Verwaltungsgericht Köln:
Urteil vom 13. Dezember 2007
Aktenzeichen: 20 K 6242/03

(VG Köln: Urteil v. 13.12.2007, Az.: 20 K 6242/03)

Tenor

Soweit der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, wird das Verfahren eingestellt. Im Óbrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger war seit 1999 als Mitglied der PDS bzw. der Linkspartei.PDS Abgeordneter des Thüringer Landtags und ist seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages für die Linkspartei.PDS, seit Juni 2006 „Die Linke"; er ist einer der Stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktion „Die Linke".

Am 26.02.2003 beantragte der Kläger beim Bundesamt für Verfassungsschutz (im Folgenden: Bundesamt) Auskunft über die dort über ihn vorhandenen Daten. Mit Bescheid vom 27.05.2003 erteilte das Bundesamt dem Kläger eine Reihe von Auskünften, lehnte jedoch eine weitergehende Auskunftserteilung gestützt auf § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 des Gesetzes über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (Bundesverfassungsschutzgesetz - BVerfSchG) ab. Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies das Bundesamt durch Widerspruchsbescheid vom 21.08.2003 zurück, wobei es die Ablehnung der beantragten umfassenden Auskunftserteilung des Weiteren auf § 15 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 und 2 BVerfSchG stützte.

Am 25.09.2003 hat der Kläger Klage erhoben, zunächst mit dem Antrag: „Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft zu den beim Bundesamt über die Person des Klägers gespeicherten Daten vollumfänglich zu erteilen und durch Einsichtnahme in die vorhandenen Dokumente die Vollständigkeit und Richtigkeit zu belegen".

Am 22.07.2004 hat der Kläger die Klage dahingehend erweitert, dass er beantragt hat, festzustellen, dass die Sammlung personenbezogener Daten über ihn durch das Bundesamt rechtswidrig ist. Durch Beschluss vom 28.06.2006 ist dieses Begehren abgetrennt und unter dem Aktenzeichen 20 K 3077/06 fortgeführt worden.

Die Kammer hat am 28.06.2006 einen Erörterungstermin durchgeführt. In dem Sitzungsprotokoll ist festgehalten, dass sich die Beteiligten bezüglich des Auskunftsbegehrens darüber einig sind, dass es derzeit nur noch um die fünf Auskünfte vor 1999 geht, die bisher die Beklagte nicht offen gelegt hat. Der Vertreter der Beklagten hat verbindlich zu Protokoll erklärt, dass es sich insoweit nicht nur um Erkenntnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz, sondern auch um Erkenntnisse der Landesämter für Verfassungsschutz handele, dabei gehe es nicht nur um Auskünfte des Thüringer Landesamtes für Verfassungsschutz. Beobachtungsobjekt bei den fünf in Rede stehenden Informationen sei nicht der Kläger gewesen, sondern die DKP bzw. deren Umfeld. Im Anschluss an diese Erklärungen ist die Beklagte vom Gericht aufgefordert worden, unverzüglich die vollständige Personenakte des Klägers einschließlich der fünf noch nicht mitgeteilten Informationen vorzulegen.

Aufgrund der daraufhin am 08.09.2006 durch das Bundesministerium des Innern ergangenen Sperrerklärung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO wurden die dort aufgeführten Aktenbestandteile mit Schwärzungen versehen oder nach gesonderter Bearbeitung in ausgetauschter Form vorgelegt; für einige Unterlagen wurde die Vorlage völlig verweigert. Mit Schriftsatz vom 21.11.2006 hat der Kläger die Feststellung durch den Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO beantragt, dass die Verweigerung der Aktenvorlage gemäß der Sperrerklärung des Bundesministerium des Innern vom 08.09.2006 rechtswidrig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 01.08.2007 - 20 F 10.06 - abgelehnt und ausgeführt, dass der Antrag unbegründet sei und die Weigerung der Beklagten, dem Verwaltungsgericht die von ihm angeforderten und zur Entscheidungsfindung benötigten Akten uneingeschränkt vorzulegen, rechtmäßig sei.

Mit Schriftsatz vom 14.11.2007 hat der Kläger das Verfahren hinsichtlich des Auskunftsbegehrens, soweit es sich auf personenbezogene Informationen über ihn in einer beim Bundesamt geführten Personalakte beziehe, in der Hauptsache für erledigt erklärt. Im Übrigen trägt er vor, er habe bereits mit Schriftsatz vom 21.11.2006 zum Ausdruck gebracht, dass er sein Auskunftsbegehren nicht auf die Informationen und Daten in seiner Personenakte beschränkt wissen wolle. Die Beklagte habe, wie sich aus der Sperrerklärung des Bundesministerium des Innern ergebe, offenkundig über ihn Informationen und Daten gesammelt, die nicht Bestandteil seiner Personenakte geworden seien, sondern sich in anderen Akten bzw. Vorgängen beim Bundesamt für Verfassungsschutz befänden. Zwar enthalte § 15 Abs. 1 BVerfSchG eine Beschränkung des Auskunftsanspruches dahingehend, dass sich die Auskunft auf einen konkreten Sachverhalt beziehen und der Auskunftsberechtigte ein besonderes Interesse an der Auskunft darlegen müsse, ein solches besonderes Interesse an einer umfassenden Auskunft habe er aber hinlänglich in seinem Schriftsatz vom 03.09.2004 dargelegt und im Hinblick auf das Erfordernis der Darlegung eines konkreten Sachverhaltes den „Fall Bastian" angeführt. Außerdem verfüge das Bundesamt über ein elektronisches Aktenerschließungssystem mit Suchfunktion, so dass die schlichte Eingabe seines Namens alle „Sachakten" erschließe, in denen er wenigstens mit seinem Namen aufgeführt werde. Mit den modernen Mitteln der Informationstechnik sei auch kein unverhältnismäßiger Suchaufwand mehr vorstellbar, der seinem Auskunftsbegehren entgegengehalten werden könne. Sein Begehren habe sich daher bestenfalls teilweise, nicht aber vollständig erledigt.

Die Beklagte hat sich der - teilweisen - Hauptsachenerledigungserklärung des Klägers angeschlossen.

Der Kläger beantragt im Übrigen,

die Beklagte zu verpflichten, ihm Auskunft zu erteilen bezüglich aller seine Person betreffenden Informationen, über die das Bundesamt für Verfassungsschutz außerhalb seiner Personenakte verfügt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor: Soweit der Kläger mit seiner Klage über den erledigten Teil des Verfahrens hinaus Auskunft auch über nicht in seiner Personenakte gespeicherte Daten begehre, sei die Klage unzulässig, im Übrigen jedenfalls unbegründet. Die Unzulässigkeit der vom Kläger aufrecht erhaltenen Auskunftsklage, ihm umfassende Auskunft über alle über ihn gespeicherten Daten zu erteilen, ergebe sich daraus, dass der Kläger bei der Beklagten keinen von § 15 Abs. 1 BVerfSchG vorausgesetzten zulässigen Antrag auf umfassende Auskunftserteilung gestellt habe. Insbesondere genüge nicht der Hinweis auf einen konkreten Sachverhalt, hier der vom Kläger angeführte „Fall Bastian", um eine umfassende Auskunft über sämtliche über den Kläger gespeicherten Daten beanspruchen zu können. Dies gelte auch im Hinblick auf den weiteren angeführten konkreten Sachverhalt, nämlich auf die in der CDA-Broschüre verbreiteten Informationen bezüglich der politischen Nähe des Klägers zur DKP in Gießen und Marburg. Vor Erhebung seiner Auskunftsklage habe der Kläger Auskunft nur zu diesen zwei konkreten Sachverhalten beantragt. Schon wegen des Fehlens eines vorherigen weiterreichenden Antrages sei seine auf umfassende Auskunftserteilung gerichtete Klage unzulässig, unabhängig davon, ob es sich dabei - zutreffender Weise - um eine Verpflichtungsklage handele oder aber um eine allgemeine Leistungsklage. Darüber hinaus sei die Klage unbegründet, da zum einen ein Auskunftsverlangen nur bezüglich konkreter Sachverhalte in Betracht komme und zum anderen der Kläger nicht das von § 15 Abs. 1 BVerfSchG geforderte besondere Interesse an der von ihm begehrten umfassenden Auskunft dargelegt habe. Ob ein besonderes Auskunftsinteresse im Sinne dieser Vorschrift bestehe, könne jedenfalls nur in Bezug auf einen konkreten Sachverhalt beurteilt werden. Es könne dahinstehen, ob die vom Kläger angeführten beiden bezeichneten Sachverhalte ein besonderes Auskunftsinteresse begründeten, denn ihm sei insoweit Auskunft erteilt worden. Für das noch anhängige Klageverfahren bezüglich einer umfassenden Auskunft über die Personenakte hinaus sei ein besonderes Interesse jedenfalls nicht dargelegt, vielmehr habe er lediglich sein Feststellungsinteresse für die unter dem Aktenzeichen 20 K 3077/06 anhängige Feststellungsklage dargelegt. Unabhängig vom Fehlen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 BVerfSchG für einen umfassenden Auskunftsanspruch gebe es auch von den Rechtsfolgen dieser Vorschrift her keinen solchen Anspruch. Die bloße Erwähnung einer Person in einer zu einem anderen Betroffenen geführten Personenakte oder in einer Sachakte stelle keine „zu" dieser Person gespeicherte Information dar, sondern allenfalls eine „über" diese Person gespeicherte Information. Dass dem Bundesverfassungsschutzgesetz diese Unterscheidung zu Grunde liege, ergebe sich ohne Weiteres aus § 11 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG. Wenn also § 15 Abs. 1 BVerfSchG von „zu seiner Person gespeicherten Daten" spreche, seien damit nicht sämtliche „über" die Person des Betroffenen gespeicherten Daten gemeint, die in anderen Personenakten oder in Sachakten enthalten sein mögen. Dieses Verständnis sei auch mit Rücksicht auf die Funktionsweise und die Nutzung von Personenakten sinnvoll, eine über Wortlaut und Systematik des Gesetzes hinausgehende Auslegung sei weder erforderlich noch angemessen. Soweit der Kläger sich darauf berufe, dass das Bundesamt über ein elektronisches Aktenerschließungssystem mit Suchfunktion verfüge, sei darauf hinzuweisen, dass zwar das Bundesamt für Verfassungsschutz über ein Registraturverfahren verfüge, die ausschließlich zu Registratur- und Verwaltungszwecken gespeicherten Daten jedoch den Mitarbeitern der Beklagten zur Aufgabenerfüllung gem. § 3 BVerfSchG nicht zur Verfügung stünden. Das Registratursystem des Bundesamtes sei weder nach seiner technischen Konzeption und Anlage noch nach seiner Zweckbestimmung dafür geeignet und gedacht, Recherchen im Rahmen von Auskunftsbegehren zu ermöglichen. An den einschränkenden tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 BVerfSchG vermöge die Existenz eines solchen Registratursystems ohnehin nichts zu ändern. Dem vom Kläger weiter verfolgten umfassenden Auskunftsanspruch sei auch nicht im Ermessenswege nachzukommen. Umfassende, nicht auf konkrete Sachverhalte bezogene Auskunftsverlangen verursachten einen erheblichen Verwaltungsaufwand und würden zudem Ausforschungsgefahren bergen. Es sei deshalb auch ein verfassungsrechtlich legitimes Anliegen des Bundesamtes, umfassende, nicht auf konkrete Sachverhalte bezogene Auskunftsverlangen ablehnen zu dürfen. Hinzu komme, dass in Bezug auf den Kläger alle relevanten Informationen in die Personenakte aufgenommen worden seien, über die ihm Auskunft erteilt worden sei, so dass auch von daher kein anerkennenswertes Interesse an einer weitergehenden Auskunftserteilung zu erkennen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie des Verfahrens 20 K 3077/06 nebst den beigezogenen Verwaltungsvorgängen des Bundesamtes und der von den Beteiligten vorgelegten Beiakten sowie der Auszüge aus den Verfahrensakten des Verwaltungsgerichts Weimar.

Gründe

Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für in der Hauptsache erledigt erklärt haben, war das Verfahren entsprechend § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.

Im Übrigen hat die Klage keinen Erfolg.

Es handelt sich um eine Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO, denn das Auskunftsbegehren ist auf Erlass eines Verwaltungsaktes gerichtet,

vgl. BVerwG, Urteil vom 25.02.1969 - I C 65.67 -, BVerwGE 31, 301.

Das von dem Kläger mit dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag verfolgte Klagebegehren stellt sich gegenüber dem ursprünglich geltend gemachten Klageanspruch, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Auskunft zu den beim Bundesamt für Verfassungsschutz über die Person des Klägers gespeicherten Daten vollumfänglich zu erteilen, als eine Klageänderung in Form einer Klageerweiterung dar. Dieses ursprüngliche Klagebegehren korrespondierte - auch unter Berücksichtigung der mit Schriftsatz vom 23.12.2003 dargelegten Begründung der Klage - mit dem vom Kläger im Vorverfahren erhobenen Auskunftsanspruch gemäß § 15 Abs. 1 BVerfSchG. Erst im Laufe des Klageverfahrens hat der Kläger dann unter Bezugnahme auf die ergangene Sperrerklärung des Bundesministerium des Innern vom 08.09.2006 im Schriftsatz vom 21.11.2006 sowie mit Schriftsatz vom 14.11.2007 im einzelnen dargelegt, dass er über die Auskunft zu den in seiner Personenakte enthaltenen Daten hinaus auch Auskunft über die in sämtlichen anderen beim Bundesamt für Verfassungsschutz vorhandenen Akten verlange, die Bezüge auf seine Person aufweisen und nicht Bestandteil seiner Personenakte geworden sind.

Ob die sich demnach darbietende Klageänderung nach den in § 91 Abs. 1 VwGO normierten Voraussetzungen zulässig ist oder nicht, kann vorliegend dahinstehen, denn die nunmehr erhobene, neue (Verpflichtungs-)Klage auf Auskunftserteilung stellt sich (bereits) als unzulässig und darüber hinaus auch als unbegründet dar.

Für die nunmehr begehrte Verpflichtung fehlt es an einem beim Bundesamt für Verfassungsschutz entsprechend gestellten Antrag sowie der Durchführung eines diesbezüglichen Vorverfahrens. Der Kläger hat am 26.02.2003 Auskunft nach § 15 Abs. 1 BVerfSchG begehrt und - wie es diese Vorschrift erfordert - auf einen konkreten Sachverhalt (gegebenenfalls zwei konkrete Sachverhalte, so wie es die Beklagte bewertet) hingewiesen, nämlich die politische Nähe zur DKP in Gießen und Marburg vor 1999, in diesem Zusammenhang insbesondere den Einsatz des Klägers im Hinblick auf die Entlassung des Postbeamten Bastian („Fall Bastian"). Hierzu ist ihm Auskunft erteilt worden bzw. die Beklagte hat zu bestimmten Informationen die Auskunftserteilung unter Berufung auf das Vorliegen von Versagungsgründen nach § 15 Abs. 2 BVerfSchG verweigert. Letzteres war Gegenstand des beim Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Incamera- Verfahrens. Diese Informationen waren Bestandteil der über den Kläger geführten Personenakte. Eine weitergehende Auskunftserteilung betreffend sämtliche beim Bundesamt für Verfassungsschutz geführten (Dritt-)Personenakten sowie Sachakten hat der Kläger hingegen seinerzeit nicht begehrt.

Darüber hinaus wäre die Klage auch unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf weitergehende, umfassende Auskunft über den Inhalt der über ihn geführten Personenakte hinaus im Sinne seines nunmehr gestellten Antrages.

Ein solcher Anspruch kann nicht auf § 15 Abs. 1 BVerfSchG gestützt werden.

Nach dieser Vorschrift erteilt das Bundesamt dem Betroffenen über zu seiner Person gespeicherte Daten auf Antrag unentgeltlich Auskunft, soweit er hierzu auf einen konkreten Sachverhalt hinweist und ein besonderes Interesse an einer Auskunft darlegt.

Vom Umfang der Rechtsfolgenseite her eröffnet § 15 Abs. 1 BVerfSchG keinen Anspruch auf Erteilung von Auskunft über Daten außerhalb der Personenakte des Betroffenen.

Vgl. (betr. Sachakten): Dr. Bernadette Droste, Handbuch des Verfassungsschutzrechts, 1. Aufl. 2007, S. 606-608, unter Hinweis auf § 19 Abs. 1 BDSG.

Vielmehr kann der Betroffene nach der Vorschrift ausdrücklich (nur) Auskunft von „zu seiner Person" gespeicherten, somit gezielt zu seiner Person gesammelten Daten verlangen, nicht hingegen Auskunftserteilung von „über" seine Person gespeicherte Informationen, die sich in anderen Personenakten oder Sachakten befinden. Dass eine solche Differenzierung vorzunehmen ist, ergibt sich auch aus einer vergleichenden Betrachtung mit § 11 Abs. 1 Satz 1 BVerfSchG, wonach Daten über Minderjährige in „zu ihrer Person geführten Akten nur unter besonderen - engen - Voraussetzungen gespeichert werden dürfen. Wie die Beklagte diesbezüglich im Schriftsatz vom 06.12.2007 zutreffend ausgeführt hat, setzt diese Vorschrift voraus, dass Daten über Minderjährige in anderen Akten, etwa in zu den Eltern geführten Personenakten oder in Sachakten zu Organisationen, auch ohne die bezeichneten engen Voraussetzungen gespeichert werden dürfen. Insoweit handelt es sich um Daten „über" Minderjährige und nicht um Daten in „zu ihrer Person geführten Akten". Daraus erschließt sich, dass in Anbetracht der Fassung des § 15 Abs. 1 BVerfSchG von dieser Vorschrift nicht sämtliche „über" die betroffene Person gespeicherten Daten erfasst sind. Der Beklagten ist unter Berücksichtigung der von ihr nachvollziehbar geschilderten Funktionsweise und der Nutzung von Personenakten auch darin beizupflichten, dass eine über Wortlaut und Systematik des Gesetzes hinausgehende Auslegung des § 15 Abs. 1 BVerfSchG - auch im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - nicht vorzunehmen ist. Insoweit hat die Beklagte bezüglich der Grundsätze der Aktenführung beim Bundesamt für Verfassungsschutz dargelegt, dass, soweit zu einer Person nicht von Anfang an Erkenntnisse von erheblicher Bedeutung vorliegen, eine Personenakte grundsätzlich erst ab einer gewissen Anzahl von Fundstellen im „Nachrichtendienstlichen Informationssystem" (NADIS) der Verfassungsschutzbehörden angelegt werde. Nach dem Anlegen einer Personenakte würden sämtliche bis dahin im NADIS gespeicherten Informationen in der Personenakte zusammengefasst und in der Folge neu gewonnene personenrelevante Informationen zur Personenakte des Betroffenen genommen. Die über die NADIS-Speicherung auffindbare Personenakte sei somit Grundlage der fachlichen personenbezogenen Auswertung und gegebenenfalls der Verwertung der vorhandenen Erkenntnisse, gegebenenfalls werde auf sonstige im Bundesamt geführte Fachdateien verwiesen, in denen der Betroffene erfasst sei. Damit ist auch angesichts der praktischen Handhabung der Aktenführung nicht erkennbar, inwiefern generell eine erweiternde Auslegung des § 15 Abs. 1 BVerfSchG zwecks Gewährleistung einer angemessenen Auskunftserteilung an die Betroffenen erforderlich wäre.

Nach den Darlegungen der Beklagten ist auch im konkreten Fall des Klägers eine ergänzende Auslegung dieser Vorschrift auf Grund der sich bietenden Einzelumstände nicht erforderlich. Die Beklagte hat nämlich ausdrücklich erklärt, dass in Bezug auf den Kläger im NADIS keine Fundstellen zu anderen Akten als seiner Personenakte und auch keine Verweise auf Fachdateien existierten. Soweit Informationen in Sachakten existierten, die auch den Kläger tangierten, weil er z.B. im Kontext eines Zeitungsartikels erwähnt wird, seien diese in Bezug auf den Kläger nicht aufgabenrelevant und nicht „zur Person" des Klägers gespeichert.

Im Übrigen liegen auch die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 BVerfSchG nicht vor. Eine Auskunftserteilung erfolgt danach nur, soweit der Betroffene auf einen konkreten Sachverhalt hinweist. Über die vom Kläger angeführten Sachverhalte „Fall Bastian" bzw. „politische Nähe zur DKP in Gießen und Marburg" (zu denen ihm Auskunft erteilt worden bzw. zu Recht verweigert worden ist - siehe den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.08.2007 -) hinaus hat der Kläger indes keine weiteren konkreten Sachverhalte benannt. Soweit er sich darauf beruft, dass das Erfordernis des „konkreten Sachverhalts" seine Berechtigung gehabt habe, als das Bundesamt seine Akten noch ohne elektronische Unterstützung geführt habe, dieses aber mittlerweile über ein elektronisches Aktenerschließungssystem mit Suchfunktion verfüge, so dass die schlichte Eingabe seines Namens alle Sachakten erschließe, in denen er wenigstens mit seinem Namen aufgeführt werde, führt dies zu keiner abweichenden Beurteilung. Unbeschadet der technischen Weiterentwicklung setzt der Tatbestand des § 15 Abs. 1 BVerfSchG weiterhin voraus, dass von der Auskunft begehrenden Person auf einen konkreten Sachverhalt hinzuweisen ist; an dieser gesetzlichen Vorgabe ist das Begehren des Klägers vom Gericht zu messen. Davon abgesehen ist die Annahme des Klägers auch in tatsächlicher Hinsicht nicht zutreffend. Insoweit hat die Beklagte zur Frage des Bestehens eines elektronischen Aktenerschließungssystems dargelegt, dass das Bundesamt zwar über ein Registraturverfahren verfüge, die ausschließlich zu Registratur- und Verwaltungszwecken gespeicherten Daten den Mitarbeitern der Beklagten zur Aufgabenerfüllung gemäß § 3 BVerfSchG aber nicht zur Verfügung stünden. Dieses System unterstütze die Registratoren bei ihrer Aufgabe, das gesamte Schriftgut, das gemäß der Registraturanweisung nachgewiesen werden müsse, zu erfassen und seine Bewegungen zu verfolgen. Dementsprechend würden in diesem System nur Daten gespeichert, die zur Identifikation und zur Verwaltung der zu registrierenden Schriftstücke erforderlich seien. Personenbezogene Daten würden zu einem Betroffenen nur erfasst und seien insoweit nur suchfähig, wenn dieser in den Datenfeldern „Empfänger" bzw. „Einsender" oder im „Betreff" eines Schriftstücks genannt werde, nicht hingegen wenn dessen Name allein im Text des Schriftstückes auftauche. Dieses Registratursystem sei demnach weder nach seiner technischen Konzeption und Anlage noch nach seiner Zweckbestimmung dafür geeignet und gedacht, Recherchen im Rahmen von Auskunftsbegehren zu ermöglichen. An der Richtigkeit dieser detaillierten Angaben der Beklagten zu zweifeln, sieht die Kammer keinen Anlass.

Rechtfertigt somit das im Tatbestand des § 15 Abs. 1 BVerfSchG normierte Erfordernis der Benennung eines konkreten Sachverhalts aufgrund seiner ihm immanenten umfänglichen Begrenzung nicht den darüber hinausgehenden Auskunftsanspruch des Klägers, so kann dahin stehen, ob dieser fernerhin - wie die Beklagte meint - auch nicht das von § 15 Abs. 1 BVerfSchG geforderte besondere Interesse an der von ihm begehrten umfassenden Auskunft über seine Personenakte hinaus dargelegt hat.

Der Kläger kann auch unabhängig vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 BVerfSchG sein Begehren nicht mit Erfolg auf einen Anspruch auf eine weitergehende Auskunftserteilung im Ermessenswege stützen. Insoweit ist anerkannt, dass auch ein umfassender Auskunftsantrag ohne nähere Angaben nicht ohne weiteres abgelehnt werden darf, sondern nach Ermessen zu bescheiden ist.

Vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2000 - 1 BvR 586/90, 673/90 -, DVBl. 2001, 275.

Dass vorliegend eine Ermessensreduzierung auf Null auf Seiten der Beklagten vorläge, die eine entsprechende Verpflichtung begründen würde, ist nicht ersichtlich. Die Beklagte hat es vielmehr ermessensfehlerfrei abgelehnt, dem Kläger Auskünfte aus Drittpersonenakten oder Sachakten zu erteilen. Sie hat darauf hingewiesen, dass umfassende, nicht auf konkrete Sachverhalte bezogene Auskunftsverlangen einen erheblichen Verwaltungsaufwand verursachten und zudem Ausforschungsgefahren in sich bergen würden. Diese Erwägungen sind jedenfalls nicht sachwidrig. Dabei ist zu berücksichtigten, dass nach den Darlegungen der Beklagten in Bezug auf den Kläger alle relevanten Informationen in die Personenakte aufgenommen worden sind; über diese Informationen ist dem Kläger Auskunft erteilt worden, soweit nicht die Auskunftserteilung - bezüglich fünf dort enthaltener Informationen - unter Berufung auf § 15 Abs. 2 BVerfSchG verweigert worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 VwGO. Hinsichtlich des erledigten Teils entspricht es billigem Ermessen, dem Kläger auch insoweit die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Beklagte den von dem Kläger unter dem 28.02.2003 erhobenen Auskunftsanspruch bereits im Vorverfahren weitgehend nachgekommen ist und dann anschließend im Klageverfahren mit Schriftsatz vom 11.05.2006 weitere Auskunft erteilt hat, die sich im Wesentlichen (mit zwei Ausnahmen) auf erst nach Klageerhebung gespeicherte Daten bezog. Soweit sie hingegen bezüglich fünf weiterer Informationen die begehrte Auskunftserteilung weiterhin verweigert hat, hat das Bundesverwaltungsgericht in dem durchgeführten Verfahren nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO - hierbei handelt es sich gegenüber dem in § 15 Abs. 2 BVerfSchG geregelten Auskunftsanspruch um eine prozessrechtliche Spezialnorm - entschieden, dass die Weigerung der Beklagten, dem Verwaltungsgericht die von ihm angeforderten und zur Entscheidungsfindung benötigten Akten uneingeschränkt vorzulegen, rechtmäßig sei. Hätte der Kläger die Klage insoweit fortgeführt, wäre er in Anbetracht dessen voraussichtlich unterlegen gewesen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.






VG Köln:
Urteil v. 13.12.2007
Az: 20 K 6242/03


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