berührt.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die gemäß § 546 Abs. 2 ZPO festzusetzende Beschwer orientiert sich am Wert des Unterliegens der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit.






OLG Köln:
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