Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. September 2000
Aktenzeichen: 30 W (pat) 25/99

(BPatG: Beschluss v. 25.09.2000, Az.: 30 W (pat) 25/99)

Tenor

Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Die Markeninhaberin hat für die IR-Marke 663 526 CHRONIN Schutz ua in Deutschland begehrt. Mit Refus de Protection vom 22. September 1997 ist sie von den Widersprüchen aufgrund der Marken 937 743 CRONSIN, 677 025 KORODIN und 2 909 631 Crocin in Kenntnis gesetzt worden. Der Bescheid ist am 31. Oktober 1997 unter Verwendung eines entsprechenden Formblattes vom Internationalen Büro an die Markeninhaberin abgesandt worden.

Innerhalb der im Bescheid angegebenen Frist von vier Monaten hat die Markeninhaberin keinen Inlandsvertreter gestellt. Sie hat auch innerhalb der ebenfalls genannten sich daran anschließenden Frist von einem weiteren Monat gegen den Bescheid keine Erinnerung eingelegt.

Mit Schreiben vom 30. Juni 1998 hat das Deutsche Patent- und Markenamt daraufhin dem Internationalen Büro mitgeteilt, daß das Prüfungsverfahren aufgrund der Schutzverweigerung beendet sei. Das Internationale Büro hat der Markeninhaberin unter dem 9. September 1998 eine Durchschrift dieses Schreibens zugeleitet.

Am 7. Oktober 1998 hat die Markeninhaberin durch ihre gemäß § 96 MarkenG bestellten Vertreter Beschwerde eingelegt und zwar wörtlich: "Namens der Inhaberin... legen wir gegen den Bescheid vom 30. Juni 1998 zugestellt an die anwaltlichen Vertreter... am 11. September 1998 hiermit Beschwerde ein."

Mit Schreiben vom 12. Juli 2000 hat der Senat die Markeninhaberin darauf hingewiesen, daß es sich bei der Mitteilung vom 30. Juni 1998 um eine rein aktenmäßige Schlußverfügung handeln dürfte, die wohl nicht mehr in Rechte der Markeninhaberin eingreife. Die Markeninhaberin hat daraufhin die Auffassung vertreten, die dem Refus de Protection vom 22. September 1997 beigefügte Rechtsmittelbelehrung sei unklar und mißverständlich. Es sei insbesondere nicht klar, ab wann die Frist für die Einlegung der Erinnerung zu laufen beginne. Insbesondere werde nicht klargestellt, daß diese Einmonatsfrist schon ausgehend vom Erhalt der ursprünglich lediglich provisorischen Schutzverweigerung zu berechnen sei. Aufgrund dieser Unklarheit bzw Mißverständlichkeit sei von einer unterbliebenen oder zumindest unrichtigen Rechtsmittelbelehrung auszugehen. Gemäß § 52 Absatz 2 Satz 3 MarkenV in Verbindung mit § 61 Absatz 2 MarkenG sei die Einlegung der Erinnerung innerhalb eines Jahres ab Zustellung des Beschlusses zulässig. Diese Frist sei mit der Beschwerde vom 7. Oktober 1998 gewahrt.

Ergänzend wird auf den Inhalt der von der Markeninhaberin eingereichten Schriftsätze sowie denjenigen der beigezogenen Amtsakte verwiesen.

II.

Die Beschwerde der Markeninhaberin ist nicht statthaft, da sie sich nicht gegen einen Schluß der Markenstelle im Sinne von § 66 Absatz 1 MarkenG richtet.

Nach § 66 Absatz 1 MarkenG findet die Beschwerde gegen Beschlüsse der Markenstelle statt. Der mit der Beschwerde angegriffene Bescheid vom 30. Juni 1998 ist kein Beschluß im Sinne dieser Bestimmung. Hierunter ist eine abschließende Entscheidung zu verstehen, die Rechte eines Verfahrensbeteiligten berühren kann (s zB Althammer/Ströbele MarkenG 5. Aufl § 66 Rdn 6). Der Bescheid vom 30. Juni 1998 hat nicht (mehr) in Rechte der Markeninhaberin eingegriffen. Es handelt sich vielmehr um eine abschließende Mitteilung des Deutschen Patent- und Markenamts an das Internationale Büro von OMPI (WIPO) in Genf, über die zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossene Schutzverweigerung für die IR-Marke 663 526 betreffend das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Über den Antrag der Markeninhaberin auf entsprechende Schutzerstreckung für die genannte Marke ist durch Refus de Protection vom 22. September 1997 entschieden worden. Nach dem Inhalt dieses Beschlusses (s dessen Ziffer IV iVm Ziffer VIII) ist dieser während einer viermonatigen Frist, beginnend mit seiner Absendung durch das Internationale Büro, während welcher Frist die Markeninhaberin ihre Einwendungen (reclamations) gegen die Schutzverweigerung unter gleichzeitiger Bestellung eines Inlandsvertreters geltend machen kann, vorläufig (provisoire). Erfolgen während dieser Frist keine Einwendungen ("Faute de reclamation dans le delai de quatre mois ...", so wird der Refus de Protection ohne weitere Benachrichtigung ("sans autre avis") endgültig ("definitiv"), siehe Ziffer VIII Absatz 4 aa0. Jedoch kann der Markeninhaber ("titulaire") noch innerhalb einer weiteren Frist von einem Monat Erinnerung ("recours") einlegen. Erfolgt auch keine Erinnerung, so heißt es weiter, erlangt der Refus de Protection Rechtskraft ("le refus aura force de chose jugee").

Diese Ausführungen im Refus de Protection stehen im Einklang mit der entsprechenden Regelung gemäß §§ 52 MarkenV, 65 Absatz 1 Nr 7 sowie 64 MarkenG. Die Schutzverweigerung für die IR-Marke 663 526 für Deutschland ist daher nach fruchtlosem Ablauf der genannten Fristen rechtskräftig geworden. Damit ist mit dem Bescheid vom 30. Juni 1998 nicht mehr über Rechte der Markeninhaberin an dieser Marke für Deutschland verfügt worden. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat insoweit unter diesem Datum lediglich entsprechend Regel 17 Absatz 4 b), i) AusfO MMA/PMMA das Internationale Büro über den Ausgang des Verfahrens unterrichtet, das seinerseits gemäß Absatz 5 der genannten Bestimmung der Markeninhaberin eine Kopie dieser Mitteilung übersandt hat. Der mangelnde Regelungscharakter dieses Schreibens folgt nicht zuletzt aus seiner Adressierung an das Internationale Büro und dient seinem Inhalt nach erkennbar nur dessen Unterrichtung. Die Markeninhaberin ist somit zu Recht den diesbezüglichen Darlegungen des Senats im Schreiben vom 12. Juli 2000 auch nicht entgegengetreten, sondern hat Einwendungen nunmehr nur noch gegen den Refus de Protection bzw gegen die in diesem enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung erhoben.

Diese Einwendungen können jedoch ebenfalls nicht zum Erfolg führen. Denn die Beschwerde der Markeninhaberin gegen die Schlußmitteilung vom 30. Juni 1998 kann nicht in einen Rechtsbehelf gegen den Refus de Protection vom 22. September 1997 umgedeutet werden. Soweit die Markeninhaberin mit Schriftsatz vom 9. August 2000 die mangelnde Klarheit der Rechtsbehelfsbelehrung im Refus de Protection vom 23. September 1997 rügt, geht sie stillschweigend davon aus, daß der Gegenstand ihrer Beschwerde nicht die Schlußmitteilung vom 30. Juni 1998, sondern der Refus de Protection vom 22. September 1997 sei. Eine derartige Umdeutung der Beschwerde ist nicht zulässig, sie kann insbesondere nicht im Wege der Auslegung der Beschwerdeerklärung erfolgen.

Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist nach § 133 BGB, der auch für Prozeßhandlungen gilt (s zB Palandt, BGB, 50. Aufl, § 133 Rdn 4 mRsprNachw), der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Auslegung ist zum einen ihre Auslegungsbedürftigkeit, dh, das Fehlen eines nach Wortlaut und Zweck eindeutigen Inhalts (aaO Rdn 6 mwNachw). Zum anderen muß die Erklärung auslegungsfähig sein, dh, bei einer auslegungsbedürftigen Willenserklärung dürfen zum Zweck der Auslegung nur solche Umstände berücksichtigt werden, die bei Zugang der Erklärung für den Empfänger erkennbar waren (aaO Rdn 9 unter Hinweis auf BGH NJW 1988, 2 879). Beide Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben.

Für die Eindeutigkeit der Beschwerde spricht außer ihrem Wortlaut - sie ist ausdrücklich gegen den Bescheid vom 30. Juni 1998 gerichtet - der Umstand, daß sie von den anwaltlichen Vertretern der Markeninhaberin eingelegt worden ist, die die rechtliche Bedeutung dieser Formulierung kennen, ferner die Tatsache, daß der Refus de Protection vom 22. September 1997 am Ende des Beschwerdeschriftsatzes erwähnt wird, ohne daß erkennbar wäre, daß etwa er und nicht der Bescheid vom 30. Juni 1998 angegriffen werden sollte (wörtlich heißt es insoweit: "Wir bitten um Übersendung der Widersprüche, die im ersten Bescheid von OMPI vom 22. September 1997 zitiert sind"). Ersichtlich ist danach trotz Vorliegens auch des Refus de Protection nicht dieser, sondern der Bescheid vom 30. Juni 1998 angegriffen worden und zwar mit der "Beschwerde", während gegen den Refus de Protection allenfalls die Erinnerung in Betracht gekommen wäre. Die eindeutige Bezeichnung des Beschwerdegegenstands legt diesen fest. Der Erklärungsinhalt könnte allenfalls aufgrund des Umstands in Zweifel gezogen werden, daß die Beschwerde gegen den Bescheid vom 30. Juni 1998 unbehelflich ist, da es sich nicht um einen Beschluß im Sinne von § 66 MarkenG handelt. Unter Umständen wurde jedoch gerade diese Frage rein vorsorglich zur Entscheidung gestellt in der Erkenntnis, daß die Rechtsbehelfsfristen gegen den Refus de Protection zu diesem Zeitpunkt bereits verstrichen waren. Im übrigen ist eine inhaltlich fehlende Beschwer nicht bei der Frage der Beschwerdeeinlegung, sondern nur bei der Entscheidung über die Beschwerde zu würdigen.

Unabhängig davon kann bei dieser Sachlage unter Berücksichtigung der maßgeblichen Umstände auch nicht von der erforderlichen Auslegungsfähigkeit der Beschwerdeerklärung ausgegangen werden. Bei Prüfung dieser Frage ist der objektive Erklärungswert der Beschwerde unter Berücksichtigung des "Horizonts" des Empfängers zu ermitteln. Dessen ungeachtet besteht auch kein ausreichender Anlaß zu der Annahme, die "Beschwerde" würde sich nicht gegen den Bescheid vom 30. Juni 1998, sondern gegen den Refus de Protection vom 22. September 1997 wenden, da auch in diesem Fall von der Unzulässigkeit des Rechtsbehelfs im Hinblick auf den Ablauf der entsprechenden Fristen ausgegangen werden muß. Ein unzulässiges Rechtsmittel kann aber allenfalls im Wege der Auslegung in das zulässige Rechtsmittel umgedeutet werden. Dagegen ist eine Interpretation in ein nur anders lautendes, aber ebenfalls unzulässiges Rechtsmittel nicht veranlaßt. Der Senat vermag dabei der von der Markeninhaberin vertretenen Auffassung nicht zu folgen, die Rechtsbehelfsbelehrung gemäß Ziffer VIII des Refus de Protection sei hinsichtlich des Beginns der Frist für die Einlegung der Erinnerung unklar, insbesondere werde nicht klargestellt, daß die Einmonatsfrist für die Erinnerung schon ausgehend vom Erhalt der ursprünglich lediglich provisorischen Schutzverweigerung zu berechnen sei. Die Rechtsbehelfsbelehrung des Refus bringt unmißverständlich zum Ausdruck, daß sich die Einmonatsfrist für die Einlegung der Erinnerung unmittelbar an die Viermonatsfrist für das Vorbringen von Einwendungen gegen den Refus (zusammen mit der Bestellung eines Inlandsvertreters) anschließt, ohne daß ein weiterer Bescheid ergeht. Wenn die damit inhaltlich übereinstimmende Regelung in § 52 Absatz 2 Satz 1 in Verbindung mit Absatz 1 MarkenV einen abweichenden Wortlaut enthält, so hängt dies erkennbar mit dem komplexeren Regelungs- bzw Informationsgehalt dieser Bestimmung sowie damit zusammen, daß die Regelung beider Fristen dort in zwei getrennten Absätzen enthalten ist. Im übrigen hat die Markeninhaberin auch nicht etwa dartun können, daß eine andere als die genannte Berechnung der Fristen in Betracht kommen könnte. Mußte damit der Empfänger der Beschwerdeschrift im vorliegenden Verfahren von dem Ablauf der Frist für die Bestellung des Inlandsvertreters und derjenigen für die Einlegung einer Erinnerung ausgehen, so bestand für ihn kein Anlaß zu der Annahme, die Beschwerde richte sich etwa nicht gegen den ausdrücklich genannten Bescheid vom 30. Juni 1998, sondern sei als Erinnerung gegen den Refus de Protection vom 22. September 1997 aufzufassen.

Daher kann die von der Markeninhaberin erhobene Beschwerde unter keinem rechtlich in Betracht kommenden Gesichtspunkt als zulässig angesehen werden. Sie ist daher zu verwerfen.

Dr. Buchetmann Sommer Schwarz-Angelebr/Hu






BPatG:
Beschluss v. 25.09.2000
Az: 30 W (pat) 25/99


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