Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg:
Beschluss vom 26. Juli 2011
Aktenzeichen: OVG 1 K 118.08

(OVG Berlin-Brandenburg: Beschluss v. 26.07.2011, Az.: OVG 1 K 118.08)

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 20. Oktober 2008 wird zurückgewiesen.

Der Erinnerungsführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.

Gründe

Die auf Kürzung der von ihm an den Erinnerungsgegner zu erstattenden Rechtsanwaltskosten gerichtete Beschwerde des Erinnerungsführers gegen die gerichtliche Entscheidung über die Erinnerung (Antrag auf gerichtliche Entscheidung, §§ 165, 151 VwGO) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 9. Oktober 2006 ist unbegründet. Im Einzelnen:

I.

In der der Kostensache zugrunde liegenden Verwaltungsstreitsache erhob der Erinnerungsgegner gegen den Erinnerungsführer wegen Erteilung einer Baugenehmigung am 9. Mai 2001 Klage vor dem Verwaltungsgericht Potsdam, seinerzeit vertreten durch Rechtsanwältin G... (VG 5...). Am 26. April 2005 zeigte Rechtsanwältin J... gegenüber dem Gericht an, dass sie den Erinnerungsgegner aufgrund Niederlegung des Mandats nicht mehr vertrete. Am 17. Januar 2006 meldeten sich die im Aktivrubrum aufgeführten Verfahrensbevollmächtigten für den Erinnerungsgegner; entsprechende Vollmacht, von dem Erinnerungsgegner unterzeichnet am 17. Juni 2005, lag an. Im weiteren Verlauf des Klageverfahrens, in dem u.a. ein Ortstermin stattfand, kam es aufgrund einer Änderung des ursprünglichen Bebauungsplans für das inmitten stehende Gebiet zur Hauptsachenerledigung. Nachdem die seinerzeitigen Hauptbeteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren durch Beschluss vom 11. August 2006 ein und legte € unter Festsetzung eines Streitwerts von 100.000.- DM € den Hauptbeteiligten die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte auf.

Unter dem 29. August 2006 stellte der Erinnerungsgegner einen € bereits berichtigten - auf 3.322,24 Euro lautenden Kostenfestsetzungsantrag, in dem u.a. eine 1,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (VV RVG) sowie eine 1,2 Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV RVG angesetzt waren. Ausgehend hiervon setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die von dem Erinnerungsführer an den Erinnerungsgegner zu erstattenden Anwaltskosten mit Beschluss vom 9. Oktober 2006 entsprechend der hälftigen Kostentragungspflicht auf 1.661,12 Euro fest.

Mit seiner hiergegen erhobenen Erinnerung hat der Erinnerungsführer geltend gemacht, die Kostenberechnung des Erinnerungsgegners sei bereits vom Ansatz her falsch, weil auf sie nicht das RVG, sondern die Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung (BRAGO) in der 2001 gültig gewesenen Fassung anzuwenden sei. Sei nämlich € wie hier - der Verfahrensbevollmächtigte quasi in die Fußstapfen des Vorgängers (hier: Rechtsanwältin J...) getreten, sei auch für seine Vergütung bzw. für den entsprechenden Kostenerstattungsanspruch des Erinnerungsgegners auf den Zeitpunkt der Klageerhebung abzustellen. Dies folge aus § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO, der gemäß § 173 VwGO entsprechend gelte, und nach dessen zweiter Alternative die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nur insoweit zu erstatten seien, als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel habe eintreten müssen; dass hier ein solcher Wechsel habe eintreten müssen bzw. notwendig gewesen sei, habe der Erinnerungsgegner nicht vorgetragen. Wechsele danach eine Partei den Verfahrensbevollmächtigten und berechneten sich die Gebühren des ersten nach der BRAGO und die des zweiten nach dem RVG, seien nur die des ersten erstattungsfähig, wenn diese niedriger seien. So sei es hier, u.a. schon deswegen, weil nach der BRAGO lediglich einfache Gebühren, nicht hingegen € wie nach dem RVG € eine 1,3- fache und eine 1,2-fache Gebühr ansatzfähig seien.

Das Verwaltungsgericht hat die Erinnerung mit Beschluss vom 20. Oktober 2008 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, für die Frage, ob die BRAGO oder das RVG anzuwenden sei, komme es auf den Zeitpunkt der Auftragserteilung und nicht auf denjenigen der Klageerhebung an; danach greife hier das RVG, denn der Auftrag für die jetzigen Verfahrensbevollmächtigten sei nach dem insoweit maßgeblichen 1. Juli 2004 erteilt worden. § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO sei vorliegend nicht anwendbar, denn mit dem angegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss seien lediglich die Kosten für die zuletzt bevollmächtigten Rechtsanwälte und nicht die Kosten für mehrere Rechtsanwälte festgesetzt worden. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Erinnerungsführers.

II.

Das Beschwerdevorbringen greift nicht durch. Der Erinnerungsführer kann eine Kürzung des Kostenerstattungsverlangens des Erinnerungsgegners mit Erfolg nicht verlangen; die diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts sind nicht zu beanstanden.

Erstattungsfähig im verwaltungsgerichtlichen Verfahren sind gem. § 162 Abs. 1 VwGO u.a. die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten. Dazu zählen nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO auch die € stets als erstattungsfähig anzusehenden - Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Gerichtsverfahren. Gegenstand des hier inmitten stehenden Kostenerstattungsantrages sind (allein) die Gebühren und Auslagen der im Rubrum aufgeführten Verfahrensbevollmächtigten des Erinnerungsgegners, keinesfalls etwa diejenigen der Rechtsanwältin J.... Die Gebühren und Auslagen der im Rubrum aufgeführten Verfahrensbevollmächtigten sind von der Kostenbeamtin des Verwaltungsgerichts zutreffend nach den Bestimmungen des RVG errechnet worden. Wie der Übergangsvorschrift aus Anlass des Inkrafttretens des RVG - § 61 Abs. 1 Satz 1 RVG - zu entnehmen ist, wäre die BRAGO nur dann weiter anzuwenden, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung der fraglichen Angelegenheit vor dem 1. Juli 2004 erteilt oder der Rechtsanwalt vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden ist. Dass den im Rubrum aufgeführten Verfahrensbevollmächtigten des Erinnerungsgegners der Auftrag zur Wahrnehmung des Mandats in dem Klageverfahren VG 5 K 1566/01 bereits vor dem 1. Juli 2004 erteilt worden wäre oder die genannten Verfahrensbevollmächtigten vor diesem Zeitpunkt gerichtlich bestellt oder beigeordnet worden wären, ist nicht ersichtlich; die zu den Gerichtsakten gereichte, von dem Erinnerungsgegner unterzeichnete Vollmacht datiert vielmehr (erst) vom 17. Juni 2005, das entsprechende Meldeschreiben der vorgenannten Verfahrensbevollmächtigten vom 16. Januar 2006. Demnach findet die BRAGO hier keine Anwendung.

Soweit die Beschwerde demgegenüber geltend macht, § 61 RVG regele nicht den Fall der prozessualen Kostenerstattung, sondern dieser werde durch die jeweiligen Verfahrensordnungen geregelt, ist das für sich genommen richtig: Es muss zwischen dem Vergütungsanspruch der Verfahrensbevollmächtigten des Erinnerungsgegners und der Frage unterschieden werden, inwieweit dem Erinnerungsgegner hieraus ein (prozessualer) Kostenerstattungsanspruch gegen die Gegenseite, hier den Erinnerungsführer, erwachsen kann (insoweit auch richtig der Hinweis in der Beschwerde auf Hartmann, Kostengesetze, 40. Aufl. 2010, Grdz, Einf RVG, Rdn. 36). Nur ändert dies nichts daran, dass sich die Frage des anwendbaren Rechts für den Vergütungsanspruch der Verfahrensbevollmächtigten gegen den eigenen Mandanten - als möglicher Gegenstand eines Kostenerstattungsanspruchs gegen die Gegenseite - zunächst einmal nach § 61 RVG und damit hier nach dem RVG bestimmt. Für den von dem Erinnerungsführer noch im Kostenfestsetzungsverfahren aufgestellten Grundsatz, wenn der Verfahrensbevollmächtigte €quasi in die Fußstapfen des Vorgängers€ trete, sei auch für seine Vergütung auf den Zeitpunkt der Klageerhebung (gemeint: den Zeitpunkt des Tätigwerdens des €Vorgängers€) abzustellen, gibt es im Gesetzesrecht so keine Grundlage.

Aber auch aus den für die Bemessung des Kostenerstattungsanspruchs heranziehbaren Bestimmungen € insbesondere aus dem mit der Beschwerde bemühten § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO - ergibt sich derartiges hier nicht. Nach der genannten Regelung, die entsprechend § 173 VwGO auch im Verwaltungsprozess anwendbar ist (vgl. Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Std. Mai 2010, § 162, Rdn. 53), sind die Kosten mehrerer Rechtsanwälte nur insoweit zu erstatten, als sie die Kosten eines Rechtsanwalts nicht übersteigen oder als in der Person des Rechtsanwalts ein Wechsel eintreten musste. Soweit der Erinnerungsführer bezugnehmend auf diese Bestimmung darauf abhebt, hiernach dürften keine höheren Gebühren und Auslagen zur Erstattung gebracht werden, als sie infolge der Beauftragung der Rechtsanwältin J... entstanden seien, weil die erstbeauftragte Rechtsanwältin den vorliegenden Anwaltswechsel zu vertreten habe und sich der Erinnerungsgegner dies zurechnen lassen müsse, geht dies fehl. Der Erinnerungsführer verkennt, dass € worauf auch das Verwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat - der Erinnerungsgegner hier Kosten €mehrerer Rechtsanwälte€ gar nicht zur Erstattung gebracht hat. § 92 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist deswegen schon tatbestandlich nicht anwendbar. Die Kosten für die seinerzeitige Tätigkeit von Rechtsanwältin J... trägt entweder der Erinnerungsgegner selbst, oder - wie wohl auch dem Schriftsatz des Erinnerungsgegners vom 11. September 2006 entnommen werden kann - die genannte Rechtsanwältin hat mit der Niederlegung des Mandats eine Vergütung gegenüber dem Erinnerungsgegner gar nicht geltend gemacht. Letzteres dürfte sich übrigens schon deswegen aufdrängen, weil Grundlage für die Mandatsniederlegung gegenüber dem Erinnerungsgegner die Übernahme eines Mandats der Beigeladenen in einer Kaufvertragsangelegenheit gegen den Erinnerungsgegner war (s. Schreiben der Frau J... an den Erinnerungsgegner vom 25. April 2005) und in derartigen Fällen schon aus Gründen des Standesrechts ein Vergütungsanspruch nicht geltend gemacht zu werden pflegt; in einem solchen Falle, in dem €doppelte€ Kosten für den Mandanten überhaupt nicht entstehen, kommt es auf die Frage der Notwendigkeit des Anwaltswechsels im Sinne von § 91 Abs. 2 Satz 2 ZPO nicht an (vgl. - zur Mandatsniederlegung wegen Interessenkollision - OLG Köln, Beschluss vom 9. Juli 1979 € 17 W 175/79 -, JurBüro 1980, 552; ebenso Bork, in: Stein/Jonas, ZPO, Bd. 2, §§ 41-127a, 22. Aufl. 2004, § 91, Rdn. 144 mit N. 414).

§ 92 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist hier auch sonst nicht - etwa von seinem Grundgedanken her oder sonst in irgendeiner Weise analog € anwendbar. Soweit es in der Beschwerde heißt, €entscheidend ist, dass wegen der Rechtsänderung die Kosten des zweiten Bevollmächtigten die Kosten übersteigen, die vom Beklagten [gemeint: Erinnerungsführer] an den Kläger [gemeint: Erinnerungsgegner] nach der BRAGO zu erstatten gewesen wären, wenn die erste Bevollmächtigte ihr Mandat bis zum Schluss ausgeübt hätte€, kann dem nicht gefolgt werden. Nachdem der Erinnerungsgegner Kosten für die Inanspruchnahme der noch unter Geltung der BRAGO beauftragten (ersten) Rechtsanwältin gar nicht zur Erstattung gebracht hat bzw. bringt, kann er kostenerstattungsrechtlich nicht schlechter behandelt werden, als wenn er seine Klage im Jahre 2001, d.h. unter Geltung der BRAGO, selbst bzw. persönlich erhoben hätte und sich erst im Verlaufe des weiteren Gerichtsverfahrens € unter zwischenzeitlicher Geltung des RVG € eines Rechtsanwaltes bedient hätte. In einem solchen Falle würde man dem Erinnerungsgegner ebenfalls nicht entgegenhalten können, Kostenerstattung nur in der sich aus der BRAGO ergebenden Höhe beanspruchen zu können, weil er seinen Verfahrensbevollmächtigten nicht bereits zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich noch unter Geltung der BRAGO, beauftragt hat; derart weit reicht nämlich der das Kostenrecht beherrschende Grundsatz, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten (s. dazu Beschluss des Senats vom 10. September 2008 € OVG 1 K 41.07 -, abrufbar in juris), nicht. Ein solches Verlangen würde auch der hinter § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO stehenden gesetzgeberischen Wertung zuwiderlaufen, wonach es den Beteiligten erleichtert werden soll, sich in jeder Lage des Verfahrens eines qualifizierten Rechtsvertreters ihrer Wahl zu bedienen (§ 67 Abs. 2 VwGO), um den Verwaltungsrechtsschutz wirksamer zu gestalten (ständ. Rechtspr. des Senats, s. zuletzt Beschluss vom 16. Juli 2010 € OVG 1 K 15.10 -, S. 4 des Entscheidungsabdrucks).

Rechnerische Bedenken gegen die Höhe der festgesetzten Anwaltskosten hat der Erinnerungsführer nicht geltend gemacht. Soweit der Erinnerungsführer mit Schriftsatz vom 27. Juni 2011 im Hinblick auf die zwischenzeitlich mitgeteilte Zurruhesetzung der im Rubrum geführten Verfahrensbevollmächtigten die Frage aufgeworfen hat, wer den Erinnerungsgegner nunmehr vertritt, kann dies dahinstehen. Die Verfahrensbevollmächtigten waren weiter im Rubrum aufzuführen, weil über eine Kostensache aus der Zeit ihrer Zulassung zu entscheiden war. Eine anwaltliche Vertretung des Erinnerungsgegners im Zeitpunkt der Entscheidung war im Übrigen nicht erforderlich, da das Gericht über die Beschwerde des Erinnerungsführers von Amts wegen zu entscheiden hatte.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Einer Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren bedurfte es nicht, weil für das Verfahren eine Festgebühr von 50 Euro vorgesehen ist (vgl. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).






OVG Berlin-Brandenburg:
Beschluss v. 26.07.2011
Az: OVG 1 K 118.08


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