Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 21. Juni 2011
Aktenzeichen: II ZB 12/10

(BGH: Beschluss v. 21.06.2011, Az.: II ZB 12/10)

Tenor

Auf die weitere Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 6. April 2009 abgeändert.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Registergericht - Frankfurt (Oder) vom 7. Januar 2009 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Beschwerdeverfahren hat der Beschwerdegegner zu tragen.

Beschwerdewert: 3.000 €

Gründe

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob im Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen einer Genossenschaft eine Befreiung von den gesetzlichen Prüfungen des Prüfungsverbands möglich ist.

Der Antragsteller ist Verwalter in dem am 1. April 1997 eröffneten Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der Konsumgenossenschaft Be. e.G., die ihren Geschäftsbetrieb 1997 eingestellt hat. Die Schuldnerin 1 ist seit dem Jahr 1991 Mitglied des K. -Prüfverbands e.V., B. , jetzt Prü- fungsverband K. e.V., Berlin, dem Beschwerdegegner. Die letzte Prüfung des Prüfungsverbands fand im Jahr 2004 statt und bezog sich auf die Jahresabschlüsse der Jahre 2002 und 2003.

Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 6. September 2007 beantragt, die Konsumgenossenschaft Be. analog § 270 Abs. 3 AktG, § 71 Abs. 3 GmbHG von der gesetzlichen Prüfungspflicht für die Wirtschaftsjahre ab 2004 zu befreien. Das Amtsgericht hat dem Antrag stattgegeben, das Beschwerdegericht hat ihn auf die Beschwerde des Prüfungsverbands zurückgewiesen. Mit der weiteren Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Begehren weiter.

Das Brandenburgische Oberlandesgericht (ZIP 2010, 1459) möchte die weitere Beschwerde als unbegründet zurückweisen, sieht sich daran aber durch den Beschluss des Oberlandesgerichts Jena vom 16. März 2009 (ZIP 2009, 2105) gehindert und hat die Sache daher dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die Voraussetzungen für die Vorlage gemäß § 28 Abs. 2 FGG in Verbindung mit Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-Reformgesetz sind erfüllt. Das Oberlandesgericht Jena hat in dem angeführten Beschluss die Ansicht vertreten, eine Genossenschaft unterliege nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht der Pflichtprüfung durch den genossenschaftlichen Prüfungsverband. Von dieser obergerichtlichen Rechtsprechung würde das vorlegende Oberlandesgericht mit seiner beabsichtigten Entscheidung abweichen. Zwar geht es bei der Entscheidung des Oberlandesgerichts Jena nicht - wie hier - um ein Gesamtvollstreckungsverfahren, sondern um ein Insolvenzverfahren. Die Rechtslage ist 3 insoweit jedoch gleich (vgl. § 1 Abs. 4 Satz 2 GesO). Ohne Bedeutung ist auch, dass hier nur die Befreiung von der Prüfungspflicht analog § 270 Abs. 3 Satz 1 AktG, § 71 Abs. 3 Satz 1 GmbHG beantragt ist, während das Oberlandesgericht Jena angenommen hat, der Prüfungsverband sei mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens schon grundsätzlich nicht mehr zur Durchführung der Pflichtprüfungen berechtigt. Wäre der Auffassung des Oberlandesgerichts Jena zu folgen, bliebe für eine Entscheidung nach § 270 Abs. 3 Satz 1 AktG, § 71 Abs. 3 Satz 1 GmbHG kein Raum.

III. Zu Recht hat das Beschwerdegericht angenommen, dass die Beschwerde des Prüfungsverbands zulässig ist. Insbesondere ist die Beschwerdebefugnis des Prüfungsverbands nach § 20 FGG gegeben, was der Senat unabhängig von den Verfahrensrügen des Antragstellers zu prüfen hat.

Nach § 20 Abs. 1 FGG (jetzt § 59 Abs. 1 FamFG) steht die Beschwerde jedem zu, dessen Recht durch die beanstandete Verfügung beeinträchtigt ist. Das ist bei der Entscheidung darüber, ob eine Genossenschaft von der gesetzlichen Prüfungspflicht zu befreien ist, (auch) der Prüfungsverband, dessen Mitglied die Genossenschaft ist. Der Prüfungsverband ist nach §§ 54, 55 GenG verpflichtet, die ihm angehörenden Genossenschaften zu prüfen. Dem entspricht ein aus dem Mitgliedschaftsverhältnis hervorgehendes Prüfungsrecht des Prüfungsverbands (Beuthien, GenG, 15. Aufl., § 55 Rn. 1; s. auch BGH, Beschluss vom 1. März 2011 - II ZB 6/10, ZIP 2011, 765 Rn. 9 f.), das durch den angefochtenen Beschluss des Amtsgerichts verletzt sein kann.

Die Konsumgenossenschaft Be. ist noch Mitglied des beteiligten Prü- fungsverbands. Die Mitgliedschaft einer Genossenschaft im Prüfungsverband endet nach § 64c GenG nicht schon mit der Auflösung der Genossenschaft - hier durch die Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens gemäß § 101 6 GenG, § 1 Abs. 4 GesO -, sondern erst mit ihrer Vollbeendigung (OVG Berlin, ZIP 1982, 1338, 1339; LG Kassel, DZWIR 2002, 520). Diese ist noch nicht eingetreten, da das Gesamtvollstreckungsverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

IV. Die weitere Beschwerde des Beschwerdeführers führt in der Sache zum Erfolg. Jedenfalls dann, wenn der Geschäftsbetrieb der Genossenschaft - wie hier - eingestellt ist, finden nach Eröffnung des Insolvenz- oder Gesamtvollstreckungsverfahrens keine Pflichtprüfungen mehr nach §§ 53, 55 GenG in Bezug auf das dem Verfügungsrecht des Verwalters unterliegende Vermögen statt. Möglich sind nur noch Abschlussprüfungen. Diese obliegen aber nicht ohne weiteres dem Prüfungsverband. Vielmehr wird der Abschlussprüfer gemäß § 155 Abs. 3 Satz 1 InsO auf Antrag des Insolvenzverwalters durch das Registergericht bestellt.

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Vorlageentscheidung ausgeführt: Eine Befreiung von der Prüfungspflicht in entsprechender Anwendung der § 270 Abs. 3 Satz 1 AktG, § 71 Abs. 3 Satz 1 GmbHG komme nicht in Betracht, weil bei Genossenschaften eine solche Befreiung gegen den Wortlaut des Gesetzes verstieße. In § 64c GenG sei ausdrücklich vorgesehen, dass die Pflichtprüfungen auch nach Auflösung der Genossenschaft und damit auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder des Gesamtvollstreckungsverfahrens stattzufinden hätten. Eine teleologische Reduktion der §§ 53, 54, 64c GenG sei angesichts des entgegenstehenden Wortlauts nicht möglich. Auch der Gesetzgeber habe bei der Neubekanntmachung des Genossenschaftsgesetzes keinen Anlass gesehen, eine Befreiungsmöglichkeit einzuführen.

2. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Prüfung nicht stand.

a) In Rechtsprechung und Schrifttum ist umstritten, ob die Genossenschaft nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens unverändert verpflichtet ist, sich von dem Prüfungsverband, dem sie angehört, prüfen zu lassen (so OVG Berlin, ZIP 1982, 1338 ff. mit zustimmender Besprechung Riebandt-Korfmacher, GWW 1983, 155 f.; LG Kassel, DZWIR 2002, 520; Korte in Lang/Weidmüller, GenG, 36. Aufl., § 64c Rn. 2; Cario in Lang/Weidmüller, GenG, 36. Aufl., § 101 Rn. 2; Eckhardt in MünchenerAnwaltsHandbuch, Sanierung und Insolvenz, 2006, § 24 Rn. 247; Hillebrand in Berliner Kommentar zum GenG, 2. Aufl., § 64c Rn. 2; Hunscha in Berliner Kommentar zum GenG, 2. Aufl., § 101 Rn. 1; Müller, GenG, 2. Aufl., § 64c Rn. 2, 4; Selchert, Prüfungen anlässlich der Gründung, Umwandlung, Fusion und Beendigung von Unternehmungen, 1977, S. 250, 253, 282; Scheibner, DZWIR 1999, 454 f.; ders., DZWIR 2002, 521), oder ob sie der Prüfungspflicht nur noch im Hinblick auf genossenschaftsinterne Organpflichten und die Verwaltung freigegebener Massegegenstände unterliegt (OLG Jena, ZIP 2009, 2105, 2106 f.; Beuthien, ZIP 2011, 497 ff.; ders., GenG, 15. Aufl., § 64c Rn. 2, § 101 Rn. 4; Klotz, DZWIR 2000, 273, 277 f.; Gottwald-Haas, Insolvenzrechts-Handbuch, 3. Aufl., § 93 InsO Rn. 64, 66; Bauer, Genossenschafts-Handbuch, Stand März 2008, § 64c Rn. 8, Stand Januar 2010, § 101 Rn. 41). Weiter wird angenommen, dass eine Prüfungspflicht durch den Prüfungsverband (nur) bei einer Eigenverwaltung gemäß § 270 Abs. 1 InsO bestehe (Beuthien/Titze, ZIP 2002, 1116, 1121 f.; Kreuznacht/Voß/Drille, ZInsO 2009, 2135, 2141 f.). Schließlich wird vertreten, dass eine Prüfungspflicht nur dann ausscheide, wenn die Genossenschaft endgültig abgewickelt werde (Bloehs in Pöhlmann/Fandrich/Bloehs, GenG, 3. Aufl., § 64c Rn. 1).

b) Der vorliegende Fall zwingt nicht zu einer generellen Entscheidung der Streitfrage. Die Konsumgenossenschaft Be. wird von dem Antragsteller 12 nicht fortgeführt - gegebenenfalls mit dem Ziel, eine Fortsetzung als werbende Gesellschaft gemäß § 117 GenG zu erreichen. Sie hat vielmehr schon im Jahr 1997 ihre Geschäftstätigkeit eingestellt. Jedenfalls in einem solchen Fall scheidet eine Pflichtprüfung durch den zuständigen Prüfungsverband aus, soweit das dem Verfügungsrecht des Verwalters unterliegende Vermögen betroffen ist. Das ergibt sich aus einer am Sinn und Zweck der Vorschriften orientierten Auslegung.

aa) Zutreffend ist das Beschwerdegericht allerdings davon ausgegangen, dass nach dem Wortlaut des § 64c GenG (in Verbindung mit § 1 Abs. 4 GesO) auf die Konsumgenossenschaft Be. auch nach der Eröffnung des Gesamt- vollstreckungsverfahrens die Bestimmungen des 4. Abschnitts des Genossenschaftsgesetzes über die Prüfung und die Prüfungsverbände zur Anwendung kommen. Zutreffend ist auch, dass weder das Genossenschaftsgesetz noch die Insolvenzordnung oder die Gesamtvollstreckungsordnung eine Regelung der Frage enthalten, ob im Rahmen eines Insolvenz- oder Gesamtvollstreckungsverfahrens die Pflichtprüfung durch den zuständigen Prüfungsverband nach §§ 53, 55 GenG entfällt oder nur noch eingeschränkt stattfindet oder - wie vom Antragsteller begehrt - davon befreit werden kann. Damit ist eine dahingehende Auslegung des § 64c GenG aber nicht ausgeschlossen.

bb) Auch der Wille des Gesetzgebers steht dieser Auslegung nicht entgegen.

So heißt es in der Amtlichen Begründung zur Zweiten Verordnung über Maßnahmen auf dem Gebiet des Genossenschaftsrechts vom 19. Dezember 1942, durch die § 64b GenG über die Bestellung eines Prüfungsverbands in Fällen, in denen die Genossenschaft zu Beginn der Liquidation keinem Prü-14 fungsverband angehört, in das Gesetz eingefügt worden ist (RGBl. I S. 729), dass von der Bestellung eines Prüfungsverbands insbesondere dann abgesehen werden könne, wenn eine andere geeignete Überwachung der Genossenschaft stattfinde, etwa bei einer Abwicklung einer aufgelösten Genossenschaft durch einen amtlichen Kommissar (Beuthien/Hüsken, Materialien zum Genossenschaftsgesetz, III, Parlamentarische und sonstige Materialien [1923-1969], S. 240 f.). Auf demselben Gedanken beruht § 136 Abs. 2 des Referentenentwurfs zum Genossenschaftsgesetz aus dem Jahr 1962 (Beuthien/Hüsken, Materialien zum Genossenschaftsgesetz, III, Parlamentarische und sonstige Materialien [1923-1969], S. 392, 557), der allerdings nicht umgesetzt worden ist. Darin war vorgesehen, dass während eines Konkursverfahrens eine Prüfung nicht stattfinden soll. Dass der Gesetzgeber bei der Novellierung des Genossenschaftsgesetzes durch das Gesetz zur Einführung der Europäischen Genossenschaft und zur Änderung des Genossenschaftsrechts vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1911) die Streitfrage nicht entschieden hat, lässt keinen Schluss auf eine bestimmte gesetzgeberische Absicht zu. Die Gesetzesmaterialien enthalten insoweit keine Hinweise.

cc) Sinn und Zweck der gesetzlichen Pflichtprüfung der Genossenschaften einerseits und des Insolvenzverfahrens andererseits lassen es geboten erscheinen, eine Pflichtprüfung im Umfang des § 53 GenG nicht mehr zu verlangen, wenn im Rahmen eines Insolvenz - oder Gesamtvollstreckungsverfahrens das Unternehmen der insolventen Genossenschaft nicht mehr weitergeführt wird, sondern die einzelnen Vermögensgegenstände der Genossenschaft vom Insolvenzverwalter verwertet werden.

Die Pflichtprüfung nach § 53 Abs. 1 GenG bezieht sich auf die Einrichtungen, die Vermögenslage und die Geschäftsführung der Genossenschaft. 17 Nach § 53 Abs. 2, § 164 GenG in der Fassung des Gesetzes zur Einführung der Europäischen Genossenschaft und zur Änderung des Genossenschaftsrechts vom 14. August 2006 ist bei Genossenschaften, deren Bilanzsumme eine Million Euro und deren Umsatzerlöse zwei Millionen Euro übersteigen, auch der Jahresabschluss zu prüfen. Vor dem Inkrafttreten dieser Gesetzesänderung für ein frühestens am 31. Dezember 2006 endendes Geschäftsjahr (§ 164 GenG) war der Jahresabschluss bei allen Genossenschaften zu prüfen. Die Prüfung einer Genossenschaft geht - und ging - damit weit über die Abschlussprüfung nach §§ 316, 317, 336 ff. HGB hinaus. Die auch als Betreuungsprüfung bezeichnete genossenschaftliche Pflichtprüfung hat den Zweck, neben dem Schutz der Vermögensinteressen der Gläubiger und Genossen auch die Einhaltung des genossenschaftlichen Förderzwecks im Sinne des § 1 Abs. 1 GenG zu gewährleisten (vgl. BVerfG, NJW 2001, 2617, 2618). Dabei kommt dem zuständigen Prüfungsverband eine zukunftsbezogene Beratungsfunktion zu, die sich auf die gesamte Unternehmensorganisation einschließlich der Zweckmäßigkeit der Geschäftsführung des Genossenschaftsvorstands bezieht. Stellt der Verband Mängel fest, hat er dafür zu sorgen, dass sie abgestellt werden. Dazu kann er nach § 60 GenG eine außerordentliche Generalversammlung einberufen, deren Tagesordnung bestimmen und eine Person seines Vertrauens mit der Versammlungsleitung betrauen.

Der Zweck dieser Prüfungen kann nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Genossenschaft jedenfalls dann, wenn deren Geschäftsbetrieb eingestellt worden ist, nicht mehr erreicht werden. Der Insolvenzverwalter übernimmt nach § 80 Abs. 1 InsO - ebenso wie der Verwalter im Gesamtvollstreckungsverfahren nach § 8 Abs. 2 GesO - die Aufgaben des Vorstands. Er hat bei seiner Amtsführung nicht den genossenschaftlichen Förderzweck nach § 1 Abs. 1 GenG zu verfolgen, sondern den Zweck des Insolvenz-19 verfahrens, die Gläubiger gemeinschaftlich zu befriedigen (§ 1 InsO, § 17 GesO). Bei seiner Tätigkeit wird er nicht von dem Prüfungsverband und der Generalversammlung beaufsichtigt, sondern vom Insolvenzgericht nach § 58 InsO (§ 8 Abs. 3 GesO), dem Gläubigerausschuss und - in geringerem Maße - der Gläubigerversammlung nach §§ 69, 79 InsO (§ 15 GesO). Nur hinsichtlich der Verwaltung etwaiger vom Insolvenzverwalter freigegebener Vermögensgegenstände verbleibt noch eine Einflussmöglichkeit des Prüfungsverbands (Beuthien, ZIP 2011, 497, 498).

Bei dieser Sachlage kann eine Pflichtprüfung nach §§ 53, 55 GenG - jedenfalls abgesehen von dem erwähnten Ausnahmebereich des freigegebenen Vermögens - ihr Ziel, den Vorstand der Genossenschaft zu einer sowohl die Vermögensinteressen der Gläubiger und Genossen als auch den gesetzlichen Förderzweck angemessen verwirklichenden Geschäftsführung anzuhalten, nicht mehr erreichen. Andererseits läuft es dem gesetzlichen Zweck des Insolvenzverfahrens, die Gläubiger zu befriedigen, zuwider, für eine Pflichtprüfung zu Lasten der Masse - entweder als Masseverbindlichkeit oder als Insolvenzforderung (zum Meinungsstand s. Klotz, DZWIR 2000, 273 f.) - eine Vergütungspflicht zu begründen.

Soweit demgegenüber angeführt wird, die insolvenzrechtlichen Kontrollorgane seien häufig mit Personen besetzt, die mit dem Genossenschaftswesen nicht vertraut seien, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Wenn die Geschäftstätigkeit der Genossenschaft eingestellt ist, bedarf es des genossenschaftlichen Sachverstands grundsätzlich nicht mehr. Der Insolvenzverwalter hat dann nur noch die Vermögensgegenstände der Genossenschaft zu verwerten, unberechtigte Forderungen abzuwehren und Nachschusspflichten nach §§ 105 ff. GenG geltend zu machen. Soweit dabei genossenschaftlicher Sach-20 verstand im Einzelfall erforderlich ist, sind in § 108a Abs. 2, § 116 Nr. 4 GenG spezielle Anhörungspflichten zugunsten des Prüfungsverbands vorgesehen. Es ist nicht erkennbar, dass der Prüfungsverband ohne Pflichtprüfung nicht in der Lage wäre, diese Anhörungsrechte sachgerecht auszuüben. Jedenfalls dann, wenn - wie hier - der Geschäftsbetrieb der Genossenschaft eingestellt ist, bedarf der Prüfungsverband keiner Informationen, die ihm nur über eine Pflichtprüfung vermittelt werden könnten.

dd) Der Ausschluss der Pflichtprüfungen durch den Prüfungsverband im Falle der Einstellung des Geschäftsbetriebs im Rahmen eines Insolvenzverfahrens steht auch nicht in Widerspruch zu § 155 InsO.

Nach Absatz 1 Satz 2 dieser Vorschrift bleiben die handels- und steuerrechtlichen Pflichten des Schuldners zur Buchführung und Rechnungslegung durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unberührt. Die handelsrechtliche Pflicht zur Aufstellung und Prüfung des Jahresabschlusses ergibt sich für die Genossenschaft aus § 33 Abs. 1, § 53 Abs. 2 GenG in Verbindung mit §§ 336 ff., 340 ff. HGB. Danach ist der Jahresabschluss zu prüfen, wenn die Bilanzsumme eine Million Euro und die Umsatzerlöse zwei Millionen Euro übersteigen - nach § 53 Abs. 2 GenG aF war der Jahresabschluss immer zu prüfen.

Die Buchführungs- und Rechnungslegungspflicht mag - nach allerdings umstrittener Auffassung - auch dann bestehen, wenn das Unternehmen - wie hier - eingestellt ist und nur noch die verbliebenen Vermögensgegenstände verwertet werden (Uhlenbruck/Maus, InsO, 13. Aufl., § 155 Rn. 10; aA A. Schmidt/Weitzmann, Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 3. Aufl., § 155 Rn. 10). Während des Insolvenzverfahrens ist die Pflicht zur Buchführung und Rechnungslegung aber nicht mehr durch die Organe der Genossenschaft 22 zu erfüllen, sondern gemäß § 155 Abs. 1 Satz 2 InsO durch den Insolvenzverwalter. Folgerichtig bestimmt § 155 Abs. 3 Satz 1 InsO hinsichtlich der Prüfung des Jahresabschlusses, dass der Abschlussprüfer ausschließlich durch das Registergericht auf Antrag des Insolvenzverwalters zu bestellen ist. Damit steht es dem Insolvenzverwalter frei, den Prüfungsverband als Abschlussprüfer vorzuschlagen oder eine andere Person. Ob nach § 155 Abs. 3 Satz 2 InsO etwas anderes hinsichtlich des bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Geschäftsjahres gilt, ob insoweit also der Prüfungsverband als ein schon bestellter Abschlussprüfer anzusehen ist, der dann für das laufende Geschäftsjahr im Amt bleibt, bedarf hier keiner Entscheidung. Der Kläger wehrt sich nur gegen die Prüfung ab einem späteren Zeitpunkt.

V. Somit kann sich der Antrag, analog § 270 Abs. 3 AktG, § 71 Abs. 3 GmbHG von der Prüfungspflicht zu befreien, nur auf die Pflicht zur Prüfung des Jahresabschlusses beziehen. Denn die weitergehende Prüfungspflicht nach § 53 Abs. 2 GenG besteht im Insolvenzverfahren - jedenfalls soweit das Unternehmen der Genossenschaft eingestellt worden ist - ohnehin nicht mehr.

In Bezug auf das frühestens am 31. Dezember 2006 abgeschlossene und die nachfolgenden Geschäftsjahre ist der Antrag dann gegenstandslos, wenn die Voraussetzungen für eine Prüfung nach § 53 Abs. 2 GenG nF - Bilanzsumme von mehr als einer Million Euro und Umsatzerlöse von mehr als zwei Millionen Euro - nicht erfüllt sind. In diesem Fall ist auch der Jahresabschluss schon grundsätzlich nicht zu prüfen. Dann kann davon auch nicht befreit werden. Bei sachgerechter Auslegung ist aber davon auszugehen, dass der Antrag auch die Feststellung erfasst, dass eine Prüfungspflicht nicht besteht. In diesem Sinne ist auch der Tenor der Entscheidung des Registergerichts auszulegen. 25 Für die Zeit vor dem Inkrafttreten des § 53 Abs. 2 GenG nF und - falls die Konsumgenossenschaft Be. die Voraussetzungen für eine Prüfung des Jah- resabschlusses nach § 53 Abs. 2 GenG nF erfüllt - auch darüber hinaus besteht dagegen eine - nur auf den Jahresabschluss bezogene - Prüfungspflicht. Davon ist der Antragsteller nur dann befreit, wenn das Registergericht zu Recht § 270 Abs. 3 AktG, § 71 Abs. 3 GmbHG analog angewendet hat. Das kann jedoch offen bleiben. Denn der beschwerdeführende Prüfungsverband ist durch die Entscheidung des Registergerichts insoweit nicht beschwert. Er kann nach § 155 Abs. 3 Satz 1 InsO lediglich - wie Wirtschaftsprüfer oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaften - vom Antragsteller dem Registergericht zur Bestellung als Abschlussprüfer vorgeschlagen werden. Das verleiht ihm noch kein Beschwerderecht. Damit verbleibt es im Ergebnis insgesamt bei der Entscheidung des Registergerichts.

Bergmann Strohn Caliebe Reichart Sunder Vorinstanzen:

AG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 07.01.2009 - GnR 89 -

LG Frankfurt (Oder), Entscheidung vom 06.04.2009 - 31 T 2/09 -

OLG Brandenburg, Entscheidung vom 22.03.2010 - 7 Wx 6/09 -






BGH:
Beschluss v. 21.06.2011
Az: II ZB 12/10


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