Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 21. Februar 2002
Aktenzeichen: 13 W 104/00

(OLG Köln: Beschluss v. 21.02.2002, Az.: 13 W 104/00)

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

Die Beschwerde bleibt erfolglos. Die Zivilkammer hat der beabsichtigten Rechtsverfolgung des Antragstellers zu Recht keine hinreichende Erfolgsaussicht beigemessen (§ 114 ZPO). Wegen der hierfür maßgeblichen Gründe und des der erstinstanzlichen Beurteilung zugrunde liegenden Sachverhalts kann in erster Linie auf die Ausführungen im angefochtenen Beschluss sowie im Nichtabhilfebeschluss vom 15.12.2000 verwiesen werden. Das Beschwerdevorbringen gibt dem Senat unter Berücksichtigung der zwischenzeitlichen Entwicklung des Sachverhalts lediglich Veranlassung zu folgenden ergänzenden Ausführungen:

Die von der Antragsgegnerin wegen der persönlichen Haftungsübernahme gegen den Antragsteller fortgesetzte Zwangsvollstreckung aus der Grundschuldbestellungsurkunde vom 16.04.1992 (UR.-Nr. 536/92 des Notars H. in K.) scheitert nicht daran, dass die Grundschuld über 100.000 DM inzwischen gemäß § 91 Abs.1 ZVG in der Zwangsversteigerung erloschen ist (die belastete Eigentumswohnung ist dem Vater des Antragstellers für 85.000 DM zugeschlagen und das Erlöschen des dinglichen Rechts auf dem Grundschuldbrief vermerkt worden). Zwar darf die Bank den für die Grundschuld angegebenen Betrag aus der Urkunde nur einmal verlangen und vollstrecken, selbst wenn ihr weitergehende Forderungen gegen den Schuldner zustehen. Das bedeutet aber nicht, dass auch dann, wenn die Grundschuld in der Zwangsversteigerung erlischt, ohne dass es zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers wegen des Grundschuldbetrages (nebst Zinsen, Nebenleistungen und Kosten) kommt, der Rechtsgrund für das in der persönlichen Haftungsübernahme liegende abstrakte Schuldversprechen wegfällt. Der Zweck der persönlichen Haftung, dem Grundschuldgläubiger eine zusätzliche Sicherheit zu verschaffen, würde verfehlt, wenn diese Haftung entfiele, obwohl der Gläubiger keine vollständige Befriedigung aus der Grundschuld erlangt hat (BGH, ZIP 1990, 1390 = NJW 1991, 286).

Durch die mit der Grundschuldbestellung verbundene Abgabe eines abstrakten Schuldversprechens zur persönlichen Haftübernahme wird derjenige, der mit der Grundschuld eine eigene Verbindlichkeit besichert, grundsätzlich weder überrascht noch ungebührlich belastet. Die hier zu beurteilende formularmäßige Ausgestaltung entspricht dem banküblichen Standard, der den Anforderungen der seit langem gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung genügt, und weist keine den Antragsteller benachteiligenden Besonderheiten auf. Dass die vom Antragsteller mit der Grundschuldbestellungsurkunde "als zukünftiger Wohnungseigentümer und persönlicher Schuldner" übernommene "Persönliche Haftung mit Zwangsvollstreckungsunterwerfung" die sofortige Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen ermöglichte, ging aus dieser Urkunde mit der erforderlichen Deutlichkeit (wie hier in Fettdruck) hervor. Ob die notarielle Belehrung des Antragstellers hierüber nicht "umfangreich" ausgefallen ist und ob der Notar die Übernahme der persönlichen Haftung mit Vollstreckungsunterwerfung durch den Kreditnehmer als übliche Vertragspraxis bezeichnet hat (was sie in der Tat ist), berührt die Wirksamkeit dieser Klausel nicht. Erhöhte Anforderungen - wie bei der formularmäßigen Übernahme der persönlichen Haftung für fremde Verbindlichkeiten (BGHZ 114, 9 = NJW 1991, 1677) - können hier nicht etwa deshalb gestellt werden, weil sich der Antragsteller nach seiner Darstellung lediglich als "Strohmann" für den Erwerb der beiden Eigentumswohnungen und den mit der Grundschuldbestellungsurkunde abgesicherten Kredit hergegeben hat.

Die Beschwerde unterscheidet nicht in der gebotenen Weise zwischen Schein- und Strohmanngeschäft. Das gilt auch schon für das auf den Namen des Antragstellers lautende Girokonto, welches ausschließlich der V. GmbH, deren Gesellschafter seine Eltern waren, für deren Geschäftszwecke gedient haben soll. Als Scheingeschäft i.S.d. § 117 Abs.1 BGB wäre die Kontoeröffnung und/oder die nach Maßgabe der Urkunde vom 16.04.1992 besicherte (nachfolgende) Kreditaufnahme nur dann anzusehen, wenn in Wirklichkeit nicht der Antragsteller, sondern die V. GmbH und/oder die Eltern des Antragstellers der Bank gegenüber unmittelbar berechtigt und verpflichtet sein sollten (zur Abgrenzung von Schein- und Strohmanngeschäft beim Darlehensvertrag vgl. BGH, NJW 1982, 569; 1993, 2435; 1996, 663; NJW-RR 1997, 238; Lwowski in: Bankrechts-Handbuch, 2. Aufl., § 76, Rz. 29 m.w.Nachw.). Das im Zusammenhang zu würdigende tatsächliche Vorbringen des Antragstellers gibt indessen für eine dahin gehende Willensübereinstimmung zwischen ihm und der Bank nichts her.

Zwischen dem Antragsteller einerseits sowie der V. GmbH und/oder den Eltern des Antragstellers andererseits mag eine Haftungsfreistellung vereinbart worden sein. Dies kommt sinngemäß in der Darstellung des Antragstellers zum Ausdruck, er sei im Grunde als Strohmann für die V. GmbH vorgeschoben worden, um dieser Firma seiner Eltern, denen wegen fehlender persönlicher Kreditwürdigkeit (Abgabe der eidesstattlichen Versicherung) kein Darlehen mehr habe gewährt werden können, Liquidität zum Ausbau der zum Zeitpunkt der Kaufverträge vom 22.04.1992 noch im Rohbau befindlichen beiden Wohnungen zu verschaffen und die Wohnungen derweilen dem Zugriff der Gläubiger der finanzschwachen V. GmbH zu entziehen. Nach der Vorstellung des Antragstellers und seiner Eltern sollten Ausbau und Verkauf der beiden Wohnungen in einem Zeitraum von einem Jahr erfolgen, und zwar (jedenfalls teilweise) mit den nach Rückführung des Debetsaldos auf seinem Konto verbleibenden Kreditmitteln durch die V. GmbH, und der Kredit sodann aus dem Verkaufserlös getilgt werden. Ferner hätten seine Eltern ihm und der Bank zugesichert, dass sie - bzw. die V. GmbH - die Tilgungsraten für den Kredit bezahlen würden. Darauf, dass die Wohnungen "wirtschaftlich zu Verwertungszwecken bei der V. GmbH verbleiben" sollten (Seite 7 der Beschwerdebegründung), weist auch die weitere notarielle Vereinbarung vom 22.04.1992 (Ur.-Nr. 558/92 des Notars H.) hin, wonach sich der Antragsteller verpflichtete, die Wohnungen nicht ohne Zustimmung seiner Mutter (alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin der V. GmbH) zu veräußern oder zu belasten, und ihr einen bedingten Rückübertragungsanspruch einzuräumen. Dies alles begründet indessen kein Scheingeschäft, sondern zeigt, dass - wie regelmäßig beim Strohmanngeschäft - der rechtliche Erfolg gewollt war, weil nur so der wirtschaftliche Zweck erreicht werden konnte. Die vom Antragsteller gleichwohl aufgestellte Behauptung eines vermeintlich bei beiden Vertragspartnern fehlenden Rechtsbindungswillens stellt sich danach als unschlüssige Rechtsbehauptung dar, über die kein Zeugenbeweis hinweghilft.

Die etwaige Kenntnis der Bank, dass der Antragsteller für die genannten Zwecke als "Strohmann" vorgeschoben wurde und beim Erwerb der Wohnungen wie auch bei der Kreditaufnahme für Rechnung und im wirtschaftlichen Interesse der V. GmbH und seiner Eltern handelte, begründet keine Sittenwidrigkeit des Darlehensvertrages und seiner Absicherung nach Maßgabe der Grundschuldbestellungsurkunde vom 16.04.1992. Da Strohmanngeschäfte ernst gemeint und infolgedessen rechtlich wirksam sind, braucht sich der Kreditgeber grundsätzlich nicht darum zu kümmern, warum der Strohmann bereit ist, als Käufer einer Immobilie aufzutreten und hierfür einen Bankkredit aufzunehmen. Das gilt grundsätzlich sogar für die Bürgschaftsübernahme durch einen nahen Angehörigen (BGH, WM 2001, 1954 = BKR 2001, 145), erst recht für den Kreditnehmer, der den Kredit zum Erwerb einer Immobilie aufnimmt. Eine solche Kreditaufnahme zu eigenen Zwecken - wenn auch für Rechnung und im wirtschaftlichen Interesse eines Dritten - hat anders als die Bürgschaft oder die bloße Mithaftübernahme bei einem Darlehen keinen Sicherungscharakter. Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit als Teil der Privatautonomie bleibt es jedem voll Geschäftsfähigen unbenommen, auch risikoreiche Geschäfte abzuschließen und sich zu Leistungen zu verpflichten, die ihn völlig überfordern. Zu einem solch unvernünftigen Verhalten darf die kreditgebende Bank zwar nicht raten, muss den Kreditnehmer aber auch nicht davon abhalten. Der Bundesgerichtshof hat dementsprechend die Sittenwidrigkeit eines Darlehensvertrages noch nie allein wegen krasser finanzieller Überforderung des Darlehensnehmers bejaht (Nobbe/Kirchhof, BKR 2001, 5, 6).

Im Übrigen hatte die Bank hier aber auch keine Veranlassung, von einem unvernünftigen Verhalten des Antragstellers auszugehen. Der Antragsteller wurde Eigentümer zweier Eigentumswohnungen (zum Wert von 102.000 DM, falls die angegebenen Kaufpreise von 68.000 DM für die Wohnung Nr.11 und 34.000 DM für die Wohnung Nr.11a wertentsprechend waren) und sein mit 51.453,21 DM im Soll stehendes Konto, welches er nach seiner Darstellung der V. GmbH als Geschäftskonto zur Verfügung gestellt hatte, wurde ausgeglichen. Die Belastung des Antragstellers durch den Kredit in Höhe von 100.000 DM war dadurch schon mehr als ausgewogen. Ferner hatte der Antragsteller die - nach seiner Darstellung auch der Bank gegenüber erklärte - Zusage seiner Eltern, dass er nicht selbst für die monatlichen Zins- und Tilgungsraten des Darlehens aufkommen müsse, und die mit dem Ausbau der Wohnungen verbundene Aussicht auf eine erhebliche Wertsteigerung. Unter diesen Umständen entsprach es durchaus einer nicht unrealistisch erscheinenden Einschätzung, dass den Antragsteller voraussichtlich kein - jedenfalls kein über die ohnehin schon bestehende Belastung seines Kontos hinausgehendes - wirtschaftliches Risiko treffen würde. Dass sich der Ausbau der Wohnungen verzögert hat (jedenfalls eine Teilfertigstellung scheint auch nach dem Vorbringen des Antragstellers erfolgt zu sein) und es schließlich zur Zwangsversteigerung der Wohnung Nr.11 gekommen ist (nur auf diese bezieht sich die Grundschuldbestellungsurkunde vom 16.04.1992 zu UR-Nr. 536/92, welche die Grundlage für die von der Antragsgegnerin betriebene Zwangsvollstreckung bildet), konnte und musste auch die Bank nicht vorhersehen. Immerhin hat allein die Versteigerung dieser Wohnung einen Steigerlös von 85.000 DM erbracht.

Aus den vorstehenden Ausführungen folgt zugleich, dass die Bank auch keine dem Antragsteller gegenüber bestehenden vorvertraglichen Pflichten verletzt und ihn etwa deshalb von seiner Kreditverpflichtung und der in der Grundschuldbestellungsurkunde übernommenen persönlichen Haftung für den Grundschuldbetrag freizustellen hat. Zum einen war die Bank - wie bereits ausgeführt - nicht gehalten, den Antragsteller vor dem Risiko zu warnen, welches sich hier verwirklicht hat. Zum anderen hat der Antragsteller auch nicht die Beratung der Bank gesucht, sondern sich bei den Verhandlungen über die Aufnahme und Absicherung des Kredits von seinem Vater als Bevollmächtigtem vertreten lassen. Soweit ihm hierbei von seinem Vater falsche Vorstellungen über das mit der Kreditaufnahme und Kreditabsicherung verbundene Risiko vermittelt worden sein mögen, kann er diese nicht der Antragsgegnerin anlasten; denn nicht die Bank, sondern er hat sich seines Vaters als Verhandlungsgehilfen bedient. Ob der Filialleiter der Bank diese Einschätzung des Risikos für den Antragsteller unwidersprochen gelassen oder gar geteilt hat, ist unerheblich. Erst recht bestand keine Veranlassung, im Verhandlungsgespräch mit dem Vater des Antragstellers auf mögliche Pfändungsmaßnahmen aus der Grundschuldbestellungsurkunde zu sprechen zu kommen.

Die Wirksamkeit der Kreditverpflichtung des Antragstellers wird auch nicht von seiner Behauptung berührt, er habe den Kreditantrag, der das handschriftliche Datum vom 04.07.1992 trägt, bereits am 22.04.1992 auf der Geschäftsstelle der Antragsgegnerin blanko unterschrieben; die Details seien später zwischen seinem Vater (als Bevollmächtigtem) und dem Filialleiter der Antragsgegnerin besprochen worden. Wer - wie hier die Antragsgegnerin nach § 4 Abs.1 S.4 VerbrKrG - über bestimmte Umstände zu unterrichten hat, genügt dieser Verpflichtung regelmäßig, wenn er die Unterrichtung gegenüber einem Bevollmächtigten seines Vertragspartners vornimmt; dessen auf diese Weise erlangte Kenntnis muss der Vertragspartner sich nach § 166 Abs.1 BGB zurechnen lassen. Eine Verpflichtung zur persönlichen Unterrichtung ist weder dem deutschen Verbraucherkreditgesetz noch der europäischen Verbraucherkreditrichtlinie zu entnehmen (BGH, NJW 2001, 1931 und 2963). Dem steht auch nicht entgegen, dass nach der neueren Rechtsprechung des BGH zu § 766 S.1 BGB eine Blankounterschrift nicht durch eine aufgrund mündlicher Ermächtigung vorgenommene Ergänzung der Urkunde zu einer formwirksamen Bürgschaft wird. Die Auslegung der Formvorschrift des § 766 S.1 BGB trägt der besonderen Schutzbedürftigkeit des Bürgen Rechnung, weil dessen Verpflichtung nur anderen - dem Gläubiger und dem Hauptschuldner - zugute kommt. Mit dem Abschluss eines Kreditvertrages geht ein Verbraucher indessen kein fremdnütziges Risiko ein. Die Pflichtangaben der Kreditkonditionen sollen ihm lediglich vor Augen führen, worauf er sich einlässt, und ihm den Vergleich mit den Konditionen anderer Kreditgeber ermöglichen. Es reicht daher aus, dass die mit dem Bevollmächtigten ausgehandelten Mindestangaben bei Vertragsabschluss vorliegen (BGH, a.a.O.).

Nach alledem hat es bei der Versagung der beantragten Prozesskostenhilfe zu verbleiben, weil die beabsichtigte Vollstreckungsgegenklage des Antragstellers weiterhin keine Aussicht auf Erfolg verspricht.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§§ 127 Abs.4 ZPO, 1 GKG).

Streitwert für das Beschwerdeverfahren (gemäß § 51 Abs.2 BRAGO, der nach st. Rspr. des Senats auch im Verfahren über die Beschwerde gegen einen die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss Anwendung findet, nach dem Hauptsachewert): 51.129,19 EUR (entspricht 100.000,00 DM).






OLG Köln:
Beschluss v. 21.02.2002
Az: 13 W 104/00


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