Bundespatentgericht:
Beschluss vom 29. September 2009
Aktenzeichen: 33 W (pat) 23/08

(BPatG: Beschluss v. 29.09.2009, Az.: 33 W (pat) 23/08)

Tenor

Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 1 des Deutschen Patentund Markenamts vom 27. September 2005 und vom 14. Januar 2008 aufgehoben, soweit der Widerspruch aus der Gemeinschaftsmarke 191 551 zurückgewiesen worden ist, und die vollständige Löschung der Marke 303 12 675 angeordnet.

Gründe

I Gegen die Eintragung der farbigen Wort-/Bildmarke 303 12 675 für Klasse 1: Chemische Erzeugnisse für gewerbliche, wissenschaftliche, fotografische Zwecke, auch für Endkunden;

Klasse 2 nanotechnologische Erzeugnisse zum Versiegeln und Veredeln, nämlich Farben, Lacke, Holzkonservierungsmittel und Rostschutzmittel;

Klasse 3: nanotechnologische Erzeugnisse zum Versiegeln und Veredeln, nämlich Waschund Bleichmittel, Putz-, Polier-, Fettentfernungsund Schleifmittelist Widerspruch eingelegt worden aus der Gemeinschaftsmarke 191 551 DELTA die eingetragen ist für Klasse 1: Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, Klebstoffe für gewerbliche Zwecke.

Klasse 2: Farbstoffe, Farben, Lacke, Grundierungen, Firnisse, Lackund Ölfarben, Harze, Beizen, Holzschutzmittel; korrosionshemmende Beschichtungsmaterialien; Rostschutzmittel.

Klasse 4: Technische Öle und Fette, Schmiermittel, alle vorstehend genannten Waren beschränkt auf Suspensionen zur Herstellung von Beschichtungen aus Festschmiermitteln auf Metallteilen zur Verbesserung ihrer Reibungsoder Gleiteigenschaften zur Verbesserung der Montage von Produkten; ausgenommen alle Schmiermittel für Motoren.

Klasse 17: Kunststoffprofile, Verbundplatten aus Kunststoff, gespritzte, gepresste und gegossene Baukomponenten aus Kunststoff, Kunststoff-Isolierfolien, verstärkte Kunststofffolien, Dichtungsund Isolierbahnen aus Kunststoff, insbesondere Unterspannbahnen, Kunststofffolien und Gegenstände daraus, nämlich Planen, kleine Gewächshäuser, Abdeckungen für Lagerräume und für den Gartenbau; Dichtungen und Isoliermaterialien aus Kunststoff, ausgenommen jedoch Dichtungen und Dichtungsmaterialien, alle zur Verwendung als oder in Behälterverschlüsse(n) und -kappen.

Klasse 19: Kunststoffprofile, Fenster aus Kunststoff, Türen aus Kunststoff, Verbundplatten aus Kunststoff, gespritzte, gepresste und gegossene Baukomponenten aus Kunststoff, Dichtungsund Isolierbahnen aus Kunststoff, insbesondere Unterspannbahnen, Kunststofffolien und Gegenstände daraus, kleine Gewächshäuser, Abdeckungen für Lagerräume und für den Gartenbau.

Klasse 22: Planen und Schutzfolien, verstärkte Kunststofffolien, Dichtungsund Isolierbahnen aus Kunststoff, insbesondere Unterspannbahnen, Kunststofffolien und Gegenstände daraus, nämlich Planen, Abdeckungen für Lagerräume und für den Gartenbau; Abdeckungen aus verstärkten Kunststofffolien.

Mit Beschluss vom 27. September 2005 hat die Markenstelle für Klasse 1 des Deutschen Patentund Markenamts die teilweise Löschung der angegriffenen Marke angeordnet, nämlich für die Waren "chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke". Die auf die weitergehende Löschung der jüngeren Marke gerichtete Erinnerung der Widersprechenden ist mit Beschluss vom 14. Januar 2008 zurückgewiesen worden. Zur Begründung der Teilzurückweisung des Widerspruchs führt die Markenstelle aus, dass hinsichtlich der Waren "chemische Erzeugnisse für wissenschaftliche, fotografische Zwecke, auch für Endkunden; nanotechnologische Erzeugnisse zum Versiegeln und Veredeln, nämlich Farben, Lacke, Holzkonservierungsmittel und Rostschutzmittel; nanotechnologische Erzeugnisse zum Versiegeln und Veredeln, nämlich Waschund Bleichmittel, Putz-, Polier-, Fettentfernungsund Schleifmittel" der angegriffenen Marke keine Verwechslungsgefahr bestehe. Trotz Identität, jedenfalls hochgradiger Ähnlichkeit der Waren halte die jüngere Marke insoweit den erforderlichen deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke ein. Die Widerspruchsmarke verfüge über eine normale Kennzeichnungskraft. Eine weitergehende Kennzeichnungskraft sei von der Widersprechenden nicht substantiiert und liquide dargelegt. Maßgeblich sei der Gesamteindruck in der registrierten Form der Vergleichsmarken. Dieser werde bei der angegriffenen Marke nicht lediglich vom Bestandteil "Delta" geprägt, sondern weise auch den Bestandteil "Clear" auf, der nicht lediglich beschreibend für die beanspruchten Waren sei. Daher trete er im Gesamteindruck auch nicht vollständig zurück und könne nicht vernachlässigt werden. Weiter seien die Begriffe "Delta" und "Clear" aufgrund der grafischen Verschränkung ineinander und der gemeinsamen wellenförmigen Unterstreichung derart zusammengefasst, dass "Clear" nicht lediglich als bloßer Zusatz zum kennzeichnenden Bestandteil "Delta" aufzufassen sei.

Auch eine assoziative Verwechslungsgefahr unter Gesichtspunkt des Serienzeichens komme nicht in Betracht, da die Vergleichsmarken kein deutlich hervortretendes wiederkehrendes Element erkennen ließen, das vom Verkehr als Stammbestandteil desselben Unternehmens angesehen werde. Denn während das Wort "Delta" die Widerspruchsmarke als solche darstelle, sei es in der angegriffenen Marke individuell und herkunftshinweisend gestaltet, wobei es mit einem weiteren Bestandteil zu einer eigenständigen Wort-Bild-Marke verschmelze. Bei der von der Widersprechenden angeführten Zeichenserie könnten nur die 15 Marken berücksichtigt werden, die prioritätsälter als die angegriffene Marke und noch eingetragen seien. Diese seien jedoch zum einen reine Wortmarken, zum anderen entsprächen davon nur sechs Marken dem Markenbildungsprinzip mit der Voranstellung des Wortes "Delta" und Nachstellung eines zweiten Wortbestandteils. Darin reihe sich die geschlossene Wortverbindung der angegriffenen Marke nicht ein.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Nach ihrer Auffassung besteht zwischen den Marken vollumfänglich die Gefahr von Verwechslungen, so dass die angegriffene Marke vollständig zu löschen sei. Die Waren der angegriffenen Marke seien mit denen der Widerspruchsmarke identisch oder hochgradig ähnlich, da der Begriff "nanotechnologische Erzeugnisse" im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke nicht zur Abgrenzung dienen könne. Die beiderseitigen Waren der Klasse 2 seien daher identisch. Dementsprechend seien auch die Waren der Klasse 3 der angegriffenen Marke lediglich als Waschund Bleichmittel, Putz-, Polier-, Fettentfernungsund Schleifmittel anzusehen, die jeweils in funktionellem Zusammenhang zu den in der Klasse 2 für die Widerspruchsmarke geschützten Farben, Lacke, Harze, Beizen, Rostschutzmittel usw. stünden, so dass ebenfalls von einer Warenähnlichkeit auszugehen sei. So würden die erstgenannten Waren der Klasse 3 benötigt, um den Untergrund für den Auftrag der Waren der Klasse 2 vorzubereiten und die Oberflächen von Verunreinigungen zu befreien. Die beiderseitigen Waren ergänzten sich daher funktionell. Dementsprechend würden sie auch von gemeinsamen Herstellern angeboten, wofür die Widersprechende verschiedene Beispiele nennt. Im Übrigen zeige die einleitende Bezeichnung "nanotechnologische Erzeugnisse zum Versiegeln und Veredeln" bei den Waren der Klasse 3 der jüngeren Marke die gemeinsame Zweckbestimmung der beiderseitigen Waren.

Die Widersprechende macht eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke geltend. Dazu hat sie im Verfahren vor der Markenstelle für das Jahr 2005 einen Jahresumsatz mit Rostschutzmitteln in Höhe von ... € vorgetragen. Außerdem hat sie im Beschwerdeverfahren eine eidesstattliche Versicherung ihres Vorstandsmitglied D... vorgelegt, nach der sie in den Jahren 1998 bis 2003 mit Baufarben, die mit der Marke "Delta" gekennzeichnet seien, Umsätze in Höhe von insgesamt ... € erzielt habe.

Nach Auffassung der Widersprechenden werde der Gesamteindruck der angegriffenen Marke vom Wort "Delta" geprägt, wobei eine Verbindung bzw. Verschränkung der Bestandteile "Delta" und "Clear" der angegriffenen Marke eben nicht vorliege. Im Hinblick auf die hervorhebende Gestaltung des Begriffs "DELTA" in Versalien und Fettdruck sei es im Gegensatz zur Gestaltung des Wortes "Clear" in kursiver Schrift offensichtlich, dass der Bestandteil "Clear" in der Wahrnehmung in den Hintergrund trete und sich durch die Rechtsneigung optisch von "DELTA" entferne, sich damit also gerade nicht verbinde. Weiter werde die dominierende Wirkung von "DELTA" durch die eingesetzten Farben unterstrichen. Zudem weise der Begriff "Clear" gerade für Beschichtungen auf Transparenz hin, so dass er beschreibender Natur sei. Somit werde er vom Verkehr weniger beachtet werden und trete derart hinter dem prägenden Bestandteil "DELTA" zurück, dass er für den Gesamteindruck vernachlässigt werden könne. Folglich liege zumindest eine klangliche Verwechslungsgefahr nach dem Gesamteindruck vor.

Im Übrigen bestehe auch eine assoziative Verwechslungsgefahr. Die Widersprechende benutze eine Zeichenserie mit dem Bestandteil "Delta". Neben der Widerspruchsmarke würden auch die Kennzeichnungen "DELTA FUTURA" und "DELTA PROFESSIONAL" von einem Tochterunternehmen für Farben, Lacke, Grundierungen, Firnisse, Lackund Ölfarben, Harze, Beizen und Holzschutzmittel benutzt. Hierzu legt die Widersprechende neben der o. g. eidesstattlichen Versicherung ihres Vorstandsmitglieds D... umfangreiches Werbematerial vor.

Somit bestehe zumindest eine mittelbare Verwechslungsgefahr, da die angegriffene Marke aufgrund des prägenden Bestandteils "Delta" mit dem Unternehmen der Widersprechenden in Verbindung gebracht werde.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß, die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 1 des Deutschen Patentund Markenamts vom 27. September 2005 und 14. Januar 2008 im Umfang der Zurückweisung des Widerspruchs aufzuheben und die Marke 303 12 675 wegen des Widerspruchs aus der Marke EM 191 551 vollumfänglich zu löschen.

Der Inhaber der angegriffenen Marke hat sich auf die ihm zugestellte Beschwerde und die Beschwerdebegründung nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II 1. Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist begründet. Zwischen den Marken besteht auch über den von der Markenstelle festgestellten Umfang hinaus die Gefahr von Verwechslungen i. S. d. §§ 9 Abs. 2 Nr. 1, 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn die Öffentlichkeit glauben könnte, dass die entsprechend gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen aus demselben Unternehmen oder gegebenenfalls aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen stammen. Das Vorliegen von Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der betreffenden Marken im Bild, Klang oder in der Bedeutung auf den Gesamteindruck abzustellen, den die Marken hervorrufen, wobei insbesondere die kennzeichnungskräftigen und dominierenden Elemente zu berücksichtigen sind. Für die umfassende Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es entscheidend darauf an, wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher dieser Waren oder Dienstleistungen wirkt (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042, Rdn. 28 -THOMSON LIFE; GRUR 2008, 343, Nr. 33 -Il Ponte Finanziaria Spa/HABM ("BAINBRIDGE"), jew. m. w. N.).

Insbesondere bestimmt sich die Verwechslungsgefahr anhand einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Waren-/Dienstleistungsidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren/Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2001, 544, 545 -BANK 24 m. w. N.; GRUR 2002, 1067 -DKV/OKV; GRUR 2003, 963 -AntiVir/AntiVirus).

a) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke wird vom Senat zugunsten des Inhabers der angegriffenen Marke als durchschnittlich zugrunde gelegt. Zwar hat die Widersprechende eine erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke geltend gemacht, und diesen Vortrag für den Bereich der Farben mit einem Gesamtumsatz in Höhe von ... € für die Jahre 1998 bis 2003 substantiiert, woraus sich ein durchschnittlicher Jahresumsatz in Höhe von knapp .... € ergibt. Dieser Vortrag ist zwar, ebenso wie das gesamte weitere Tatsachenvorbringen der Widersprechenden, unwidersprochen geblieben und damit als liquide zugrunde zu legen, es können allerdings zum einen Zweifel bestehen, ob die Substantiierung mit den genannten Umsatzzahlen die Zugrundelegung einer erhöhten Kennzeichnungskraft rechtfertigt, insbesondere wenn man sie mit den (aus allgemein zugänglichen Quellen entnehmbaren) Umsätzen bekannter Farbenhersteller bzw. -marken vergleicht, zum anderen muss eine etwaige gesteigerte Kennzeichnungskraft auch noch zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch bestehen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9, Rdn. 147), so dass die Aktualität des Widersprechendenvortrags zweifelhaft erscheint. Dies gilt ähnlich für die Verwendung der Widerspruchsmarke für Rostschutzmittel und den dazu vorgetragenen Umsatz des Jahres 2005. Diesen Fragen brauchte hier allerdings nicht weiter nachgegangen zu werden, denn selbst wenn man zugunsten des Markeninhabers von einer nur durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgeht, so ist dennoch eine Verwechslungsgefahr festzustellen.

b) Die sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen liegen teilweise im Identitätsbereich, im Übrigen im Bereich einer zumindest mittleren Ähnlichkeit.

Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbesondere deren Art, Verwendungszweck und Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistungen (EuGH GRUR Int. 1998, 875, 876 f. -Canon; GRUR Int. 1999, 734 -Lloyds/Loint«s; BGH GRUR 1999, 731 -Canon II; WRP 1998, 747, 749 -GARIBALDI; WRP 2000, 1152,1153 -PAPPAGALLO; WRP 2001, 694, 695 -EVIAN/REVIAN). Auch die maßgeblichen wirtschaftlichen Zusammenhänge, wie Herstellungsstätten und Vertriebswege, stoffliche Beschaffenheit und Zweckbestimmung oder Verwendungsweise sind relevante Gesichtspunkte.

Die für die jüngere Marke eingetragenen und noch streitgegenständlichen Waren der Klasse 1, nämlich "chemische Erzeugnisse für wissenschaftliche, fotografische Zwecke, auch für Endkunden" sind mit den für die Widerspruchsmarke eingetragenen Waren "chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke" hochgradig ähnlich, teilweise sogar identisch. Denn viele Chemikalien, insbesondere solche für Analyse-, Prüf-, Konservierungsund optische Zwecke, sind sowohl gewerblich als auch wissenschaftlich oder fotografisch nutzbar und werden auch von gleichen Herstellern produziert.

Außerdem sind die für die jüngere Marke eingetragenen Waren "nanotechnologische Erzeugnisse zum Versiegeln und Veredeln, nämlich Farben, Lacke, Holzkonservierungsmittel und Rostschutzmittel" identisch mit den für die Widerspruchsmarke geschützten Waren "Farben, Lacke, Holzschutzmittel, Rostschutzmittel". Bei den Waren der jüngeren Marke handelt es sich gemäß der mit dem Wort "nämlich" eingeleiteten Eingrenzung nur um solche nanotechnologischen Erzeugnisse zum Versiegeln und Veredeln, die zugleich Farben, Lacke, Holzkonservierungsmittel und Rostschutzmittel sind. Damit werden sie vollumfänglich von den für die Widerspruchsmarke geschützten Oberbegriffen erfasst, so dass Warenidentität besteht.

Weiter sind die für die angegriffene Marke eingetragenen "nanotechnologischen Erzeugnisse zum Versiegeln und Veredeln, nämlich Waschund Bleichmittel, Putz-, Polier-, Fettentfernungsund Schleifmittel" zumindest mittelgradig ähnlich mit den für die Widersprechende geschützten Farben, Lacken, Grundierungen, Firnissen, Holzschutzmitteln, korrosionshemmenden Beschichtungsmaterialien und Rostschutzmitteln. Die beiderseitigen Waren werden in funktionellem Zusammenhang verwendet, wobei die genannten Waren der jüngeren Marke häufig die Anwendung von Farben und Lacken vorbereiten oder die Anwendung von Holzschutzund Rostschutzmitteln ergänzen. Die beiderseitigen Waren haben daher Berührungspunkte bei ihrer Anwendung und ihren Zwecken in der Oberflächenbearbeitung, insbesondere -beschichtung. Zudem werden Reiniger und Verdünner häufig unter der gleichen Kennzeichnung in das Produktsortiment von Farben und Lacken aufgenommen und treten als aufeinander abgestimmte Produkte auf dem Markt auf.

c) Die angegriffene Marke hält den insoweit erforderlichen deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke nicht ein.

Zwar sind die Marken schon aufgrund ihrer unterschiedlichen Wortlänge deutlich unterscheidbar, wenn man sie in ihrer Gesamtheit vergleicht. Dennoch besteht eine Verwechslungsgefahr, da der Gesamteindruck der angegriffenen Marke entgegen der Auffassung der Markenstelle vom ersten Markenbestandteil geprägt wird. Dieser erste Bestandteil wird vom Verkehr zwanglos als "DELTA" gesprochen und verstanden. Hierfür spricht bereits, dass die ersten Buchstaben "DELT" die Bezeichnung des griechischen Buchstabens Delta nahezu vollständig wiedergeben, so dass es für den Verkehrsteilnehmer nur einer geringfügigen Vervollständigung bedarf, um zu diesem Begriff zu gelangen. Hinzu kommt, dass das nachfolgende dreieckige Gebilde nicht nur das Symbol des griechischen Buchstabens Delta verkörpert, sondern zugleich auch den wesentlichen Umriss bzw. die Grundform des lateinischen Buchstabens "A" enthält. Der aus der Werbung an wesentlich komplexere grafische Schriftgestaltungen gewöhnte Verkehr wird daher zwanglos zur Bezeichnung "DELTA" gelangen.

Dieser Bestandteil, der mit der Widerspruchsmarke klanglich und (als Bezeichnung eines griechischen Buchstabens und zugleich eines mathematischwissenschaftlichen Symbols) auch begrifflich identisch ist, prägt den Gesamteindruck der jüngeren Marke. Zwar ist von der registrierten Form der Marken auszugehen, wobei es grundsätzlich nicht zulässig ist, aus der angegriffenen Marke ein Element herauszugreifen und dessen Übereinstimmung mit der Widerspruchsmarke festzustellen. Dies zwingt indessen nicht dazu, die Marken stets in allen jeweiligen Merkmalen zu vergleichen. Vielmehr kann auch ein Markenbestandteil eine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung haben, etwa wenn er den Gesamteindruck der mehrgliedrigen Marke prägt, indem er eine eigenständige kennzeichnende Funktion aufweist und die übrigen Markenteile für den Verkehr in einer Weise zurücktreten, dass sie für den Gesamteindruck vernachlässigt werden können (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 9, Rdn. 274, 278 m. w. N.).

Eine Verwechslungsgefahr nach dem Gesamteindruck kommt auch in Betracht, wenn ein in die jüngere Marke übernommener gemeinsamer Bestandteil darin, ohne den dominierenden Bestandteil zu bilden, eine selbständig kennzeichnende Stellung aufweist (EuGH GRUR 2005, 1042, 1044, Rdn. 30 -THOMSON LIFE, Ströbele/Hacker, a. a. O., Rdn. 275).

Nach diesen Grundsätzen wird der Gesamteindruck der angegriffenen Marke vorliegend von ihrem ersten Bestandteil "DELTA" geprägt. Hierfür spricht vor allem der Unterschied in der Kennzeichnungskraft der beiden Markenelemente "DELTA" und "Clear". Während das Wort "DELTA" mangels anderweitiger Anhaltspunkte über eine durchschnittliche Kennzeichnungskraft verfügt, weist der nachgestellte Zusatz "Clear" auf Klarheit, Transparenz und/oder Sauberkeit hin. Damit ist er im Bereich der hier relevanten Chemikalien, Farben, Beschichtungsmittel und Oberflächenbehandlungsmittel glatt beschreibend und tritt völlig hinter den ersten Bestandteil zurück. Dies wird auch durch die optische Gestaltung der angegriffenen Marke betont, in der "DELTA" nach seiner Stellung als erster Markenbestandteil sowie durch die Fettschreibung und durchgängige Großschreibung eine besondere Betonung erhält, während der angehängte Bestandteil "Clear" dünn, kursiv und bis auf den ersten Buchstaben klein geschrieben ist. Eine zusätzliche grafische Betonung erhält "DELTA" durch die optischbegriffliche Wiederholung in Form der Darstellung des Schlussbuchstabens "A" als Symbol des entsprechenden griechischen Buchstabens.

Demgegenüber kann die optische Verknüpfung des Schlussbuchstabens "A" von "DELTA" und des Anfangsbuchstabens von "C" von "Clear" nicht gegen die Prägung sprechen, da die Buchstaben zwar ineinander verschränkt, jedoch grafisch völlig unterschiedlich ausgestaltet sind. Sie gehören erkennbar unterschiedlichen Markenbestandteilen an. Auch die von der Markenstelle angeführte gemeinsame wellenförmige Unterlinierung vermag der o. g. Prägungswirkung nicht entscheidend entgegen zu wirken. Sie ist nur ein untergeordnetes unterstreichendes Element und zudem an der Stelle unterbrochen, an dem die Grenze zwischen den beiden Markenbestandteilen verläuft. Im Übrigen bilden die beiden Bestandteile "DELTA" und "Clear" auch keinen Gesamtbegriff oder auch nur ein erkennbar zusammengeschriebenes Wort, was noch gegen eine Prägungswirkung sprechen könnte. Aus der Bedeutung von "Clear", seiner Stellung in der Gesamtmarke und aus der unterschiedlichen Schreibweise folgt vielmehr, dass es sich dabei um einen angehängten bloßen Zusatz handelt.

Dementsprechend ist angesichts der klanglichen (und begrifflichen) Übereinstimmung der Marken in ihren prägenden Bestandteilen, der durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und der zumindest mittelgradigen Ähnlichkeit der Waren eine Verwechslungsgefahr festzustellen, so dass die angegriffenen Beschlüsse im Umfang der Zurückweisung des Widerspruchs aufzuheben und die vollständige Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen war. Auf die Frage, ob (auch) eine assoziative Verwechslungsgefahr besteht, zu deren Bejahung der Senat neigt, kommt es nicht mehr an.

2. Bei der gegebenen Sachund Rechtslage besteht kein Anlass, aus Gründen der Billigkeit einem der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens gemäß § 71 Abs 1 MarkenG aufzuerlegen.

Bender Knoll Kätker Cl






BPatG:
Beschluss v. 29.09.2009
Az: 33 W (pat) 23/08


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