Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. November 2000
Aktenzeichen: 7 W (pat) 14/00

(BPatG: Beschluss v. 08.11.2000, Az.: 7 W (pat) 14/00)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelder wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse F 16 S des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. März 2000 aufgehoben und das Patent 199 10 312 erteilt.

Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

B e z e i c h n u n g: Streckmetall, Lochgitter o.dgl. Gitterstruktur A n m e l d e t a g: 5. März 1999 Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:

Patentansprüche 1 bis 6, Beschreibung Seiten 1 bis 5 sowie Figuren 1 bis 6, sämtlich eingegangen am 5. März 1999.

Gründe

I Die Beschwerde der Anmelder ist gegen den Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse F 16 S des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. März 2000 gerichtet, mit dem die Patentanmeldung 199 10 312.7 mit der Begründung zurückgewiesen worden ist, daß ihr Gegenstand gegenüber dem Stand der Technik nach der europäischen Patentschrift 0 797 486 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.

Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt haben die Anmelder zur Entkräftung der Auffassung der Prüfungsstelle auf einen Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 2. Oktober 1973 (X ZB 16/72, Stromversorgungseinrichtung, Blatt f. PMZ 1974, S.208 ff) Bezug genommen, der sich mit der Bedeutung eines erkennbaren Fehlers in der Zeichnung einer druckschriftlichen Veröffentlichung (Leitsatz) befaßt.

Die Anmelder treten der Auffassung der Beschlußbegründung entgegen. Sie machen geltend, der Zurückweisungsbeschluß sei in sich widersprüchlich, widerspreche höchstrichterlicher Rechtsprechung und würdige den Stand der Technik unzutreffend. Sie stellen den Antrag, 1. den Zurückweisungsbeschluß aufzuheben und das Patent auf der Basis der ursprünglichen Unterlagen zu erteilen, 2. die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

Der Patentanspruch 1 vom Anmeldetag lautet:

"Streckmetall, Lochgitter o.dgl. Gitterstruktur aus einem Netzwerk von Gitterstegen und Gitterknoten, dadurch gekennzeichnet, daß einzelne der Gitterknoten als Sollbruchstellen ausgebildet sind."

Es soll die Aufgabe gelöst werden, ein Streckmetall, Lochgitter o.dgl. Gitterstruktur zu schaffen, die sich in wirtschaftlicher Weise herstellen läßt und sich in zwei Richtungen gleichzeitig dehnen läßt oder aber zumindest bei Längsdehnung keine Querkontraktion aufweist (S 2 Abs 3).

Durch die Merkmale in nachgeordneten Ansprüchen 2 bis 6 soll die Gitterstruktur nach Anspruch 1 weiter ausgebildet werden.

II Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig und in der Sache auch gerechtfertigt.

Der Anmeldungsgegenstand stellt eine patentfähige Erfindung iSd §§ 1 bis 5 PatG dar.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu, denn die entgegengehaltene europäische Patentschrift, die auf den Anmelder zu II zurückgeht, offenbart eine Gitterstruktur aus einem Netzwerk von Gitterstegen und Gitterknoten, bei der keine Gitterknoten als Sollbruchstellen ausgebildet sind.

Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.

Die europäische Patentschrift 0 797 486 befaßt sich - wie der Anmeldungsgegenstand auch - mit der Strukturierung von Gittern aus Metall oder anderen Werkstoffen, durch die derartige Gitter besser an beliebige Raumformen, beispielsweise solchen für Fahrzeug- und Karosserieteile, Gewölbe etc., anformbar sein sollen (Sp 1 Z 2 bis 7 u. 17 bis 27). Nach der Beschreibung hat der Stand der Technik, der ua vom Einschneiden der Gitter Gebrauch gemacht hat, dies bisher nur unvollkommen erreicht (Sp 1 Z 8 bis 16). Gemäß einem Vorschlag, der von einem bekannten Streckmetall ausgeht, soll die Anpassung an räumlich stark gekrümmte Flächen nun in einfacher Weise dadurch erreicht werden, daß - von Maschenreihe zu Maschenreihe versetzt - jeweils zwei Gitterknoten (1a) durch einen Trennschnitt (1c) quer zum konventionellen Streckschnitt (1d) durchtrennt werden (Sp 1 Z 45 bis 51 u. Sp 3 Z 18 bis 25 iVm Fig 2 u. Anspruch 3).

Der europäischen Patentschrift lassen sich keine Sollbruchstellen an Gitterknoten entnehmen. Weder verwendet die Beschreibung diesen oder einen gleichbedeutenden Begriff, noch läßt sich die Angabe, 'das Einschneiden des Gitters überwindet die Einschränkung, nämlich die relativ geringe Anformbarkeit des bekannten Streckmetalls an räumlich stark gekrümmte Flächen, eher mühsam' (Sp 1 Z 4 bis 16), als Sollbruchstelle an einem Gitterknoten deuten. Für die Anformung des Streckmetalls an räumlich gekrümmte Flächen ist offenbar das bekannte Einschneiden der Gitterstäbe deshalb mehr oder weniger hinreichend, weil hierdurch das Verbiegen des Gitters an den Stellen des Einschnitts wegen des dort verminderten Materialquerschnitts erleichtert ist. Um demgegenüber die Anformbarkeit an gekrümmte Flächen weiter zu verbessern, lehrt nun die europäische Patentschrift das vollständige Auftrennen einzelner Knoten, wodurch schon beim normalen Strecken eine möglicherweise ungewollte Gitteraufweitung erfolgen kann. Diesen Nachteil vermeidet der vorliegende Anmeldungsgegenstand durch Ausbildung einzelner Gitterknoten als Sollbruchstellen, die derart stabil sein sollen, daß sich das Streckgitter wie beim normalen Streckmetall handhaben und verarbeiten läßt (S 2 letzter Abs) bzw. die Sollbruchstellen beim normalen Strecken nicht reißen (S 3 letzter Abs übergehend auf S 4). Auf diesen Gedanken findet sich in der Entgegenhaltung kein Hinweis.

Nach alledem ergibt sich die Lehre des Anspruchs 1 nicht in naheliegender Weise aus dem aufgezeigten Stand der Technik.

Der Patentanspruch 1 ist somit gewährbar.

Die Merkmale der Ansprüche 2 bis 6 stellen Weiterbildungen des Gegenstandes nach Anspruch 1 dar, die nicht platt selbstverständlich sind. Die Ansprüche 2 bis 6 werden daher von der Patentfähigkeit des Anspruches 1 mitgetragen und sind somit ebenfalls gewährbar.

Dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr war nicht stattzugeben.

Die Prüfungsstelle hat das Fehlen erfinderischer Tätigkeit damit begründet, daß sich der Anmeldungsgegenstand nach Anspruch 1 aus der Beschreibung der entgegengehaltenen europäischen Patentschrift in Verbindung mit dem Fachwissen ergibt. Sie hat dabei nicht unterstellt, daß die Ausbildung von Sollbruchstellen bei Gitterstrukturen der anmeldungsgemäßen Art, aus dem Stand der Technik bereits bekannt sind. Da eine Unrichtigkeit der Begründung bezogen auf das Fehlen erfinderischer Tätigkeit nach Überzeugung des Senats nicht auf der Hand liegt, wäre es unbillig, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

Dr. Schnegg Eberhard Köhn Frühauf Cl






BPatG:
Beschluss v. 08.11.2000
Az: 7 W (pat) 14/00


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/20d4aeca5ff3/BPatG_Beschluss_vom_8-November-2000_Az_7-W-pat-14-00




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share