Bundespatentgericht:
Beschluss vom 13. Juni 2007
Aktenzeichen: 32 W (pat) 97/05

(BPatG: Beschluss v. 13.06.2007, Az.: 32 W (pat) 97/05)

Tenor

1. Die Beschwerde gilt als nicht eingelegt.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.

Gründe

I.

Die Wortmarke Wacken Open Airist unter der Nummer 399 03 206 u. a. für Waren der Klassen 18 und 25 in das Register eingetragen worden.

Hiergegen ist Widerspruch erhoben von der Inhaberin der Wortmarke 2 076 759 Open Airdie für Waren der Klasse 25 registriert ist.

Die mit einer Beamtin des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 41 hat mit Beschluss vom 27. August 2003 wegen der Gefahr von Verwechslungen die teilweise Löschung der jüngeren Marke angeordnet. Die hiergegen eingelegte Erinnerung hat die mit einem Angestellten des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 41 mit Beschluss vom 30. August 2005 zurückgewiesen. Die Markeninhaber haben diesen Beschluss ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 2. September 2005 erhalten und mit Schriftsatz vom 3. Oktober 2005, der am 4. Oktober 2005 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen ist, dagegen Beschwerde eingelegt. Die im Wege einer Banküberweisung entrichtete Beschwerdegebühr ist dem Konto des Deutschen Patent- und Markenamts jedoch erst am 26. Oktober 2005 gutgeschrieben worden.

Mit Bescheid vom 28. November 2005 hat die Rechtspflegerin des Bundespatentgerichts die Markeninhaber darauf hingewiesen, dass die Beschwerdegebühr nicht fristgerecht gezahlt worden sei und deshalb auszusprechen sein werde, dass die Beschwerde als nicht eingelegt gelte. Dieser mit Empfangsbekenntnis zugestellte Bescheid ist dem Vertreter der Markeninhaber am 30. November 2005 zugegangen.

Mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2005, beim Bundespatentgericht am selben Tag eingegangen, haben die Markeninhaber Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr beantragt. Sie machen geltend, dass die äußerst zuverlässige und überaus gewissenhafte Kostensachbearbeiterin ihres Verfahrensbevollmächtigten, die ausgebildete Rechtsanwaltsfachangestellte Frau A..., am 5. September 2005, drei Tage nach Eingang des Beschlusses der Markenstelle vom 30. August 2005, angewiesen worden sei, die Beschwerdegebühr in Höhe von 200 € auf das Konto des Deutschen Patent- und Markenamts zu überweisen. Frau A... habe die Akte entgegengenommen und versichert, die Überweisung noch am gleichen Tag zu veranlassen. Am Abend des 5. September 2005 habe der Verfahrensbevollmächtigte Frau A... befragt, ob sie die an diesem Tag ange- fallenen Überweisungen durchgeführt habe. Frau A... habe zur Auskunft gege- ben, dass "alle rausgegangen" seien. Wegen der bekannten Zuverlässigkeit seiner Angestellten A... habe der Verfahrensbevollmächtigte davon ausgehen können und müssen, dass die Überweisung im vorliegenden Fall tatsächlich erfolgt sei. Daraufhin habe er bei seiner für die Notierung der Fristen zuständigen Angestellten, Frau B..., veranlasst, dass die notierte Überweisungsfrist gestri- chen werde. Bei der turnusgemäßen Aktenablage am 26. Oktober 2005 habe eine Auszubildende bemerkt, dass sich der Vorgang ohne Ablagevermerk in dem Aktenablagestapel befand und Rücksprache mit dem Verfahrensbevollmächtigten genommen. Dieser habe hierbei festgestellt, dass sich die Akte ohne die erledigte Überweisung offensichtlich schon längere Zeit in diesem Stapel befunden habe. Die Überweisung sei dann am gleichen Tag vorgenommen worden. Grund für die Fristversäumnis könne nur sein, dass Frau A... die Akte nach Entgegennahme zum Zwecke der Überweisung versehentlich nicht auf den Überweisungsstapel, sondern auf den Aktenablagestapel gelegt habe.

Für Gebührenzahlungen an das Deutsche Patent- und Markenamt gelte in der Kanzlei ein ausgeklügeltes, bislang äußerst zuverlässig und fehlerfrei arbeitendes System. Danach werde die Überweisungsfrist mit dem Eingang der entsprechenden Post notiert. Der bearbeitende Anwalt gebe dann persönlich die Anweisung zur Überweisung der Gebühren. Die Durchführung der Überweisung werde durch persönliche Nachfrage des bearbeitenden Anwalts bei der zuständigen Sachbearbeiterin kontrolliert. Gerade der Umstand, dass der Verfahrensbevollmächtigte persönlich für die Notierung der Frist gesorgt und nochmals nachgefragt habe, ob die Überweisung getätigt worden sei, zeige, dass ihn an dem Fristversäumnis kein Verschulden treffe. Dies ergebe sich außerdem auch daraus, dass sowohl ihm als auch seinen Angestellten A... und B... bisher noch nie ein Fehler in dieser Hinsicht unterlaufen sei. Die Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaber haben eine eidesstattliche Versicherung ihrer Kostensachbearbeiterin, Frau A..., vom 2. Dezember 2005 vorgelegt, die inhaltlich mit diesem Sachvortrag übereinstimmt.

Die Markeninhaber beantragen, ihnen hinsichtlich der versäumten Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben, soweit darin die Löschung der Marke 399 03 206 angeordnet worden ist.

Die Widersprechende beantragt, den Antrag der Markeninhaber auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückzuweisen.

Sie macht geltend, dass sich aus dem Antrag nicht ergebe, wie das Büro des Vertreters der Markeninhaber organisiert sei, um Fristversäumnisse zu vermeiden. Es sei ungewöhnlich, Anweisung zur Zahlung der Beschwerdegebühr zu geben und bei vermeintlicher Erledigung der Überweisung die für die Zahlung notierte Frist zu streichen, ohne gleichzeitig Formalbeschwerde einzulegen. Auch sei unverständlich, dass Fristen lediglich aufgrund mündlicher Anweisungen gestrichen würden. Ein Büro müsse so organisiert sein, dass unmittelbar in den Akten verifiziert werde, ob eine Frist erledigt sei oder nicht. Den Vertreter der Markeninhaber treffe daher ein nicht unerhebliches Mitverschulden an der Fristversäumung. Im Übrigen sei die Beschwerdefrist bereits am 2. Oktober 2005 abgelaufen, so dass schon die Beschwerdeeinlegung mit Schriftsatz vom 3. Oktober 2005 verfristet sei und es somit auf die Frage der rechtzeitigen Zahlung der Beschwerdegebühr letztlich gar nicht mehr ankomme.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Im Hinblick auf die versäumte Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr war gemäß § 82 Abs. 1 Satz 3 MarkenG i. V. m. § 6 Abs. 2 PatKostG festzustellen, dass die Beschwerde als nicht eingelegt gilt.

1. Nach § 82 Abs. 1 Satz 3 MarkenG i. V. m. §§ 6 Abs. 1 Satz 1 PatKostG, 66 Abs. 2 MarkenG war die Beschwerdegebühr innerhalb der Beschwerdefrist von einem Monat nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses der Markenstelle zu bezahlen. Die Markeninhaber haben den mit Empfangsbekenntnis (§ 5 Abs. 2 VwZG) zugestellten Beschluss am 2. September 2005 erhalten. Da das reguläre Fristende (2. Oktober 2005) auf einen Sonntag fiel und der darauffolgende Tag (3. Oktober 2005) ein Feiertag war, endeten die Beschwerdefrist und die Frist für die Zahlung der Beschwerdegebühr am 4. Oktober 2005 (§ 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 222 Abs. 2 ZPO). Die Beschwerdegebühr wurde durch Banküberweisung entrichtet, so dass es für die Einhaltung der Frist auf den Tag ankam, an dem der Betrag auf dem Konto der zuständigen Bundeskasse für das Deutsche Patent- und Markenamt gutgeschrieben wurde (§ 2 Nr. 2 PatKostZV). Die Gutschrift erfolgte am 26. Oktober 2005 und somit verspätet.

2. Der zulässige Wiedereinsetzungsantrag der Markeninhaber bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil die Markeninhaber nicht ohne Verschulden gehindert waren, die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr einzuhalten (§ 91 Abs. 1 Satz 1 MarkenG).

Die Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaber trifft ein Organisationsverschulden, das sich die Markeninhaber gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müssen. Die Büroorganisation muss gewährleisten, dass durch einen Fristenkalender eine wirksame Kontrolle der Fristen erfolgt und Fehlleistungen weitgehend vermieden werden. Insoweit gelten hohe Anforderungen (Ströbele in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 91 Rdn. 15). Deren Einhaltung haben die Markeninhaber bzw. ihr Verfahrensbevollmächtigter nicht dargetan.

Zwar hat die für die Fristenkontrolle zuständige Mitarbeiterin des Verfahrensbevollmächtigten die Frist zur Überweisung der Beschwerdegebühr notiert und die Kostensachbearbeiterin wurde drei Tage nach Eingang des anzufechtenden Beschlusses am 5. September 2005 - und damit an sich rechtzeitig - angewiesen, die Beschwerdegebühr an das Deutsche Patent- und Markenamt zu überweisen. Entgegen der Auffassung der Widersprechenden ist ein Verschulden auch nicht darin zu sehen, dass der Verfahrensbevollmächtigte der Markeninhaber nicht gleichzeitig mit der Anweisung zur Überweisung der Beschwerdegebühr Formalbeschwerde erhoben hat. Eine solche Annahme kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, da die Beschwerdeschrift - im Unterschied zur Gutschrift der Beschwerdegebühr - am 4. Oktober 2005 und damit innerhalb der Beschwerdefrist beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen ist.

Die Verfahrensbevollmächtigten trifft jedoch ein Organisationsverschulden bei der Fristenkontrolle. So kontrolliert der Verfahrensbevollmächtigte die rechtzeitige Ausführung fristgebundener Gebührenzahlungen lediglich durch mündliche Nachfrage bei der hierfür zuständigen Sachbearbeiterin, ohne die Erledigung anhand der Akte oder sonstiger Belege zu überprüfen. Die für die Fristenkontrolle zuständige Mitarbeiterin weist er allein aufgrund der mündlichen Bestätigung der Kostensachbearbeiterin, die Überweisung einer fristgebundenen Gebührenzahlung sei erledigt, an, die hierfür notierte Frist zu streichen. Weder er noch die für die Fristenkontrolle zuständige Mitarbeiterin lassen sich den Vorgang von der Kostensachbearbeiterin vorlegen, bevor die Frist gestrichen wird. Diese Art der "Fristenkontrolle auf Zuruf", wie sie der Verfahrensbevollmächtigte bei der Zahlung von Gebühren an das Deutsche Patent- und Markenamt nach seiner eigenen Darstellung der Geschäftsabläufe praktiziert, entspricht nicht den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Fristenkontrolle und ist angesichts der Bedeutung von Rechtsbehelfsfristen auch nicht ausreichend. Dass der Verfahrensbevollmächtigte alle Anweisungen persönlich erteilt und sich persönlich nach der Erledigung erkundigt, reicht nicht aus, wenn die Erledigung nicht gleichzeitig durch Einsichtnahme in die Akten verifiziert wird. Gerade Fehler der vorliegenden Art, nämlich dass ein Vorgang versehentlich als erledigt auf dem Aktenablage-Stapel landet, können durch die vom Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaber praktizierte mündliche Fristenkontrolle nicht vermieden werden. Außerdem ist die für eine ordnungsgemäße Fristenkontrolle erforderliche Vormerkung einer weiteren Frist, die vor dem Ablauf der Zahlungsfrist nochmals eine Kontrolle ermöglicht, ob die Zahlungsanweisung rechtzeitig ausgeführt oder auf den Weg gegeben wurde, offensichtlich nicht vorgesehen. Die Auszubildende des Verfahrensbevollmächtigten hat erst gut drei Wochen nach Ablauf der Einzahlungsfrist im Rahmen einer turnusmäßigen Aktenablage am 26. Oktober 2005 festgestellt, dass die bereits fast sechs Wochen zuvor am 5. September 2005 bei der Kostensachbearbeiterin in Auftrag gegebene Überweisung nicht erledigt war. Diese Aktenablage stellt ebenfalls keine ausreichende Kontrolle dar, da aufgrund der großen Zeitabstände, in denen sie vorgenommen wird, eventuelle Versäumnisse oder Versehen bei der Fristenkontrolle in keinem Fall mehr aufgefangen werden können.

Über den Wiedereinsetzungsantrag konnte ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden (§ 70 Abs. 2 MarkenG analog; Ströbele in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 70 Rdn. 3; § 91 Rdn. 31; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Aufl., § 91 Rdn. 36; zu der vergleichbaren Situation im Patentanmeldungsverfahren vgl. BPatGE 1, 132, 136).

3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war anzuordnen, da für die als nicht eingelegt geltende Beschwerde eine Gebühr nicht geschuldet und daher die verspätet gezahlte Gebühr ohne Rechtsgrund entrichtet worden ist (Ströbele in: Ströbele/Hacker, a. a. O., § 66 Rdn. 41).






BPatG:
Beschluss v. 13.06.2007
Az: 32 W (pat) 97/05


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