Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. Februar 2004
Aktenzeichen: 27 W (pat) 86/03

(BPatG: Beschluss v. 16.02.2004, Az.: 27 W (pat) 86/03)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 28. Januar 2003 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke 1 121 336 zurückgewiesen wurde.

2. Die Löschung der angegriffenen Marke wird aufgrund des Widerspruchs aus der Marke 1 121 336 für die Waren "Sport- und Gymnastikartikel, soweit in Klasse 28 enthalten, Skateboards, Snowboards und Surfbretter; Sporttaschen, soweit in Klasse 28 enthalten, nämlich Transporttaschen für Surfbretter, Snowboards und Skateboards" angeordnet 3. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I Gegen die Eintragung der Bildmarke Nr. 398 54 519 Grafik der Marke 39854519.7 die nach einer Beschränkung des Warenverzeichnisses noch registriert ist für "Sonnenbrillen; Taschen; Rucksäcke; Geldbörsen; Bekleidung, insbesondere Damenbekleidung, Herrenbekleidung und Unterwäsche; Schuhe, Kopfbedeckungen; Sport- und Gymnastikartikel, soweit in Klasse 28 enthalten, Skateboards, Snowboards und Surfbretter; Sporttaschen, soweit in Klasse 28 enthalten, nämlich Transporttaschen für Surfbretter, Snowboards und Skateboards", hat die Widersprechende - beschränkt auf die Waren der Klasse 28 - Widerspruch eingelegt 1. aus ihrer prioritätsälteren Bildmarke Grafik der Marke 1121336 eingetragen unter der Nr. 1 121 336 für "Spiel- und Sportgeräte (soweit in Klasse 28 enthalten); Freizeitartikel, nämlich Freizeitbekleidungsstücke, Freizeittaschen, Freizeitspiele für innen und außen, Schwimmhilfen" sowie 2. aus ihrer prioritätsälteren Bildmarke

. Grafik der Marke 1123274 eingetragen unter der Nr. 1 123 274 u.a. für "Sport- und Spielgeräte (soweit in Klasse 28 enthalten); Turn- und Sportartikel (soweit in Klasse 28 enthalten)".

Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit Beschluss vom 28.01.2003 die Widersprüche zurückgewiesen. Auch wenn sich die Vergleichszeichen teilweise auf identischen Produkten begegnen könnten, sei eine rechtserhebliche Verwechslungsgefahr ausgeschlossen, da der jeweilige Gesamteindruck der Zeichen verschieden sei. Die jeweilige Ausgestaltung eines aus geschwungenen Linien und einem dunklen Kreis bestehenden Motivs in den Marken weise prägnante Abweichungen auf. Während das Motiv in den Widerspruchsmarken kompakt gestaltet sei und als an eine Büroklammer erinnerndes Strichmännchen erscheine, sei es in der angegriffenen Marke deutlich abstrahierter wiedergegeben. Da ein abstrakter Motivschutz dem Markenrecht ohnehin fremd sei, sei für den Verkehr eine hinreichend sichere Unterscheidbarkeit beider Marken gewährleistet. Auch eine assoziative Verwechslungsgefahr bestehe nicht, da die Zeichen weder gleich benannt würden noch das jüngere Zeichen wie eine modernisierte Form der Widerspruchsmarke oder deren Serienfortsetzung erscheine.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses anstrebt. Ihrer Auffassung nach springt die sehr große Ähnlichkeit der Vergleichsmarken jedem Betrachter geradezu ins Auge. Es gehe ihr auch keineswegs um einen abstrakten Motivschutz, sondern allein um ihre konkret geschützten Marken, die im übrigen einen weit überdurchschnittlichen Bekanntheitsgrad hätten und auch das Firmenzeichen der Widersprechenden seien. Darüber hinaus bestehe auch eine assoziative Verwechslungsgefahr, denn der Verkehr könne das angegriffene Zeichen ohne weiteres als Weiterentwicklung und Modernisierung der älteren Marke missverstehen.

Der Inhaber der angegriffenen Marke hat sich auf sein Vorbringen vor der Markenstelle berufen und keine weitere Stellungnahme im Beschwerdeverfahren abgegeben.

Die Beteiligten haben wie zuvor angekündigt an der mündlichen Verhandlung nicht teilgenommen.

II Die zulässige Beschwerde hat in der Sache insoweit Erfolg, als entgegen der Auffassung der Markenstelle die Gefahr von Verwechslungen der angegriffenen Marke mit der Widerspruchsmarke 1 121 336 i.S.d. §§ 42, 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG im Ergebnis nicht verneint werden kann, während eine Verwechslungsgefahr zwischen der jüngeren Marke und der Widerspruchsmarke 1 123 274 ausscheidet.

1. Unter Berücksichtigung der bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr miteinander in Wechselbeziehung stehenden Komponenten der Waren- und Markenähnlichkeit sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), wobei ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen größeren Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz. 23 f. - Sabèl/Puma; EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz. 16 f. - Canon; BGH GRUR 1999, 241, 243), hält die jüngere Marke den erforderlichen Abstand zur älteren Marke 1 121 336 nicht ein. Denn angesichts der Identität der von der normal kennzeichnungskräftigen Widerspruchsmarke 1 121 336 beanspruchten Waren "Spiel- und Sportgeräte (soweit in Klasse 28 enthalten)" mit den für die jüngere Marke geschützten Waren "Sport- und Gymnastikartikel, soweit in Klasse 28 enthalten, Skateboards, Snowboards und Surfbretter" und der hochgradigen Ähnlichkeit der für die jüngere Marke registrierten Waren "Sporttaschen, soweit in Klasse 28 enthalten, nämlich Transsporttaschen für Surfbretter, Snowboards und Skateboards" zu den Waren "Freizeitartikel, nämlich Freizeittaschen" der Widerspruchsmarke reichen die vorhandenen Unterschiede in beiden Zeichen nicht mehr aus, um Verwechslungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auszuschließen.

Entgegen der Auffassung der Markenstelle kann eine beachtliche Ähnlichkeit beider Zeichen in optischer Hinsicht nicht verneint werden. Dabei ist der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass die angesprochenen Verkehrskreise regelmäßig nicht den einander gegenüberstehenden Zeichen gleichzeitig begegnen, sondern ihre Auffassung nur aufgrund einer undeutlichen Erinnerung an eine der beiden Marken gewinnen (vgl. EuGH GRUR Int 1999, 734, 736 [Rn. 26] - Lloyd; BGH GRUR 1993, 972, 974 f. - Sana/Schosana), wobei die übereinstimmenden Merkmale stärker ins Gewicht fallen als die Unterschiede (vgl. BGH GRUR 1999, 587, 569 - Cefallone). Zwar unterscheiden sich die Marken dadurch, dass die Seitenlinien in der älteren Marke eckiger und unten mittels eines Halbkreises verbunden sind; diese Unterschiede sind aber ähnlich der Wiederholung eines "Glockenemblems" in lediglich geringfügig eckigerer Form (vgl. BGH GRUR 1998, 830, 834 - Les Paul Gitarren) nicht so erheblich, dass sie auch im ungenauen Erinnerungsbild des breiten Abnehmerpublikums noch als hinreichende Unterscheidungshilfe zur Verfügung stünden.

Auch ein begrifflicher Unterschied, auf den offenbar die Ausführungen der Markenstelle zum Motivschutz abzielen, kann tatsächliche Verwechslungen beider Kennzeichnungen nicht vermeiden helfen. Denn es ist bereits kaum möglich näher anzugeben, welches Motiv beide Marken enthalten. Auch im angefochtenen Beschluss wird die Widerspruchsmarke lediglich "als an eine Büroklammer erinnerndes Strichmännchen" bezeichnet, ohne dass damit eine konkrete Beschreibung des Bildmotivs verbunden wäre. Noch schwieriger ist die Beschreibung der jüngeren Marke, die vom Verkehr sowohl als bloße Abbildung eines Kreises mit zwei bananenförmig gerundeten Halbkreisen als auch als grob stilisierte Wiedergabe eines menschlichen Oberkörpers wie auch als Stilisierung eines Baskettballkorbes angesehen werden kann, ohne dass eine dieser Beschreibungen als allein zutreffend erscheinen würde. Lässt sich aber nicht mit hinreichender Sicherheit sagen, ob und welches Motiv der Verkehr im jeweiligen Zeichen zu erkennen meint, kann die optische Ähnlichkeit beider Kennzeichnungen nicht wegen erkennbar ein unterschiedlicher Motive in beiden Darstellungen beseitigt werden.

Die Verwechselbarkeit der Marken wird auch nicht durch eine geringe Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke beseitigt. Diese ist vielmehr als normal anzusehen. Sie gibt weder die beanspruchten Waren bildlich wieder noch handelt es sich um ein häufig verwendetes Bildsymbol (dies behauptet nicht einmal der Markeninhaber) oder um eine einfache Bildgestaltung (dazu, dass bereits die Kombination einfacher Bildelemente - hier Kreis und Linie - nicht mehr als gering kennzeichnungskräftig anzusehen ist, vgl. Ingerl/Rohnke, a.a.O., Rn. 372 a.E. m.w.N.); auch gibt sie, wie oben ausgeführt wurde, nicht einmal ein bestimmtes Motiv wieder.

Da somit angesichts der - soweit vom Widerspruch betroffen - zumindest hochgradigen Warenähnlichkeit, wenn nicht gar -identität und dem hohen Grad der Ähnlichkeit der beiden Zeichen eine rechtserhebliche Verwechslungsgefahr nicht ausschließen ist, war unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses die Löschung der Marke für die Waren der Klasse 28 anzuordnen.

2. Eine Verwechslungsgefahr zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke 1 123 274 scheidet demgegenüber aus. Denn bei letzterer handelt es sich um eine komplexe Wortbildmarke, bei der der Wortbestandteil "Bremshey" ganz wesentlich im Vordergrund steht; dass es sich hierbei um die Firma der Widersprechenden handelt, steht dem nicht entgegen, da der Verkehr keine Veranlassung hat, aus diesem Grund den weiteren Elementen, insbesondere dem mit der Widerspruchsmarke 1 121 336 identischen Bildelement besondere Beachtung zu schenken. Schenkt der Verkehr bei der optischen, akustischen und begrifflichen Wahrnehmung der Widerspruchsmarke aber nur deren Wortelement Beachtung, wird er sie hinreichend von der allein durch ein Bildmotiv geprägten jüngeren Marke auseinanderhalten können.

Eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden Marken ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines gedanklichen Inverbindungbringens (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 2 letzter Halbsatz MarkenG) zu befürchten. Denn der Verkehr hat keine Veranlassung, die bildliche Darstellung in der jüngeren Marke als ein mit dem Bildmotiv in der Widerspruchsmarke übereinstimmendes wesensgleiches Element anzusehen, welches Bestandteil einer Reihe von Serienzeichen der Widersprechenden wäre. Soweit die Widersprechende ihre gegenteilige Auffassung auf die Entscheidung BPatGE 38, 168, 174 f. stützt, welche die Darstellung eines bekannten Engelmotivs betrifft, und hierzu geltend macht, die jüngere Marke stelle lediglich eine Modernisierung des Bildelements in der Widerspruchsmarke dar, kann dem nicht gefolgt werden. Denn dies würde erfordern, dass der Verkehr, der die Prioritätslage der jeweiligen Zeichen in der Regel nicht kennt, das Bildelement in der Widerspruchsmarke als "alt" und nicht mehr dem Zeitgeschmack angemessen ansieht. In der von der Widersprechenden zitierten Entscheidung drängte sich ihm dies auf, weil die ältere Marke nicht nur ein sehr bekanntes Motiv der Kunstgeschichte imitierte, sondern auch durch die Art der bildlichen Darstellung an "alte Meister" erinnerte, so dass es ohne weiteres "traditionell" wirkte. Hiervon kann aber bei den beiden hier gegenüberstehenden Zeichen keine Rede sein, weil sie gleichermaßen im Stil der modernen Grafik gehalten sind. Zu berücksichtigen ist schließlich auch, dass der Teil des Verkehrs, der sich wegen des Bildelements der angegriffenen Marke überhaupt Gedanken über eine mögliche Zugehörigkeit dieser Kennzeichnung zu dem Geschäftsbetrieb der Inhaberin der Widerspruchsmarken macht, von Haus aus markenbewusst und aufmerksamer als der Durchschnittsverbraucher ist. Er wird den Unterschied zwischen dem kompakten geschlossenen Bildelement der älteren Marke und der schwungvolleren Darstellung in der jüngeren Marke daher in der Regel bemerken und auch in Erinnerung behalten. Eine andere Beurteilung wäre allenfalls dann geboten, wenn die Widersprechende substantiiert dargelegt hätte, dass der bildlichen Darstellung der Widerspruchsmarke für sich allein eine gesteigerte Kennzeichnungskraft zukommt. Der Vortrag, das Bildemblem sei ihr Firmenkennzeichen (möglicherweise nur zusammen mit dem Firmennamen) und werde vom Verkehr sofort mit ihrem Unternehmen assoziiert, reicht hierfür nicht aus.

Da die Markenstelle somit den Widerspruch aus der Marke 1 123 274 zu Recht zurückgewiesen hat, war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen, soweit sie auf diesen Widerspruch gestützt worden ist.

3. Gründe für eine Kostenauferlegung nach § 71 Abs 1 Satz 1 MarkenG bestehen nicht.

Dr. Schermer Eder Schwarz Na






BPatG:
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Az: 27 W (pat) 86/03


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